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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.03.2005
Aktenzeichen: 3 Bf 294/04
Rechtsgebiete: AufenthG, FreizügG/EU, VwGO, HmbVwVfG, Richtlinie Nr. 64/221/EWG, Richtlinie Nr. 73/148/EWG, Richtlinie Nr. 90/364/EWG, Richtlinie Nr. 2004/38/EG
Vorschriften:
AufenthG § 11 | |
AufenthG § 102 | |
FreizügG/EU § 7 | |
FreizügG/EU § 11 | |
VwGO § 75 | |
HmbVwVfG § 13 | |
Richtlinie Nr. 64/221/EWG Art. 2 | |
Richtlinie Nr. 64/221/EWG Art. 3 | |
Richtlinie Nr. 73/148/EWG Art. 1 | |
Richtlinie Nr. 90/364/EWG Art. 1 | |
Richtlinie Nr. 90/364/EWG Art. 2 | |
Richtlinie Nr. 2004/38/EG Art. 32 |
2. Die Befristung der Sperrwirkungen von Ausweisungen, die auf der Grundlage des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Rechts verfügt und bis dahin bestandskräftig geworden sind, bemisst sich auch für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nach § 11 Abs. 1 AufenthG.
3. Wird ein Drittstaatsangehöriger wegen schwerer Straftaten bestandskräftig ausgewiesen und erfüllt er danach durch Eheschließung mit einem Unionsbürger die Voraussetzungen eines gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrechts, so entfallen die Sperrwirkungen der Ausweisung nicht automatisch kraft Gemeinschaftsrechts mit dem Eintritt der Voraussetzungen des Freizügigkeitstatbestands.
4. Erfüllt ein Drittstaatsangehöriger, der wegen schwerer Straftaten bestandskräftig aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und abgeschoben worden ist, zu einem später folgenden Zeitpunkt infolge der Eheschließung mit einem Unionsbürger die Voraussetzungen eines gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrechts, so gelten ihm gegenüber hinsichtlich der Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots die Maßstäbe entsprechend, die gemeinschaftsrechtlich in den Fällen anzulegen sind, in denen der Ausgewiesene bereits zum Zeitpunkt der Ausweisung freizügigkeitsberechtigt und die Ausweisung gemeinschaftsrechtlich ordnungsgemäß verfügt worden war.
5. Ein Drittstaatsangehöriger, der mit einem Unionsbürger verheiratet ist und mit diesem in einen Mitgliedstaat einreisen und sich dort aufhalten will, kann sich dafür nicht auf ein gemeinschaftsrechtliches Freizügigkeitsrecht berufen, wenn er sich nicht bereits rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, von dem aus er sich in den Aufnahmestaat begeben möchte (vgl. EuGH, Urt. v. 23.9.2003, C - 109/01, InfAuslR 2003 S. 409 - Akrich).
6. Es ist zweifelhaft, ob die passive Dienstleistungsfreiheit bereits für solche Aufenthalte in Anspruch genommen werden kann, bei denen der Betreffende lediglich Leistungen zur Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse empfangen würde, die mit jeglichem Aufenthalt unabhängig von seinem eigentlichen Zweck verbunden sind ("Kauf einer Coca Cola am Flughafen").
7. Ein Freizügigkeitsrecht wird gemeinschaftsrechtlich nicht unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dadurch ausgeschlossen, dass der Betreffende im Fall seiner Einreise in den Aufnahmestaat damit rechnen muss, dort zur Vollstreckung einer Restfreiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung inhaftiert zu werden, sofern von ihm gegenwärtig keine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr neuer Rechtsverstöße mehr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
8. Eine auf Erteilung eines begünstigenden Verwaltungsakts an einen Dritten gerichtete Verpflichtungsklage ist nicht als Untätigkeitsklage zulässig, wenn der Kläger nicht gemäß § 13 Abs. 1 (Hmb) VwVfG Beteiligter des Antragsverfahrens war und er auch keinen Widerspruch gegen den an den Dritten gerichteten Versagungsbescheid eingelegt hat.
3 Bf 294/04
Verkündet am 22. März 2005
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Fligge und Niemeyer sowie die ehrenamtliche Richterin Hinze und den ehrenamtlichen Richter Kraemer für Recht erkannt:
Tenor:
Soweit die Klägerinnen zu 2) und 3) und die Beklagte das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 14. Juni 2004 geändert.
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 21. März 2003 und des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2003 verpflichtet, die Wirkungen der dem Kläger zu 1) gegenüber erfolgten Ausweisung und Abschiebung auf den 22. März 2005 zu befristen. Im Übrigen wird die Klage des Klägers zu 1) abgewiesen. Die Klagen der Klägerinnen zu 2) und 3) werden abgewiesen. Die Berufung der Beklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des gesamten Verfahrens tragen der Kläger zu 1) zu 1/14, die Klägerinnen zu 2) und 3) zu jeweils 1/4 und die Beklagte zu 6/14. Der Kläger zu 1) trägt hinsichtlich des gesamten Verfahrens 1/7 seiner eigenen außergerichtlichen Kosten und 1/14 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Die Klägerinnen zu 2) und 3) tragen hinsichtlich des gesamten Verfahrens jeweils 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und jeweils ihre eigenen außergerichtlichen Kosten. Die Beklagte trägt hinsichtlich des gesamten Verfahrens 6/7 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) und 6/14 ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens für den Kläger zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten, für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen zu 2) und 3) können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils festgesetzten Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger, ein chilenischer Staatsangehöriger, seine britische Ehefrau und seine deutsche Tochter, begehren gegenüber der Beklagten, die Wirkung der gegenüber dem Kläger zu 1) erfolgten Ausweisung und Abschiebung zu befristen bzw. ihm eine Betretenserlaubnis zu erteilen.
Der am 24. Juli 1972 in Santiago de Chile geborene Kläger zu 1) reiste Ende 1986 von Chile nach Deutschland ein, wo er sich bei seinem in Hamburg lebenden Vater aufhielt; Anfang 1989 kehrte er nach Chile zurück. Nachdem im Oktober 1989 seine Tochter, die Klägerin zu 3), geboren worden war, reiste er im Sommer 1990 wieder nach Deutschland ein. Am 30. November 1990 heiratete er in Hamburg die deutsche Kindesmutter. Am 31. Januar 1991 erhielt er eine bis zum 30. Januar 1994 gültige Aufenthaltserlaubnis.
Am 31. März 1992 verurteilte ihn das Landgericht Hamburg zu einer Jugendstrafe von 2 1/2 Jahren wegen versuchten Totschlags. Die Beklagte sah von der zunächst beabsichtigten Ausweisung ab, nachdem seine damalige Ehefrau sich für ihn eingesetzt und auch das Strafvollzugsamt der Justizbehörde der Beklagten sich positiv über sein Verhalten in der Haft geäußert hatte. Am 28. Januar 1994 wurde seine Aufenthaltserlaubnis bis zum 27. Januar 1996 verlängert. Zuvor war der Kläger zu 1) auf Bewährung aus der Haft entlassen worden; er hatte eine Tischlerlehre begonnen.
Vom 19. Dezember 1994 an saß der Kläger zu 1) erneut in Haft. Zunächst befand er sich auf Grund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Itzehoe wegen Verdachts der Freiheitsberaubung in Untersuchungshaft, dann hatte er den Strafrest aus der oben genannten Jugendstrafe zu verbüßen. Am 2. November 1995 verurteilte ihn das Amtsgericht Itzehoe wegen Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten. Am 6. Juni 1996 verurteilte ihn das Landgericht Hamburg (unter Einbeziehung der letztgenannten Strafe des Amtsgerichts Itzehoe) wegen schweren Raubes in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren (35 Js 125/95). Abgeurteilt wurden bewaffnete Raubüberfälle, die der Kläger zu 1) gemeinsam mit anderen Tätern im Juli 1994 begangen hatte. Das Urteil wurde am 27. Januar 1997 rechtskräftig.
Im März 1998 wandte sich der Kläger zu 1) durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten an die Staatsanwaltschaft Hamburg mit dem Antrag, nach § 456 a StPO von der Vollstreckung der Reststrafe abzusehen, damit er nach Chile abgeschoben werden könne. Zugleich beantragte er gegenüber der Beklagten, ihn nach einer Haftentlassung abzuschieben. Die Staatsanwaltschaft Hamburg verfügte am 15. April 1998, dass gemäß § 456 a StPO von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6. Juni 1996 abgesehen werde; diese Verfügung werde wirksam mit einer Abschiebung des Klägers zu 1), frühestens am 1. September 1999. Zugleich werde für den Fall der Rückkehr des Verurteilten in die Bundesrepublik Deutschland angeordnet, dass die Vollstreckung der Reststrafe nachgeholt werde (§ 456 a Abs. 2 StPO). Diese Anordnung gelte unabhängig von einem durch die Ausländerbehörde ausgesprochenen Aufenthaltsverbot bzw. "dessen Ablauf (o)der Aufhebung".
Mit Bescheid vom 2. September 1998 wies die Beklagte den Kläger zu 1) gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) aus dem Bundesgebiet aus und drohte ihm die Abschiebung nach Chile an. Zur Begründung der Ausweisungsverfügung verwies sie auf die vom Kläger zu 1) begangenen Straftaten und führte weiter aus, besonderer Ausweisungsschutz nach § 48 AuslG sei bei ihm nicht mehr gegeben. Zuvor hatte sie laut einem in der Ausländerakte befindlichen Aktenvermerk ermittelt, dass die Ehe des Klägers zu 1) mit der Mutter der Klägerin zu 3) nicht mehr bestand. Die Verfügung vom 2. September 1998 wurde mit Ablauf der Widerspruchsfrist bestandskräftig.
