Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.02.2007
Aktenzeichen: 1 Bs 354/06
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
Leitungserfahrungen können zu den konstitutiven Mindestanforderungen eines Anforderungsprofíls gehören, die vorliegen müssen, um in die nähere Auswahl für eine Beförderung einbezogen zu werden.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

1 Bs 354/06

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld, Dr. Meffert und Schulz am 12. Februar 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 10. November 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens bis auf die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitwertes wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2006 für das gesamte Verfahren auf 12.741,89 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer will im Wege einstweiliger Anordnung erreichen, dass das Gericht der Antragsgegnerin vorläufig untersagt, die Stelle der Leitung der Regionalen Beratungs- und Unterstützungsstelle (REBUS) Harburg Wissenschaftlicher Rat/Rätin bzw. Oberrat/Oberrätin Bes.-Gr. A13/A14 mit der Beigeladenen zu besetzen. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat seinen Antrag mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe keine Chance ausgewählt zu werden, obgleich das Auswahlverfahren fehlerhaft abgelaufen sei. Denn er erfülle nicht das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle. Ihm fehle die als konstitutives Merkmal geforderte "Leitungserfahrung mit Gruppen in Schulen oder Dienststellen".

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von dem Antragsteller dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht hier gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen es nicht, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu seinen Gunsten abzuändern. Das Verwaltungsgericht hat es richtig abgelehnt, die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen. Insoweit kann dahinstehen, ob die Angriffe des Antragstellers gegen die Qualifikation der Beigeladenen zutreffen und ob das Auswahlverfahren fehlerfrei abgelaufen ist. Jedenfalls hat der Antragsteller keinen im Wege einer einstweiligen Anordnung zu sichernden Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht: Er erfüllt soweit ersichtlich das Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle nicht. Deshalb hätte er auch im Falle einer Wiederholung des Auswahlverfahrens keine Chance, ausgewählt zu werden.

Dem Dienstherrn steht es im Rahmen seines Organisationsermessens frei, im Wege sachlicher Erwägungen das Anforderungsprofil für eine von ihm ausgeschriebene Stelle festzulegen und damit die Auswahlentscheidung vorzuprägen (vgl. BVerwG, Urt. vom 28.10.2004, BVerwGE 122, 147 ff - juris Rn 21 -). Das Anforderungsprofil legt die Kriterien für die Auswahl fest, die ein Bewerber objektiv erfüllen muss, um zum Zuge kommen zu können (vgl. BVerwG, Beschl. vom 11.8.2005 - 2 B 6/05 - juris Rn 6 u. 7).

1.a. Entgegen der Auffassung des Antragstellers gehört das Merkmal "Leitungserfahrungen mit Gruppen in Schulen oder Dienststellen besitzen" zu den konstitutiven Mindestanforderungen des Anforderungsprofils ohne deren Erfüllung der Bewerber keine Chance hat, ausgewählt zu werden.

Die aus der Sicht eines objektiven Empfängers bzw. Adressaten auszulegende Ausschreibung differenziert zwischen den Bereichen "Aufgabengebiete", "Persönliche Voraussetzungen" und "Die Aufgaben erfordern". Anders als der Antragsteller meint bewegen sich die unter der Rubrik "Persönliche Voraussetzungen" und "Die Aufgaben erfordern" aufgeführten Anforderungen nicht auf der gleichen Stufe. Insbesondere sind letztere Anforderungen nicht wegen des Wortes "erfordern" strikter als die ersteren zu verstehen, die die Bewerber lediglich besitzen "sollen". Die Ausschreibung führt in ihrem Abschnitt "Persönliche Voraussetzungen" objektiv feststellbare Anforderungen an die Bewerber auf, die ein Bewerber erfüllen muss. Hingegen beschreiben die im Abschnitt "Die Aufgaben erfordern" aufgeführten Kompetenzen, Fähigkeiten, Kenntnisse, Erfahrungen und die Bereitschaft zur Selbstreflexion etc. Eigenschaften der Kandidaten, die in der Regel nur auf der Grundlage dienstlicher Beurteilungen sowie ggf. weiterer Erkenntnismittel festgestellt werden können. Die Ausschreibung verdeutlicht mit den Worten "Persönliche Voraussetzungen", dass die hier genannten Anforderungen konstitutive Bedeutung im Sinne einer Vorauswahl haben. Ein Bewerber, der diese Mindestanforderungen nicht erfüllt, ist nicht mehr in das engere Auswahlverfahren einzubeziehen, in dem erst auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilungen etc. unter den näher in Betracht kommenden Konkurrenten der am besten geeignete Kandidat nach den gemäß Art. 33 Abs. 2 GG maßgeblichen Kriterien von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung auszuwählen ist (vgl. zur Vorauswahl durch das Anforderungsprofil Sächsisches OVG, Beschl. vom 26.1.2006 - 3 Bs 25/05 - juris -; OVG Münster, Beschl. vom 23.6.2004, IÖD 2005, 62 ff - juris Rn 18 -; OVG Koblenz, Beschl. vom 15.10.2002, NVwZ-RR 2003, 762 ff. - juris Rn 8-10 -; OVG Schleswig, Beschl. vom 17.8.2006, NordÖR 2006, 468-469).

