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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 05.09.2008
Aktenzeichen: 2 Bs 65/08
Rechtsgebiete: HBauO 2006


Vorschriften:

HBauO 2006 § 6 Abs. 5
HBauO 2006 § 6 Abs. 6
HBauO 2006 § 71 Abs. 2
1. Eine (erneute) Zustimmung des Nachbarn gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HBauO ist bei jeder baulichen Änderung eines Gebäudes erforderlich, das den die Zustimmungspflicht auslösenden Mindestabstand nicht einhält, wenn die Änderung in diesem räumlichen Bereich gemäß § 6 Abs. 5 und 6 HBauO nachteilige abstandsrechtliche Auswirkungen hat. Eine qualitative Beurteilung der Änderungen findet insoweit nicht statt.

2. Hat die Änderung eines Gebäudes, das den die Zustimmungspflicht auslösenden Mindestabstand nicht einhält, keine abstandsrechtlichen Auswirkungen, ist die erneute Zustimmung des Nachbarn nicht erforderlich, wenn dieser den bestehenden Zustand hinnehmen musste und die Änderung keine wesentliche Verstärkung derjenigen Beeinträchtigungen mit sich bringt, die spezifisch auf der Unterschreitung des Mindestabstands beruhen.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

2 Bs 65/08

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 2. Senat, durch den Richter Dr. Ungerbieler und die Richterinnen Haase und Sternal am 5. September 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 20. März 2008 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 29. August 2007 wird insoweit angeordnet, als mit ihm die Verlegung eines Ringbalkens auf der Oberkante der westlichen Außenwand in einen Abstand von weniger als 2,50 m zur Grundstücksgrenze des Antragstellers und das Aufbringen einer Wärmedämmung auf der südlichen Außenwand genehmigt worden sind.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2/3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens zu 1/3 mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser insoweit selbst trägt.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und führt in der Sache teilweise zum Erfolg. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Umbau seines Einfamilienhauses auf dem Grundstück P.-straße 9 ist gemäß §§ 80 a, 80 Abs. 5 VwGO in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang anzuordnen.

1. Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerdebegründung, auf deren Überprüfung das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich beschränkt ist, die den angefochtenen Beschluss tragende Annahme des Verwaltungsgerichts, die dem Grundstück des Antragstellers zugewandte südliche Giebelwand des Gebäudes des Beigeladenen halte die im Lageplan (Bauvorlage 8/11) eingetragenen Grenzabstände ein, durchgreifend erschüttert. Wie sich aus der inzwischen erfolgten Grenzanweisung und den vorliegenden Vermessungsblättern ergibt, betrug der Abstand zwischen der südwestlichen Gebäudeecke und der Grundstücksgrenze des Antragstellers vor Beginn der Umbauarbeiten nur 0,65 m. Da die Tiefe des im westlichen Bereich der Giebelwand genehmigten Rückbaus in der Grundrisszeichnung für das Erdgeschoss (Bauvorlage 8/4) mit 1,23 m angegeben ist, wobei sich 0,12 m allerdings nicht aus dem Rückbau, sondern aus der ebenfalls geplanten Verkleidung (auch) der verbleibenden Außenwand mit einer Wärmedämmung erklären, ergibt sich an der neuen südwestlichen Gebäudeecke ein Grenzabstand von 1,76 m. Der im Lageplan stattdessen eingetragene Grenzabstand von 2,30 m und die in der Grundrisszeichnung eingetragene Tiefe des Rücksprungs von 1,23 m sind insoweit nicht in Einklang zu bringen. Entsprechend verschieben sich bei dem nach Südosten hin abfallenden Grenzverlauf die Punkte, an denen der Gebäudekörper einen Grenzabstand von 2,30 m bzw. 2,50 m erreicht. Wo genau diese Punkte liegen, lässt sich auch den inzwischen eingereichten Vermessungsblättern und Zeichnungen nicht eindeutig entnehmen. Denn die dort vermerkten Maße weichen zumindest teilweise von den in den genehmigten Bauvorlagen angegebenen Maßen ab, was nicht zuletzt darauf zu beruhen scheint, dass den besagten Unterlagen noch der alte Bestand oder - umgekehrt - bereits eine zwischenzeitlich erfolgte oder zumindest geplante abweichende Bauausführung zugrunde liegt. Abweichungen von der mit dem angefochtenen Bescheid genehmigten Planung sind im vorliegenden Verfahren jedoch unbeachtlich, da Gegenstand der Überprüfung allein das genehmigte Vorhaben ist. Keinem Zweifel unterliegt aber jedenfalls, dass entgegen der Darstellung in der genehmigten Bauvorlage 8/11 und der darauf gestützten Annahme des Verwaltungsgerichts nicht der gesamte vom Rückbau unberührte Teil der Giebelwand einen Grenzabstand von 2,50 m einhält. Nach überschlägiger Einschätzung liegt die Tiefe des Grenzabstands nach dem Rücksprung zunächst noch unter 2,30 m und werden 2,50 m erst im Bereich des westlichen der beiden im Dachgeschoss genehmigten Fenster erreicht.