Mit Verfügung vom 2. Februar 1999 entschied die Gnadenabteilung der Justizbehörde der Beklagten auf ein Gnadengesuch des Klägers zu 1) vom 22. Dezember 1998, dass die Vollstreckung der gesamten Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6. Juni 1996 im Gnadenwege bis auf weiteres unterbrochen werde. Sie verband dies mit der Auflage, dass der Kläger zu 1) sofort nach seiner Haftentlassung nach Chile auszureisen habe und die Strafunterbrechung lediglich zu dem angegebenen Zweck und am angegebenen Ort genutzt werden dürfe. Daraufhin wurde der Kläger zu 1) am 24. Februar 1999 aus der Haft entlassen und unmittelbar darauf nach Chile abgeschoben.
Mit einer Verfügung vom 2. April 2001, die an den Kläger zu 1) "zur Zeit unbekannten Aufenthalts" gerichtet war, widerrief die Abteilung Gnadenangelegenheit der Justizbehörde ihren Gnadenerweis vom 2. Februar 1999, da der damit angestrebte Zweck, nämlich die Ausreise des Klägers zu 1) nach Chile, erreicht worden sei. Diesen Bescheid übersandte die Justizbehörde am 17. April 2001 an die Staatsanwaltschaft Hamburg mit der Bitte um Kenntnisnahme sowie mit der Bitte um Erlass eines Haftbefehls. Weiter hieß es in der betreffenden Verfügung der Justizbehörde: "Um Aushändigung des anliegenden Bescheides bei der Festnahme des Verurteilten wird gebeten". Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft bereits am 18. März 1999 einen Vollstreckungshaftbefehl gegenüber dem Kläger zu 1) wegen Verbüßung einer Restfreiheitsstrafe von 1.380 Tagen erlassen. Die Vollstreckungsverjährung (§§ 79 ff. StGB) hinsichtlich dieser Reststrafe tritt laut einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Hamburg am 24. Februar 2019 ein (Schreiben der Staatsanwaltschaft an das Berufungsgericht vom 18.1.2005 in der Eilsache 3 Bs 458/04, Bl. 119).
Mit Schreiben vom 28. August 2002 wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Kläger unter Vorlage einer Vollmacht des Klägers zu 1) "wegen: Strafvollstreckungsangelegenheit, Gnadenangelegenheit" an die Justizbehörde der Beklagten und zeigte an, dass er den Kläger zu 1) in strafvollstreckungsrechtlichen und Gnadenangelegenheiten vertrete. Er sei beauftragt, dafür zu sorgen, dass der Kläger zu 1) in Zukunft besuchsweise seine in Hamburg lebende Tochter, die Klägerin zu 3), besuchen und betreuen könne. Angesichts dessen bitte er darum, ihm die vollständige Gnadenakte zur Verfügung zu stellen bzw. Aktenauszüge in kopierter Form zu übersenden. Unter Hinweis auf ein Telefonat vom 27. August 2002 hieß es in dem Schreiben weiterhin, der Kläger zu 1) habe von einem Aufhebungsbescheid der Justizbehörde vom 2. April 2001 keine Kenntnis. Sofern Auszüge aus der Gnadenakte in kopierter Form übersandt werden sollten, bitte er darum, dies in dem Umfang zu tun, den man in der Gnadenbehörde für wichtig halte, zumindest aber die in Rede stehenden Bescheide. Mit Schreiben vom 18. September 2002 übersandte daraufhin die Staatsanwaltschaft Hamburg, die ab dem 1. September 2002 die Zuständigkeit für Gnadenangelegenheiten von der Justizbehörde übernommen hatte, dem Klägervertreter Auszüge aus dem für den Kläger zu 1) geführten Gnadenheft, u.a. eine Kopie des Widerrufsbescheides vom 2. April 2001.
Sodann beantragte der Kläger zu 1) bei der zuständigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hamburg, die Vollstreckung des Strafrestes aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6. Juni 1996 gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB ab dem Halbstrafenzeitpunkt zur Bewährung auszusetzen. Das Landgericht Hamburg lehnte diesen Antrag mit Beschluss vom 3. Juni 2003 ab (605 StVK 190/03). Das Hanseatische Oberlandesgericht verwarf die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers zu 1) mit Beschluss vom 24. September 2004 (2 Ws 187/03). Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründungen in den genannten Beschlüssen Bezug genommen.
Mit einem weiteren Schreiben vom 28. August 2002 wandte sich der Klägervertreter im Namen und im Auftrag des Klägers zu 1) unter Vorlage einer von diesem erteilten Vollmacht an die Beklagte und beantragte, die Wirkung der ihm gegenüber erfolgten Ausweisung und Abschiebung auf den 31. Dezember 2002 zu befristen, seine Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) zu löschen und ihm eine Betretenserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland zu erteilen. In den folgenden Monaten beglich er die Abschiebungskosten und ließ zur Begründung seiner Anträge vortragen: Die von ihm seinerzeit in Deutschland begangenen Straftaten seien darauf zurückzuführen gewesen, dass er von seinem Vater in dessen eigene kriminelle Machenschaften verstrickt worden sei, und dies zu einem Zeitpunkt, als er selbst noch ein sehr ungefestigter heranwachsender junger Mann gewesen sei. Bereits während des Verlaufs seiner letzten Inhaftierung sei allerdings deutlich geworden, dass er sich so sehr gefestigt und verändert gehabt hätte, dass mit massiver Unterstützung der für ihn zuständigen Justizvollzugsanstalt auf Grund eines Gnadenerweises der Justizbehörde seine vorzeitige Entlassung vor Ablauf der Hälfte der Strafe und seine nachfolgende Abschiebung ermöglicht worden sei. In der Folgezeit sei er den in der Justizvollzugsanstalt begonnenen Weg geradlinig weitergegangen. Er habe sich vollständig von seinen Taten der Vergangenheit distanziert, ohne diese zu verleugnen. Mittlerweile habe er sich ein neues Leben im Ausland aufgebaut; derzeit lebe er in Chile mit seiner englischen Verlobten (der Klägerin zu 2]), mit der er in Kürze die Ehe schließen und dann mit ihr nach Europa zurückkehren wolle. Nach seiner Abschiebung hätten er und seine Tochter (die Klägerin zu 3]) einmal in Frankreich die Möglichkeit gehabt, miteinander eine normale Vater-Kind-Beziehung zu erleben. Aufgrund seiner Ausschreibung im Schengener Informationssystem sei es ihm inzwischen jedoch nahezu unmöglich geworden, seine Tochter in den der Bundesrepublik Deutschland benachbarten Ländern zu treffen. Es gehe ihm darum, vom nahen Ausland aus mit häufigen Besuchsreisen zu seiner Tochter kommen zu können. Dies müsse ihm in gleicher Weise ermöglicht werden, als wenn er vorhätte, zwecks Ausübung seines Elternrechts seine Tochter etwa von einer Parallelstraße aus häufig zu besuchen. Ein solchermaßen ausgeübtes Elternrecht sei genauso schutzwürdig, wie es sein Elternrecht wäre, wenn er vorhätte, dauernd mit seiner Tochter in der Bundesrepublik Deutschland zusammen zu leben. Insbesondere angesichts der Tatsache, dass von ihm eine weitere Gefahr nicht mehr ausgehe, habe er Anspruch auf die beantragten Regelungen aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK; eine weitere Verhinderung der Pflege intensiver persönlicher Kontakte zwischen ihm und seiner Tochter sei absolut unverhältnismäßig. Im Übrigen stehe er unmittelbar vor der Eheschließung mit einer Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs, die innerhalb des Gebiets der Europäischen Union freizügigkeitsberechtigt sei; dieses Recht erstrecke sich auch auf Ehegatten, die Drittstaatsangehörige seien. Die drei gestellten Anträge würden nebeneinander zur Entscheidung durch die Beklagte gestellt. Dem die Begründung dieses Vortrags abschließenden Schreiben vom 4. Februar 2003 waren 7 Anlagen beigefügt: Ein Schreiben der Klägerin zu 3), in dem diese den Wunsch äußert, dass der Kläger zu 1) sie besuchen komme, eine von dem Kläger zu 1) unterzeichnete Schilderung vom 24. Oktober 2002 in deutscher Sprache zu den Hintergründen seiner früheren Straftaten und seiner Wandlung ab der zweiten Haftzeit, eine Darstellung des Oberstudienrats Drost, eines Lehrers des Klägers zu 1) in der Anstaltsschule, über seine Eindrücke von dem Kläger zu 1), Erklärungen von Projektleitern in Spanien und Mexiko, die den Kläger zu 1) in der Zeit vom Oktober 1999 bis Ende 2000 bzw. von Oktober 2000 bis März 2001 im Rahmen der Beschäftigung mit nachhaltiger Landwirtschaft auf ihren Landgütern erlebt hatten, die Erklärung eines deutschen Mitauszubildenden aus einem Landwirtschaftsprojekt in Spanien sowie ein polizeiliches Führungszeugnis aus Chile vom 4. Oktober 2002, aus dem sich ergab, dass dort keine Straftaten des Klägers zu 1) vermerkt waren. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der betreffenden Erklärungen Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 21. März 2003 befristete die Beklagte die Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung auf den 23. Februar 2014 und lehnte die Anträge des Klägers zu 1) im Übrigen ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus: Es entspreche ihrer üblichen Verwaltungspraxis, bei Ausweisungen, die gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG erfolgt seien, die Sperrwirkung auf 15 Jahre ab der erfolgten Ausreise zu befristen. Eine Abweichung davon komme nur unter besonderen Umständen in Betracht, die bei dem Kläger zu 1) jedoch nicht vorlägen. Soweit dieser vorhabe, nach Europa zurückzukehren, sei davon auszugehen, dass diese Rückkehr in das Vereinigte Königreich erfolgen solle; dort stehe die Ausweisung einem Aufenthaltsrecht des Klägers zu 1) nicht entgegen; das Vereinigte Königreich gehöre auch nicht zu den Schengen-Staaten. Seine Tochter sei alt genug, um alleine nach Großbritannien fliegen zu können und ihn dort zu besuchen; Flüge dorthin seien nicht besonders teuer. Auch ein Freizügigkeitsrecht der (künftigen) britischen Ehefrau rechtfertige keine kürzere Befristung. Durch Art. 6 GG seien zwar Ehe und Familie besonders geschützt, gemeint sei damit aber eine familiäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet, welche in der Regel eine häusliche, auf unbestimmte Zeit angelegte Gemeinschaft voraussetze. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt. Eine veränderte Gefahrenprognose lasse sich bei dem Kläger zu 1) nicht daraus ableiten, dass dieser sich offensichtlich mit seinen bisherigen Verfehlungen auseinandergesetzt habe. Ein mustergültiges Verhalten in der Haft sei eher die Regel und diene in erster Linie dem Erreichen von Vollzugslockerungen. Eine Strafaussetzung zur Bewährung solle laut den Angaben des Klägervertreters erst noch beantragt werden, wobei es möglich wäre, dass der Kläger zu 1) zunächst noch einige Zeit in Haft verbringen müsste. Eine solche Inhaftierung auf Kosten der Allgemeinheit liege keinesfalls im öffentlichen Interesse und sei daher abzulehnen. Insgesamt gelange sie, die Beklagte, zu dem Schluss, dass es keine hinreichenden Argumente dafür gebe, von der Regelfrist gemäß ihrer Verwaltungspraxis abzuweichen.
