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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 13.05.2004
Aktenzeichen: 2 Bs 12/04
Rechtsgebiete: AEG, LEG


Vorschriften:

AEG § 13 Abs. 2
LEG § 20
Die Beurteilung, ob und ggf. im welchem Umfang Landesrecht und Landesbehörden auf das Bestehenbleiben der Anschlussbahn eines Industriebetriebs an eine Eisenbahn des Bundes Einfluss nehmen können, wirft schwierige Rechtsfragen auf, deren Klärung in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht hinreichend möglich ist.
HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

2 Bs 12/04

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 2. Senat, durch die Richter K. Schulz und Probst sowie die Richterin Sternal am 13. Mai 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden der Antragstellerinnen zu 1) und 2) gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 25. November 2003 werden zurückgewiesen. Die Anschlussbeschwerden von Antragsgegnerin und Beigeladener werden ebenfalls zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerinnen zu 1) und 2) jeweils ein Drittel und die Antragsgegnerin sowie die Beigeladene jeweils ein Sechstel.

Ihre im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten jeweils selbst.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Anschlussbeschwerden von Antragsgegnerin und Beigeladener haben keinen Erfolg. Nach Erlass des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 25. November 2003 waren die Antragsgegnerin und die Beigeladene zunächst dadurch beschwert, dass das Verwaltungsgericht die Anordnung des Sofortvollzuges im Bescheid vom 12. März 2003 aufgehoben hat. Diese Beschwer ist aber mittlerweile entfallen, da die Antragsgegnerin unter dem 2. Januar 2004 eine neue Vollziehungsanordnung erlassen hat, die an die Stelle der alten und damit gegenstandslos gewordenen Vollziehungsanordnung getreten ist.

B.

I.

Die Beschwerden der Antragstellerinnen zu 1) und 2) sind zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass das Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Beschluss - unter ausdrücklicher Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs im übrigen - die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. März 2003 auf den Antrag der Antragstellerinnen aufgehoben und die Vollziehbarkeit des Bescheides damit beseitigt hat. Denn die Antragsgegnerin hat - wie bereits ausgeführt - am 2. Januar 2004 und damit noch innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist eine neue Vollziehungsanordnung erlassen, die an die Stelle der alten getreten ist. Der Senat hat die Beteiligten bereits in seiner Verfügung vom 16. Januar 2004 darauf hingewiesen, dass er die Weiterführung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO im Beschwerdeverfahren unter diesen Umständen für zulässig hält. Gegenstand des Verfahrens ist nunmehr die Vollziehbarkeit des Bescheides der Antragsgegnerin vom 12. März 2003 auf der Grundlage der Vollziehungsanordnung vom 2. Januar 2004.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerinnen zu 1) und 2) hat indes keinen Erfolg. Das Interesse der Antragsgegnerin sowie der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der im Bescheid vom 12. März 2003 enthaltenen Anordnung, den Erhalt der Anschlussbahn für die Dauer des Verfahrens zu gewährleisten, überwiegt das Interesse der Antragstellerinnen an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches dagegen.

1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Schreiben vom 2. Januar 2004 entspricht den formalen Anforderungen aus § 80 Abs. 3 VwGO. Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerinnen gegen die Anordnung im angefochtenen Bescheid, die Anschlussbahn vorerst aufrecht zu erhalten, lässt sich gegenwärtig nicht abschätzen.

a) Es erscheint dem Senat möglich, dass sich die fragliche Anordnung - wie geschehen - auf § 20 Abs. 1 des Hamburgischen Landeseisenbahngesetzes (LEG) vom 4. November 1963 (HmbGVBl. 205), der die Gestattung von Anschlussbahnen betrifft, stützen lässt.

