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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.01.2006
Aktenzeichen: 1 So 177/05
Rechtsgebiete: RVG VV
Vorschriften:
RVG VV Nr. 3104 |
1 So 177/05
Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld und E.-O. Schulz sowie die Richterin Huusmann am 10. Januar 2006 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 30. November 2005 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 302,06 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller, dessen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO im Beschwerdeverfahren Erfolg gehabt hat, begehrt, dass bei der Festsetzung der zu erstattenden Kosten zusätzlich eine Terminsgebühr in Höhe von 302,06 Euro festgesetzt werde. Diese sei deshalb entstanden, weil sein Bevollmächtigter nach Einreichung des Widerspruchsschreibens, mit dem er auch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches bei der Antragsgegnerin begehrt habe, mit dem Justitiariat des Personalamtes der Antragsgegnerin telefoniert habe, dieses zwar die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles eingeräumt habe aber erklärt habe, dass die Behörde den Fall als Präzedenzfall ansehe und die Behörde bis hin zur Leitungsspitze aber auch die allgemeine Rechtsabteilung und das Personalamt es darauf ankommen lassen wolle, weshalb dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht stattgegeben werde.
Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung gegen die Ablehnung der Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mit Beschluss vom 30. November 2005 zurückgewiesen. Eine Terminsgebühr gemäß VV 3104 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes sei nicht entstanden, weil auf Seiten der Antragsgegnerin keine Gesprächsbereitschaft vorhanden gewesen sei, die darauf gerichtet gewesen wäre, ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend und aus zutreffenden Gründen hat das Verwaltungsgericht die Festsetzung einer zusätzlichen Terminsgebühr abgelehnt, denn eine solche ist nicht durch das Telefonat des Vertreters des Antragstellers mit der Antragsgegnerin am 25. Mai 2005 entstanden.
Auch nach Darstellung des Antragstellers hat die Antragsgegnerin in diesem Gespräch darauf hingewiesen, dass eine Einigung nicht in Betracht komme. Die Antragsgegnerin sehe den Fall als Präzedenzfall an und wolle es darauf ankommen lassen. Eine wie auch immer geartete Einigungsbereitschaft der Antragsgegnerin kann daraus nicht entnommen werden. Vielmehr sind die Darstellungen des Antragstellers über das Gespräch dahingehend zu verstehen, dass der Antragsgegnerin nicht an der Vermeidung eines Verfahrens vorläufigen Rechtsschutzes gelegen war, sondern sie an ihrem Rechtsstandpunkt festhielt und auch an einer ggf. gerichtlichen Klärung der von ihr vertretenen Rechtsansicht durchaus interessiert war. Bei dieser Sachlage kann nicht, wie dies gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG erforderlich ist, davon ausgegangen werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitgewirkt hat. Denn entgegen der Ansicht des Antragstellers und gegen die Ansicht des OLG Koblenz (Beschl. v. 3.5.2005, MDR 2005, S. 1137, 1138) ist nach Ansicht des Senates eine Terminsgebühr erst dann entstanden, wenn der Rechtsanwalt an einer Besprechung mitgewirkt hat, die objektiv auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet war. Eine einseitige Absicht, das gerichtliche Verfahren zu erledigen oder zu vermeiden, reicht mithin nicht aus, um eine Terminsgebühr entstehen zu lassen. Vielmehr ist auch erforderlich, dass die Gegenseite die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens zumindest im Laufe der Besprechung für sich mit ins Auge fasst und die Besprechung (auch) zu diesem Zwecke führt.
Für diese Auslegung der Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG spricht zum einen der Wortlaut. Darin ist von gerichteter Besprechung die Rede, was darauf hindeutet, dass nicht nur ein Teilnehmer die Richtung der Besprechung einseitig bestimmen kann. Es dürfte für die Annahme einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung schwerlich ausreichen, wenn die derartige Intentionalität nur von einer Seite vertreten wird. Denn dann entwickelt sich entweder nur ein Monolog, so dass es an einer Besprechung fehlt, oder die gesamte Besprechung ist eben gerade nicht auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet. Vielmehr ergibt sich bei einem offenen Dissens insoweit allenfalls ein Streit, ob denn über die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gesprochen werden soll. Daraus kann aber auf eine Richtung der Besprechung, ausgerichtet auf Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens schwerlich geschlossen werden.
Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte. Der Gesetzentwurf, Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 209, deutet in diese Richtung. Danach soll der Anwalt nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen. Deshalb soll die Gebühr auch schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung zielen. Mithin ist auch der historische Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Besprechungen eine gemeinsame Zielrichtung der daran Beteiligten haben müssen, um die Besprechungsgebühr auszulösen. Dieser Auslegung entspricht auch die Intentionalität des Gesetzes, zukünftig zu vermeiden, dass zur Erreichung einer Erörterungsgebühr ein gerichtlicher Verhandlungstermin angestrebt wird, in dem ein ausgehandelter Vergleich nach Erörterung der Sach- und Rechtslage protokolliert wird (BT-Drucks. 15/1971 a.a.O.). Sinn und Zweck der Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG, wie ihn der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 27. Oktober 2005 (Rechtspfleger 2006, S. 38) ausgeführt hat, steht mit der Auslegung des Senates in Einklang. Wenn sich die Beteiligten zur Vermeidung oder Beendigung des Rechtsstreites außergerichtlich einigen, bedarf es, in Abänderung des bisherigen Gebührenrechtes, keines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage und Abschluss eines Vergleiches vor dem Gericht mehr, um die Terminsgebühr zu verdienen. Denn wenn die Beteiligten gemeinsam nach einer Lösung zur Vermeidung oder Erledigung des Rechtsstreites suchen und hierzu eine Besprechung ohne Beteiligung eines Gerichtes durchführen, ist auch nach Ansicht des Senates die Terminsgebühr verdient.
Für die einschränkende Auslegung der Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG spricht auch die Abgrenzung zur Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 VV-RVG. Diese Gebühr entsteht nach Vorbemerkung 2.4 Abs. 3 VV-RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags. Die Geschäftsgebühr gilt mithin nicht nur die Interessenvertretung im Verwaltungsvorverfahren ab, sondern auch schriftliche und mündliche Mitwirkung des Rechtsanwalts bei Vergleichsverträgen. Eine Abgrenzung zur Terminsgebühr, wie sie in Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG vorgesehen ist, setzt mithin, um nicht bei Vertragsverhandlungen zu einer vollständigen Identität beider Gebührentatbestände zu gelangen, voraus, dass die Besprechungen, die die Terminsgebühr auslösen, von beiden Seiten auf die Vermeidung oder Erledigung eines gerichtlichen Verfahrens gerichtet sind und der Anwalt nicht nur einseitig die gütliche Erledigung betreibt. Die vom Antragsteller begehrte Ausdehnung der Anwendung der Terminsgebühr auch auf den Fall, dass nur einseitig die Intention der Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens bei einer Besprechung vorliegt, würde dem Interesse der Parteien widersprechen, die Kosten eines Rechtsstreites so gering wie möglich zu halten (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 15.12.2004, MDR 2005, S. 599,600). Auch ist der Arbeits- und Zeitaufwand für den Rechtsanwalt bei einem Gerichtstermin wesentlich größer als bei einer (auch nur telefonisch möglichen) Besprechung, bei der er einseitig seine Vorstellung zur Erledigung oder Vermeidung eines Verfahrens unterbreitet, ohne das die Gegenseite sich zu diesem Zwecke auf Verhandlungen einlässt.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 52 Abs. 1 GKG.
Ende der Entscheidung
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