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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: 1 Bs 286/07
Rechtsgebiete: BGleiG


Vorschriften:

BGleiG § 16 Abs. 3
BGleiG § 17 Abs. 2
BGleiG § 18 Abs. 2
BGleiG § 18 Abs. 3
Die Beendigung der Bestellung von Gleichstellungsbeauftragten ist § 16 Abs. 1 Satz 3 BGleiG immanent. Das Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten in Dienststellen hindert nicht die Umorganisation der Behördenstruktur. Bei einer Umorganisation folgen die Gleichstellungsbeauftragten, die unmittelbar der Dienststellenleitung zugeordnet sind, der Behördenstruktur gegebenenfalls dadurch, dass eine neue Gleichstellungsbeauftragte entsprechend der neuen Organisationsstruktur zu wählen und zu bestellen ist. Dies beinhaltet notwendigerweise, dass mit der Bestellung der neuen Gleichstellungsbeauftragten die Amtszeit der bisherigen ebenso wie die Zuständigkeit der bisherigen Personalverwaltung und Dienststellenleitung endet.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

1 Bs 286/07

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Schulz, Walter und Engelhardt am 21. Februar 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 26. November 2007 werden zurückgewiesen.

Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen, die Gleichstellungsbeauftragte der Agentur für Arbeit Hamburg und ihre Stellvertreterin, begehren, im Wege der einstweiligen Anordnung der Antragsgegnerin zu untersagen, sie vor einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vor Ende ihrer Amtszeit am 21. März 2010 oder einem anderweitigen einvernehmlichen Ausscheiden aus dem Amt zu entfernen oder eine neue Gleichstellungsbeauftragte für die Agentur für Arbeit Hamburg zu bestellen.

Das Verwaltungsgericht hat die Anträge abgelehnt. Hinsichtlich der stellvertretenden Gleichstellungsbeauftragten fehle es bereits an einer Beteiligungsfähigkeit, hinsichtlich der Gleichstellungsbeauftragten fehle es an einem Anordnungsanspruch. Die Umorganisation durch die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit vom 30. November 2006, die u.a. eine Zusammenfassung des Internen Services für jeweils mehrere Arbeitsagenturen und teilweise Regionaldirektionsbezirke zum Gegenstand habe, auf Grund derer die Aufgabenbereiche Personal, Controlling/Finanzen, Infrastruktur und infrastrukturelle Dienste gebündelt würden, sei unter ausschließlicher Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten bei der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit und des Hauptpersonalrats erlassen worden. Die dadurch festgelegte vorzeitige Beendigung der Amtszeit der Antragstellerin zu 1) verletze diese nicht in ihren Rechten.

II.

Die Beschwerden der Antragstellerinnen sind zulässig, sie haben in der Sache aber keinen Erfolg. Die von ihnen dargelegten Gründe, die das Oberverwaltungsgericht allein zu prüfen hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, den Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern.

1. Mit der Antragstellerin zu 2), die stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte ist, dürfte davon auszugehen sein, dass ihr Antrag nicht bereits unzulässig ist. Denn angesichts des Umstandes, dass der Vertretungsfall weder vom Willen der Gleichstellungsbeauftragten selbst noch von dem ihrer Stellvertreterin vollen Umfangs abhängig ist, es mithin eher dem Zufall unterliegt, ob die Stellvertreterin gemäß § 18 Abs. 7 BGleiG die gleichen Rechte wie die Gleichstellungsbeauftragte geltend machen kann, ist die Stellvertreterin von der Beendigung ihrer Rechtsstellung, die vorliegend angegriffen wird, ebenso betroffen wie die Gleichstellungsbeauftragte selbst.

2. Der Antrag der Antragstellerin zu 2) kann allerdings ebenso wenig wie der der Gleichstellungsbeauftragten Erfolg haben. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die in Ziffer 9 der Handlungsempfehlung/Geschäftsanweisung der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit vom 30. November 2006 festgelegte vorzeitige Beendigung der Amtszeit der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin der Agentur für Arbeit in Hamburg die Gleichstellungsbeauftragte nicht in ihren Rechten verletzt. Gleiches gilt für ihre Stellvertreterin.

Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass § 16 Abs. 1 Satz 3 BGleiG die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit ermächtigt, die hier angegriffene Optimierung der internen Verwaltung durch Weisung anzuordnen. Unstreitig ist die Bundesagentur für Arbeit eine Verwaltung mit einem großen Geschäftsbereich. Für solche kann davon abgewichen werden, dass in jeder Dienststelle mit regelmäßig mindestens 100 Beschäftigten aus dem Kreis der weiblichen Beschäftigten eine Gleichstellungsbeauftragte nach geheimer Wahl durch die weiblichen Beschäftigten von der Dienststelle zu bestellen ist (§ 16 Abs. 1 Satz 1 BGleiG). Dem Umstand, dass eine Gleichstellungsbeauftragte für einen größeren Geschäftsbereich und damit für deutlich mehr als 100 Beschäftigte zuständig ist, ist entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht zu entnehmen, dass infolgedessen eine angemessene Vertretung der weiblichen Beschäftigten aller Dienststellen, für die sie zuständig ist, nicht sicher gestellt ist. Wie sich aus § 18 Abs. 2 und 3 BGleiG ergibt, wird die Gleichstellungsbeauftragte von anderweitigen dienstlichen Tätigkeiten soweit entlastet, wie es nach Art und Größe der Dienststelle zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Arbeiten erforderlich ist. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass unabhängig von der Zahl der weiblichen Beschäftigten einer Dienststelle, die von der Gleichstellungsbeauftragten vertreten werden, die Entlastung mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit betragen und in Dienststellen mit mehr als 600 Beschäftigten regelmäßig die Entlastung der Gleichstellungsbeauftragten die volle regelmäßige Arbeitszeit betragen soll. Bei einer Beschäftigtenzahl von über 1.000 ist nach § 18 Abs. 3 Satz 2 BGleiG zu prüfen, ob der Gleichstellungsbeauftragten zusätzliche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter zuzuordnen sind. Dies dürfte u.a. davon abhängig sein, wie viele der Beschäftigten weibliche Mitarbeiter sind, die von der Gleichstellungsbeauftragten vertreten werden und ob darüber hinaus die Art und der Umfang der nach dem Bundesgleichstellungsgesetz für die Gleichstellungsbeauftragte anfallenden Aufgaben zusätzliche Zuarbeit erfordern. Nach der Konzeption von § 18 Abs. 2 und Abs. 3 BGleiG sowie der Rechtsstellung der Gleichstellungsbeauftragten gemäß § 18 Abs. 1 BGleiG ist davon auszugehen, dass unabhängig von der Zahl der Beschäftigten in Dienststellen jeweils nur eine Gleichstellungsbeauftragte bestellt werden soll, die der Personalverwaltung angehört und unmittelbar der Dienststellenleitung zugeordnet wird (§ 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGleiG). Damit wird deutlich, dass der Gesetzgeber die mit der Zahl der Beschäftigten zusammenhängenden Probleme einer vielschichtigen Personalstruktur und erheblicher Arbeitsbelastung der Gleichstellungsbeauftragten durch zunehmende Anteile der Freistellung und eine Unterstützung ihrer Arbeit durch zusätzliche Mitarbeiter Rechnung getragen hat. Damit wird auch deutlich, dass entgegen der Ansicht der Beschwerde eine fortlaufende Wahrnehmung der Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten vor Ort in den einzelnen Dienststellen vom Gesetz nicht gefordert wird. Für Nebenstellen und Teile einer Dienststelle, die räumlich weit von dieser entfernt sind, ist auf Vorschlag der zuständigen Gleichstellungsbeauftragten eine Vertrauensfrau als Ansprechpartnerin für sie und die Beschäftigten zu bestellen (§ 16 Abs. 3 Satz 3 BGleiG).