Die Durchführung des Widerspruchsverfahrens wird möglicherweise zu dem Ergebnis führen, dass die landesrechtliche Vorschrift des § 20 Abs. 1 LEG über die Verpflichtung zur Gestattung der Einführung von Anschlussbahnen auch für Eisenbahnen des Bundes gilt, zu denen die Antragstellerinnen gehören. Dass Art. 73 Nr. 6 a GG, wonach der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich in Eigentum des Bundes stehen usw., besitzt, dem entgegensteht, ist nicht eindeutig. Auch Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG, wonach sich die konkurrierende Gesetzgebung u.a. auf Schienenbahnen erstreckt, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, steht der Kompetenz des Landesgesetzgebers für den Erlass von § 20 Abs. 1 LEG nicht zwingend entgegen. Denn in Gestalt von § 13 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I 2378, 2396), der lediglich den Anschluss öffentlicher Eisenbahnen betrifft, hat der Bund nach der in der Literatur vertretenen Auffassung keine abschließende Regelung für die Anschlussrechte nichtöffentlicher Eisenbahnen getroffen und sind die Länder insoweit an einer Regelung nicht gehindert (vgl. Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, 2001, S. 228). Schließlich dürfte auch § 1 LEG der Anwendbarkeit von § 20 Abs. 1 LEG im vorliegenden Fall möglicherweise nicht entgegenstehen. § 13 Abs. 2 AEG kann als spezielle Regelung für Eisenbahnen des Bundes allenfalls entnommen werden, dass bei ihrer Beteiligung über streitige Bedingungen eines Anschlusses das Eisenbahn-Bundesamt entscheiden müsse. Dies würde nicht die Verpflichtung zur Duldung des Anschlusses dem Grunde nach betreffen. Eine Kompetenz des Eisenbahn-Bundesamts hierüber eine Entscheidung zu treffen, ist im AEG anscheinend nicht ausdrücklich enthalten und wird vom Eisenbahn-Bundesamt in dessen von den Antragstellerinnen eingereichten Äußerung vom 13. April 2004 auch nicht ausdrücklich in Anspruch genommen. Schließlich dürfte auch § 1 LEG der Anwendbarkeit von § 20 Abs. 1 LEG im vorliegenden Fall nicht notwendigerweise entgegenstehen. Zwar gilt das hamburgische Landeseisenbahngesetz nach dieser Bestimmung für die dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahnen "mit Ausnahme der Deutschen Bundesbahn". Es spricht aber einiges dafür, dass diese Ausnahme nicht mehr greift, nachdem es die Deutsche Bundesbahn nicht mehr gibt und sie als Folge der Bahnreform durch eine Anzahl verschiedener Eisenbahnverkehrs- bzw. Eisenbahninfrastrukturunternehmen ersetzt worden ist, für die eine solche Ausnahme nicht umfassend geboten zu sein scheint.

Sollte sich im Widerspruchsverfahren ergeben, dass § 20 LEG anwendbar ist und grundsätzlich auch gegenüber den Antragstellerinnen zum Erlass einer Verfügung berechtigte, spricht manches dafür, dass die Antragsgegnerin ihre Verfügung im konkreten Fall auf diese Vorschrift stützen konnte. Zwar regelt § 20 Abs. 1 LEG seinem Wortlaut nach ausdrücklich nur die (erstmalige) Gestattung einer Anschlussbahn. Es liegt allerdings nahe und wird im Widerspruchsverfahren zu prüfen sein, ob dem Unternehmer einer Eisenbahn damit nicht auch die weitere Aufrechterhaltung eines solchen Anschlusses gleichsam als "Fortdauer der Gestattung" oder in einer Gestattung notwendigerweise liegendes Minus auferlegt werden kann.