Ebenso hat der Antragsteller mit seiner Beschwerdebegründung die weiter entscheidungstragende Auffassung des Verwaltungsgerichts entkräftet, dass die Erhöhung des Mauerwerks und die damit verbundene Anhebung des Daches nur die Ostseite des Gebäudes und damit auch nur den vom Rückbau unberührten Teil der südlichen Giebelwand betreffe. Wie sich vielmehr aus der genehmigten Schnittzeichnung A-B (Bauvorlage 8/6) ergibt, soll auch die westliche Außenwand um einige Zentimeter erhöht werden. Der Beigeladene hat dies mit Schriftsatz vom 10. Juni 2008 bestätigt und erläutert, dass die Erhöhung auf der Verlegung eines Ringbalkens auf der Oberkante des Mauerwerks beruhe, um dieses zu stabilisieren. Dass der Beigeladene mit dem vorbezeichneten Schriftsatz ferner erklärt hat, auf den Ringbalken in dem Bereich, in dem der Grenzabstand weniger als 2,30 m beträgt, verzichten zu wollen, ist wiederum ohne Bedeutung, weil ausschließlich das genehmigte Vorhaben in Rede steht.

2. Die berechtigten Einwände des Antragstellers gegen die Ausführungen im angefochtenen Beschluss verhelfen seiner Beschwerde allerdings nicht schon für sich genommen zum Erfolg. Vielmehr ist das Beschwerdegericht in einem solchen Fall befugt und verpflichtet, den Streitstoff von Amts wegen daraufhin zu überprüfen, ob sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 3.9.2003, 2 Bs 313/03, m.w.N.). Diese Prüfung ergibt, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nur insoweit anzuordnen ist, als mit ihm die Verlegung des Ringbalkens auf der Oberkante der westlichen Außenwand in einen Abstand von weniger als 2,50 m zur Grundstücksgrenze des Antragstellers und das Aufbringen einer Wärmedämmung auf der südlichen Giebelwand genehmigt worden sind. Denn nur hinsichtlich dieser Baumaßnahmen dürfte die Baugenehmigung nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand den Antragsteller in seinen Rechten verletzen und im Hauptsacheverfahren aufzuheben sein. Die Teilaufhebung einer Baugenehmigung kommt immer dann in Betracht, wenn der die Rechte des Nachbarn verletzende Bestandteil eines Bauvorhabens räumlich-gegenständlich klar abgrenzbar ist und das im Übrigen nachbarrechtskonform genehmigte Vorhaben ohne größere Umplanungen auch dann sinnvoll genutzt werden kann, wenn der besagte Bestandteil entfällt (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 14.7.2008, 2 Bf 277/03). Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die beiden Maßnahmen erfüllt. Die im Rahmen der §§ 80 a, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Baustopp und dem Interesse des Beigeladenen an einer unverzüglichen Umsetzung seines Vorhabens kann deshalb auch nur insoweit zugunsten des Antragstellers ausfallen.

a) Als nachbarschützende Vorschrift des Bauordnungsrechts kommt hier ausschließlich § 71 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HBauO in Betracht. Danach ist bei Abweichungen von den Anforderungen an Abstandsflächen, und zwar des § 6 Abs. 5 HBauO, soweit die Mindesttiefe von 2,50 m unterschritten werden soll, die Zustimmung des Eigentümers des angrenzenden Grundstücks erforderlich. § 6 Abs. 6 Nr. 3 HBauO bleibt allerdings unberührt. Nach dieser Vorschrift bleiben nachträgliche Wärmeschutzmaßnahmen an bestehenden Gebäuden mit höchstens 0,20 m Dicke bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht, wenn ein Abstand von mindestens 2,30 m zur Nachbargrenze erhalten bleibt.