Auf Grund der Zugehörigkeit der Gleichstellungsbeauftragten zur Personalverwaltung und ihrer unmittelbaren Zuordnung zur Dienststellenleitung teilt die Gleichstellungsbeauftragte deren Schicksal in organisatorischer Hinsicht. Wenn, wie vorliegend, die Personalverwaltung nicht mehr vor Ort durchgeführt wird, entspricht es der gesetzlichen Vorgabe, dass die Gleichstellungsbeauftragte oder ggf. ihre Stellvertreterin nicht mehr vor Ort tätig sind. In einem solchen Fall ermöglicht § 16 Abs. 1 Satz 3 BGleiG Verwaltungen mit einem großen Geschäftsbereich von § 16 Abs. 1 Satz 1 BGleiG abzuweichen und der Personalverwaltung folgend die Gleichstellungsbeauftragte für mehr als 100 Beschäftigte und für mehrere Dienststellen zu bestellen. § 16 Abs. 1 Satz 3 BGleiG schreibt in einem solchen Fall nur vor, dass die weiblichen Beschäftigten "angemessen", nicht aber, dass sie optimal vertreten werden. Eine angemessene Vertretung kann auch, wie vorliegend, durch Vertrauensfrauen sichergestellt werden.

Die Beendigung der Bestellung von Gleichstellungsbeauftragten ist § 16 Abs. 1 Satz 3 BGleiG immanent. Die Vorschrift zeigt, dass das Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten in Dienststellen nicht die Umorganisation der Behördenstruktur hindert, sondern dass die Gleichstellungsbeauftragten, wie es ihrer Rechtsstellung entspricht, der Behördenstruktur folgen, notfalls dadurch, dass nach Umorganisation, wie hier geschehen, eine neue Gleichstellungsbeauftragte entsprechend der neuen Organisationsstruktur zu wählen und zu bestellen ist. Dies beinhaltet notwendigerweise, dass mit der Bestellung der neuen Gleichstellungsbeauftragten die Amtszeit der bisherigen ebenso wie die Zuständigkeit der bisherigen Personalverwaltung und Dienststellenleitung endet. Die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten für vier Jahre lässt ihre Rechtsstellung gemäß § 18 Abs. 1 BGleiG unberührt. Ihre Zuordnung zur Personalverwaltung wird durch die Wahl genauso wenig verändert, wie durch ihre Weisungsfreiheit. Wird die Organisation der Personalverwaltung geändert und damit deren Zuständigkeitsbereich, verliert die Wahl durch die bisher von der Gleichstellungsbeauftragten vertretenen weiblichen Beschäftigten ihre Legitimation, so dass Neuwahlen für den zukünftigen Kompetenzbereich der Gleichstellungsbeauftragten, wie vorliegend geschehen, erforderlich sind. Daran ändert auch das geltend gemachte Demokratieprinzip nichts. Da zur Vertretung der weiblichen Beschäftigten von Dienststellen aber jeweils nur eine einzige Gleichstellungsbeauftragte bestellt werden kann, ist es zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten, erforderlich, die Bestellung der bisherigen Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreter, zu beenden.

3. Entgegen der Beschwerde sind die Antragstellerinnen auch nicht in ihren Rechten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 BGleiG verletzt. Nach dieser Vorschrift hat in Fällen, in denen höhere Dienststellen Entscheidungen für nachgeordnete Dienststellen treffen, jede der beteiligten Dienststellen die für sie zuständige Gleichstellungsbeauftragte an dem bei ihr anhängigen Teilverfahren zu beteiligen. Da solche Teilverfahren vor dem Erlass der Handlungsempfehlung/Geschäftsanweisung vom 30. November 2006 durch die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit nicht stattgefunden haben, konnte weder die Antragstellerin zu 1) noch die Antragstellerin zu 2) von der Antragsgegnerin beteiligt werden. Darauf, dass ein solches Teilverfahren möglich gewesen wäre, kommt es nicht an.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert ist gemäß § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 47 Abs. 1 und 2 sowie 52 Abs. 2 GKG für jede der beiden Antragstellerinnen auf 5.000,-- Euro, insgesamt 10.000,-- festzusetzen. Die Antragstellerinnen begehren die weitgehende Vorwegnahme der Hauptsache, so dass eine Reduzierung des Streitwerts nicht in Betracht kommt.

Ende der Entscheidung

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