Demgegenüber überzeugt der Hinweis des Antragstellers nicht, die Frage, ob ein Bewerber Leitungserfahrungen mit Gruppen in Schulen oder Dienststellen besitze, sei nur wertend zu entscheiden, insbesondere fehlten in der Ausschreibung Angaben zu dem erforderlichen quantitativen Umfang der Leitungserfahrung. In der Regel lassen sich auch Mindestvoraussetzungen in unklaren Fällen nur aufgrund einer wertenden Auslegung und Subsumtion feststellen. Deshalb verlieren diese Anforderungen nicht ihren Charakter als Mindestbedingungen. Deren Vorliegen kann das Gericht selbst beurteilen, ohne hierfür wie in der Regel bei den beschreibenden persönlichen Kompetenzen und Eigenschaften, die die auf der Beförderungsstelle wahrzunehmenden Aufgaben erfordern, auf dienstliche Beurteilungen des Dienstherrn angewiesen zu sein. Letztere unterliegen nur einer begrenzten richterlichen Überprüfung und es ist regelmäßig (vgl. zu einer Einschränkung OVG Hamburg, Beschl. vom 9.11.2006 - 1 Bs 301/06 -) nicht Aufgabe des Gerichts, sie im Falle ihrer Fehlerhaftigkeit durch eine eigene Einschätzung der Eignung des Bewerbers zu ersetzen (vgl. BVerfG, Beschl. vom 24.9.2002, DVBl. 2002, 1633 - juris Rn 16 -). Hingegen liegt es nicht im Beurteilungsspielraum des Dienstherrn, zu entscheiden, ob die konstitutiven Mindestanforderungen des Anforderungsprofils erfüllt sind.

b. Auch ist nichts für die Annahme vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Antragsgegnerin ihr Organsationsermessen fehlerhaft ausgeübt und in sachwidriger Weise Leitungserfahrungen mit Gruppen in Schulen oder Dienststellen zur Voraussetzung für die Leitung der Regionalen Beratungs- und Unterstützungsstelle Harburg gemacht haben könnte.

2. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass er die danach erforderlichen Leitungserfahrungen besitzt.

a. Die von dem Antragsteller in der Leitung von Schülergruppen erworbenen pädagogischen Erfahrungen können nicht ausreichen, um die nach dem maßgeblichen Anforderungsprofil der Antragsgegnerin erforderlichen Leitungserfahrungen für die Leitung einer regionalen Beratungs- und Unterstützungsstelle nachzuweisen. Insoweit übersieht der Antragsteller, welche Anforderungen nach der in der Ausschreibung enthaltenen Beschreibung der Aufgabengebiete an die Leitung der REBUS Harburg gestellt werden. Diese Leitungsaufgabe umfasst u.a. die Anleitung und Unterstützung mehrerer Mitarbeiter/innen sowie die Darstellung der REBUS - Arbeit in den Schulen, in anderen Dienstellen und gegenüber der Behörde, deren Vorgaben umzusetzen sind. Ebenso überzeugt es nicht, wenn er auf seine Erfahrungen in der Gruppenarbeit mit psychisch kranken Erwachsenen im Rahmen einer Arbeitstherapie sowie der theoretischen Ausbildung Arbeitsloser zu Boots- und Schiffsbauern verweist. Diese Erfahrungen liegen nicht nur sehr lange zurück, nämlich in den Zeiträumen vom 1. März 1979 bis zum 30. Juni 1980 und vom 14. Mai 1992 bis zum 2. Juli 1993. Diese lediglich im Zuge von ABM-Maßnahmen bei privaten Vereinen erworbenen Erfahrungen beziehen sich auch nicht auf Gruppen in Schulen oder Dienststellen.

b. Der Antragsteller hat auch nicht dargelegt, dass er mit der zeitweiligen Wahrnehmung der Abwesenheitsvertretung der Leitung der Regionalen Beratungs- und Unterstützungsstelle (REBUS) Rahlstedt/Tonndorf ausreichende Leitungserfahrungen erworben hat.

Soweit ersichtlich ist die Antragsgegnerin zu Recht davon ausgegangen, dass es sich nur um eine sehr geringfügige Leitungserfahrung als Abwesenheitsvertreter handelt.

Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller, der nach seiner früheren Beschäftigung als Studienrat an der Sonderschule Billwerder Straße zum 1. August 2001 an die REBUS Rahlstedt/Tonndorf umgesetzt worden ist, dort vor Februar 2002 eine Abwesenheitsvertretung wahrgenommen hat. 2001 hat es ersichtlich Auseinandersetzungen darüber gegeben, ob der Antragsteller in der REBUS Rahlstedt-Tonndorf nach dem Leiter den "höchsten Dienstrang" eingenommen und deshalb Aufgaben als Abwesenheitsvertreter zu erfüllen hatte. Der Antragsteller hatte noch mit Schreiben vom 9. November 2001 erklärt, er werde entgegen seiner ursprünglichen Absicht die mit der Abwesenheitsvertretung verbundenen Funktionen in Zukunft ausfüllen, sofern er nunmehr ranghöchster Mitarbeiter sei. Seinem Vorbringen zufolge soll sodann auf der Teilpersonalversammlung vom 5. Februar 2002 (Anlage Bf 6) seine Stellung als ranghöchster Abwesenheitsvertreter "REBUS - öffentlich" bekannt gemacht worden sein. In seinem Schreiben an seine Kollegen und Kolleginnen in der REBUS Rahlstedt/Tonndorf vom 14. Februar 2002 hat er selbst festgestellt, er werde erstmals die Abwesenheitsstellvertretung wahrnehmen. Dass er sodann bis zu der offiziellen Einsetzung und Wahl einer stellvertretenden Leiterin der REBUS Rahlstedt/Tonndorf zum November 2003 in nennenswertem Umfang als Abwesenheitsvertreter tätig geworden ist, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Zutreffend hat bereits das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Antragsteller nicht die mit einer kontinuierlichen Ausübung von Leitung verbundene Leitungserfahrung gesammelt hat.

Es liegt auch nicht nahe anzunehmen, der Antragsteller habe derartige Leitungserfahrungen erworben. Denn auf dem von dem Antragsteller vorgelegten Umlaufschreiben vom 14. Februar 2002, mit dem er ein Rotationsmodell für die Abwesenheitsvertretung vorgeschlagen hatte, ist gesondert von dem Leiter der REBUS Rahlstedt-Tonndorf vermerkt, dass auf der ersten Teamsitzung festgelegt werde, wer wann die Abwesenheitsvertretung wahrnehme, die Abwesenheitsvertretung nur für ganze Tage gelte und bei Krankheit des Leiters der "Ranghöchste" als Stellvertreter bzw. Stellvertreterin gesetzt sei. Dementsprechend heißt es in der über den Antragsteller erstellten Anlassbeurteilung vom 26. September 2003 lediglich, am Anfang seiner Zugehörigkeit zu REBUS Rahlstedt-Tonndorf habe der Antragsteller als ranghöchster Mitarbeiter - lt. Personalrat - die Leitung vertreten. Danach kann nicht festgestellt werden, dass er als Stellvertreter des Leiters Leitungserfahrungen erworben hat. Insoweit hat der Antragsteller zu dem Umfang seiner Abwesenheitsvertretung nichts dargelegt. Ersichtlich hat er nicht die Funktion eines stellvertretenden Leiters wahrgenommen. Die Position einer stellvertretenden Leitung gab es damals in der REBUS Rahlstedt-Tonndorf allem Anschein nach noch nicht, sondern nur eine Regelung, wer bei ganztägiger Abwesenheit des Leiters die Aufgabe der Abwesenheitsvertretung wahrnimmt und damit bloße Abwesenheitsvertretungsaufgaben erfüllt. Insoweit genügt auch nicht, dass der Antragsteller als wohl ranghöchster Mitarbeiter möglicherweise bei gleichzeitiger Abwesenheit des Leiters der REBUS Rahlstedt-Tonndorf und seiner Stellvertreterin nach November 2003 vereinzelt derartige Vertretungsaufgaben wahrgenommen hat.

c. Das Vorbringen des Antragstellers überzeugt nicht, die Gesamtleitung von REBUS sei befangen, da sie bei der von ihm in dem Verfahren 8 E 3612/05 angegriffenen Besetzung der Stelle der Leitung der REBUS- Altona-West habe ausreichen lassen, dass die dort ausgewählte Bewerberin lediglich seit 2001 stellvertretende Leitung ihrer Dienststelle gewesen sei. Damit ist die Leitungserfahrung des Antragstellers schon deshalb nicht zu vergleichen, weil nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 10. Februar 2006 seine damalige Konkurrentin seit 2001 stellvertretende Vorsitzende der REBUS Altona-West gewesen und diese seit Juni 2005 kommissarisch geleitet hat. Hingegen wurde in der REBUS Rahlstedt-Tonndorf erstmals im November 2003 die Position einer Stellvertretung geschaffen und eben nicht mit dem Antragsteller besetzt.

Als Unterlegener hat der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Anlass, ihm die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, besteht nicht. Der Streitwert bestimmt sich nach den §§ 52 Abs. 5 Satz 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG im vorläufigen Rechtsschutz auf die Hälfte des 6,5 fachen des 13-fachen Endgrundgehaltes (vgl. OVG Hamburg, Beschl. vom 18.7.2001 - 1 Bs 216/01 -). Dieses beläuft sich für die Besoldungsgruppe A 13 auf 3.920,58 Euro. Die Abänderungsbefugnis folgt aus § 63 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück