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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 02.07.2002
Aktenzeichen: 3 Bf 191/99.A
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 53 Abs. 4
AuslG § 53 Abs. 6
Staatsangehörigen aus Sierra Leone drohen bei einer Rückkehr weder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK) noch allgemeine Gefahren, die in verfassungskonformer Anwendung von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG die Abschiebung hindern.
HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

3 Bf 191/99.A

3. Senat

Urteil vom 2. Juli 2002

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Dr. Müller-Gindullis und Kollak, die Richterin Schlöpke-Beckmann sowie die ehrenamtliche Richterin Eigeldinger und den ehrenamtlichen Richter Bredow

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Bundesbeauftragten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 3. März 1999 geändert und wie folgt gefasst:

Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens.

Hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, falls nicht der betreibende Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, 1980 in Sierra Leone geboren, begehrt Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG.

Die Klägerin reiste im Juni 1995 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Bei ihrer persönlichen Anhörung am 22. August 1996 gab sie an: Sie habe mit ihrer Familie zunächst in Freetown gelebt, und ihr Vater sei ein angesehener Politiker der "People Democratic Party" (PDP) gewesen. Nach dem Putsch und der Machtübernahme durch den NPRC sei ihrem Vater vorgeworfen worden, die Rebellen der RUF mit Waffen und Munition unterstützt zu haben. Er sei dann 1993 verhaftet und anschließend im Gefängnis umgebracht worden. Dann habe man ihr Haus durchsucht und das Bankkonto beschlagnahmt. Auf Vorschlag und unter Mithilfe eines Mannes seien sie dann in den Geburtsort ihres Vaters Tely Bongo gezogen. Später sei dieses Dorf von Rebellen überfallen worden; die Rebellen hätten sie und 11 weitere Jungen und Mädchen mitgenommen. Man habe sie gezwungen, auf der Seite der Rebellen auch mit Gewehren zu kämpfen. Eines Tages auf dem Weg nach Port Loko seien sie in eine Falle der Regierungssoldaten geraten. Nach ihrer Festnahme sei sie unter Schlägen zu Aussagen gezwungen worden. Sie habe aber erklärt, von den Rebellen zu den Taten gezwungen worden zu sein. Im Gefängnis habe man ihr dann erklärt, sie müsse mit der Verurteilung zum Tode rechnen. Ein Captain, dem ihr Vater einmal geholfen habe, habe dann dafür gesorgt, dass sie das Gefängnis habe verlassen können. Mit dem Schiff sei sie dann von Freetown aus am 20. Juni 1995 im Hamburger Hafen eingetroffen.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 1996 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte ab. Ferner stellte die Beklagte in dem Bescheid fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 noch die des § 53 AuslG vorlägen. Außerdem forderte sie die Klägerin zur Ausreise binnen eines Monats auf und drohte ihr die Abschiebung nach Sierra Leone an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Das Vorbringen sei unglaubhaft, weil die Klägerin unsubstantiierte Angaben gemacht habe. Die Klägerin habe einen derart naiven und hilflosen Eindruck gemacht, dass sie den Rebellen wohl kaum habe von Nutzen sein können. Auch die Umstände bei den Rebellen, ihre wundersame Befreiung und ihre problemlose Schiffsreise seien nicht überzeugend dargestellt.

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin eine handschriftlich verfasste Zusammenfassung ihres Verfolgungsschicksals eingereicht. Sie hat u.a. angegeben, während der Zeit bei den Rebellen auch vergewaltigt worden zu sein. Seitdem habe sie ständig schlimme Unterleibsschmerzen. Die Klägerin hat nach Rücknahme ihrer Klage hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigte sowie des Antrages auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 AuslG beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 53 AuslG vorliegen, sowie die Ausreiseaufforderung aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 21. Oktober 1996 zu der Feststellung verpflichtet, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich Sierra Leone vorliegen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Durch eine Abschiebung nach Sierra Leone würde die Klägerin einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK unterworfen. Junge Mädchen und Frauen ohne familiären Halt müssten im Falle ihrer Rückkehr nach Sierra Leone mit Misshandlungen und Vergewaltigungen rechnen. Für das Abschiebungshindernis sei die Staatlichkeit des Täters jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn wie vorliegend eine beachtliche Gefahr einer solchen Behandlung drohe, weil staatlicher Schutz sich faktisch als ineffektiv erweise. An der Glaubwürdigkeit der Klägerin habe das Gericht keinerlei Zweifel.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Bundesbeauftragte unter Bezugnahme auf seinen Zulassungsantrag vor: Der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei nicht zu folgen. Die Einschränkung des Erfordernisses der Staatlichkeit des Täters stehe im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Die vom Verwaltungsgericht angeführte faktische Ineffektivität staatlichen Schutzes sei Ausfluss des Bürgerkrieges, nicht einer Komplizenschaft.