Auch eine sofortige Löschung der Ausschreibung im Schengener Informationssystem komme nicht in Betracht. Das Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) vom 14. Juni 1985 sehe eine Löschung der Ausschreibung zur Einreiseverweigerung vor Ablauf der Frist einer nationalen Einreisesperre nur für den Fall vor, dass ein anderer Vertragsstaat eine Aufenthaltsgenehmigung erteilen wolle und um die Löschung bitte (Konsultationsverfahren). Da ein solcher Fall nicht vorliege, sei der diesbezügliche Antrag abzulehnen. Allerdings habe sich gezeigt, dass gerade Spanien, wo der Kläger zu 1) einen Teil seiner Zukunft sehe, abweichend vom SDÜ Aufenthaltsgenehmigungen erteile und es dann dem Ausländer überlasse, bis zum Verlängerungstermin die Löschung bei der ausschreibenden Behörde zu erreichen. Außerdem komme die Ausländerbehörde Hamburg auf Grund der Vielzahl von Ausschreibungen zeitlich nicht dazu, bei Ablauf der dreijährigen Ausschreibungsdauer im SIS eine Überprüfung der Notwendigkeit des Fortbestandes vorzunehmen, so dass die SIS-Ausschreibungen nach Ablauf von 6 Jahren automatisch gelöscht würden. Der Kläger zu 1) könne somit ab Frühjahr 2005 damit rechnen, nur noch in Deutschland zur Fahndung ausgeschrieben zu sein.
Auch der Antrag auf Erteilung einer Betretenserlaubnis werde abgelehnt. Die Erteilung einer Betretenserlaubnis sei nur möglich, wenn es darum gehe, dem Ausländer das Betreten des Bundesgebiets zu einem konkreten Zweck kurzfristig zu ermöglichen; eine Betretenserlaubnis solle dem Ausländer aber nicht generell das zeitweilige Betreten des Bundesgebietes gestatten. Bei dem Kläger zu 1) liege eine konkrete Notwendigkeit für einen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht vor, da er sich mit seinen Angehörigen im europäischen Ausland treffen könne.
Hinsichtlich der Sperrwirkung einer Abschiebung bestehe bei der Beklagten die Verwaltungspraxis, diese zu befristen, wenn die entstandenen Kosten vollständig beglichen seien, was hier der Fall sei. Die Befristung auf einen früheren Zeitpunkt als den der Sperrwirkung der Ausweisung sei zwar möglich, zur Vermeidung von Missverständnissen aber unüblich und unterbleibe deshalb. Dem Kläger zu 1) entstünden dadurch keinerlei Nachteile.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger zu 1) am 2. April 2003 durch seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein. Zur Begründung des Widerspruchs führte dieser aus: Es sei nicht Sache der Beklagten, dem Kläger zu 1) und seiner Tochter vorzuschreiben, wo sie sich sehen dürften. Inzwischen habe der Kläger zu 1) seine britische Frau geheiratet. Demgemäß habe er nunmehr ein Freizügigkeitsrecht aus der Unionsbürgerschaft seiner Ehefrau, das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur durch die öffentliche Sicherheit in den Fällen eingeschränkt werden dürfe, in denen durch die Anwesenheit des Ausländers ein Grundinteresse der Gesellschaft betroffen wäre; dies sei bei dem Kläger zu 1) nicht der Fall. Was die von der Beklagten angeführte Möglichkeit, dass der Kläger zu 1) eine Restfreiheitsstrafe zu verbüßen habe, angehe, sei darauf hinzuweisen, dass ein "Halbstrafenantrag" gestellt und im Übrigen zu erwarten sei, dass der Kläger zu 1), sofern die Staatsanwaltschaft nicht darauf verzichte, tatsächlich noch einige Tage "bis zum Halbstrafenzeitpunkt absitzen" müsse. Gerade die Tatsache, dass der Kläger zu 1) dazu bereit sei, zeige jedoch die Ernsthaftigkeit seines Willens, nunmehr seinen Elternpflichten genügen zu können. Auch die Ausführungen der Beklagten zu den Möglichkeiten der Löschung von Ausschreibungen im Schengener Informationssystem träfen nicht zu: Die Beklagte habe sowohl hinsichtlich der Aufnahme als auch hinsichtlich der Löschung einer Ausschreibung zur Einreiseverweigerung ein Ermessen, das sie nunmehr, nachdem ein entsprechender Antrag des Klägers zu 1) gestellt worden sei, hinsichtlich der Frage der Löschung auch ausüben müsse. Die Beklagte könne nicht darauf verweisen, dass Spanien möglicherweise Aufenthaltstitel erteile, ohne das Konsultationsverfahren nach dem SDÜ durchgeführt zu haben, und sich auch nicht auf ihre eigene "Pflichtvergessenheit" hinsichtlich der Nichtverlängerung von Ausschreibungen im SIS berufen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zu 1) zurück. Zur Begründung nahm sie Bezug auf die Gründe des Bescheides vom 21. März 2003 und führte ergänzend aus: Der Kläger zu 1) begehre die Befristung der Sperrwirkung, um seine Tochter im Bundesgebiet besuchen und mit seiner britischen Lebensgefährtin, die er inzwischen geehelicht habe, in Europa leben zu können. Die Widerspruchsbehörde gelange unter Ausübung eigenen Ermessens und unter Berücksichtigung der Widerspruchsbegründung zu keiner anderen Entscheidung, als die Sperrwirkung auf den Zeitpunkt des Ablaufs von 15 Jahren nach der Abschiebung des Klägers zu 1) zu befristen. Es könne nicht hingenommen werden, dass ausgewiesene und abgeschobene Straftäter wie der Kläger zu 1) bereits nach kurzer Zeit wieder in das Bundesgebiet einreisen dürften, ohne dass sichergestellt werden könne, dass keine weiteren Verstöße gegen die deutsche Rechtsordnung begangen würden. Präventiv könnten straffällig gewordene Ausländer nur durch eine kontinuierliche Ausweisungspraxis und Fernhaltung aus dem Bundesgebiet auf zunächst unbestimmte Zeit von der Begehung ähnlicher bzw. weiterer Straftaten abgehalten werden. Auch wenn der Kläger zu 1) nunmehr vorgebe, seine Persönlichkeit geläutert und sich mit seinen Straftaten auseinandergesetzt zu haben, so habe er doch während seines Aufenthalts im Bundesgebiet mehrfach gezeigt, dass er nicht Willens oder in der Lage sei, die Gesetze der Bundesrepublik zu achten. Obwohl in seinem Falle die Ausweisung und Abschiebung schon mehr als vier Jahre zurückliege, bestehe durchaus die Gefahr, dass er während eines erneuten Aufenthalts im Bundesgebiet in gleicher Weise straffällig werde. Im Falle der Begehung schwerer Straftaten müsse das Interesse deutscher Familienangehöriger an der Führung einer familiären Lebensgemeinschaft mit dem Ausländer nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 18.7.1979, BVerfGE Bd. 51, S. 86, 397 f.) gegenüber dem dagegen gerichteten öffentlichen Interesse zeitweise zurücktreten. Wenn dieser Grundsatz bereits gegenüber einem an sich gegebenen gesetzlichen Anspruch auf einen Daueraufenthalt gelte, sei dies erst recht der Fall hinsichtlich bloßer Besuchsaufenthalte. Dem Kläger zu 1) sei es zuzumuten, während der Sperrfrist brieflichen und telefonischen Kontakt zu seiner Tochter zu halten und sich von dieser in seiner Heimat oder im Vereinigten Königreich besuchen zu lassen. Soweit seine britische Ehefrau in ihrer Freizügigkeit durch den Status des Klägers zu 1) behindert werde, habe er dieses hinzunehmen und auf Grund seines gesetzwidrigen Verhaltens selbst zu verantworten. Zudem sei die Ehe in Kenntnis der Sperrwirkungen eingegangen worden, so dass die damit verbundenen Unannehmlichkeiten durchaus hinzunehmen seien.
