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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.10.2008
Aktenzeichen: 2 Bs 171/08
Rechtsgebiete: BPVO, BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BPVO § 10 Abs. 4 Abschnitt W
BauGB § 29 Abs. 1
BauGB § 30
BauNVO § 3 Abs. 3
1. Die Grundstücke in einem besonders geschützten Wohngebiet nach § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO, in dem alle gewerblichen und handwerklichen Betriebe, Läden und Wirtschaften ausdrücklich ausgeschlossen sind, müssen Wohnbedürfnissen dienen. Welche Nutzungen in einem derartigen Gebiet neben der Wohnnutzung regelhaft zulässig sind, ist nicht der Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde im konkreten Einzelfall überlassen, sondern aufgrund einer typisierenden Betrachtungsweise abstrakt-generell zu bestimmen. Dabei sind die in einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO zulässigen Nutzungen zu berücksichtigen.

2. Eine Kindertageseinrichtung ist unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen in einem besonders geschützten Wohngebiet nach § 10 Abs. 4 BPVO nur zulässig, wenn es sich um eine "kleine" Einrichtung handelt, die bereits aufgrund ihres Typs mit der Wohnnutzung verträglich ist. Ob eine Einrichtung "klein" ist, ist dabei auch von dem im Baustufenplan festgesetzten Maß der Bebauung abhängig.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

2 Bs 171/08

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 2. Senat, durch den Richter Dr. Ungerbieler, die Richterin Sternal und den Richter Albers am 15. Oktober 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 29. August 2008 werden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin und der Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte sowie jeweils ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500.- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin und der Beigeladene wenden sich mit ihren Beschwerden gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Kindertagesstätte erteilt hat.

Das 1050 m² große Baugrundstück befindet sich im Geltungsbereich des Baustufenplans Groß Flottbek/Othmarschen, der für das Grundstück und alle benachbarten Grundstücke ein besonders geschütztes Wohngebiet gemäß § 10 Abs. 4 der Baupolizeiverordnung vom 8. Juni 1938 - BPVO - , in dem jede Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften ausdrücklich ausgeschlossen sind, mit einer zweigeschossigen offenen Bebauung festsetzt. Zusätzlich besteht der Fluchtlinienplan Othmarschen/Klein Flottbek 18, der eine vordere Baulinie in 12 m Entfernung von der Straße vorsieht. Das ca. 75 m tiefe Grundstück ist bisher mit einem größeren eingeschossigen Einfamilienhaus bebaut, das rückwärtig über eine in der Breite abnehmende, ca. 14 bis 8 m breite Gartenfläche verfügt. Das südlich angrenzende Grundstück der Antragsteller ist mit einem vergleichbaren zweigeschossigen Einfamilienhaus bebaut. Die nördlich angrenzenden Grundstücke bis zur auf einem Damm verlaufenden S-Bahnstrecke, der hier zugleich die nördliche Grenze des besonders geschützten Wohngebiets bildet, sind ebenfalls mit zwei- und dreigeschossigen Gebäuden bebaut, die (jedenfalls überwiegend) für einen Beherbergungsbetrieb genutzt werden.

Der Beigeladene beantragte im Februar 2008 die Baugenehmigung für die streitige Kindertagesstätte mit 60 Plätzen, die in dem umzubauenden Bestandsgebäude sowie einem damit verbundenen, im rückwärtigen Grundstücksteil neu zu errichtenden zweigeschossigen Anbau mit einem zusätzlich genutzten Souterrain untergebracht werden soll. Die Antragsteller wandten sich im Genehmigungsverfahren gegen das Vorhaben und begehrten Lärmschutzmaßnahmen an der Grundstücksgrenze. Die Antragsgegnerin berücksichtigte die nachbarlichen Einwendungen nicht und erteilte dem Beigeladenen unter dem 27. Juli 2008 die beantragte Baugenehmigung mit Konzentrationswirkung gemäß § 62 HBauO. Hinsichtlich etwaiger Lärmbeeinträchtigungen durch im rückwärtigen Grundstücksbereich spielende Kinder wurde in der Baugenehmigung ausgeführt, dass Kinderlärm von den Nachbarn als sozialadäquat hinzunehmen sei. Festsetzungen zur Größe und Gestaltung der Außenspielfläche wurden nicht getroffen.

Die Antragsteller legten Widerspruch gegen die Genehmigung ein, über den die Antragsgegnerin bisher nicht entschieden hat. Zugleich stellten sie am 7. August 2008 einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Mit Beschluss vom 29. August 2008 ordnete das Verwaltungsgericht diese an und begründete die Entscheidung maßgeblich damit, dass die nach den örtlichen Verhältnissen für die Antragsteller zu erwartenden Lärmbelastungen voraussichtlich gegen das gemäß § 15 BauNVO zu wahrende bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verstießen.

Parallel zum Genehmigungsverfahren und zum erstinstanzlichen Rechtsstreit hatte der Beigeladene die Einrichtung beworben und Betreuungsverträge für jedenfalls ca. 40 Kinder geschlossen. Die Kindertagesstätte wurde zum 1. September eröffnet. Am 2. September 2008 erteilte der Bezirksamtsleiter des Bezirksamts Altona der Antragsgegnerin in Reaktion auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine Nutzungsgenehmigung für das Bestandsgebäude ohne Außenflächen.