Das Zustimmungserfordernis erstreckt sich nach Sinn und Zweck der Regelung nicht nur auf die Neuerrichtung von Gebäuden, sondern grundsätzlich auch auf deren Änderung, sofern die Änderung ihrerseits den Anforderungen des § 6 Abs. 5 HBauO entsprechen muss. Wie das Beschwerdegericht noch unter der Geltung des § 68 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HBauO 1986 in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur OVG Hamburg, Beschl. v. 20.3.1997, BRS 59 Nr. 191 m.w.N.) ausgeführt hat, ist bei der Änderung von Gebäuden, die - wie hier - bereits innerhalb des Mindestgrenzabstands errichtet worden sind, die Zustimmung des Nachbarn allerdings nicht erforderlich, wenn das Änderungsvorhaben für sich genommen abstandsflächenrechtlich nicht bedeutsam, d.h. ohne Bedeutung für die (Neu-)Berechnung der erforderlichen Abstandsfläche ist, und wenn der Nachbar den bestehenden Zustand hinnehmen musste und dessen Änderung keine wesentliche Verstärkung gerade derjenigen Beeinträchtigungen des Nachbarn mit sich bringt, die spezifisch auf der Unterschreitung des Mindestabstands beruhen. Für die nunmehr einschlägige Regelung des § 71 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HBauO ergibt sich im Prinzip nichts anderes. Allerdings sind die früheren Ausführungen des Beschwerdegerichts dahingehend auszudifferenzieren, dass bei Änderungen, die sich auf den Umfang der erforderlichen Abstandsfläche auswirken, eine zusätzliche qualitative Prüfung nicht veranlasst ist. Dafür spricht die Stringenz des Abstandsflächenrechts, das in § 71 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HBauO einen Mindestabstand der Bebauung zum Nachbargrundstück festlegt, der ohne Zustimmung des Nachbarn nicht - auch nicht etwa geringfügig - unterschritten werden darf (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 14.7.2008, a.a.O., noch zu § 68 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 HBauO 1986). Insoweit ist dem Nachbarn ein in jeder Hinsicht unbeschränktes Recht eingeräumt; er kann die Zustimmung auch dann mit einer das Vorhaben ausschließenden Wirkung verweigern, wenn er selbst überhaupt nicht oder jedenfalls nur in zumutbarer Weise beeinträchtigt wird (vgl. die Begründung zum Neuerlass der Hamburgischen Bauordnung, Bü-Drucks. 18/2549 S. 68). Mit dieser Ausgestaltung lässt es sich nicht vereinbaren, das Zustimmungserfordernis bei der Änderung eines bereits im Mindestgrenzabstand errichteten Gebäudes, die sich noch weiter zum Nachteil des Nachbarn auf die Abstandsfläche auswirkt, zusätzlich von einer qualitativen Beurteilung abhängig zu machen. Ob der Nachbar den bestehenden Zustand hinnehmen musste und dessen Änderung eine wesentliche Verstärkung gerade derjenigen Beeinträchtigungen mit sich bringt, die spezifisch auf der Unterschreitung des Mindestabstands beruhen, ist deshalb nur bei solchen Maßnahmen von Bedeutung, die - wie z.B. der Einbau eines Fensters - den Umfang der erforderlichen Abstandsfläche selbst nicht berühren. Anderes könnte im Hinblick auf einen gerechten Interessenausgleich allenfalls dann zu erwägen sein, wenn eine für die Abstandsfläche relevante Änderung zur Erhaltung des im Mindestgrenzabstand errichteten Gebäudes schlechterdings notwendig ist. Dies bedarf aber keiner Vertiefung, da ein solcher Fall hier nicht gegeben ist.

Des Weiteren erscheint im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen des Antragstellers die Klarstellung angezeigt, dass die Änderung einer nur teilweise im Mindestgrenzabstand errichteten Außenwand das Zustimmungserfordernis auch nur dann auslösen kann, wenn die Änderung innerhalb des Mindestgrenzabstands erfolgt oder sie sich jedenfalls in diesem Bereich auswirkt. Dementsprechend ist bei einer Mehrzahl von Änderungen die Frage des Zustimmungserfordernisses für jede einzelne Maßnahme gesondert zu prüfen, sofern diese räumlich-gegenständlich klar abgrenzbar ist und keine technischen oder funktionellen Gesichtpunkte eine übergreifende Betrachtung erfordern.

aa) Nach diesen Maßstäben ist für die Verlegung des Ringbalkens auf der Oberkante der westlichen Außenwand in einen Abstand von weniger als 2,50 m zur Grundstücksgrenze des Antragstellers und für das Aufbringen einer Wärmedämmung auf der südlichen Außenwand die Zustimmung des Antragstellers nach § 71 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HBauO erforderlich.