Der Bundesbeauftragte beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit ihr hinsichtlich § 53 Abs. 4 AuslG stattgegeben wurde.

Hinsichtlich der Unterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, wird auf die Sitzungsniederschrift vom 2. Juli 2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Bundesbeauftragten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage, soweit sie nicht bereits zurückgenommen worden ist.

I.

Das Oberverwaltungsgericht lässt offen, ob das Rechtsschutzinteresse der Klägerin fortbesteht. Ausweislich der Ausländerakte soll sie seit dem 12. Februar 1999 unbekannten Aufenthalts und weder postalisch noch sonst erreichbar sein. Auch der Prozessbevollmächtigte hat keinen Kontakt zu ihr.

II.

1. Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK steht der Klägerin nicht zu.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK nur beanspruchen, wem im Zielland der Abschiebung landesweit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung durch den Staat oder eine staatsähnliche Organisation droht (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.1995, BVerwGE Bd. 99 S. 331, 333 ff.; v. 15.4.1997, BVerwGE Bd. 104 S. 265, 267 ff.; v. 2.9.1997, BVerwGE Bd. 105 S. 187, 188 ff.). Ausnahmsweise können auch Misshandlungen durch Dritte eine solche Behandlung darstellen, sofern sie dem Staat zugerechnet werden können, weil er sie veranlasst, bewusst duldet oder ihnen gegenüber keinen Schutz gewährt, obwohl er dazu in der Lage wäre. Dem Staat können ferner solche staatsähnlichen Organisationen gleichstehen, die den jeweiligen Staat verdrängt haben, selbst staatliche Funktionen ausüben und auf ihrem Gebiet die effektive Gebietsgewalt innehaben.

Der Begriff der Gefahr ist - ebenso wie in § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG - im Ansatz kein anderer als der im asylrechtlichen Prognosemaßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" angelegte (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.1995, BVerwGE Bd. 99 S. 324, 330; Beschl. v. 18.7.2001, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 46). Dies gilt auch dann, wenn der Ausländer bereits vor der Einreise ins Bundesgebiet Eingriffe in Leib, Leben oder Freiheit erlitten hat. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG).

Danach schützt Art. 3 EMRK ebenso wie das Asylrecht nicht vor den allgemeinen Folgen von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen und anderen bewaffneten Konflikten sowie vor Rechtsverletzungen durch Drogenkartelle und verbrecherische Banden oder einzelne Kriminelle und schließlich nicht vor den Auswirkungen eines unterentwickelten Gesundheitssystems.

§ 53 Abs. 4 AuslG verweist auf die EMRK lediglich hinsichtlich zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse. Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse fallen nicht unter § 53 Abs. 4 AuslG (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.11.1997, BVerwGE Bd. 105 S. 322, 324 ff.).

b) Abgesehen davon, dass es -wie vom Bundesbeauftragten hervorgehoben- insoweit an der erforderlichen Staatlichkeit des Täters fehlen würde, läuft die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht ohnehin nicht Gefahr, bei einer Rückkehr nach Sierra Leone in gewaltsame kriegerische Auseinandersetzungen zu geraten oder Opfer von Gräueltaten der RUF oder anderer Gruppen zu werden, insbesondere ihrer Freiheit beraubt oder sexuell missbraucht zu werden.

Seit dem Abkommen von Abuja im November 2000 hat sich, wie insbesondere ai in seiner Auskunft vom 24. Januar 2002 an das VG Coburg (G 1/02) und das Institut für Afrika-Kunde in seiner Auskunft vom 19. März 2002 an das VG Sigmaringen näher dargelegt haben, die Lage in Sierra Leone kontinuierlich verbessert und entspannt, nachdem der durch das Lomé-Abkommen von 1999 beschlossene Friedensprozess zwischenzeitlich fast gescheitert war. Die Stabilisierung ist vor allem den Kräften der UN Mission in Sierra Leone (UNAMSIL) zu verdanken, die im letzten Jahr ihre volle Stärke von 17.500 Personen erreicht hat (vgl. IRIN [UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs - OCHA - Integrated Regional Information Network] v. 20.11. 2001) und im ganzen Land stationiert ist. Die Entwaffnung der ehemaligen Kämpfer wurde Mitte Januar dieses Jahres landesweit erfolgreich beendet. Insgesamt wurden rund 46.000 Kämpfer der verschiedenen Gruppierungen entwaffnet, darunter fast 5.000 Kindersoldaten. Das ist ein bedeutender Erfolg, wenn damit auch nicht feststeht, dass die ehemaligen Guerillagruppen und Milizen nunmehr über keine heimlichen Waffenverstecke mehr verfügen. Am 17. Januar dieses Jahres wurde der Bürgerkrieg offiziell für beendet erklärt und die bestehenden Ausgangsbeschränkungen aufgehoben, am 1. März dieses Jahres wurde der Ausnahmezustand für beendet erklärt (vgl. Reuters v. 2.3.2002). Am 14. Mai fanden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt, die allgemein als frei und fair bezeichnet worden und aus der der Amtsinhaber Ahmad Kabbah und seine Sierra Leones Peoples Party (SLPP) als deutliche Sieger hervorgegangen sind (vgl. FAZ v. 21.5.2002). Auch der Interimsführer der Rebellenorganisation RUF hat erklärt, dass die RUF bereit für den Frieden sei. Die RUF befindet sich in der Entwicklung zu einer politischen Partei und hat sich an den Parlaments- und Prädidentschaftswahlen vom 14. Mai beteiligt (vgl. IRIN, Weekly Roundup 119 v. 12.4.2002), wenngleich ohne Erfolg. Nach der landesweiten Stationierung der UNAMSIL-Truppen und der erfolgreichen Entwaffnungskampagne steht zumindest der überwiegende Teil des Staatsgebiets wieder unter der Kontrolle der Regierung. Ihren Ausdruck findet die geänderte Lage in der Rückkehr von bisher rund 160.000 Flüchtlingen aus den Nachbarländern, insbesondere aus Liberia und Guinea, überwiegend mit Hilfe des UNHCR (vgl. Presseerklärungen des UNHCR v. 27.11.2001 und 3.5.2002; IRIN v. 21.1.2002). Darüber hinaus sind zahlreiche Binnenflüchtlinge in ihre Heimatorte zurückgekehrt (vgl. IRIN v. 18.4.2002).

c) Die Klägerin hat auch nicht zu befürchten, von staatlichen Stellen wegen Handlungen während der Zeit bei den Rebellen zur Rechenschaft gezogen und dabei gefoltert (vgl. auch § 53 Abs. 1 AuslG), mit dem Tode bestraft (vgl. auch § 53 Abs. 2 AuslG) oder sonstwie unmenschlich oder erniedrigend behandelt zu werden. Die Klägerin, damals ein Kind, war nicht Täterin, sondern Opfer der Rebellen. Die im vergangenen Jahr entwaffneten Kämpfer und die Kindersoldaten sind nicht zur Rechenschaft gezogen worden, sondern haben im Gegenteil Hilfen zur Reintegration erhalten (vgl. FR v. 11.8.2001). Nach dem 1999 in Lomé geschlossenen Abkommen besteht eine Amnestie (vgl. AA v. 22.2.2000 an VG Ansbach; Institut für Afrika-Kunde v. 7.1.2002 an VG Gelsenkirchen). Unter die Zuständigkeit des UN-Sonderstrafgerichtshofs fallen nur Kriegsverbrechen seit dem 30. November 1996 von Tätern über 15 Jahren (vgl. IRIN, Weekly Round up 107 v. 18.1.2002; ai v. 24.1.2002 an VG Cottbus).

