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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.05.2004
Aktenzeichen: 1 Bs 122/04
Rechtsgebiete: SOG


Vorschriften:

SOG § 14
Von Werkzeugen und Gerätschaften, die gewerbsmäßig und nicht nur gelegentlich im Zusammenhang mit Kfz-Reparaturen genutzt werden, um Kilometerzähler in Kraftfahrzeugen zurückzustellen, geht eine unmittelbare Gefahr aus, dass sie zur Beihilfe für betrügerische Handlungen genutzt werden. Das rechtfertigt ihre Sicherstellung gemäß § 14 SOG durch die Polizei.
1 Bs 122/04

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld, Dr. Meffert und E.-O. Schulz am 14. Mai 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Der Antragsteller meldete 1994 ein Gewerbe "Einzelhandel mit Waren aller Art, insbesondere mit Autozubehör und Öko-Filtersystemen, ausgenommen erlaubnispflichtige Waren" an. Nach einer anonymen Anzeige, der Antragsteller leiste durch Rückstellungen der Kilometerzähler von Kraftfahrzeugen Beihilfe zum Betrug und fälsche Sevice- und Scheckhefte von PKW beschlagnahmte die Polizei Hamburg im Juni 2002 u.a. Werkzeug und spezielle elektronische Geräte, Programme und Anleitungen , mit denen sich digitale Sevice- und Kilometeranzeigen in PKW verändern lassen, 11 Sevice-Hefte von BMW, Audi, VW sowie Stempel von Autohäusern der Marken BMW, Mercedes-Benz, Opel, und VAG. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wurde im März 2003 eingestellt. Mit Bescheid vom 28. August 2003 ordnete die Antragsgegnerin (Polizei) daraufhin gemäß § 14 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) die Sicherstellung und anschließende Vernichtung bzw. Verwertung der Gegenstände an. Außerdem erklärte sie den Bescheid für sofort vollziehbar. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Wiederspruches lehnte das Verwaltungsgericht Hamburg ab.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsteller hat in der Sache keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Beschwerdegerichts gemäß §§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO beschränkt, führen zu keinem anderen Ergebnis. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin rechtmäßig ist und ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung eine unmittelbare weitere Gefährdung der öffentlichen Ordnung besteht.

Der Senat vermag die Ansicht des Antragstellers nicht zu teilen, dass die sichergestellten Gegenstände von ihm nicht zu Straftaten benutzt würden. Zwar stellt, worauf er mit Recht hinweist, die Veränderung des Kilometerstandes bei Kilometerzählern von Kraftfahrzeugen keine Fälschung technischer Aufzeichnungen gemäß § 268 StGB dar. Aus der Art und den Umständen, unter denen der Antragsteller seine Dienste zur Änderung des Kilometerstandes an PKW anbietet, ist aber auf eine unmittelbar bevorstehende Gefahr einer Beihilfe zum Betrug durch den Antragsteller zu schließen.

Er betreibt die Einstellung von Kilometerzählern, wie sein Verhalten gegenüber der Polizei zeigt, auf öffentlicher Straße ohne weitere Nachfrage gegenüber dem Auftraggeber. Nach seinem Vortrag war er auch bereit, einen Auftrag auszuführen, den Kilometerzähler einer Luxuslimousine, die zum Export bestimmt im Hamburger Hafen stand, "auf ca. 59.800 km herabzusetzen". Angesichts diese Verhaltens des Antragstellers ist bereits fraglich, ob die von ihm betriebene Reduzierung des Kilometerstandes von PKW überhaupt eine berufstypische, strafrechtlich grundsätzlich neutrale Handlung darstellt. Seine Tätigkeit erfolgt nicht nur gelegentlich und im Zusammenhang mit Kfz-Reparaturen. Er hat dargelegt, dass er dafür erforderliche Werkzeug und Geräte zum Preise von monatlich 1.000,- Euro angemietet hat, was auf Dauer geeignet sei, seine wirtschaftliche Existenz in Frage zu stellen. Angesichts eines dargelegten Preises von 75,- Euro je Reduzierung des Kilometerstandes ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller monatlich eine Vielzahl von "Kunden" bedient. Für diese "Kunden" ergibt die technisch nicht notwendige, für den optischen und technischen Zustand ihres Fahrzeuges unerhebliche Reduzierung des Kilometerstandes gegen Bezahlung eines nicht nur geringfügigen Betrages nur dann einen (wirtschaftlichen) Sinn, wenn dadurch Dritte hinsichtlich der wahren Laufleistung des Fahrzeuges durch den veränderten Kilometerstand getäuscht werden sollen und der "Kunde" dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt. Mit anderen Worten erscheint eine Reduzierung des Kilometerstandes nur dann überhaupt als sinnvoll, wenn damit ein Betrug vorbereitet werden soll. Von einer berufstypischen "neutralen" Tätigkeit gewerbsmäßiger Reduzierung von Kilometerständen in Kraftfahrzeugen kann daher schwerlich die Rede sein. Unabhängig davon wird diese Tätigkeit des Antragstellers auch als Beihilfehandlung zu einem Betrug zu werten sein, weil er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein lässt (vgl. zur Abgrenzung BGH, Beschl. v. 20.9.1999, NStZ 2000, S. 34). Die Förderungsabsicht betrügerischen Handels seiner "Kunden" durch den Antragsteller wird auch dadurch deutlich, dass er diverse Servicehefte, -aufkleber und Stempel für verschiedener Automarken bei sich führt und gegenüber dem als "Kunden" auftretenden Polizeibeamten erklärte, dass er für den Fahrzeugtyp kein Serviceheft habe. Auch wenn man davon ausgeht, das der Antragsteller dieses Material nicht selbst zur Herstellung gefälschter Urkunden benutzen wollte, sondern es bei Bedarf an "Kunden" veräußern wollte, wird doch deutlich, dass ihm die auf Betrug gerichtete Intention einer Reduzierung des Kilometerstandes bei Kraftfahrzeugen nicht nur offenbar war, sondern er der Vorbereitung der darauf fußenden Betrugshandlungen durch Reduzierung der Kilometeranzeige und Hergabe von Material zur Herstellung oder Verfälschung von Serviceurkunden weiteren Vorschub zu leisten bereit war.

Auch wenn der Antragsteller mangels überführter Haupttäter - noch - nicht bestraft worden ist, steht damit doch außer Zweifel, dass die bei ihm sichergestellten Gegenstände seiner Beihilfe zu betrügerischen Straftaten und damit zu einem unmittelbar bevorstehenden Verstoß gegen die öffentlich Sicherheit und Ordnung dienen sollen. Denn der Antragsteller will nach einer Herausgabe der Gegenstände durch die Antragsgegnerin damit unverändert seine Tätigkeiten fortführen.

Bei dieser Sachlage ist die sofortige Vollziehung der Sicherstellungsanordnung geboten, um weitere Verstöße des Antragstellers gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu wirksam verhindern.

III.

Die Nebenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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