(1) Die Verlegung eines Ringbalkens auf der Oberkante der westlichen Außenwand, die mit ihrem südlichen Ende nach den eingangs erwähnten Maßen bis auf 1,88 m (ohne Berücksichtigung der Wärmedämmung) an die Grundstücksgrenze des Antragstellers heranreicht, ist für die Abstandsfläche unmittelbar von Bedeutung. Denn sie führt zu einer größeren Wandhöhe, die in § 6 Abs. 4 Satz 2 HBauO als das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wandaußenseite mit der Dachhaut definiert ist und das Abstandsflächenmaß "H" beeinflusst. Dass diese Maßnahme zur Erhaltung des Gebäudes schlechterdings notwendig wäre und deshalb ausnahmsweise eine zusätzliche qualitative Beurteilung veranlasst sein könnte, ist nicht ersichtlich. Der Ringbalken soll zwar der Stabilisierung des alten Mauerwerks dienen. Wie sich aus den Ausführungen des Beigeladenen in seinem Schriftsatz vom 10. Juni 2008 ergibt, lässt sich die Stabilisierung jedoch auch durch eine Maßnahme aus Stahl erreichen, die sich nicht auf die gegenwärtige Höhe der Wand auswirkt.

Die bauliche Änderung bedarf deshalb der Zustimmung des Antragstellers, soweit sie sich innerhalb des Mindestgrenzabstands von 2,50 m vollzieht. Auf einen Abstand von 2,30 m wäre gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 2. Halbsatz HBauO allenfalls dann abzustellen, wenn ein Fall der nachträglichen Wärmeschutzmaßnahme i.S.d. § 6 Abs. 6 Nr. 3 HBauO gegeben wäre. Davon dürfte in dem hier maßgeblichen Bereich ungeachtet der vorgesehenen Wärmedämmung aber schon deshalb nicht auszugehen sein, weil die südliche Außenwand an ihrer Westseite auf einer Breite von 2,75 m zurückgesetzt werden soll. Sinn und Zweck der Regelung legen nahe, nachträgliche Wärmeschutzmaßnahmen an bestehenden Gebäuden nur dann zu privilegieren, wenn die Lage der Außenwände unverändert bleibt. Ein Grund, den Mindestgrenzabstand auch dann auf 2,30 m zu verringern, wenn die Wärmedämmung auf einer neu errichteten Außenwand aufgebracht werden soll, ist nicht ersichtlich.

Die Baugenehmigung dürfte deshalb im Hauptsacheverfahren insoweit aufzuheben sein, als mit ihr die Verlegung des Ringbalkens in einen Abstand von weniger als 2,50 m zur Grundstücksgrenze des Antragstellers genehmigt worden ist. Für eine weiterreichende Aufhebung besteht kein Anlass. Denn nach dem Vortrag des Beigeladenen ist es bautechnisch ohne Weiteres möglich, bei im Übrigen im Wesentlichen unveränderter Bauausführung im Bereich des Mindestgrenzabstands auf die Verlegung des Ringbalkens zu verzichten. Danach ist eine Teilbarkeit der Baugenehmigung nicht nur im Verhältnis zu den übrigen Umbauten, sondern auch hinsichtlich der Maßnahme selbst gegeben.

(2) Das Aufbringen einer Wärmedämmung auf der südlichen Außenwand wirkt sich in dem nicht vom Rückbau betroffenen Bereich ebenfalls zum Nachteil des Antragstellers auf die Abstandsfläche aus, weil der Gebäudekörper hierdurch um 0,12 m an sein Grundstück heranrückt. Ob das Zustimmungserfordernis des § 71 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HBauO bei einer nachträglichen Wärmeschutzmaßnahme i.S.d. § 6 Abs. 6 Nr. 3 HBauO erst bei Unterschreitung eines Grenzabstands von 2,30 m ausgelöst wird oder - wie der Antragsteller meint - auf das Maß abzustellen ist, das sich unter Berücksichtigung der konkreten Stärke der Wärmeschutzmaßnahme ergibt, kann offen bleiben. Denn wie eingangs dargelegt, hält die südliche Außenwand nach dem Rücksprung zunächst nicht einmal einen Abstand von 2,30 m zur Grundstücksgrenze des Antragstellers ein. Bei dem Aufbringen der Wärmedämmung handelt es sich auch nicht um eine Maßnahme, die - soweit sie ein und dieselbe Außenwand betrifft - in sinnvoller Weise teilbar erscheint. Eine Abgrenzung kann lediglich gegenüber den Wärmschutzmaßnahmen an den übrigen Außenwänden und bezüglich der anderen Baumaßnahmen erfolgen.