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Klägervertreter am 15. April 2003 zugestellt. Am selben Tag ging bei der Beklagten ein Schreiben des Klägervertreters vom 11. April 2003 ein, dem eine Bescheinung beigefügt war, wonach der Kläger zu 1) mit der Klägerin zu 2) am 21. März 2003 in Chile die Ehe geschlossen hatte.
Am 17. April 2003 haben der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) - seinerzeit noch in Chile wohnend - Klage erhoben. Am 26. Mai 2003 ist die Klage dahingehend "erweitert" worden, dass die Klägerin zu 3) in das Verfahren eintrete.
Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger ausgeführt:
Die Klage der Klägerin zu 3) sei zulässig. Ihre Klagebefugnis ergebe sich aus ihrer Stellung als nahe Angehörige des Klägers zu 1), wodurch sie hinsichtlich seines Aufenthaltsrechts auch ein eigenes Klagerecht habe. Die Beklagte habe versäumt, die Klägerin zu 3) am Verwaltungsverfahren zu beteiligen, was ihre Pflicht gewesen sei. Die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig, da die Klägerin zu 3) erkennbar aus dem Gesamtzusammenhang ein eigenes Recht geltend gemacht habe. Rein vorsorglich werde noch einmal förmlich bei der Beklagten für die Klägerin zu 3) beantragt, diejenigen Verwaltungsakte zu erlassen, die mit dem Antrag vom 28. August 2002 an die Beklagte geltend gemacht worden seien.
In der Sache seien die angefochtenen Bescheide der Beklagten fehlerhaft. Die Beklagte habe nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Familie berücksichtigt. Sie habe keine generalpräventiven Gesichtspunkte in ihre Entscheidung einstellen dürfen, da ihr schon vor Erlass des Widerspruchsbescheides bekannt gewesen sei, dass der Kläger zu 1) die freizügigkeitsberechtigte Klägerin zu 2) geheiratet habe. Durch die Ausweisung des Klägers zu 1) aus dem Bundesgebiet werde die Klägerin zu 2) in der Ausübung ihrer Freizügigkeit behindert. Es sei gemeinschaftsrechtlich unerheblich, dass die Eheschließung in Kenntnis der gegenüber dem Kläger zu 1) bestehenden Sperrwirkung erfolgt sei. Die Beklagte habe die umfangreichen Veränderungen im Leben des Klägers zu 1) nicht berücksichtigt, und keine Erklärung dafür geliefert, woraus sich ihres Erachtens eine fortwirkende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Gemeinschaftsrechts durch eine Anwesenheit des Klägers zu 1) im Bundesgebiet ergeben solle. Die Klägerin zu 2) wolle von ihrer gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit nicht durch eine Wohnsitznahme in Deutschland Gebrauch machen, sondern vielmehr von ihrer passiven Dienstleistungsfreiheit, und zwar in Begleitung des Klägers zu 1). Soweit die Klage auf die Erteilung einer Betretenserlaubnis für den Kläger zu 1) gerichtet sei, stehe diese im Verhältnis zu dem weiteren Klageziel, die Wirkung der erfolgten Ausweisung und Abschiebung auf den 31. Dezember 2002 zu befristen, "tatsächlich nur eigentlich in einem Hilfsverhältnis": Werde nämlich der begehrten Verpflichtung entsprochen, die Wirkung von Ausweisung und Abschiebung auf diesen Zeitpunkt zu befristen, so sei - Rechtskraft vorausgesetzt - der Antrag auf Erteilung einer Betretenserlaubnis obsolet. Gleichwohl werde - Rechtskraft nicht vorausgesetzt - mit dem Antrag auf Erteilung einer Betretenserlaubnis auch ein eigenständiger Anspruch geltend gemacht. Dies gelte jedenfalls für den Fall, dass über die Befristung der Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung nicht wie begehrt rechtskräftig positiv entschieden werde. Soweit die Klage außerdem darauf gerichtet sei, die Ausschreibung des Klägers zu 1) im Schengener Informationssystem zu löschen, werde dieser Antrag gestellt für den Fall, dass die Kläger mit den beiden vorstehend genannten Hauptanträgen nicht obsiegten. Dann komme es nämlich darauf an, dass es dem Kläger zu 1) zumindest ermöglicht werde, in einem nahegelegenen Nachbarstaat der Europäischen Union gelegentlich mit der Klägerin zu 3) zusammentreffen zu können.
Des weiteren haben die Kläger vorgetragen: Die Klägerin zu 3) bedürfe unbedingt der Fürsorge, Orientierung und Hilfe durch den Kläger zu 1), da ihre Mutter psychisch krank und ihren Erziehungsaufgaben nicht gewachsen sei. So habe sich die Mutter der Klägerin zu 3) zeitweise in stationäre psychiatrische Behandlung begeben müssen mit der Folge, dass die Klägerin zu 3) vorübergehend einer Pflegefamilie zugeteilt worden sei. Insoweit haben sie verwiesen auf eine Erklärung der Pflegeeltern vom 27. März 2004 über die Aufnahme der Klägerin zu 3) vom 19. Januar bis zum 18. März 2004 (Anlage K 7); auf die Ausführungen der Pflegeeltern wird Bezug genommen. Außerdem hat sich das Jugendamt des Bezirksamts Wandsbek mit Schreiben vom 13. Mai 2004 an das Verwaltungsgericht gewandt und darin u.a. ausgeführt, seit Anfang des Jahres (2004) kümmere sich der Kläger zu 1) sehr intensiv um die Klägerin zu 3); die Klägerin zu 3) brauche ihren Vater, weil ihre Mutter nicht in der Lage sein werde, die Tochter zu erziehen.
Das Verwaltungsgericht Hamburg hat am 19. Mai 2004 und am 14. Juni 2004 mündlich über die Klage verhandelt. In der Verhandlung vom 19. Mai 2004 sind die Klägerin zu 2) und die Klägerin zu 3) persönlich angehört worden; hinsichtlich ihrer dort abgegebenen Erklärungen wird auf das Sitzungsprotokoll des Verwaltungsgerichts vom 19. Mai 2004 Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2004 hat das Verwaltungsgericht den früheren Anstaltslehrer des Klägers zu 1), Herrn Oberstudienrat Drost, als Zeugen vernommen. Herr Drost hat ausgesagt, er halte einen Rückfall des Klägers zu 1) für ausgeschlossen; wegen der Einzelheiten seiner Aussage wird auf das Sitzungsprotokoll vom 14. Juni 2004 Bezug genommen.
Die Kläger haben beantragt,
1. die Beklagte unter Aufhebung ihrer Verfügung vom 21.3.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.4.2003 zu verpflichten, dem Kläger (zu 1) eine Betretenserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland zu erteilen,
2. die Beklagte unter Aufhebung der vorerwähnten Bescheide zu verpflichten, die Wirkung der erfolgten Ausweisung und Abschiebung des Klägers (zu 1) auf den 31.12.2002 zu befristen,
hilfsweise zu 1. und 2.: die Beklagte unter Aufhebung der vorerwähnten Bescheide zu verpflichten, den Kläger (zu 1) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
3. die Beklagte unter Aufhebung der vorerwähnten Bescheide zu verpflichten, über den Antrag auf Löschung der Ausschreibung des Klägers (zu 1) im Schengener Informationssystem (SIS) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (erneut) zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat Bezug genommen auf die Gründe der angefochtenen Bescheide. Ergänzend hat sie ausgeführt, die Klage der Klägerin zu 3) sei wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Dritte, die an dem Aufenthalt eines Ausländers im Inland interessiert seien, könnten grundsätzlich nicht beanspruchen, dass dem Ausländer zu dem beabsichtigten Aufenthaltszweck eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt oder ein diesbezüglich eröffnetes Ermessen fehlerfrei ausgeübt werde, selbst wenn die angestrebte Beziehung als solche Grundrechtsschutz genösse. Gleiches gelte hinsichtlich der Sperrwirkung von Ausweisung und Abschiebung. Die Klägerin zu 3) sei eine solche Dritte. Aus dem Vorbringen der Kläger ergebe sich nicht, dass der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 3) eine familiäre Lebensgemeinschaft "und somit eine durch Art. 6 GG geschützte Verbindung" eingehen wollten; es erscheine bereits als zweifelhaft, ob bei der von ihnen angestrebten Verbindung überhaupt von einer Begegnungsgemeinschaft gesprochen werden könne. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die Ehe des Klägers zu 1) mit der Klägerin zu 2) sei im Rahmen der angefochtenen Bescheide berücksichtigt worden. Diese Ehe führe nicht dazu, dass die Wiedereinreisesperre gegenüber dem Kläger zu 1) entfalle. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass die Kläger zu 1) und 2) nicht beabsichtigten, im Bundesgebiet ihren Wohnsitz zu nehmen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil auf seine mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2004 insoweit stattgegeben, als es die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet hat, die Wirkung der dem Kläger zu 1) gegenüber erfolgten Ausweisung und Abschiebung auf den 14. Juni 2004 zu befristen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Soweit die Kläger über den Urteilstenor hinaus eine Befristung schon ab dem 31. Dezember 2002 begehrt hätten, sei die Klage abzuweisen. Mit dem weitest gehenden Erfolg des Klageantrags zu 2. seien sowohl der Klageantrag zu 1. als auch die Hilfsanträge gegenstandslos geworden. Der Kläger zu 1) habe einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Wirkung der ihm gegenüber erfolgten Ausweisung und Abschiebung auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung befriste, da das ihr an sich durch § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG eröffnete Ermessen in diesem Sinne reduziert sei. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Befristungsentscheidung allein auf spezialpräventive Gesichtspunkte habe abstellen dürfen, nicht jedoch, wie tatsächlich geschehen, auch auf generalpräventive Aspekte. Der Kläger zu 1) sei nämlich nach Maßgabe des Europäischen Gemeinschaftsrechts als Ehegatte einer Unionsbürgerin freizügigkeitsberechtigt gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. b), Abs. 2 der Richtlinie 73/148/EWG und der Freizügigkeitsverordnung/EG vom 17. Juli 1997, die u.a. auf die Richtlinie 90/364/EWG zurückgehe. Das Verwaltungsgericht habe keinen Zweifel daran, dass die gemäß § 8 Freizügigkeitsverordnung/EG erforderlichen Existenzmittel in der Person der Klägerin zu 2) gegeben seien. Die Versagung der Einreise könne daher nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Sicherheit erfolgen. Dabei sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Begriff der öffentlichen Ordnung eng auszulegen. Erforderlich sei eine tatsächliche und hinreichend schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung, um die Freizügigkeit zu beschränken. Hierbei müsse es sich um eine Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft handeln. Jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2004 könne von einer derartigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung in keiner Weise mehr ausgegangen werden. Dies ergebe sich zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts zweifelsfrei aus der Aussage des Zeugen Drost. Ob auch die besondere Situation der Klägerin zu 3) zusätzlich eine derartige Befristung rechtfertigen könne, brauche nicht mehr geklärt zu werden.
