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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.09.2007
Aktenzeichen: 1 Bs 128/07
Rechtsgebiete: TierschG


Vorschriften:

TierschG § 9 Abs. 2 Nr. 7
TierschG § 11 a Abs. 4 Satz 2
1.) Zu den Voraussetzungen für die Erteilung einer Importgenehmigung gemäß § 11 a Abs. 4 Satz 2 TierSchG für aus der Natur entnommene Tiere, die Tierversuchen dienen sollen (hier: Krallenfrösche aus Chile), gehört nicht, dass der Importeur konkret bezeichnete Abnehmer hat, die ihrerseits für die Tierversuche über die erforderliche Ausnahmegenehmigung gem. § 9 Abs. 2 Nr. 7 TierSchG verfügen.

2.) § 9 Abs. 2 Nr. 7 TierSchG beschränkt Forschung nicht auf gezüchtete Versuchstiere. Erforderlich i.S. des § 9 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 TierSchG ist die Verwendung von Tieren anderer Herkunft, wenn ein konkretes Forschungsvorhaben ohne die Verwendung von Tieren anderer Herkunft nicht so, nicht mit der Qualität oder nur mit signifikant zusätzlichem Aufwand, insbesondere zusätzlichem Verbrauch von Versuchstieren, möglich ist.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

1 Bs 128/07

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Schulz, Engelhardt und Dr. Kränz am 7. September 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 4. Mai 2007 geändert.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller eine vorläufige Genehmigung für die Einfuhr von 3.500 Krallenfröschen aus Chile, die dort aus der Natur entnommen wurden, zur Verwendung für Versuchszwecke zu erteilen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller führt seit Jahren mit den erforderlichen Genehmigungen der Antragsgegnerin Krallenfrösche zur Verwendung als Versuchstiere aus Chile ein und verkauft sie an Forschungseinrichtungen in Deutschland und im europäischen Ausland. In Chile werden die Tiere, die aus Südafrika eingeschleppt worden sind und als Plage angesehen werden, der Natur entnommen. Den Antrag auf Erteilung einer erneuten Genehmigung zur Einfuhr von 3.500 derartigen Krallenfröschen als Versuchstiere lehnt die Antragsgegnerin ab. Der Widerspruch wurde im Laufe des Eilverfahrens zurückgewiesen. Über die Klage ist noch nicht entschieden.

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgelehnt. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass er in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet sei, wenn er die Entscheidung über seinen Widerspruch abwarten müsse.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache Erfolg.

1.) Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass er den Import von Krallenfröschen aus Chile zur Verwendung als Versuchstiere seit Jahren gewerblich betreibt und von den damit erzielten Einkünften seinen Lebensunterhalt bestreitet. Es liegt bei dieser Sachlage auf der Hand, dass ein Zuwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache dazu führte, dass die Gewerbeausübung für Jahre unmöglich ist und der Antragsteller seinen Lebensunterhalt anderweitig sichern müsste. Ein Grund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist daher gegeben.

2.) Der Antragsteller hat mit dem für eine Vorwegnahme der Hauptsache gebotenen hohen Maß an Wahrscheinlichkeit die Tatsachen glaubhaft gemacht, aufgrund derer er erfolgreich einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung gemäß § 11a Abs. 4 Satz 2 TierSchG geltend machen kann. Nach dieser Vorschrift ist die Genehmigung zur Einfuhr von Wirbeltieren als Versuchstiere aus Drittländern zu erteilen, wenn nachgewiesen wird, dass die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 7 TierSchG erfüllt sind. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 7 TierSchG dürfen Wirbeltiere, mit Ausnahme besonders aufgezählter, für Tierversuche nur verwendet werden, wenn sie für einen solchen Zweck gezüchtet worden sind. Ausnahmen hiervon können nach Satz 2 der Vorschrift zugelassen werden, wenn für Versuchszwecke gezüchtete Tiere der betreffenden Art nicht zur Verfügung stehen oder der Zweck des Tierversuchs die Verwendung von Tieren anderer Herkunft erforderlich macht.

a) Die Vorschrift des § 11 a Abs. 4 Satz 2 TierSchG ist nach den insoweit eindeutigen Wortlaut des Verweise auf die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 7 TierSchG dahingehend zu verstehen, dass Voraussetzung für die Erteilung einer Importgenehmigung für Versuchstiere entweder deren Zucht zum Zweck von Tierversuchen ist, oder dass derartige Tiere der betreffenden Art nicht zur Verfügung stehen oder dass der Zweck des Tierversuchs die Verwendung von Tieren anderer Herkunft erforderlich macht. Letztere, hier allein im Streit befindliche Variante erfordert nicht den Nachweis, dass nur mit Tieren anderer Herkunft der fraglichen Art Tierversuche unternommen werden können. Nach dem Wortlaut und dem Zweck der Vorschrift, Tierversuche vornehmlich auf dafür gezüchtete Tiere zu beschränken, bedeutet das nicht eine Beschränkung der Versuchszwecke auf die Möglichkeiten, die sich bei der Verwendung von Versuchstieren ergeben. Nicht die Beschränkung der Forschung auf eine solche mit gezüchteten Versuchstieren ist Gegenstand der Regelung, sondern es soll vermieden werden, dass für Forschung, die genauso mit gezüchteten Versuchstieren durchgeführt werden kann, auf Tiere anderer Herkunft zurückgegriffen wird. Ist für die Durchführung und den Erfolg eines Forschungsvorhabens die Verwendung von Tieren anderer Herkunft erforderlich, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt. Erforderlich bedeutet dabei, dass das konkrete Forschungsvorhaben ohne die Verwendung von Tieren anderer Herkunft nicht so, nicht mit der Qualität oder nur mit signifikant zusätzlichem Aufwand, insbesondere dem zusätzlichen Verbrauch an Versuchstieren möglich wäre.

b) Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass die so verstandenen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 7 TierSchG vorliegen. Er hat durch Nachweis von Bezugsquellen glaubhaft gemacht, dass die zu Versuchszwecken gezüchteten Krallenfrösche nur in einer Größe von bis zu 10 cm zur Verfügung stehen. Die Antragsgegnerin hat ihre gegenteilige Behauptung trotz der Aufforderung zum Nachweis nicht verifiziert. Der Antragsteller hat darüber hinaus durch Erklärungen mehrerer seiner Abnehmer glaubhaft gemacht, dass für deren Forschungszwecke Krallenfrösche mit einer Länge von über 10 cm erforderlich sind. Wenn die Antragsgegnerin demgegenüber darauf abstellt, dass sowohl Forscher in Hamburg als auch in Berlin für ihre Forschungen nur zu Versuchszwecken gezüchtete Krallenfrösche, die kleiner als 10 cm und damit kleiner als Wildfänge sind, benötigen, ist damit nicht in Zweifel gezogen, dass anderorts Forscher für ihre konkrete Forschung Krallenfrösche mit einer Größe von über 10 cm aus Wildfängen benötigen und damit deren Verwendung als Versuchstier erforderlich ist. Ob die betreffenden Forscher, wie die Antragsgegnerin geltend macht, für ihre Forschung nicht über die gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 7 TierSchG erforderliche Ausnahmegenehmigung verfügen, ist im Rahmen der Entscheidung über die Importerlaubnis ohne Belang. Denn für die Erteilung der Importgenehmigung ist nicht erforderlich, dass der Importeur über konkret bezeichnete Abnehmer verfügt, die ihrerseits über entsprechende Ausnahmegenehmigungen nach § 9 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 TierSchG verfügen. § 11 a Abs. 4 Satz 2 TierSchG verweist unmissverständlich nur auf die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 TierSchG, nicht aber auf dessen Rechtsfolgeseite, die im Ermessen der zuständigen Behörde stehende Ausnahmegenehmigung, die erteilt werden kann, soweit dies mit dem Schutz der Tiere vereinbar ist. Es bedarf auch keines Nachweises, dass es für Tierversuche mit Krallenfröschen ausschließlich oder überwiegend erforderlich ist, größere Tiere aus Wildfängen zu verwenden. Denn auch wenn solche nur für spezielle Forschungsvorhaben benötigt werden, in der Regel also für die Forschung Tiere, die für Versuchszwecke gezüchtet sind, hinreichen, ist damit der Import von Tieren anderer Herkunft für derartige spezielle Forschungszwecke erforderlich und damit gemäß § 11 a Abs. 4 Satz 2 TierSchG zu genehmigen.

c) Der Antragsteller hat auch glaubhaft gemacht, dass er die Genehmigung in dem begehrten Umfang benötigt. Er hat unbestritten in der Vergangenheit von der Antragsgegnerin in diesem Umfang jährlich erteilte Genehmigungen in der Art ausgenutzt, dass er Einfuhren jeweils in dem Umfang durchgeführt hat, wie er seinerseits die Frösche zu Versuchszwecken an Forschungseinrichtungen weiterveräußern konnte. Die Antragsgegnerin hat nichts dafür vorgetragen, dass der Antragsteller für die Dauer der gerichtlichen Auseinandersetzungen derart geringere Absatzchancen für die importierten Krallenfrösche als bisher hat, dass aus diesem Grund nur eine Genehmigung in geringerem Umfang erteilt werden dürfte.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG. Bei der Bemessung des Streitwertes hat sich der Senat von der Überlegung leiten lassen, dass bei ersichtlich schwankendem Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der 2005 ca. 12.000,-- Euro, 2006 ca. 25.000,-- Euro betrug, das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers mit dem bei einer Gewerbeuntersagung vergleichbar ist. In diesen Fällen bemisst der Senat in Anlehnung an Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit aus dem Jahre 2004 (DVBl. 2004, 1525) den Streitwert mit 15.000,-- Euro. Wegen der Vorwegnahme der Hauptsache ist eine Reduzierung des Streitwertes nicht angezeigt.

Ende der Entscheidung

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