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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 23.05.2007
Aktenzeichen: 1 Bs 92/07
Rechtsgebiete: PBefG, VwGO


Vorschriften:

PBefG § 15 Abs. 4
VwGO § 123
Das Gericht kann die Behörde im Wege einstweiliger Anordnung verpflichten, eine befristete Taxengenehmigung zu erteilen, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen nach eingehender Prüfung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt sind, obwohl die Behörde die Genehmigung gemäß § 15 Abs. 4 PBefG nicht vorläufig erteilen darf.

Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes steht der Feststellung nicht entgegen, dass der Taxenunternehmer wahrscheinlich seine Einnahmen aus dem Taxenbetrieb nicht vollständig angibt und deshalb unzuverlässig ist.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

1 Bs 92/07

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld und Schulz sowie die Richterin Walter am 23. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 2. April 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller betreibt ein Taxenunternehmen mit drei Taxen. Die Antragsgegnerin lehnte es mit Bescheid vom 14. März 2007 ab, die Taxengenehmigung des Antragstellers zu verlängern. Sein Antrag blieb bei dem Verwaltungsgericht Hamburg ohne Erfolg, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine vorläufige Erlaubnis für den Verkehr mit Taxen zu erteilen: Der Antragsteller habe nicht nachgewiesen, dass die Leistungsfähigkeit seines Betriebes gegeben sei und keine Tatsachen vorlägen, die seine Unzuverlässigkeit dartäten. Seine Angaben zu seinen Personalkosten wie auch zu den Betriebsleistungen seiner Fahrzeuge seien nicht plausibel.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.

1. Soweit der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt, die Antragsgegnerin zur Erteilung einer vorläufigen Genehmigung des Gelegenheitsverkehrs mit Taxen zu verpflichten, steht dem das Verbot des § 15 Abs. 4 PBefG entgegen. Danach darf die Antragsgegnerin die erstrebte Taxengenehmigung nicht vorläufig oder mit dem Vorbehalt des Widerrufs erteilen. Das Gericht kann die Antragsgegnerin nicht verpflichten, eine gesetzwidrige Genehmigung zu erteilen (vgl. Fielitz/Grätz, PBefG, § 15 Rn 10).

Der Antrag ist indessen sinngemäß dahin zu verstehen, dass das Gericht die Antragsgegnerin verpflichten möge, eine endgültige, allerdings zeitlich eher eng befristete Taxengenehmigung zu erteilen. Eine derartige Verpflichtung widerspricht § 15 Abs. 4 PBefG entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht, die sich auf den Beschluss des OVG Lüneburg vom 1.9.2003, 7 ME 156/03, - juris - (in gleicher Richtung Bidinger, PBefG, § 15 Rn 72) stützt. Eine solche Verpflichtung ist, da eine endgültige Genehmigung erteilt wird, mit dem Wortlaut des § 15 Abs. 4 PBefG vereinbar. § 15 Abs. 4 PBefG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass das Gericht im Lichte der Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG und des Grundrechtsschutzes aus Art. 12 Abs. 1 GG im Wege der einstweiligen Anordnung die Hauptsache teilweise vorwegnehmen und die Antragsgegnerin verpflichten kann, eine zeitlich begrenzte endgültige Genehmigung zu erteilen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. vom 6.7.2004, 1 So 36/04). Dies gilt jedenfalls in Fällen der Verlängerung bestehender Genehmigungen. Der dabei anzuwendende gerichtliche Prüfungsmaßstab hat allerdings auf Sinn und Zweck des Verbotes vorläufiger Genehmigungen aus § 15 Abs. 4 PBefG Rücksicht zu nehmen. § 15 Abs.4 PBefG will u.a. verhindern, dass personenbeförderungsrechtliche Genehmigungen nach § 9 PBefG nur auf der Grundlage einer vorläufigen Prüfung erteilt werden mit der Folge, dass diejenigen Interessen beeinträchtigt werden können, deren Schutz die Genehmigungsvoraussetzungen dienen. Deshalb setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung die Feststellung voraus, dass der Antragsteller die Genehmigungsvoraussetzungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt. Dies hat das Gericht im Rahmen des Möglichen abschließend zu prüfen, bevor es eine einstweilige Anordnung erlässt. Die Feststellung, dass der Antragsteller die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt, kann das Beschwerdegericht hier nicht treffen. Vielmehr bestehen gewichtige Zweifel daran, dass er eine Genehmigung erhalten kann.

