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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 31.10.2002
Aktenzeichen: 1 Bs 135/02
Rechtsgebiete: VwGO, AuslG, GKG


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
VwGO § 154 Abs. 2
AuslG § 8 Abs. 1 Nr. 1
AuslG § 9 Abs. 1 Nr. 1
AuslG § 30 Abs. 3
AuslG § 8 Abs. 1
AuslG § 30 Abs. 4
AuslG § 21 Abs. 1
GKG § 20 Abs. 3
GKG § 13 Abs. 1 Satz 2
Für die Prüfung der Begründetheit einer Beschwerde sind ab 1. Januar 2002 nur die fristgerecht innerhalb der Beschwerdefrist dargelegten Gründe zu berücksichtigen.
HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

1 Bs 135/02

1. Senat

Beschluß vom 31. Oktober 2002

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld, Dr. Raecke und E.-O. Schulz am 31. Oktober 2002 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 18. April 2002 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Streitwert von 2000,- Euro.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht vorläufigen Rechtsschutz für das Begehren der iranischen Antragstellerinnen versagt, mit dem diese ein vorläufiges Bleiberecht in der Bundesrepublik erreichen wollen. Die mit der Beschwerde innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, führen zu keinem anderen Ergebnis. Ein vorläufiges Bleiberecht ergibt sich weder aus der Mit-Übertragung des Sorgerechts für die minderjährige Antragstellerin zu 2) auf deren asylberechtigten Vater, den geschiedenen Ehemann der Antragstellerin zu 1), durch das Familiengericht noch aus dem Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 2).

Ohne Erfolg wird mit der Beschwerde geltend gemacht, dass die "familiäre Gemeinschaft" der Antragstellerinnen mit dem asylberechtigten Vater der Antragstellerin zu 2) unter dem Schutz des Art. 6 GG stehe und der angefochtene Beschluss insoweit nicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere im Beschluss vom 30. Januar 2001 (InfAuslR 2002 S. 171) gerecht werde. Einem hierauf gestützten Aufenthaltsbegehren steht die - unstreitige - illegale Einreise der Antragstellerinnen und damit der besondere Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG entgegen. Von der Sperrwirkung dieser Vorschrift kann hier auch nicht ausnahmsweise nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG abgesehen werden. Denn die Antragstellerinnen haben keinen offensichtlichen (strikten) Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach dem Ausländergesetz, und sie sind außerdem auch nicht nur wegen des Zwecks oder der Dauer des beabsichtigten Aufenthalts visumspflichtig, sondern wegen ihrer - iranischen - Staatsangehörigkeit.

Die im Ermessen der Antragsgegnerin liegende Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 oder 4 AuslG, die auch abweichend von § 8 Abs. 1 AuslG erfolgen kann, ist von der Antragsgegnerin durch Verfügung vom 19. August 2002 abgelehnt worden, ohne dass insoweit Rechtsfehler ersichtlich wären. § 30 Abs. 4 AuslG scheidet schon deshalb aus, weil die Antragstellerinnen keine Duldung besitzen. Auch die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 AuslG - Vorliegen eines Abschiebungshindernisses, das der Ausländer nicht zu vertreten hat - dürften hier nicht gegeben sein. Allerdings wird in der Rechtsprechung ein derartiges Abschiebungshindernis dann anerkannt, wenn familiäre Beziehungen zwischen einem Ausländer und seinem Kind bestehen, insbesondere bei einer Lebens- und Erziehungsgemeinschaft, die es als unzumutbar erscheinen lassen, sie durch eine Ausreise zu unterbrechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.1997, InfAuslR 1998 S. 213, 214, m.w.N.). In diesen Fällen soll auch ein Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen hinter dem Schutzzweck des Art. 6 Abs. 1 GG zurücktreten (BVerfG, Beschl. v. 30.1.2001, InfAuslR 2002 S. 171, 173). Maßgebend ist insofern die Intensität der familiären Beziehungen im einzelnen Fall, wobei eine schematische Einordnung zu vermeiden ist (BVerfG, a.a.O.; BVerwG, a.a.O., S. 215).

Hieran gemessen dürfte die Versagung eines Aufenthaltsrechts und die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hier unbedenklich sein. Nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerinnen besteht zwischen der Antragstellerin zu 2) und ihrem Vater nicht nur keine familiäre Gemeinschaft, sondern es ist bisher auch erst "recht selten" zu persönlichen Kontakten gekommen (Schriftsatz vom 15.10.2002). Dementsprechend heißt es auch im ärztlichen Bericht vom 27. August 2001, die Antragstellerin zu 2) habe "wenig Kontakt" zum Kindsvater. Die sich daraus ergebende sehr geringe Intensität der familiären Beziehungen wird nicht dadurch wettgemacht, dass das Familiengericht inzwischen auf Antrag der Eltern durch Beschluss vom 12. April 2002 diesen das gemeinsame Sorgerecht über die Antragstellerin zu 2) übertragen hat. Denn es spricht vieles dafür, dass dieser Antrag hauptsächlich - wenn nicht ausschließlich - zu dem Zweck gestellt worden ist, den Antragstellerinnen eine bessere aufenthaltsrechtliche Position zu verschaffen. Hierauf deutet einmal die frühere Erklärung der Antragstellerin zu 1) in ihrem Schreiben vom 22. Juni 2000 an die Antragsgegnerin hin (Sachakte Bl. 113), sie habe sich 1996 von ihrem Mann scheiden lassen, weil dieser sie misshandelt und sie und ihre Tochter immer wieder schikaniert habe; ein Kontakt zu diesem sei ihnen nicht zumutbar. Die Begründung des familiengerichtlichen Beschlusses ("Außerdem hat die Mutter die Hoffnung, dass sie so bessere Aussichten für ein Verbleiben in Deutschland hat") lässt ebenfalls deutlich erkennen, dass für die Stellung des Antrages - zumindest auch - ausländerrechtliche Motive maßgebend waren.