bb) Soweit mit der angegriffenen Baugenehmigung der Rückbau der südlichen Giebelwand im westlichen Bereich, der Einbau einer Tür in die zurückgesetzte Außenwand und der Einbau des westlichen der beiden im Dachgeschoss vorgesehenen Fenster genehmigt worden ist, dürfte ein Zustimmungserfordernis nach § 71 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HBauO dagegen nicht gegeben sein. Die Baumaßnahmen sollen zwar - jeweils zum Teil - innerhalb des Mindestgrenzabstands von 2,50 m ausgeführt werden, der nach den obigen Darlegungen sowohl im Bereich des Rückbaus (s. oben S. 7 Mitte) als auch (infolge Unzulässigkeit der Wärmedämmung) im Bereich der bestehen bleibenden Giebelwand gilt. Die Umbauten wirken sich aber weder auf den Umfang der erforderlichen Abstandsflächen aus noch dürften sie eine wesentliche Verstärkung gerade derjenigen Beeinträchtigungen des Antragstellers mit sich bringen, die spezifisch auf der Unterschreitung des Mindestabstands beruhen.

(1) Für den Rückbau der Giebelwand im westlichen Bereich liegt dies auf der Hand. Denn er hat auf einer Breite von 2,75 m eine Vergrößerung des Grenzabstands um gut 1,00 m zur Folge, was für den Antragsteller nur Vorteile erkennen lässt.

(2) Soweit der Einbau der Tür in Rede steht, ist zunächst zu berücksichtigen, dass auch zuvor schon im westlichen Teil der Giebelwand eine Tür vorhanden war. Deren Einbau ist anhand der beigezogenen Bauakten zwar nicht näher nachzuvollziehen. Jedenfalls ist ihnen aber zu entnehmen, dass der frühere Eigentümer des nunmehr dem Antragsteller gehörenden Grundstücks im Jahre 1967 erklärt hat, gegen diese Tür keine Einwendungen zu erheben, und hat auch der Antragsteller den bestehenden Zustand in der Vergangenheit offenbar hingenommen. Allerdings dürfte die bisherige Tür lediglich als Ein- und Ausgang zu bzw. von der Küche gedient haben, während der Haupteingang auf der Nordseite des Gebäudes belegen war. Dies soll sich mit dem Einbau der zweiflügeligen 2,00 m breiten Tür im Bereich des Rücksprungs ersichtlich ändern, da der bisherige Haupteingang durch den Anbau auf der Nordseite entfällt und entgegen dem Vorbringen des Beigeladenen kaum anzunehmen ist, dass künftig die unmittelbar in das Wohnzimmer führende Tür auf der Ostseite des Hauses als Haupteingang genutzt werden soll. Eine Verlegung des Haupteingangs in den Mindestgrenzabstand führt zwangsläufig zu einer gewissen Unruhe und erscheint deshalb grundsätzlich geeignet, die durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange zu beeinträchtigen, zu denen auch die Einhaltung eines "Sozialabstands" gehört (vgl. die Begründung zur Neufassung der Hamburgischen Bauordnung, Bü-Drucks. 18/2549 S. 42). Gleichwohl dürfte hier eine wesentliche Verstärkung gerade derjenigen Beeinträchtigungen, die spezifisch auf der Unterschreitung des Mindestabstands beruhen, im Ergebnis zu verneinen sein. Bei der Beurteilung kann nämlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass die neue Tür höchstens zu einem Drittel im Mindestgrenzabstand liegen dürfte. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der aus der genehmigten Bauvorlage 8/4 ersichtlichen Maße mit dem in den eingereichten Vermessungsblättern und Zeichnungen dargestellten Grenzverlauf. Bei einer Verschmälerung der Tür nach Osten hin auf etwa 1,30 m dürfte sie vollständig außerhalb des Mindestgrenzabstands liegen, könnte mit dieser Breite aber immer noch ohne Weiteres ihre Funktion als Haupteingang erfüllen. Eine solche Änderung des bestehenden Zustands wäre nicht von der Zustimmung des Antragstellers abhängig und von ihm hinzunehmen. Dies macht deutlich, dass Beeinträchtigungen, die speziell auf der Unterschreitung des Mindestgrenzabstands beruhen, nicht zu erwarten sind. Ein zusätzliches Störpotenzial ist allein aufgrund des Umstands, dass die Tür nach der genehmigten Planung ein Stück weit in den Mindestgrenzabstand hineinreicht, nicht zu erkennen.