2. Es kann dahinstehen, ob - was das Verwaltungsgericht und die Antragsgegnerin in Zweifel gezogen haben - bereits die erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betriebs des Antragstellers fehlt. In der Regel braucht der Antragsteller seine finanzielle Leistungsfähigkeit nur durch Vorlage einer Eigenkapitalbescheinigung und der übrigen in § 2 Abs. 2 Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr - PBZugV - vom 15. Juni 2000 (BGBl. I S. 851) genannten Unbedenklichkeitsbescheinigungen nachzuweisen. Soweit an der Richtigkeit dieser Bescheinigungen Zweifel nicht bestehen, dürfte die Genehmigungsbehörde die finanzielle Leistungsfähigkeit zu unterstellen haben, da § 2 Abs. 2 PBZugV den Begriff der finanziellen Leistungsfähigkeit in § 13 Abs. 1 Nr. 1 PBefG ausformt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. vom 8.8.2005, NVwZ-RR 2006, 358; BVerwG, Urt. vom 6.4.2000, DVBl 2000, 1614; a.A. wohl OVG Lüneburg, Beschl. vom 1.9.2003, 7 ME 156/03,). Derartige Bescheinigungen hat der Antragsteller vorgelegt. Eine umfassendere Prüfung wird auch Art. 3 Abs. 3 b) der Richtlinie 96/26/EG des Rates vom 29. April 1996 über den Zugang zum Beruf des Güter- und Personenkraftverkehrsunternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr sowie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise für die Beförderung von Gütern und die Beförderung von Personen im Straßenverkehr und über Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit der betreffenden Verkehrsunternehmer (ABl. L 124 vom 23.5.1996, S. 1 ff.) zumindest für den Taxenverkehr kaum gebieten. Denn gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie zählt die Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen nur zu dem Beruf des Personenkraftverkehrsunternehmers, wenn die Fahrzeuge nach ihrer Bauart und ihrer Ausstattung geeignet und dazu bestimmt sind, mehr als neun Personen - einschließlich Fahrer - zu befördern. Dem ist indessen nicht weiter nachzugehen.

3. Jedenfalls erscheint höchst zweifelhaft, ob der Antragsteller persönlich zuverlässig ist. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 PBefG darf die Antragsgegnerin die Genehmigung nur erteilen, wenn keine Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Antragstellers als Unternehmer dartun. Nach § 1 Abs. 1 PBZugV gilt der Unternehmer als zuverlässig, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei der Führung des Unternehmens die für den Straßenpersonenverkehr geltenden Vorschriften missachtet oder die Allgemeinheit bei dem Betrieb des Unternehmens geschädigt oder gefährdet werden. Gemäß Absatz 2 dieser Vorschrift sind insbesondere Verstöße gegen die abgabenrechtlichen Pflichten, die sich aus unternehmerischer Tätigkeit ergeben, derartige Anhaltspunkte. Solche Anhaltspunkte liegen hier vor. Es besteht der erhebliche Verdacht, dass der Antragsteller seine abgabenrechtlichen Pflichten in erheblichem Umfange verletzt und er seine Einnahmen aus seinem Taxenbetrieb steuerlich nicht vollen Umfanges angibt und/oder er seinen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen bei der Beschäftigung seiner Fahrer nicht vollständig nachkommt:

Zwar hat der Antragsteller insoweit Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamtes und der Versicherungsträger vorgelegt. Diese binden die Antragsgegnerin aber bei der Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit nicht. § 1 PBZugV erlaubt eine eigenständige Prüfung, ob Anhaltspunkte für eine persönliche Unzuverlässigkeit gegeben sind.

Solche Anhaltspunkte ergeben sich hier aus der Differenz zwischen den tatsächlich mit den Taxen des Antragstellers gefahrenen Kilometern und den von ihm angegebenen Betriebskilometern. Nach den überzeugenden und von dem Antragsteller nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind zwei seiner Fahrzeuge in einem Jahr zusammen 76.000 bis 70.000 km mehr gefahren worden, als er selbst für die Zwecke seines Unternehmens angeben hat. Diese sehr hohe Kilometerleistung erklärt sich nicht durch Privatfahrten des Antragstellers, der eines seiner Fahrzeuge vollschichtig selbst als Taxenfahrer nutzt. Seine auf Nachfrage des Beschwerdegerichts gegebene Erklärung überzeugt nicht, er sei mit Herrn Foroutani befreundet und habe diesem die Fahrzeugnutzung unentgeltlich überlassen. Diese Erklärung erscheint angesichts der Höhe der angeblich privat verursachten Kilometerleistung unglaubwürdig. Der Antragsteller will aus seinem Taxenbetrieb nach der von ihm vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertung unter Berücksichtigung einer Abschreibung von 3.224,14 Euro im Jahr 2006 lediglich einen Überschuss von 8.616,84 Euro erwirtschaftet haben. Bei dieser Erlöslage erscheint kaum vorstellbar, dass er seine Taxen in einem derart außergewöhnlich hohe0n Umfange einem Dritten unentgeltlich zur Verfügung stellt und damit die bei einer Kilometerleistung von über 70.000 jährlich erheblichen Unterhalts- und Wartungskosten sowie den Wertverlust durch Abnutzung in Kauf nimmt. Bei dieser Sachlage ist zu vermuten, dass der Antragsteller seine Fahrzeuge in weit höherem Ausmaße für Taxenfahrten nutzt oder durch Dritte nutzen lässt als es seinen Angaben entspricht. Diesen auf konkreten Anhaltspunkten beruhenden Verdacht hat er nicht entkräftet.

Als Unterlegener hat der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 47 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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