Das Urteil ist der Beklagten am 15. Juli 2004 zugestellt worden. Das Berufungsgericht hat auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 16. November 2004, der Beklagten zugestellt am 23. November 2004, die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen.
Die Beklagte trägt mit der am 25. November 2004 eingegangenen Berufungsbegründung vor:
Entgegen dem vom Verwaltungsgericht zu Grunde gelegten rechtlichen Ansatz habe sie ihre Ermessenserwägungen im Rahmen der Befristungsentscheidung auch auf generalpräventive Gesichtspunkte stützen dürfen. Es treffe nicht zu, dass in diesem Zusammenhang wegen eines Freizügigkeitsrechts des Klägers zu 1) allein spezialpräventive Gesichtspunkte zulässig seien. Der Kläger zu 1) sei nämlich nicht freizügigkeitsberechtigt im Sinne des Gemeinschaftsrechts. Die Klägerin zu 2) habe weder im Bundesgebiet noch in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ihren Wohnsitz, so dass der Kläger zu 1) bei ihr ebenfalls keine Wohnung in einem Mitgliedstaat genommen habe und somit nicht Freizügigkeit nach den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen genieße. Es sei auch nichts darüber vorgetragen worden, ob die Klägerin zu 2) im Falle einer Einreise in das Bundesgebiet über den erforderlichen Krankenversicherungsschutz bzw. die Existenzmittel verfüge. Diese Erfordernisse könnten nicht ohne Weiteres als erfüllt angesehen werden. Die Kläger zu 1) und 2) hätten lediglich vorgetragen, dass sie beabsichtigten, in Wales eine Ausbildung zu absolvieren, um daran anschließend nach Spanien zu gehen. Sie beabsichtigten nicht, im Bundesgebiet zu wohnen. Sofern die Klägerin zu 2) nach Wales in Großbritannien ziehe, beanspruche sie damit als britische Staatsangehörige keine Freizügigkeit. Der von den Klägern geäußerte Wunsch, irgendwann auf eine Farm in Spanien zu ziehen, sei unkonkret; sollte sich die Klägerin zu 2) irgendwann tatsächlich nach Spanien begeben, stünde ihr, sofern die übrigen Voraussetzungen vorlägen, das Freizügigkeitsrecht zu. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könne von diesen unkonkreten Vorstellungen aber noch kein Freizügigkeitsrecht abgeleitet werden. Dem Kläger zu 1) stehe keine Freizügigkeit zu, da seine Ehefrau, die Klägerin zu 2), ihrerseits keine Freizügigkeit nach § 1 des Gesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Aufenth/EWG) beanspruche. Soweit der Klägervertreter ausgeführt habe, dass die Klägerin zu 2) auch besuchsweise und zum Empfang von Dienstleistungen in das Bundesgebiet einreisen wolle, lasse sich aus diesem Vorbringen nicht entnehmen, dass sie im Rahmen des Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Europäischen Union im Sinne des Art. 60 des EWG-Vertrages Dienstleistungen empfange oder empfangen wolle. Als der wesentliche und hauptsächliche Zweck des Aufenthalts des Dienstleistungsempfängers in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union müsse gerade der Empfang der unter Art. 60 des EWG-Vertrages fallenden Dienstleistungen bestehen. Es reiche nicht aus, dass bei Gelegenheit eines anderen Zwecken dienenden Aufenthalts mehr oder weniger häufig Dienstleistungen in Anspruch genommen würden. Auch wenn der Europäische Gerichtshof entschieden habe, dass auch Touristen grundsätzlich als Empfänger von Dienstleistungen anzusehen seien, könne daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass ein Unionsbürger die passive Dienstleistungsfreiheit bereits in Anspruch nehme, wenn er anlässlich eines an sich nicht touristisch motivierten Besuchs Dienstleistungen empfange, die mit jedem Aufenthalt zwingend verbunden seien, wie die Befriedigung der Nahrungsaufnahme. Wenn jede Art von Aufenthalt damit durch die passive Dienstleistungsfreiheit gedeckt sein sollte, habe der Rat der Europäischen Gemeinschaften die Richtlinie 90/364/EWG vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht nicht mehr zu erlassen brauchen. Die Beklagte habe ihre Befristungsentscheidung somit auch auf generalpräventive Gesichtspunkte stützen dürfen. Angesichts des von dem Kläger zu 1) insgesamt verwirkten Strafmaßes von 9 Jahren und 6 Monaten hätten generalpräventive Erwägungen ein erhebliches Gewicht. Die Besonderheiten des vorliegenden Falles seien im Rahmen der angefochtenen Bescheide ausreichend berücksichtigt worden. Das Interesse des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 3) an einer Wiedereinreise des Klägers zu 1) in das Bundesgebiet in absehbarer Zeit habe gegenüber dem öffentlichen Interesse, den Kläger zu 1) noch vom Bundesgebiet fernzuhalten, angesichts der von ihm begangenen erheblichen Straftaten zurückzustehen. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger zu 1) lediglich beabsichtige, die Klägerin zu 3) immer mal wieder im Bundesgebiet zu besuchen, aber keine familiäre Lebensgemeinschaft mit ihr zu führen. Unter solchen Umständen bestehe keine Verpflichtung der Beklagten, die Sperrwirkung der Ausweisung bereits nach weniger als 2/3 des verwirkten Strafmaßes zu beenden. Die Beklagte nimmt im Übrigen Bezug auf ihr Vorbringen in dem Eilverfahren 3 Bs 458/04. Dort hat sie u.a. ausgeführt: Selbst wenn die Klägerin zu 2) entsprechend ihren Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 19. Mai 2004 beabsichtigen sollte, mit dem Kläger zu 1) in das Bundesgebiet einzureisen, um die Klägerin zu 3) zu besuchen, könne dies nicht dazu führen, dass die Wirkung der Ausweisung und Abschiebung gegenüber dem Kläger zu 1) insgesamt zu beschränken und der Kläger zu 1) insgesamt als Freizügigkeitsberechtigter zu behandeln sei. Vielmehr sei von den deutschen Grenzbehörden jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob der Kläger zu 1) die Klägerin zu 2) bei der Einreise in das Bundesgebiet begleite und deshalb abgeleitet freizügigkeitsberechtigt sei, und, wenn dies der Fall sei, dem Kläger zu 1) die Einreise trotz der Einreisesperre zu gestatten. Eine andere Betrachtungsweise würde der Tatsache nicht gerecht, dass der Kläger zu 1), solange er nicht die Klägerin zu 2) bei der Einreise bzw. dem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als Großbritannien begleite oder ihr nachziehe, eben nicht freizügigkeitsberechtigt sei, und er deshalb dem Regularium des Ausländerrechts unterfalle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 14. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angegriffene Urteil und führen aus:
Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur passiven Dienstleistungsfreiheit von Touristen sei aus dem Gesamtzusammenhang der Rechtsentwicklung heraus dahin zu verstehen, dass selbst die Inanspruchnahme von Dienstleistungen anlässlich von touristischen Reisen unter die passive Dienstleistungsfreiheit falle. Daraus folge, dass bei den von den Klägern zu 1) und zu 2) beabsichtigten Reisen nach Hamburg für längerfristige Besuchsaufenthalte bei der Klägerin zu 3) erst recht die Inanspruchnahme der Freizügigkeit in Form der passiven Dienstleistungsfreiheit außer Zweifel stehe. Im Übrigen sei zu beachten, dass der Europäische Gerichtshof in einer neueren Entscheidung, nämlich dem Fall Chen (C - 200/02), noch einmal die Dienstleistungsfreiheit zu den sonstigen Freiheiten der Europäischen Verträge abgegrenzt habe. Danach sei die Abgrenzung einzig und allein nach der vorgesehenen Dauer des Aufenthalts vorzunehmen. Dienstleistungsfreiheit komme nur dann, aber auch schon dann in Betracht, wenn der Aufenthalt von bestimmter Dauer sei. So liege es im vorliegenden Fall: Die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 1) beabsichtigten, regelmäßig wiederkehrend, für Aufenthalte von bestimmter Dauer nach Hamburg zu kommen. Im Übrigen stellten sich Fragen des Umfangs der Inanspruchnahme der Dienstleistungsfreiheit aber auch schon deshalb nicht mehr, weil mit Art. 18 EGV eine neue Rechtsgrundlage für das Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen geschaffen worden sei. Der Europäische Gerichtshof habe in der Sache Chen und in der Sache Trojani (Urt. v. 7.9.2004, C - 456/02) entschieden, dass das Aufenthaltsrecht kraft Unionsbürgerschaft auch dann bestehe, wenn nicht die vertypten Freizügigkeitsrechte nach Art. 39, 43, 49 EGV in Rede stünden oder geltend gemacht würden. Diese Entscheidung habe der Europäische Gerichtshof in Kenntnis der Quellen sekundären Gemeinschaftsrechts getroffen. Daraus folge, dass die Klägerin zu 2), wenn sie sich in Begleitung des Klägers zu 1) in die Bundesrepublik Deutschland begebe, die aus dem Unionsbürgerrecht fließende Freizügigkeit in Anspruch nehme, ohne dass weitere Darlegungen nötig wären. Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass es grundsätzlich unzulässig sei, bereits anlässlich des Grenzübertritts zu prüfen, ob ein Unionsbürger bzw. seine Familienangehörigen materiell ein Freizügigkeitsrecht in Anspruch nähmen oder nicht. Der Europäische Gerichtshof habe mit Urteil vom 30. Mai 1991 (C - 68/89) entschieden, dass es den Mitgliedstaaten verwehrt sei, von einem Unionsbürger an der Grenze mehr zu verlangen als die Vorlage eines Reisepasses oder Personalausweises. Der Europäische Gerichtshof habe damit geklärt, dass an der Grenze ausschließlich durch Vorlage von Personalpapieren überprüft werden dürfe, ob der die Einreise Begehrende ein Bürger eines Unionsstaates sei oder nicht. Für alle weiteren Fragen habe der Europäische Gerichtshof den Mitgliedstaat auf die Überprüfung nach der Einreise in das Land, anlässlich der Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis verwiesen. Eine Verpflichtung, sonstige Fragen von Grenzorganen zu beantworten oder weitere Unterlagen vorzulegen, bestehe nicht. Dieses Recht erstrecke sich auch auf die Familienangehörigen von Unionsbürgern, wie der Europäische Gerichtshof beispielsweise in der Sache MRAX (Urteil vom 25.7.2002, C - 459/99) entschieden habe. Das Recht des Familienangehörigen auf Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stehe ggf. unter dem zusätzlichen Erfordernis, dass ein Visum benötigt und der Nachweis der Eigenschaft eines Familienangehörigen eines Unionsbürgers, wie etwa durch Vorlage einer Ehestandsurkunde, geführt werde. Als chilenischer Staatsangehöriger benötige der Kläger zu 1) allerdings für eine Einreise in das Bundesgebiet kein Visum; eine Eheschließungsurkunde könne er jederzeit vorlegen. Europarechtskonform könne daher eine Reaktion auf das bestehende Recht des Klägers zu 1), seine Ehefrau, die Klägerin zu 2), begleiten zu dürfen, nur so ausgestaltet werden, dass sämtliche bestehenden Einreisehindernisse beseitigt würden. Angesichts dessen wäre es auch europarechtswidrig, den Kläger zu 1) vor einer gemeinsamen Einreise in das Bundesgebiet mit der Klägerin zu 2) darauf zu verweisen, eine anlassbezogene Betretenserlaubnis zu beantragen, weil dies zur Folge habe, das bestehende Recht auf Einreise nur nach Maßgabe jeweils vorgängiger Maßnahmen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union wahrnehmen zu können. Im Übrigen könne man mit Fug und Recht die Position vertreten, dass auf Grund des zwischenzeitlich von dem Kläger zu 1) erworbenen europarechtlichen Einreise- und Freizügigkeitsrechts die Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung kein Einreiseverbot mehr nach sich zögen, wie dies gegenüber "normalen" Ausländern auf Grund des deutschen Ausländerrechts der Fall sei. Neue Rechtsgrundlage des Einreiseverbots nach erfolgter Ausweisung und Abschiebung sei § 11 Abs. 1 AufenthG. Diese Vorschrift sei jedoch auf Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht anwendbar, worauf auch der Bundesminister des Innern in den vorläufigen Anwendungshinweisen zum Aufenthaltsgesetz hinweise (vgl. Nr. 11.1.1.2 zum Aufenthaltsgesetz und Nr. 11.1.1. zum Freizügigkeitsgesetz/EU). Da die Beklagte aber überhaupt die Anwendung europarechtlicher Normen gegenüber dem Kläger zu 1) bestreite, hätten die Kläger ein Rechtschutzinteresse auf gerichtliche Klarstellung seines Rechts auf Einreisefreiheit und Freizügigkeit. Dies müsse geschehen durch Befristung der Wirkung von Ausweisung und Abschiebung sowie durch die Löschung der Speicherung des Klägers zu 1) im Schengener Informationssystem und im Ausländerzentralregister.
Die Beklagte hat zuletzt (mit Schriftsatz vom 1.3.2005) auf Anfrage des Berufungsgerichts mitgeteilt, der Kläger zu 1) sei seit dem 24. Februar 2005 nicht mehr im Schengener Informationssystem, sondern nur noch im Bundesgebiet zur Fahndung ausgeschrieben. Nach sechs Jahren erfolge im Schengener Informationssystem automatisch eine Löschung, und sie, die Beklagte, könne aufgrund der hohen Anzahl von Ausschreibungen keine Prüfung der Notwendigkeit deren Fortbestandes vornehmen. Ergänzend trägt sie vor: Sofern der Kläger zu 1) doch ein Freizügigkeitsrecht habe, ließen sich nach ihrer Auffassung hinsichtlich der Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt das mit der Ausweisung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben sei, aus dem Gemeinschaftsrecht keine Anhaltspunkte für eine Modifizierung der für Freizügigkeitsberechtigte geltenden Grundsätze herleiten. Da der Kläger zu 1) zur Fahndung ausgeschrieben sei und gegen ihn ein Vollstreckungshaftbefehl vorliege, sei unter Berücksichtigung der von ihm begangenen Straftaten nicht davon auszugehen, dass in seiner Person kein Risiko mehr hinsichtlich einer gegenwärtigen und hinreichend schweren Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, vorläge. Insoweit verweise sie auf den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts (vom 24.9.2003), wonach der Antrag des Klägers zu 1), die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6. Juni 1996 gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB zur Bewährung auszusetzen, zu Recht abgelehnt worden sei. In diesem Zusammenhang stelle sich auch die Frage, ob der Kläger zu 1) überhaupt Freizügigkeit in Anspruch nehmen könne, wenn sein Freizügigkeitsrecht durch den Vollstreckungshaftbefehl und die drohende Haft eingeschränkt werde und somit ins Leere laufen würde.
Die Kläger haben auf Fragen des Berufungsgerichts (mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 7.3.2005) vorgetragen:
Der Kläger zu 1) halte sich rechtmäßig im Vereinigten Königreich auf. Zum Beleg dafür überreichen sie Kopien aus seinem chilenischen Pass, aus denen sich ergibt, dass ihm in Chile ein vom 15. September 2004 bis zum 15. September 2006 gültiges Visum für den Aufenthalt im Vereinigten Königreich erteilt wurde; dort befindet sich auch ein Einreisestempel für das Vereinigte Königreich (Stansted) vom 10. Oktober 2004 (Anl. B 1). Sie, die Kläger zu 1) und 2), verfügten - wobei sie, wie bereits ausgeführt, allerdings ihres Erachtens vor einer Einreise nach Deutschland gar nicht verpflichtet seien, derartige Nachweise zu führen - auch über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel für Aufenthalte im Bundesgebiet. Zum Beleg dafür legen sie Mitgliedsbescheinigungen und ein Erläuterungsschreiben der "BUPA International" (Brighton, UK) vor, aus denen sich ergibt, dass sie weltweit (mit Ausnahme von Aufenthalten in den USA) u.a. hinsichtlich der Kosten von Krankenhausaufenthalten und fachärztlichen Behandlungen wegen akuter Erkrankungen oder Verletzungen versichert sind (Anl. B 2 - B 4). Des Weiteren überreichen sie zwei Schreiben eines Steuerberaters, der darin bescheinigt, dass die Klägerin zu 2) aus einer Teilzeitbeschäftigung bei der Irlen Holdings ein steuerfreies monatliches Einkommen in Höhe von 360,-- brit. Pfund und monatliche Dividendenzahlungen in Höhe von 1.233,-- brit. Pfund erhält (Anl. B 5 - B 6). Außerdem erklären sie, sie wollten trotz der Gefahr, dass der Kläger zu 1) zur Verbüßung seiner Restfreiheitsstrafe inhaftiert werde, nach Deutschland reisen, um die Klägerin zu 3) zu besuchen; wegen der Einzelheiten dieser persönlichen Erklärungen wird auf deren Inhalt Bezug genommen (Anl. B 7 - B 8). Ergänzend legen sie Erklärungen des Bruders der Klägerin zu 2) und ihres Vaters zu der Tätigkeit der Stiftung und der Kläger zu 1) und 2) sowie zu den Möglichkeiten des Immobilienerwerbs vor (Anl. B 9 - B 10). In der Erklärung des Bruders heißt es u.a., der Kläger zu 1) werde ab April 2005 von der "group" als freier Mitarbeiter für zunächst 10.000,-- brit. Pfund jährlich beschäftigt werden. Wegen der in der Berufungsverhandlung vom 22. März 2005 vorgelegten weiteren Unterlagen wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts das Verfahren im Hinblick auf den Klagantrag zu 3. (betr. die Löschung im Schengener Informationssystem) in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die von der Beklagten vorgelegte Sachakte und die Akte des Eilverfahrens 3 Bs 458/04 sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist nach Maßgabe des Urteilstenors abzuändern. Die von dem Kläger zu 1) erhobene Klage ist nach ihrem als Hauptantrag zu verstehenden, auf die Befristung der Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung gerichteten Klagantrag überwiegend begründet (I.). Die von den Klägerinnen zu 2) und 3) erhobenen Klagen sind, soweit über sie noch zu entscheiden ist, unzulässig; soweit sie übereinstimmend mit der Beklagten das Verfahren für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen (II).
I.
Die Berufung der Beklagten hat in Bezug auf die von dem Kläger zu 1) erhobene Klage nur zu einem kleinen Teil Erfolg. Die Beklagte ist zu verpflichten, die Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung auf den Jetztzeitpunkt zu befristen (1. und 2.). Angesichts dessen bedarf es hinsichtlich seiner übrigen Klaganträge keiner weiterer Entscheidungen (3. und 4.).
1. Die Berufung der Beklagten hat nicht deshalb Erfolg, weil die auf die Befristung der Sperrwirkungen gerichtete Klage des Klägers zu 1) mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (geworden) wäre.
Der Kläger zu 1) wird - trotz des Umstands, dass ihm, wie noch auszuführen sein wird, ein von der Klägerin zu 2) abgeleitetes gemeinschaftsrechtliches Freizügigkeitsrecht zusteht - weiterhin durch die Sperrwirkung der ihm gegenüber verfügten Ausweisung und Abschiebung belastet:
a) Die Sperrwirkungen der dem Kläger zu 1) gegenüber erfolgten Ausweisung und Abschiebung sind - zum einen - nicht am 1. Januar 2005 mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) entfallen.
Die Sperrwirkungen einer nach dem Ausländergesetz (1990) verfügten und bestandskräftig gewordenen Ausweisung gelten vielmehr gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 1 Sätzen 1 und 2 AufenthG (§ 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG 1990), solange sie nicht aufgehoben sind, auch gegenüber denjenigen Ausländern fort, die von einem Freizügigkeitsrecht nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts Gebrauch machen wollen (vgl. zum bisherigen Recht BVerwG, Urt. v. 7.12.1999, BVerwGE Bd. 110 S. 140, 149). Dem steht nicht entgegen, dass § 11 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) nicht auf die Übergangsvorschrift des § 102 AufenthG verweist. Aus dem Fehlen einer solchen Verweisung ist nicht der Schluss zu ziehen, der deutsche Gesetzgeber habe die Sperrwirkungen sämtlicher gegenüber den Unionsbürgern und sonstigen Freizügigkeitsberechtigten (bzw. gegenüber denjenigen Ausländern, die erst nach Bestandskraft der Ausweisungsverfügung zu Unionsbürgern oder zu deren Familienangehörigen geworden sind) nach dem Ausländergesetz 1990 (i.V.m. § 12 AufenthG/EWG) verfügter und vor dem 1. Januar 2005 bestandskräftig gewordener Ausweisungen mit dem Ablauf des 31. Dezember 2004 gegenstandslos werden lassen wollen. Die amtliche Begründung zum Entwurf des Freizügigkeitsgesetzes/EU lässt eine solche Absicht nicht erkennen (vgl. BT-Drucks. 15/420, S. 101 ff., 105 f.). Ein derartiges Regelungsziel würde auch durch das Gemeinschaftsrecht nicht nahegelegt (vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen unter "b"). Es widerspräche zudem der in § 7 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU verkörperten Wertung: Danach dürfen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ihr Freizügigkeitsrecht nach § 6 Abs. 1 oder Abs. 3 FreizügG/EU verloren haben, (vor dem Ablauf der dazu gesetzten Frist) nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten. Angesichts dessen wäre es ein Wertungswiderspruch, wenn - trotz im wesentlichen identischer Maßstäbe im alten und neuen Recht, vgl. § 12 AufenthG/EWG und § 6 FreizügG/EU - diejenigen Ausweisungen, die bis zum 31. Dezember 2004 auf der Grundlage des bis dahin geltenden Rechts verfügt und bestandskräftig geworden sind, ohne Rücksicht auf Sperrfristen und ohne Notwendigkeit einer neuen Prüfung mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts gegenstandslos würden, obwohl auch § 6 FreizügG/EU bei schweren und gegenwärtigen Gefährdungen der öffentlichen Ordnung den Verlust des Freizügigkeitsrechts vorsieht.
Soweit die Kläger unter Hinweis auf die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 22. Dezember 2004 (Nr. 11.1.1.2 zum Aufenthaltsgesetz) geltend machen, die Rechtsgrundlage für das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach einer Ausweisung sei nach dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes nunmehr § 11 Abs. 1 AufenthG, der aber gegenüber Unionsbürgern und deren Familienangehörigen gemäß § 11 Abs. 1 FreizügG/EU nicht anwendbar sei, ergibt sich auch daraus nicht, dass mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes die Sperrwirkung der gegenüber dem Kläger zu 1) verfügten Ausweisung und Abschiebung entfallen wäre. Die fehlende Anwendbarkeit von § 11 Abs. 1 AufenthG auf Unionsbürger und ihre Familienangehörigen beruht darauf, dass nunmehr für diesen Personenkreis eine speziellere Regelung über das Einreise- und Aufenthaltsverbot für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen und über die Befristung dieses Verbots in § 7 Abs. 2 FreizügG/EU geschaffen worden ist, die der allgemeinen Bestimmung des § 11 Abs. 1 AufenthG vorgeht (vgl. die oben genannten vorläufigen Anwendungshinweise, Nr. 11.1.1.2 Satz 2). Diese neue Regelung bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Fälle, in denen die betreffenden Personen "ihr Freizügigkeitsrecht nach § 6 Abs. 1 oder Abs. 3 (FreizügG/EU) verloren haben", was voraussetzt, dass ihnen gegenüber auf der Grundlage des seit dem 1. Januar 2005 geltenden Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt worden ist, dass sie ihr Freizügigkeitsrecht verloren haben. Die noch vor Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU auf der Grundlage des Ausländergesetzes 1990 verfügten und bestandskräftig gewordenen Ausweisungen fallen nicht darunter, so dass es in diesen Fällen weiterhin keine gegenüber § 11 Abs. 1 AufenthG speziellere Regelung gibt und es bei dessen Anwendbarkeit auch gegenüber Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen bleibt.
Die Anwendung von § 11 Abs. 1 AufenthG ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil § 11 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU die Vorschriften in § 11 Abs. 1 AufenthG nicht für entsprechend anwendbar erklärt. Weil die Sperrwirkungen der Ausweisung nicht mit dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU entfallen sind, sondern fortbestehen, § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU indes für Ausweisungen auf der Grundlage des alten Rechts nicht einschlägig ist, besteht eine Gesetzeslücke. Diese ist im Hinblick auf die erforderliche Anspruchsgrundlage für eine Befristung durch die Anwendung von § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu schließen. Dem entspricht die in § 11 Abs. 2 FreizügG/EU verkörperte gesetzliche Wertung: Danach findet, wenn die Ausländerbehörde den Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 oder § 2 Abs. 5 FreizügG/EU festgestellt hat, das Aufenthaltsgesetz Anwendung, sofern das Freizügigkeitsgesetz/EU keine besonderen Regelungen trifft. Auch wenn in Fällen der hier vorliegenden Art die Ausländerbehörde nicht den Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt, sondern noch eine Ausweisung nach dem Ausländergesetz 1990 verfügt hat, handelt es sich doch gleichermaßen um Fälle der Einschränkung des Freizügigkeitsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung. Dann ist das Aufenthaltsgesetz anzuwenden, sofern - wie in den Fällen der fortbestehenden Sperrwirkungen von Ausweisungen nach altem Recht - das Freizügigkeitsgesetz/EU keine besonderen Regelungen trifft. Dem entspricht es, dass § 11 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU die Regelung in § 11 Abs. 2 AufenthG über die Betretenserlaubnis für entsprechend anwendbar erklärt, die voraussetzt, dass ein (ggf. auch nach dem Ausländergesetz 1990 begründetes) Einreise- und Aufenthaltsverbot fortdauert.
b) Die Sperrwirkungen der Ausweisung und Abschiebung des Klägers zu 1) sind zum anderen nicht kraft Gemeinschaftsrechts mit dem Entstehen eines Freizügigkeitsrechts in seiner Person gleichsam automatisch weggefallen. Der von den Klägern zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, nach der bei Unionsbürgern bzw. ihren Familienangehörigen vor oder bei der Einreise nicht zu prüfen ist, ob und ggf. welches Freizügigkeitsrecht sie für einen Aufenthalt in dem betreffenden Mitgliedstaat in Anspruch nehmen wollen (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 1991, C - 68/89, EuGHE 1991 S. I - 2637 ff.; Urteil vom 25.7.2002, C - 459/99, InfAuslR 2002 S. 417 ff. - MRAX), lässt sich eine solche Rechtsfolge nicht entnehmen. Diese Rechtsprechung betrifft nicht die Fallgruppe von Unionsbürgern (oder deren Familienangehörigen), die hinsichtlich eines bestimmten Mitgliedstaats infolge einer von diesem verfügten, gemeinschaftsrechtlich wirksamen Ausweisung mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt sind. In solchen Fällen hat der Ausgewiesene nach dem Gemeinschaftsrecht zwar die Möglichkeit, nach einem den Umständen entsprechend angemessenen Zeitraum einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots unter Hinweis darauf zu stellen, dass eine materielle Änderung der Umstände eingetreten ist, die das Aufenthaltsverbot gerechtfertigt haben. Jedoch sieht das Gemeinschaftsrecht keinen Anspruch des Ausgewiesenen vor, in den betreffenden Mitgliedstaat wieder einzureisen, solange sein Antrag auf Aufhebung des mit der Ausweisung verbundenen Aufenthaltsverbotes noch geprüft wird (EuGH, Urt. v. 18.5.1982, EuGHE 1982 S. I - 1665 ff., Rdnr. 12 - Adoui und Cornuaille; vgl. auch die Regelung in Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 77).