(3) Ähnlich verhält es sich, soweit der Einbau des westlichen Fensters im Dachgeschoss genehmigt worden ist. Das gegenwärtig vorhandene Fenster ist zwar mit Glasbausteinen versehen und eröffnet deshalb keine Einblicksmöglichkeiten in das Grundstück des Antragstellers. Mit der angefochtenen Baugenehmigung hat die Antragsgegnerin jedoch zwei Fenster im Dachgeschoss genehmigt, wobei das östliche nach der Bauvorlage 8/10 einen Abstand von 4,45 m zur (in der Verlängerung gedachten) südwestlichen Gebäudeecke einhält und somit vollständig außerhalb des Mindestgrenzabstands liegen dürfte. Auch insoweit gilt, dass für den Einbau dieses Fensters die Zustimmung des Antragstellers nicht erforderlich ist. Er kann deshalb nicht verhindern, dass mit der Änderung der Giebelwand erstmals die Möglichkeit geschaffen wird, aus dem Dachgeschoss sein Grundstück einzusehen. Gegenüber diesem Zustand dürfte der Einbau des zweiten Fensters, das nur zum Teil innerhalb des Mindestgrenzabstands liegen dürfte, jedenfalls zu keiner wesentlichen Verstärkung der Beeinträchtigungen führen. Denn das Fenster soll im selben Zimmer eingebaut werden und ermöglicht aufgrund seiner Lage unmittelbar neben dem anderen Fenster weder eine andere Blickrichtung noch eine bessere Sicht auf das Grundstück des Antragstellers. Unter diesen Umständen liegt es nahe, den bloßen quantitativen Unterschied als unwesentlich anzusehen, zumal das östliche Fenster auch noch vergrößert werden könnte, ohne den Mindestgrenzabstand zu verletzen.

cc) Die übrigen mit dem angefochtenen Bescheid genehmigten Umbauten sollen weder im Mindestgrenzabstand durchgeführt werden noch wirken sie sich in diesem Bereich aus. Schon aus diesem Grunde ist insoweit die Zustimmung des Antragstellers nach § 71 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HBauO nicht erforderlich.

b) Auch aus dem planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot ergibt sich keine weitergehende Verletzung der Rechte des Antragstellers. Das Rücksichtnahmegebot beinhaltet nicht, jede Beeinträchtigung eines Nachbarn zu vermeiden. Ein Nachbar kann lediglich solche Nutzungsstörungen abwehren, die ihm gegenüber als rücksichtslos zu werten sind. Davon kann erst die Rede sein, wenn die mit dem genehmigten Bauvorhaben verbundenen Beeinträchtigungen bei der Nutzung des eigenen Grundstücks bei einer Abwägung, in der die Schutzwürdigkeit der Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigungen und die Interessen des Bauherrn zu berücksichtigen sind, für den Nachbarn billigerweise unzumutbar erscheinen (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 5.8.1983, BVerwGE 67, 334; OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2007, NordÖR 2008, 73, 74). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Die vom Antragsteller insoweit allein geltend gemachten Einblicksmöglichkeiten sind trotz der Nähe des Gebäudes des Beigeladenen nicht als rücksichtslos zu bewerten. Dafür spricht zum einen, dass Einblicksmöglichkeiten in Gärten, Terrassen und Fenster unter den Bedingungen der in einer Großstadt notwendigerweise verdichteten Bebauung nicht zu vermeiden und damit eine grundsätzlich hinzunehmende Selbstverständlichkeit sind. Vor allem ist aber in Rechnung zu stellen, dass auch die dem Grundstück des Beigeladenen zugewandte Giebelwand des Wohnhauses des Antragstellers über drei Fenster verfügt. Zwar hält das Haus mit etwa 3,50 bis 5,50 m einen größeren Grenzabstand als das Wohnhaus des Beigeladenen ein. Das Grundstück des Antragstellers ist aber deutlich höher gelegen, so dass sich aus den Fenstern seines Hauses mindestens ebenso gute, wenn nicht gar bessere Einblicksmöglichkeiten auf das Grundstück des Beigeladenen bieten dürften als dies umgekehrt der Fall ist.

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO und §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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