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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 05.04.2005
Aktenzeichen: 1 Bs 64/05
Rechtsgebiete: AÜG, GewO
Vorschriften:
AÜG § 3 | |
AÜG § 33 | |
GewO § 35 Abs. 7 a | |
GewO § 35 Abs. 8 Satz 1 |
1 Bs 64/05
Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld, E.-O. Schulz sowie die Richterin Huusmann am 5. April 2005 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 7. Februar 2005 geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 5. Januar 2005, mit der den Antragstellern die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung und -vermittlung sowie die Ausübung jeglicher anderer Gewerbe untersagt worden ist, wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin zu 1), die sich z. Zt. im Insolvenzverfahren befindet, betreibt mit Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit gewerbsmäßig Arbeitnehmerüberlassungen. Der Antragsteller zu 2) war bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens Geschäftsführer des Antragstellerin zu 1). Wegen erheblicher Steuerrückstände der Antragstellerin zu 1) untersagte die Antragsgegnerin den Antragstellern mit Verfügung vom 5. Januar 2005 die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung und -vermittlung sowie die Ausübung jeglicher anderer Gewerbe und ordnete die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse an. Über den dagegen eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt.
II.
1.) Die von beiden Antragstellern dagegen eingelegte Beschwerde ist zulässig. Dies gilt auch hinsichtlich der Beschwerde der Antragstellerin zu 1), obwohl die Antragsgegnerin wegen § 12 GewO eine weitere Durchführung des Gewerbeuntersagungsverfahrens gegen die Antragstellerin zu 1) für die Dauer des Insolvenzverfahrens nach eigenem Bekunden nicht betreiben wird. Denn im Rahmen des Insolvenzverfahrens ist es wirtschaftlich und damit für die Antragstellerin zu 1) auch rechtlich nicht ohne Belang, ob sie nach Beendigung des Insolvenzverfahrens wegen der sofort vollziehbaren Gewerbeuntersagung unmittelbar ihre geschäftliche Tätigkeit einstellen muss oder sie gegebenenfalls fortführen kann.
2.) Die Beschwerden haben auch in der Sache Erfolg. Zutreffend verweist der Bevollmächtigte der Antragsteller darauf, dass insbesondere § 3 AÜG eine dem § 35 Abs. 1 bis 7a GewO vorgehende Spezialvorschrift ist, die die Versagung der für die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung erforderliche Genehmigung (§ 1 AÜG) für die Fälle fehlender Zuverlässigkeit regelt. Dies ergibt sich aus dem klaren und insoweit eindeutigen Wortlaut des § 35 Abs. 8 Satz 1, 2. Alternative GewO. Danach sind § 35 Abs. 1 bis 7a GewO nicht anzuwenden, soweit eine für das Gewerbe erteilte Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zurückgenommen oder widerrufen werden kann. Wesentlich für die Abgrenzung zu § 35 Abs. 1 bis 7a GewO ist, ob die Sonderregelung auf die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstellt (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 19.11.1993, GewArch 1994, S. 167, 168). Die Gesamtheit der Vorschriften des § 35 Abs. 1 bis 7a GewO ist nicht anzuwenden, wenn wegen der Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden die Gewerbetätigkeit aufgrund einer Sonderbestimmung außerhalb der Gewerbeordnung verhindert werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v.8.8.1986, Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 43). Eine solche Möglichkeit besteht hinsichtlich des von der Antragstellerin zu 1) ausgeübten Gewerbes der Arbeitnehmerüberlassung gemäß §§ 1, 3 AÜG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG. Die Versagung der gem. § 1 AÜG für die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung erforderlichen Erlaubnis und ggfls. ihre Rücknahme oder ihr Widerruf sind gemäß §§ 33 Abs. 1, 4, 5 AÜG vorgeschrieben, wenn der Antragsteller die hierfür erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.
Der Antragsgegnerin ist es mithin verwehrt, unter Berufung auf § 35 Abs. 1 GewO der Antragstellerin zu 1) die Ausübung des Gewerbes der Arbeitnehmerüberlassung zu untersagen. Dies gilt auch, soweit sie die Untersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO zugleich auf alle Gewerbe erstreckt. Da die Antragstellerin zu 1) kein Gewerbe der Arbeitsvermittlung ausgeübt hat, ist die darauf gerichtete Untersagungsanordnung in der Verfügung vom 5. Januar 2005 als besonders hervorgehobenen erweiterte Gewerbeuntersagung zu verstehen, für die ebenfalls kein Raum ist.
Bei dieser Rechtslage kann dahinstehen, ob für eine Gewerbeuntersagung in den Fällen Raum ist, in denen das Gewerbe der Arbeitnehmerüberlassung ohne die erforderliche Erlaubnis ausgeübt wird. Eine derartige Konstellation liegt nicht vor.
2.) Zu Unrecht hat die Antragsgegnerin die Untersagungsverfügung gegenüber dem Antragsteller zu 2) auf § 35 Abs. 7a GewO gestützt. Dem Gewerbebetrieb der Antragstellerin zu 1) ist eine Erlaubnis nach § 1 AÜG für das ausgeübte Gewerbe der Arbeitnehmerüberlassung erteilt worden, der Antragsteller zu 2) war im Rahmen dieses Gewerbes als ihr Vertretungsberechtigter tätig. Nach dem oben Ausgeführten finden gemäß § 35 Abs. 8 GewO die Vorschriften des § 35 Abs. 1 bis 7a GewO keine Anwendung. Das gilt auch für die erweiterte Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO gegenüber dem Antragsteller zu 2).
3.) Haben nach alledem die Widersprüche der Antragsteller gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 5. Januar 2006 aller Voraussicht nach Erfolg, besteht kein öffentliches Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung; die aufschiebende Wirkung der Widersprüche war daher wiederherzustellen.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 1 VwGO, §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
Ende der Entscheidung
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