2. Da das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 53 Abs. 4 AuslG entsprochen hat, muss das Oberverwaltungsgericht bei Abweisung dieses Antrags im Berufungsrechtszug über den Antrag auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG entscheiden (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.4.1997, BVerwGE Bd. 104 S. 260, 264 und S. 265, 276; Beschl. v. 24.5.2000, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 36; Beschl. v. 19.12.2001, InfAuslR 2002 S. 203, 204). Dabei bietet § 53 Abs. 6 ebenso wie § 53 Abs. 4 AuslG nur vor einer landesweiten Gefahrenlage Schutz, sofern die sicheren Landesteile erreichbar sind.

a) Allgemeine Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG können ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG auch dann nicht begründen, wenn sie den Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Das gilt auch dann, wenn die individuelle Gefährdung des Ausländers, die sich aus einer allgemeinen Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ergibt, durch Umstände in seiner Person oder in seinen Lebensverhältnissen begründet oder verstärkt wird, aber nur typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.12.1998, BVerwGE Bd. 108 S. 77, 80 ff.; v. 12.7.2001, InfAuslR 2002 S. 52, 53 f.). Trotz bestehender konkreter erheblicher Gefahr ist danach die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG gesperrt, wenn dieselbe Gefahr zugleich einer Vielzahl weiterer Personen im Abschiebezielland droht.

Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG nicht besteht, ist nur dann ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG zuzuerkennen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist dann der Fall, wenn der Ausländer in seinem Heimatstaat einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Falle seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.1995, BVerwGE Bd. 99 S. 324, 328; v. 8.12.1998, BVerwGE Bd. 108 S. 77, 80 f.; v. 12.7.2001, InfAuslR 2002 S. 52, 54 f. und S. 48, 49).

b) Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG wegen allgemeiner Gefahren steht der Klägerin nicht zu. Hinsichtlich des Endes des Bürgerkriegs und der allgemeinen Sicherheitslage wird auf die Ausführungen zu 1b) verwiesen.

Es liegt auf der Hand, dass nach 10 Jahren Bürgerkrieg in einem der ärmsten Länder der Welt die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln und Wasser sowie die medizinische Versorgung relativ schlecht und nicht dauerhaft gesichert ist. Eine extreme Gefahrenlage besteht jedoch derzeit jedenfalls im Großraum Freetown nicht. In Sierra Leone sind verschiedene internationale, staatliche und nichtstaatliche Hilfsorganisationen in allen Landesteilen bemüht, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser und in medizinischer Hinsicht zu gewährleisten (vgl. etwa AFP v. 16.7.2001; IRIN, Update 1059 v. 11.9.2001).

c) Für die Prüfung eines individuellen zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (beispielsweise Verschlimmerung einer Krankheit, vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1997, BVerwGE Bd. 105 S. 383; v. 27.4.1998, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 12; v. 21.9.1999, ebenda Nr. 21 S. 19) bietet das Vorbringen der Klägerin keinen Ansatz.

3. Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, die Ausreiseaufforderung der Beklagten aufzuheben. Insoweit hat sie die Klage nicht zurückgenommen. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides zu der Feststellung verpflichtet, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 4 AuslG vorliegen. Auf den Antrag auf Aufhebung der Ausreiseaufforderung ist das Verwaltungsgericht dabei nicht eingegangen. Gleichwohl kann das verwaltungsgerichtliche Urteil dahin verstanden werden, dass es stillschweigend die Abschiebungsandrohung wegen Bestehens eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 4 AuslG in Bezug auf das Abschiebezielland teilweise aufgehoben hat (vgl. § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG). Der Berufungsantrag des Bundesbeauftragten ist dahin zu verstehen, dass das angefochtene Urteil geändert werden möge, soweit es der Klage stattgegeben hat. Dafür, dass er eine Aufhebung der Abschiebungsandrohung durch das Verwaltungsgericht hinnehmen und in seine Berufung nicht mit einbeziehen wollte, gibt es keine Anhaltspunkte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.8.1999, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 19 S. 11).

Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung beurteilt sich ebenfalls nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG). Wegen Fehlens eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK in diesem Zeitpunkt ist auch die Androhung im Bescheid der Beklagten, die Klägerin nach Sierra Leone abzuschieben, nicht aufzuheben. Hingewiesen sei abschließend noch darauf, dass wegen Bestehens einer extremen Gefahrenlage im Abschiebezielland in verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG die asylverfahrensrechtliche Abschiebungsandrohung der Beklagten von vornherein nicht der Aufhebung unterliegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.4.1997, BVerwGE Bd. 104 S. 260, 265; OVG Hamburg, Beschl. v. 18.9.2001 - 3 Bf 183/01.A).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.

Ende der Entscheidung

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