Selbst wenn § 20 Abs. 1 LEG nicht gegenüber den Antragstellerinnen sollte angewendet werden können, spricht einiges dafür, dass die Antragsgegnerin berechtigt ist, die Entfernung von Teilstücken einer Anschlussbahn ohne die dafür nach § 34 Abs. 1 Satz 1 LEG erforderliche Genehmigung zu untersagen, und zwar unabhängig davon, ob sich diese Teile auf Grundstücken der Antragstellerin zu 1) befinden. Ob dies angesichts § 1 LEG zur Zeit des Bestehens der Deutschen Bundesbahn möglich gewesen wäre, kann dahinstehen. Gerade insoweit ist nach der Bahnreform nicht erkennbar, warum funktionale Teilstücke eines privaten Anschlussgleises nur deshalb der Aufsicht des Eisenbahn-Bundesamts unterstehen oder unterstehen müssten, weil sie auf dem Gelände einer Eisenbahn des Bundes verlegt sind.

b) Die Beantwortung der Fragen, die aus den Ausführungen oben unter a) ersichtlich sind, erfordert die Klärung schwieriger Rechtsfragen, die im Rahmen dieses Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nicht hinreichend möglich ist. Da sich die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerinnen gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 12. März 2003 mithin nicht abschließend klären lassen, ist über die Beschwerde der Antragstellerinnen zu 1) und 2) nach einer Interessenabwägung zu entscheiden. Diese führt zu dem Ergebnis, dass die Interessen der Antragsgegnerin sowie der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der im Bescheid vom 12. März 2003 ausgesprochenen Anordnung, den Verbleib des Gleisanschlusses der Beigeladenen zunächst zu gewährleisten, das Interesse der Antragsstellerinnen an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches überwiegt. Die Antragstellerinnen haben sich insoweit auf die Länge eines möglichen Hauptsacheverfahrens und darauf bezogen, dass sie während dieses Zeitraumes ihr Grundstück nicht anders nutzen könnten. Allein die Länge eines möglichen Hauptsacheverfahrens stellt jedoch keinen besonderen Umstand dar, da dies gerade bei Verfahren, die die Klärung komplexer und grundsätzlicher Fragen erfordern, nicht selten der Fall ist. Im Interesse welcher anderweitigen Grundstücksnutzung den Antragstellerinnen ein Abwarten eines Widerspruchs- bzw. Gerichtsverfahrens nicht zugemutet werden könnte, ist von ihnen nicht näher substantiiert worden.

Würde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerinnen gegen die Verfügung im Bescheid vom 12. März 2003 dagegen wieder hergestellt, bestünde die Gefahr, dass der Anschluss der Beigeladenen beseitigt werden würde. Auf die ausdrückliche Anfrage der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2003, ob die Antragstellerinnen bereit seien, den Gleisanschluss bzw. das Zuführgleis in betriebsbereitem Zustand zu belassen, bis eine rechtskräftige Entscheidung im eisenbahnrechtlichen Verfahren ergangen bzw. eine Einigung zwischen Antragstellerinnen und Beigeladener erzielt sei, haben sich die Antragstellerinnen nicht eindeutig im positiven Sinne erklärt. Unter diesen Umständen besteht die Gefahr, dass im Fall einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Wiederspruches nicht mehr rückgängig zu machende Zustände herbeigeführt würden, die dazu führten, dass selbst ein Obsiegen von Antragsgegnerin bzw. Beigeladener in einem Hauptsacheverfahren der Beigeladenen nichts mehr nützen würde. Einer Unterscheidung zwischen den Antragstellerinnen bedarf es in diesem Zusammenhang nicht, weil nicht deutlich ist, welche der beiden Antragstellerinnen gegenwärtig tatsächlich tätig werden will, um den Gleisanschluss bzw. das Anschlussgleis außer Funktion zu setzen.

B.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Von der im Schriftsatz der Antragstellerinnen vom 14. April 2004 beantragten Beiladung des Eisenbahn-Bundesamtes hat das Gericht abgesehen. Die vorliegende Entscheidung beruht allein auf einer Interessenabwägung. Der Fall einer notwendigen Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor, da das Eisenbahn-Bundesamt hier nicht in der Weise beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann.



Ende der Entscheidung

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