Aus dem von den Antragstellerinnen angeführten Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Mai 2002 (4 Bs 74/02) lässt sich ebenfalls nichts zu ihren Gunsten herleiten. Auch wenn Art. 3 Abs. 3 GG in den Vorschriften der § 31 Abs. 2 Satz 1 und § 21 Abs. 1 AuslG eine Gleichbehandlung des Vaters mit der Mutter gebieten sollte, würde es hier an weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch fehlen, nämlich der Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen der Antragstellerin zu 2) und ihrem Vater. Diese ist auch im Rahmen des § 21 Abs. 1 AuslG wegen Abs. 1 Satz 2 i.V. mit § 17 AuslG erforderlich.

Ein zwingendes Abschiebungshindernis, das trotz der illegalen Einreise ein vorläufiges Bleiberecht begründen könnte, lässt sich - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - auch nicht aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 2) ableiten. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ergibt der ärztliche Bericht von ........................................ vom 27. August 2001 keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass eine Abschiebung in den Iran für die Antragstellerin zu 2) beachtlich wahrscheinlich eine wesentliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes zur Folge hätte. Insbesondere lässt sich dem Bericht nicht entnehmen, dass ohne die darin empfohlene Fortsetzung der krankengymnastischen Behandlung (die offenbar erst nach längerer Unterbrechung im Sommer 2001 wieder aufgenommen worden ist) eine derartige gravierende gesundheitliche Beeinträchtigung bei der Antragstellerin zu 2) eintreten würde. Die Beschwerde setzt sich außerdem nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur medizinischen Versorgungslage im Iran auseinander, wonach eine krankengymnastische Behandlung auch dort als möglich erscheint. Soweit in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem ärztlichen Bericht von ......... auf weitere Behinderungen der Antragstellerin zu 2) verwiesen wird, fehlt es an einer Darlegung, inwiefern diese behandlungsbedürftig sind. Für die Angabe, dass bei der Antragstellerin zu 2) voraussichtlich eine Hüftoperation erforderlich werde, vermag das Beschwerdegericht dem ärztlichen Bericht vom 27. August 2001 nichts Näheres zu entnehmen.

Der Hinweis im Schriftsatz vom 21. Juni 2002, dass bei der Antragstellerin zu 2) durch eine Kernspintomographie eine Zyste festgestellt worden sei, ist in diesem Verfahren nicht zu berücksichtigen, da er erst nach Ablauf der Begründungsfrist (23.5.2001) eingegangen ist. Nach ganz h.M. in Rechtsprechung und Schrifttum beschränkt sich die Prüfung der für die Begründetheit der Beschwerde streitenden Gesichtspunkte seit der Neufassung des § 146 VwGO im Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3987) mit Wirkung ab 1. Januar 2002 auf die in der Beschwerdebegründung fristgerecht dargelegten Gründe (VGH Mannheim, Beschl. v. 12.4.2002, NVwZ 2002 S. 883; Beschl. v. 1.7.2002, ZAR 2002, 328 -LS-; OVG Münster, Beschl. v. 18.3.2002, 7 B 315/02, abgedr. in Juris; Hessischer VGH, Beschl. v. 5.7.2002, ZAR 2002, 291 -LS-; Eyermann, VwGO, Nachtrag zur 11. Aufl. 2002, § 146 N 4; Bader, VwGO, 2 Aufl. 2002, § 146 Rdnr. 34).

Dieser Auffassung, die das Begründungs- und Darlegungserforderniss in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO in Anlehnung an § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO bestimmt und die dem Beschleunigungsgedanken entspricht, der der Normierung in § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO zugrunde liegt, schließt sich der erkennende Senat an.

Im vorliegenden Fall würde allerdings auch die Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens in der Sache zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn mit der Beschwerde wird nicht, näher dargelegt, welche Auswirkungen die bei der Antragstellerin zu 2) festgestellte Zyste auf deren Gesundheitszustand hat und ob und inwieweit deswegen eine Behandlung erforderlich ist.

Da sich nach allem aus der Beschwerdebegründung keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein vorläufiges Bleiberecht der Antragstellerinnen in der Bundesrepublik ergeben, ist für die im Schriftsatz vom 15. Oktober 2002 angeregte Aussetzung des Verfahrens kein Raum.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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