Mit ihren Beschwerden machen die Antragsgegnerin und der Beigeladene vor allem geltend, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von einem Verstoß gegen § 15 BauNVO ausgegangen. Der bei der Nutzung des Außengeländes entstehende Kinderlärm sei für die Nachbarschaft als sozialadäquate Folge der bauplanungsrechtlich zulässigen Grundstücksnutzung zumutbar.

Mit einer gerichtlichen Hinweisverfügung vom 29. September 2008 hat das Beschwerdegericht auf einige im erstinstanzlichen Verfahren nicht angesprochene bauplanungsrechtliche Gesichtspunkte hingewiesen und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Auf die Stellungnahmen der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 7. Oktober und des Beigeladenen vom 8. und 14. Oktober 2008 wird Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beigeladenen bleiben im Ergebnis ohne Erfolg. Eine Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 29. August 2008 ist im Ergebnis nicht veranlasst. Auch wenn davon auszugehen sein mag, dass die Antragsgegnerin und der Beigeladene mit ihren Rügen die Begründung dieser Entscheidung hinreichend erschüttert haben, führt die dann im Rahmen des Beschwerdeverfahrens umfassend vorzunehmende Interessenabwägung nach §§ 80 Abs. 5, 80 a Abs. 3 VwGO (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 3.9.2003, 2 Bs 313/03, m.w.N.; Beschl. v. 16.9.2002, NordÖR 2003, 67 ff.) zwischen dem öffentlichen und dem Interesse des Beigeladenen am Sofortvollzug der erteilten Bau- und Nutzungsgenehmigung und dem Interesse der Antragsteller an dessen Aussetzung dazu, dass dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller weiterhin der Vorrang einzuräumen ist.

1. Kein Anlass besteht für die vom Beigeladenen im Schriftsatz vom 14. Oktober 2008 erneut begehrte Beiladung der die Einrichtung des Beigeladenen besuchenden bzw. zum Besuch angemeldeten Kinder und/oder ihrer Eltern im Beschwerdeverfahren. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor; eine Aufhebung der Baugenehmigung entfaltet diesen gegenüber keine rechtsgestaltende Wirkung (vgl. z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 65 Rn. 14, 17 a und b m.w.N.). Streitgegenstand des Rechtsstreits ist ausschließlich die grundstücksbezogene Bau- und Nutzungsgenehmigung, die dem Beigeladenen erteilt worden ist. In Bezug auf diese Genehmigung verfügen die Kinder bzw. ihre Eltern gegenüber der Antragsgegnerin über keine rechtlich geschützte Position. Die boden- und bebauungsrechtliche Beurteilung der Genehmigung hat unabhängig davon zu erfolgen, welche (privat-)rechtlichen Dispositionen der Beigeladene in Bezug auf die Ausnutzung der - wie ihm zu deren Zeitpunkt bekannt war - nicht bestandskräftigen Baugenehmigung mit den Eltern der Kinder über deren Betreuung getroffen hat. Ansprüche gegen die Antragsgegnerin aufgrund des Hamburgischen Kinderbetreuungsgesetzes oder § 24 SGB VIII erfassen nicht die Betreuung durch einen bestimmten Träger und an einem bestimmten Ort. Auch für eine Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO sieht das Beschwerdegericht keinen Anlass.

Die von ihm ebenfalls begehrte Beiladung der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz der Antragsgegnerin scheidet bereits deshalb aus, weil Verfahrensgegnerin des Rechtsstreits die Freie und Hansestadt Hamburg und nicht eine ihrer Behörden ist. Beigeladen werden können nach § 65 VwGO nur Dritte, die nach § 61 VwGO selbst Beteiligte eines Rechtsstreits sein können (vgl. z.B. Kopp/Schenke, a.a.O., § 65 Rn. 5). Die genannte Behörde ist lediglich eine Verwaltungseinheit der Antragsgegnerin ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Sofern erforderlich, obliegt es der Antragsgegnerin innerhalb ihrer Verwaltungsstruktur sicherzustellen, dass die zu ihrer Vertretung berufene Verwaltungseinheit, hier das Bezirksamt Altona, alle für die Entscheidung eines Verwaltungsstreitverfahrens maßgeblichen Aspekte im Verfahren geltend macht.

Kein Anlass besteht ferner, einen vom Beigeladenen begehrten Ortstermin durchzuführen. Die für die Beschwerdeentscheidung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte sind nicht von einer Inaugenscheinnahme der Verhältnisse auf dem Grundstück des Beigeladenen und im Bereich des festgesetzten besonders geschützten Wohngebiets abhängig.

2. Im Ergebnis zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass dem Interesse der Antragsteller bei der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Abwägung zwischen dem nach § 212 a BauGB grundsätzlich Vorrang genießenden öffentlichen Interesse an einer sofortigen Ausnutzbarkeit der einem Bauherrn erteilten Baugenehmigung und dem Interesse der Antragsteller daran, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Rechtsbehelf keine vollendeten Tatsachen hinnehmen zu müssen, in diesem Fall der Vorrang gebührt. Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt nach der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung subjektive Rechte der Antragsteller (a). In dieser Situation vermag auch eine Folgenabwägung gegenwärtig nicht den Vorrang des Sofortvollzugsinteresses des Beigeladenen für das gesamte Vorhaben oder eines seiner Teile zu begründen (b).

a) Die angefochtene Baugenehmigung verletzt die Antragsteller voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten, so dass sie im Hauptsacheverfahren (insgesamt) aufzuheben sein dürfte (§ 113 Abs. 1 VwGO). Diese Rechtsverletzung wird sich voraussichtlich bereits daraus ergeben, dass eine Kindertageseinrichtung in der beantragten und genehmigten Größe bauplanungsrechtlich nicht zulässig ist, weil sie mit der für die Grundstücke des Beigeladenen und der Antragsteller geltenden bauplanungsrechtlichen Gebietsausweisung unvereinbar ist und deshalb den sich aus dem Bundesrecht ergebenden Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller verletzt.

Die betroffenen Grundstücke befinden sich nach den Festsetzungen des gemäß § 173 Abs. 3 BBauG übergeleiteten Baustufenplans Groß Flottbek/Othmarschen (erneut festgestellt am 14. Januar 1955) in einem besonders geschützten Wohngebiet gemäß § 10 Abs. 4 Abschnitt W BPVO, in dem durch eine ausdrückliche Festsetzung im Baustufenplan jegliche Art gewerblicher und handwerklicher Betriebe, Läden und Wirtschaften ausgeschlossen sind.

aa) Entgegen der Auffassung des Beigeladenen bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass dieser Baustufenplan im Bereich der betroffenen Grundstücke funktionslos geworden ist.

Eine Festsetzung wird funktionslos, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt, und wenn diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Entscheidend ist dabei, ob die Festsetzung noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung einen sinnvollen und wirksamen Beitrag im Sinne der Steuerung der städtebaulichen Entwicklung zu leisten oder ob die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan bzw. - hier - der übergeleitete Baustufenplan seine städtebauliche Gestaltungsfunktion nicht mehr erfüllen kann (vgl. für viele z.B. BVerwG, Beschl. v. 21.12.1999, NVwZ-RR 2000, 411; OVG Hamburg, Urt. v. 14.11.2002, HmbJVBl. 2004, 62 ff.).

Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Beigeladenen in seinen Schriftsätzen vom 8. und 14. Oktober 2008 ist nicht zu erkennen, dass die Antragsgegnerin durch ihre Genehmigungspraxis eine Gebietsentwicklung zugelassen hat, die der eines besonders geschützten Wohngebiets nach § 10 Abs. 4 BPVO nicht mehr entspricht und einem in seinen Fortbestand gesetzten Vertrauen aufgrund der Offensichtlichkeit dieser Entwicklung die Basis entzieht. Zwar wird davon auszugehen sein, dass die Antragsgegnerin unter Geltung des Baustufenplans auf zwei oder drei nördlich an das Grundstück des Beigeladenen angrenzenden Grundstücken eine gewerbliche Nutzung durch einen Beherbergungsbetrieb und eine Gaststätte sowie die Nutzung eines Grundstücks für gewerbliche Zwecke und eine größere Rechtsanwalts-/Steuerberater-/Wirtschaftsprüferkanzlei (.....) zugelassen hat. Auch werden Teile einzelner Grundstücke in der R.-straße und den Nebenstraßen des besonders geschützten Wohngebiets neben Wohnzwecken auch für freiberufliche Zwecke, insbesondere Arztpraxen, genutzt, wobei letzteres mit der Festsetzung eines besonders geschützten Wohngebietes nach § 10 Abs. 4 BPVO nicht gänzlich unvereinbar sein wird (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 14.3.1985, HmbJVBl. 1985, 181). Der größte Teil der vom Beigeladenen zum Beleg der vermeintlichen Funktionslosigkeit angeführten Nutzungen befindet sich jedoch nicht (mehr) im Geltungsbereich des streitigen Baustufenplans. So ist der Baustufenplan insbesondere im Gebiet der R.-straße und angrenzender Straßen südlich der Kreuzung mit der Walderseestraße sowie im Bereich der O. -Straße und der südlich angrenzenden Straßen inzwischen durch neue Bebauungspläne ersetzt worden. Andere genannte Straßen hat er nie erfasst (z.B....... ). Weitere aufgeführte Grundstücke gehören nicht zum Bereich des im streitigen Baustufenplan festgesetzten besonders geschützten Wohngebiets (z.B. ..... ).

Entgegen der Auffassung des Beigeladenen vermag auch der Umstand, dass es sich bei der R.-straße um eine viel befahrene Straße mit Buslinienverkehr handelt und die S-Bahn mit dem S-Bahnhof Othmarschen an der Nordgrenze des besonders geschützten Wohngebiets verläuft, die Funktionslosigkeit der Festsetzungen des Baustufenplans nicht zu begründen. Die Zulässigkeit von Vorhaben in den Baugebieten der Baustufenpläne ist ausschließlich typisierend nach der Zulässigkeit der Art der zu verwirklichenden Bodennutzungen und deren Auswirkungen auf andere im Baugebiet nach § 10 Abs. 4 BPVO zulässige Nutzungen zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1998, BVerwGE Bd. 108, 190 ff.). Dies schließt es aus, für die zulässigen Nutzungsarten wie auch für die Frage einer Funktionslosigkeit von Festsetzungen eines Baustufenplans die tatsächliche Vorbelastung der Umgebung durch Verkehrslärm zu berücksichtigen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 12.2.2002, NordÖR 2003, 70 f.).

bb) Die Grundstücke in einem besonders geschützten Wohngebiet nach § 10 Abs. 4 BPVO, in dem wie hier alle gewerblichen und handwerklichen Betriebe, Läden und Wirtschaften ausdrücklich ausgeschlossen sind, müssen Wohnbedürfnissen dienen. Der Be-griff der Wohnbedürfnisse ist zwar nach der Regelungsstruktur des § 10 BPVO weit auszulegen; er schließt nicht nur Nutzungen ein, die ihrer Art nach Wohnen sind, sondern auch solche, die in einem Wohngebiet allgemein erwartet werden oder jedenfalls mit ihm verträglich sind, sofern sie nicht durch weitergehende Schutzvorschriften im Baustufenplan selbst ausgeschlossen sind (vgl. z.B. OVG Hamburg, Urt. v. 10.4.1997, NordÖR 1999, 354, 356; Urt. v. 13.2.2002, NordÖR 2002, 412 f.). Der Auslegung des Begriffs der Wohnbedürfnisse wird nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der das Beschwerdegericht folgt, allerdings durch die die Überleitung der Baustufenpläne in das geltende Bauplanungsrecht legitimierende Regelung des § 173 Abs. 3 BBauG eine Grenze gesetzt. Danach darf die Bestimmung der Nutzungen, die in einem Wohngebiet nach der BPVO zulässig sind, nicht der Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde im konkreten Einzelfall überlassen bleiben, sondern im Rahmen einer typisierenden Bestimmung nur zur Zulässigkeit solcher Nutzungen führen, die in dieser Gebietsform jeweils generell zulässig sind (BVerwG, Urt. v. 12.12.1998, BVerwGE Bd. 108, 190, 198).

Zur Konkretisierung der danach Wohnbedürfnissen dienenden Nutzungsarten kann - wenn auch nicht schematisch - die Baunutzungsverordnung in ihrer jeweils geltenden Fassung als Auslegungshilfe herangezogen werden. Denn die Vorschriften der Baunutzungsverordnung bringen regelmäßig zum Ausdruck, was nach allgemeinem Verständnis für die Wohnnutzung in bestimmten Gebieten über die eigentliche Wohnnutzung hinaus als dazugehörig oder mit ihr verträglich anzusehen ist (OVG Hamburg, Urt. v. 10.4.1997, NordÖR 1999, 354, 356; Urt. v. 13.2.2002, NordÖR 2002, 412 f.; BVerwG, Urt. v. 12.12.1998, BVerwGE Bd. 108, 190, 199). Bei der Bestimmung der in einem besonders geschützten Wohngebiet nach § 10 Abs. 4 BPVO generell zulässigen Nutzungen, in dem im Baustufenplan alle nicht "Wohnbedürfnissen" dienenden weiteren Nutzungsarten ausgeschlossen sind, sind danach die in einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO zulässigen Nutzungen zu berücksichtigen.

Nach § 3 BauNVO sind Kindertageseinrichtungen in reinen Wohngebieten nicht uneingeschränkt zulässig. In reinen Wohngebieten von Bebauungsplänen, für die die Baunutzungsverordnung in ihren vor 1990 in Kraft gesetzten Fassungen weiterhin Anwendung findet, sind Kindertageseinrichtungen nicht zulässig und können allenfalls im Wege einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB im Einzelfall zugelassen werden (vgl. z.B. Bielenberg in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand 1.2.2008, § 3 BauNVO Rn. 11, 14, 21a). In der aktuellen Fassung der BauNVO 1990 sind Kindertageseinrichtungen aufgrund ihres § 3 Abs. 3 als Unterfall einer Einrichtung für soziale Zwecke im reinen Wohngebiet nur im Wege einer Ausnahme nach Maßgabe des § 31 Abs 1 BauGB zulassungsfähig. Dies lässt erkennen, dass der Verordnungsgeber des Bundes Kindertageseinrichtungen in reinen Wohngebieten nur unter besonderen Voraussetzungen zulassen will, um der Gemeinde im Rahmen des Ausnahmetatbestands die Möglichkeit einzuräumen, insbesondere die Lage und Größe der Einrichtungen nach den örtlichen Verhältnissen planerisch zu steuern.

Angesichts der in § 3 BauNVO getroffenen Regelung sind Kindertageseinrichtungen in einem besonders geschützten Wohngebiet eines Baustufenplans nur unter wesentlichen Einschränkungen zulässig. Es entspricht zwar bereits der älteren Rechtsprechung des Beschwerdegerichts, dass Kinderbetreuungseinrichtungen in einem Wohngebiet nach § 10 Abs. 4 BPVO nicht gänzlich ausgeschlossen sind (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 8.10.1964, DÖV 1966, 572, 574). Allerdings sind dabei zum damaligen Zeitpunkt jene Beschränkungen, wie sie sich seither aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum (eingeschränkten) Umfang der Überleitung von § 10 BPVO ergeben haben (vgl. insb. auch BVerwG, Urt. v. 23.8.1996, BVerwGE 101, 365, 379 f.), unberücksichtigt geblieben. Diese schließen eine Übernahme des Regelungsmodells aus § 3 Abs. 3 BauNVO 1990 zur Konkretisierung der Wohnbedürfnisse i.S.v. § 10 Abs. 4 BPVO deshalb ebenfalls aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.1998, BVerwGE Bd. 108, 190, 194, insoweit unter Korrektur der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts aus dem Urt. v. 10.4.1997, NordÖR 1999, 354, 358 f.).

Vielmehr muss die Bestimmung der Nutzungen, die im besonders geschützten Wohngebiet neben dem Wohnen allgemein erwartet werden oder mit der Wohnnutzung verträglich sind, ausschließlich anhand typisierter Nutzungsformen erfolgen, die im Plangebiet ohne das planerische Bedürfnis nach einer weiteren Steuerung zulässig sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.1998, BVerwGE Bd. 108, 190, 198). Hierbei ist nicht allein auf den Gegenstand der Nutzung abzustellen, sondern kann (und muss) u.a. auch der Umfang der Nutzung ein typenbildendes Merkmal darstellen, wenn von der Nutzungsart mit zunehmendem Umfang typischerweise gebietsunverträgliche Störungen ausgehen (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 28.2.2008, NVwZ 2008, 265 ff.; Urt. v. 21.3.2002, BVerwGE 116, 155, 158). Ein derartiger Zusammenhang zwischen der Größe der Einrichtung und ihrem Störungspotential ist typischerweise auch mit Einrichtungen zur Kindertagesbetreuung verbunden, sei es, dass zum Beispiel durch die Nutzung der Außenspielflächen Lärmimmissionen in der Nachbarschaft entstehen, sei es, dass der mit dem Bringen und Abholen verbundene (Kraft-)Fahrzeugverkehr zu Problemen für die Wohnnutzung der Umgebung führen kann. Zugleich enthalten die Festsetzungen der Baustufenpläne - anders als dies bei Bebauungsplänen aufgrund des BauGB/BBauG in der Regel der Fall ist - grundsätzlich keine auf die Grundstücksverhältnisse in den Baugebieten Bedacht nehmenden planenden Regelungen zur Anordnung von Baukörpern und zur Wahrung von Abständen zwischen unterschiedlichen Nutzungsarten. U.a. diese Gesichtspunkte haben in der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts Veranlassung gegeben, die Zulässigkeit von Beherbergungsbetrieben schon in einem nicht besonders geschützten Wohngebiet nach § 10 Abs. 4 BPVO auf "kleine Betriebe" zu beschränken, wobei es für die Frage, ob ein Betrieb "klein" ist, auf die konkreten Festsetzungen des Baustufenplans zum Maß der zulässigen Bebauung und die Umstände des Einzelfalls ankommt (OVG Hamburg, Urt. v. 13.2.2002, NordÖR 2002, 412, 413 f. m.w.N.).

Angesichts des Umstands, dass im streitigen Baustufenplan im besonders geschützten Wohngebiet alle in § 10 Abs. 4 der BPVO in einem Wohngebiet sonst zulässigen gewerblichen Nutzungsformen ausnahmslos ausgeschlossen sind, können alle sonstigen Nutzungen, die keine Wohnnutzung i.e.S. darstellen, hier ebenfalls nur zulässig sein, wenn es sich um "kleine" Einrichtungen handelt. Dies beruht vornehmlich darauf, dass "kleine" Einrichtungen am ehesten geeignet sind, sich ohne Störung und Veränderung des Gebietscharakters der Wohnnutzung unterzuordnen.

Entgegen der Auffassung des Beigeladenen führt eine solche Beschränkung nicht dazu, dass dem Wandel der Wohnbedürfnisse nicht hinreichend Rechnung getragen werde, und Nutzungen, die auch einem öffentlichen Interesse dienen (können), wie etwa Schulen und Kirchen, innerhalb eines besonders geschützten Wohngebiets gemäß § 10 Abs. 4 BPVO nicht eingerichtet werden könnten, obwohl sie auch in einem besonders geschützten Wohngebiet erforderlich seien. Dem Plangeber war auch im streitigen Plan bewusst, dass insbesondere Einrichtungen, wie Schulen, Sportplätze und Kirchen, für die ortsnahe Befriedigung der Wohnbedürfnisse im besonders geschützten Wohngebiet erforderlich sind. Er hat deren Standorte jedoch nicht in diese Festsetzung einbezogen, sondern die Grundstücke mit bestehenden derartigen Einrichtungen als "Außengebiet" und, soweit diese zukünftig verwirklicht oder erweitert werden sollten, als Sondergebiet gemäß § 10 Abs. 6 BPVO mit entsprechenden Zweckbezeichnungen ausgewiesen. Dies schließt im Übrigen auch die Gleichstellung einer Kindertageseinrichtung mit einer (kleinen) Schule hinsichtlich der Größenbestimmung bereits im Ansatz aus.

Fehl geht ferner die Auffassung des Beigeladenen, die eine Kindertagesstätte besuchenden Kinder "wohnten" aufgrund der zeitlichen Dauer ihres täglichen Aufenthalts und seiner pädagogischen Bedeutung für ihre weitere Entwicklung in der Kindertagesstätte (vgl. bereits OVG Hamburg, Urt. v. 8.10.1964, DÖV 1966, 572, 573).

cc) Ist nach summarischer Prüfung deshalb davon auszugehen, dass Kindertageseinrichtungen im besonders geschützten Wohngebiet nur zulässig sind, wenn es sich um eine "kleine" Einrichtung handelt, wird die dem Beigeladenen genehmigte Kindertagesstätte dieser Zulassungsanforderung voraussichtlich nicht entsprechen. Dies beruht zum einen darauf, dass es sich bei der genehmigten Nutzung, die der regelhaften Betreuung von (gleichzeitig) 60 Kindern dienen soll, um eine Kindertagesstätte handelt, die bereits im Vergleich mit den in Hamburg - ungeachtet planungsrechtlicher Rahmenbedingungen - existierenden Einrichtungen nicht lediglich von eindeutig unterdurchschnittlicher Größe ist (1). Zum anderen spricht Alles dafür, dass sie auch nach dem im Baustufenplan zugelassenen Maß der Bebauung nicht als "kleine" Einrichtung angesehen werden kann (2).

(1) Hinsichtlich des ersten Gesichtspunktes machen die Antragsgegnerin und der Beigeladene zwar auf den entsprechenden gerichtlichen Hinweis vom 29. September 2008 geltend, dass die Kapazität von 60 Plätzen unter der rechnerischen Durchschnittsgröße aller hamburgischen Kindertageseinrichtungen liege, die zur Zeit 73 Kinder betrage (.... ). Allerdings dürfte eine derartige undifferenzierte Ermittlung eines rechnerischen Durchschnitts für die hier vorzunehmende Typisierung in mehrerer Hinsicht nicht geeignet sein. Denn der genannte Durchschnittswert wird zunächst maßgeblich durch einen Anteil sehr großer Kindertageseinrichtungen beeinflusst, die in einem Plangebiet, wie dem Vorliegenden, ausgeschlossen sind.

Wie sich aus differenzierteren Angaben in den dem Beschwerdegericht gegenwärtig zur Verfügung stehenden Unterlagen ergibt, standen im Jahre 1999 - vor Einführung eines veränderten Versorgungssystems im Jahre 2003 - 48.480 Plätze in 734 Einrichtungen zur Verfügung (Bürgerschafts-Drs. 16/5609, Anlage 3), d.h. im Durchschnitt 66,05 Plätze pro Einrichtung. Von diesen befanden sich allerdings 20.329 Plätze in 163 Einrichtungen der sog. Vereinigung für Kindertagesstätten (Durchschnitt pro Einrichtung hier 124,18 Plätze). Ohne diese Einrichtungen, die lediglich 22 v.H. der Gesamtzahl der Einrichtungen umfassten, belief sich die Durchschnittsgröße in den verbleibenden 571 Einrichtungen aller anderen Träger mit 28.151 Plätzen auf durchschnittlich lediglich 49,3 Plätze. Dabei sind in diesen Zahlen auch vergleichbar große Kindertagesstätten einzelner anderer Träger enthalten. Die vorgesehene Größe von 60 Plätzen für die Einrichtung des Beigeladenen liegt nicht unwesentlich über diesem Durchschnitt, obwohl auch hierbei noch unterschiedliche Gebietsausweisungen unberücksichtigt bleiben.

Dass sich die allgemeine Größenstruktur der Kindertageseinrichtungen seither durchgängig deutlich verändert hat, ist gegenwärtig nicht ersichtlich. Nach den Angaben der Antragsgegnerin gegenüber der Hamburgischen Bürgerschaft gab es zum 26. März 2008 nunmehr 882 Einrichtungen und bestanden im Jahresschnitt 2007 insgesamt 59.069 Betreuungsplätze. Im Jahresschnitt 2007 lag der Durchschnitt pro Einrichtung danach weiterhin bei ca. 67 Plätzen (Bürgerschafts-Drs. 19/22, S. 2); die abweichende Durchschnittszahl, wie sie in diesem Verfahren genannt wurde, ist damit nur schwer zu vereinbaren. Auch in den ergänzenden vagen Angaben der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz im Schreiben vom 7. Oktober 2008 an den Beigeladenen ist im Übrigen davon die Rede, dass in 200 Einrichtungen jeweils 100 bis 200 Kinder und in 25 Einrichtungen jeweils 200 bis 270 Kinder betreut werden. Bereits auf der Basis der beiden genannten Mindestkapazitäten ergibt sich hieraus für 225 Einrichtungen eine Kapazität von 25.000 Betreuungsplätzen, die aber tatsächlich in einem unbekannten Umfang darüber liegt. Damit dürfte die Durchschnittsgröße der verbleibenden ca. 655 Einrichtungen (weiterhin) unter 50 Plätze pro Einrichtung betragen.

(2) Dass die genehmigte Kindertageseinrichtung nach den Festsetzungen des Baustufenplans und der bestehenden Gebietsausweisung nicht als "klein" anzusehen ist, dürfte sich mit Blick auf das ebenfalls zu berücksichtigende Maß der nach dem Baustufenplan im Gebiet zulässigen Bebauung ergeben. Der Plangeber hat mit der Festsetzung einer maximal zweigeschossigen offenen Bauweise zwar nicht das absolute Minimum des Maßes der Bebaubarkeit der Grundstücke festgesetzt, jedoch gegenüber den nach der BPVO vorgesehenen Festsetzungsmöglichkeiten und den Festsetzungen in den innerstädtischen Baugebieten nur ein geringes Maß der Bebauung zulassen wollen. Selbst innerhalb des Plangebiets bleibt die Bebaubarkeit nach Art und Maß hinter den Festsetzungen für das angrenzende Gebiet nördlich des S-Bahnhofs Othmarschen zurück, in dem eine dreigeschossige geschlossene Bebauung vorgesehen ist, die Beschränkungen des besonders geschützten Wohngebiets nicht gelten und das erkennbar der Versorgung des Plangebiets dienende Einrichtungen aufnehmen soll.

Lässt die rechnerische Ermittlung einer Durchschnittsgröße die Besonderheiten der planungsrechtlichen Ausweisungen der jeweiligen Standorte weitestgehend unberücksichtigt, ist der Typ einer "kleinen" Kindertagesstätte im besonders geschützten Wohngebiet nach § 10 Abs. 4 BPVO mit lediglich zweigeschossiger Bebauung deutlich unter dem Durchschnitt eines rechnerischen Durchschnitts anzusiedeln, der diese Besonderheiten nicht abbildet. Mit Blick auf die bei Regelbetreuungsangeboten nach den Richtlinien der Antragsgegnerin zulässigen bzw. üblichen Gruppengrößen, die auch den Raumplanungen des streitigen Vorhabens zu Grunde liegen, führt dies dazu, dass jedenfalls die durch den genehmigten rückwärtigen Anbau mögliche Erweiterung der räumlichen Kapazität auf mehr als zwei Gruppen durchschnittlicher Größe vom Typ einer "kleinen" Kindertagesstätte i.S.v. § 10 Abs. 4 BPVO bei der bestehenden zweigeschossigen Ausweisung keinesfalls gedeckt sein wird.

Soweit der Beigeladene geltend macht, dass in anderen Teilen Hamburgs und nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte anderer Bundesländer in reinen Wohngebieten größere Kindertagesstätten zugelassen worden seien, sind die genannten Beispiele ungeeignet, um einen Maßstab für eine im hier streitigen Gebiet zulässige Kindertagesstätte zu setzen. Alle benannten Gebiete betreffen nicht den Geltungsbereich eines übergeleiteten Baustufenplans. Zudem sind in vielen der genannten Pläne im Bereich reiner Wohngebiete nach § 3 BauNVO die Flächen für die Einrichtung von Kindertageseinrichtungen als Grundstücke mit gesonderter Zweckbestimmung ausdrücklich ausgewiesen und haben diese nach Größe und Lage im Verhältnis zu den angrenzenden Wohngrundstücken einer planerischen Abwägung und einer Berücksichtigung der nachbarlichen Belange unterlegen, wie sie dem Plangeber in § 3 Abs. 3 BauNVO i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB aufgegeben ist.

Wie das Beschwerdegericht in seiner Hinweisverfügung vom 29. September 2008 bereits gegenüber den Beteiligten problematisiert hat, kommt ergänzend in Betracht, dass die Obergrenze der Größe einer Kindertageseinrichtung, sofern planungsrechtlich nicht eine gesonderte, vorrangige Festsetzung erfolgt ist, auch durch das zulässige Maß der überbaubaren Grundfläche unter Einschluss der erforderlichen Nutzung von Grundstücksflächen für Außenspielflächen (mit-)charakterisiert wird. Insoweit dürfte zunächst davon auszugehen sein, dass § 11 Abs. 1 Spalte 8 BPVO als übergeleitetes Bauplanungsrecht fortgilt, der eine überbaubare Fläche von 3/10 jenes Grundstücksteils vorsieht, der hinter der vorderen Baulinie liegt. Dieses Maß würde jedenfalls dann vom zugelassenen Vorhaben weit überschritten, wenn - anders als im Genehmigungsverfahren berücksichtigt - auch die vorgesehene Nutzung des hinteren Grundstücksteils als Außenspielfläche der Kindertagesstätte ganz oder teilweise zu berücksichtigen ist.

Die typischerweise von einer - zumal pädagogisch gestalteten - Außenspielfläche einer Kindertagesstätte ausgehenden Auswirkungen auf die Umgebung können ihr - unabhängig von der Frage der Zumutbarkeit im Einzelfall - eine planungsrechtliche Relevanz im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB verleihen, die von der Frage einer bauordnungsrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit zu trennen ist. Dabei kann und muss im vorliegenden Verfahren dahinstehen, ob die Fläche planungsrechtlich (noch) als Nebenanlage anzusehen wäre (vgl. insoweit BVerwG, Urt. v. 28.4.2004, NVwZ 2004, 1244 ff.) und ergänzend die Maßstäbe des § 19 BauNVO für deren Berücksichtigung bei der überbaubaren Grundstücksfläche heranzuziehen wären. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Qualität von Haupt- oder Nebenanlage kommt auch in Betracht, dass die Nutzung des rückwärtigen Teils des Grundstücks als Außenspielfläche als der Hauptnutzung zugehörig anzusehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.6.2005, BauR 2005, 1755) und sie beim Maß der zulässigen bebaubaren Fläche voll zu berücksichtigen ist. Da die Frage des Umfangs und der Gestaltung der Außenspielfläche im Baugenehmigungsverfahren gänzlich unberücksichtigt geblieben ist, fehlt es insoweit bereits an der erforderlichen Beurteilungsgrundlage für das Vorhaben.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer dürfte dem jedenfalls nicht entgegenstehen, dass die Richtlinien der Antragsgegnerin für den Betrieb von Kindertageseinrichtungen vom 4. September 2006 die Existenz eines Außenspielgeländes nicht zur zwingenden Genehmigungsvoraussetzung einer Kindertagesstätte und auch sonst keine Vorgaben für die Größe und Gestaltung machen. Eine auf dem Grundstück der Kindertageseinrichtung befindliche Außenspielfläche dürfte vielmehr - bundesweit - typischerweise zu deren Erscheinungsbild gehören. Dass in besonders gelagerten Einzelfällen Anderes gelten kann, lässt die Typik nicht entfallen. Die genehmigte Kapazität der Einrichtung des Beigeladenen dürfte ein gänzliches Absehen von den Anforderungen ausschließen. Im Übrigen ist die Existenz und Eignung nahegelegener öffentlicher Spielflächen, wie sie in den Richtlinien der Antragsgegnerin in solchen Fällen vorausgesetzt wird, bisher ungeprüft geblieben.

dd) Die nach den vorstehenden Erwägungen voraussichtlich fehlende Gebietsverträglichkeit der genehmigten Einrichtung verletzt die Antragsteller in ihrem aus § 30 BauGB folgenden subjektiven Recht auf Erhaltung des im Baustufenplan festgesetzten Gebietscharakters (vgl. BVerwG, Urt. v. 23. 8.1996, BVerwGE Bd. 101, 365, 372 ff.; OVG Hamburg, Urt. v. 10.7.1997, NordÖR 1999, 354, 355 seither ständige Rspr.). Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, ob vom Vorhaben des Beigeladenen angesichts seiner Größe und der Besonderheiten des Grundstücks voraussichtlich unzumutbare konkrete Beeinträchtigungen in einem Umfang ausgehen würden, die aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verstoßen. Auf einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kommt es nur an, wenn ein Vorhaben im Übrigen bauplanungsrechtlich zulässig wäre.

b) Angesichts der bei summarischer Prüfung eintretenden Verletzung subjektiver Rechte der Antragsteller, wenn das genehmigte Vorhaben verwirklicht werden würde, besteht im Rahmen der Interessenabwägung auch unter Berücksichtigung der eintretenden Folgen kein überwiegendes öffentliches Interesse an einem Sofortvollzug der Baugenehmigung. An der sofortigen Vollziehung eines voraussichtlich rechtswidrigen und die Rechte Dritter verletzenden Verwaltungsakts besteht grundsätzlich kein besonderes öffentliches Interesse. Aber auch im Übrigen ließen sich die negativen Auswirkungen für die Antragsteller voraussichtlich praktisch nicht wieder rückgängig machen, würde das Bauvorhaben in der genehmigten Form vor einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache verwirklicht werden. Denn aus den vorangegangenen Ausführungen folgt, dass die Rechtsverletzung nicht allein auf der Nutzung des rückwärtigen Grundstücksteils durch eine erforderliche Außenspielfläche, sondern auf der Dimensionierung des gesamten Vorhabens beruht, die maßgeblich durch den rückwärtigen Erweiterungsbau bestimmt wird. Dementsprechend kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Beigeladene für die Dauer des weiteren Verfahrens auf eine Nutzung der Außenspielfläche verzichtet. Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr, ob erwartet werden kann, dass die Kindertageseinrichtung einschließlich des Ergänzungsbaus und einer Außenspielfläche nach Durchführung des Hauptsacheverfahren auf der Basis der bestehenden Rechtslage, ggf. im Wege einer rechtmäßigen Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB, ohne Rechtsverletzung der Antragsteller fortbestehen kann. Hiervon kann gegenwärtig jedoch nicht ausgegangen werden. Gleichermaßen besteht kein begründeter Anlass für die Annahme, dass nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu Lasten des Beigeladenen ohne weiteres ein Rückbau erfolgen würde.

Die demgegenüber vom Beigeladenen für sein Vollzugsinteresse angeführten Nachteile bei der Versorgung von Kindern mit für die Erweiterung zugesagten Plätzen und die schwerwiegenden wirtschaftliche Folgen für ihn, die sich aus vergeblich ins Werk gesetzten Baumaßnahmen und erteilten Aufträgen für den Erweiterungsbau ergäben, träten sogar in noch erheblicherem Umfang ein, wenn das Vorhaben nunmehr baulich fortgeführt würde und nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens ein Rückbau mit den damit verbundenen Folgen erfolgen müsste. Dabei beruht der gegenwärtige Zustand auch nicht lediglich auf für den Beigeladenen unvorhersehbaren und von ihm nicht zu vertretenden Umständen.

Ein überwiegendes öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Baugenehmigung besteht auch nicht lediglich hinsichtlich einzelner Teile der Genehmigung, namentlich soweit die Genehmigung Umbauten im Bestandsgebäude und dessen Nutzung als Kindertageseinrichtung zulässt. Zwar kommt in Betracht, dass in einem Klageverfahren eine Baugenehmigung auf die Klage eines Dritten nur soweit aufzuheben ist, wie sie dessen subjektiven Rechte verletzt (OVG Hamburg, Urt. v. 14.7.2008, 2 Bf 277/03, juris; Urt. v. 21.5.2003, NordÖR 2004, 31, 33). Dies setzt jedoch voraus, dass die Baugenehmigung in einer Weise teilbar ist, dass nach der teilweisen Aufhebung ein ohne neue bauaufsichtliche Prüfung und Genehmigung selbständig verwirklichungsfähiges Vorhaben zurückbleibt. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn auch wenn im Bestandsgebäude nach bauplanungsrechtlichen Maßstäben eine kleine Kindertageseinrichtung zulässig und für die Nachbarschaft verträglich sein kann, bietet die erteilte Baugenehmigung hierfür keine Grundlage. Die damit verbundene wesentliche Kapazitätsreduzierung würde aufgrund der Konzentrationswirkung der Genehmigung gemäß § 62 HBauO neben den planungsrechtlich erforderlichen zusätzlichen Festlegungen auch eine veränderte Regelung spezifischer bauordnungsrechtlicher Anforderungen für die Nutzung als Kindertageseinrichtung (z.B. zweiter Fluchtweg, Kücheneinrichtung) notwendig machen, die voraussichtlich Folgen für die Nutzungs- und Baustruktur des Bestandgebäudes auslösen wird, sowie eine verbindliche Festlegung von Größe und Gestaltung des Außenspielgeländes voraussetzen, die bisher gänzlich fehlt.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO und §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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