Nichts anderes trifft nach Auffassung des Berufungsgerichts in Fällen zu, in denen Drittstaatsangehörige, die - wie der Kläger zu 1) - unter Umständen, die auch nach den Maßstäben des Gemeinschaftsrechts gegenüber Freizügigkeitsberechtigten eine ordnungsgemäße Ausweisung gerechtfertigt hätten, bestandskräftig ausgewiesen worden sind, und die danach als nunmehrige Ehegatten eines Unionsbürgers von einem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen wollen. Würde in derartigen Fällen das gegenüber dem drittstaatsangehörigen Ehegatten bestehende Einreise - und Aufenthaltsverbot gleichsam automatisch entfallen, so könnte ein solcher Drittstaatsangehöriger in weitergehendem Maße von einem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen als diejenigen Freizügigkeitsberechtigten, die bereits zum Zeitpunkt der Ausweisung unter den Schutz der gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit fielen und bei denen, weil die Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot noch nicht abgelaufen ist, vorher zu prüfen wäre, ob eine materielle Änderung der Umstände eingetreten ist, die das Aufenthaltsverbot gerechtfertigt haben. Damit würde im Ergebnis eine Gruppe von Drittstaatsangehörigen allein deswegen bessergestellt, weil sie zum Zeitpunkt ihrer Ausweisung noch keinen Anknüpfungspunkt zu der gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit hatten. Das Berufungsgericht vermag nicht zu erkennen, dass das Gemeinschaftsrecht eine derartige Privilegierung vorsehen könnte (a.A. für die Fallgruppe der Drittstaatsangehörigen, die - nach ihrer Ausweisung - infolge der EU-Osterweiterung am 1.5.2004 zu Unionsbürgern geworden sind: Westphal/Stoppa, InfAuslR 2004 S. 133, 137).
2. Die Berufung der Beklagten führt im Verhältnis zum Kläger zu 1) lediglich zu der Änderung des Urteils dahin, dass die Befristung der Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung auf den 22. März 2005, den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts, zu erfolgen hat.
a) Anspruchsgrundlage für das diesbezügliche Begehren des Klägers zu 1) ist § 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 1 und 2 AufenthG. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen oder abgeschoben worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten; ihm wird nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem AufenthG kein Aufenthaltstitel erteilt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG werden diese Wirkungen auf Antrag in der Regel befristet; die Frist beginnt mit der Ausreise (§ 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG).
Der Anwendbarkeit der genannten Bestimmungen steht, wie bereits ausgeführt, nicht entgegen, dass das Freizügigkeitsgesetz/EU nunmehr in § 7 Abs. 2 Satz 2 eine eigene Befristungsregelung für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen enthält, da diese Regelung sich nur auf die Fälle bezieht, in denen diese "ihr Freizügigkeitsrecht nach § 6 Abs. 1 oder Abs. 3 (FreizügG/EU) verloren haben". Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Ebenso ist, wie gleichfalls bereits ausgeführt, die Anwendung von § 11 Abs. 1 AufenthG nicht deshalb ausgeschlossen, weil § 11 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU die Vorschriften in § 11 Abs. 1 AufenthG nicht für entsprechend anwendbar erklärt.
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG sind im Falle des Klägers zu 1) erfüllt. Er wurde ausgewiesen und abgeschoben; die Abschiebung war (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 15.8.1991, InfAuslR 1992 S. 250, 251) zugleich die "Ausreise" im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG (bzw. § 8 Abs. 2 Satz 4 AuslG 1990). Der Kläger zu 1) hat auch die Befristung der Sperrwirkungen beantragt.
Gegeben ist, wovon auch die Beklagte ausgegangen ist, ein Regelfall im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Dies ergibt sich bereits ohne Berücksichtigung eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Freizügigkeitsrechts nach dem Maßstab des Aufenthaltsgesetzes selbst. Ein Ausnahmefall, in dem eine Befristung schon aus Rechtsgründen ausscheidet, läge danach nur dann vor, wenn der Fall des Klägers zu 1) durch atypische Umstände gekennzeichnet wäre, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigen. In diesem Zusammenhang ist zwar u. a. das Gewicht des Ausweisungsgrundes zu berücksichtigen. Dennoch begründet eine sogenannte Ist- oder Regel-Ausweisung nicht generell einen Ausnahmefall. Vielmehr bedarf es der Abwägung im Einzelfall, ob die vorliegenden Umstände eine unbefristete Ausweisung rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urt. 11.8.2000, BVerwGE Bd. 111 S. 369 = InfAuslR 2000 S. 483). In diesem Zusammenhang sind neben dem Gewicht der von dem Ausländer begangenen Straftaten auch sein späteres Verhalten und Beziehungen zu Familienangehörigen im Bundesgebiet zu berücksichtigen (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 6.5.1993, EZAR 039 Nr. 1, S. 8). Im Falle des Klägers zu 1) haben zwar die von ihm begangenen Straftaten insofern erhebliches Gewicht, als sie insgesamt zu einem Strafmaß von 9 Jahren und 6 Monaten geführt haben. Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, dass seine Führung während der zweiten Strafhaft zu keinerlei Beanstandungen Anlass gegeben und er sich mit seinen Straftaten gründlich auseinandergesetzt hat. Der Kläger zu 1) führt seit Jahren ein straffreies Leben. Im Hinblick auf seine persönlichen Beziehungen ist von Gewicht, dass er in Gestalt der Klägerin zu 3) eine im Bundesgebiet lebende Tochter mit deutscher Staatsangehörigkeit hat. Angesichts dieser Umstände ist ein Regelfall im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gegeben.
c) Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG steht der Zeitpunkt der im Regelfall gebotenen Befristung der Sperrwirkungen im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Dieses Ermessen ist im vorliegenden Fall jedoch wegen der zu beachtenden Vorgaben des Gemeinschaftsrechts dahin reduziert, dass die Beklagte zu verpflichten ist, die Sperrwirkungen auf den 22. März 2005 zu befristen. Weil der Kläger zu 1) freizügigkeitsberechtigt ist, darf die Fortdauer der Sperrwirkungen nicht auf Gründe der Generalprävention gestützt werden.
aa) Bei der Ausübung des nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG eröffneten Ermessens haben sich die Ausländerbehörden - soweit nicht das Gemeinschaftsrecht andere Maßstäbe vorgibt - von den folgenden rechtlichen Grundsätzen leiten zu lassen: Die Ausweisung verfolgt den Zweck, die Allgemeinheit vor dem Ausländer wegen der Gefahr einer Wiederholung bzw. Fortdauer der Ausweisungsgründe zu schützen (Spezialprävention) und - soweit rechtlich zulässig - andere Ausländer von der Verwirklichung der Ausweisungsgründe abzuschrecken (Generalprävention). Die Dauer der Sperrwirkung ist danach zu bestimmen, wann der Ausweisungszweck bzw. die Ausweisungszwecke voraussichtlich erreicht sein wird bzw. sein werden. Die Sperrwirkung darf so lange bestehen, wie es diese ordnungsrechtlichen Zwecke im Einzelfall erfordern. Sind diese Zwecke bereits sämtlich erreicht, so ist es nicht länger gerechtfertigt, die Sperrwirkungen aufrecht zu erhalten (BVerwG, Urt. v. 11.8.2000, a.a.O.; VGH Mannheim, Urt. v. 26.3.2003, InfAuslR 2003 S. 333, 336).
bb) Die Aufrechterhaltung der Sperrwirkung ist nicht länger erforderlich, um den Kläger zu 1) von der Begehung weiterer Straftaten von Gewicht im Bundesgebiet abzuhalten.
Das Verwaltungsgericht ist in dem angefochtenen Urteil auf der Grundlage der von den Klägern vorgelegten Unterlagen und Erklärungen sowie der Aussage des Zeugen Drost in der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2004 zu dem Schluss gelangt, dass von dem Kläger zu 1) im Falle seiner erneuten Einreise und eines erneuten Aufenthalts im Bundesgebiet keine Gefahr der Begehung neuer Straftaten mehr ausgehen würde, so dass der Zweck der Sperrwirkung seiner Ausweisung in spezialpräventiver Hinsicht inzwischen erfüllt sei und daher unter diesem Gesichtspunkt nicht mehr aufrechterhalten werden dürfe.
Das Berufungsgericht schließt sich dieser Würdigung nach Maßgabe der Sachlage zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung an. Auch aus der Sicht des Berufungsgerichts ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass von dem Kläger zu 1) im Falle seiner erneuten Einreise in das Bundesgebiet die Gefahr neuer Straftaten von Gewicht ausgehen könnte. Für diesen Schluss sprechen die von dem Kläger zu 1) im Verwaltungsverfahren als Anlage zu dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 4. Februar 2003 vorgelegten Erklärungen und seine sonstigen, im Rahmen des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens beigebrachten Unterlagen, die insgesamt plausibel machen, dass er die zu seinen Verurteilungen führenden Straftaten aus einer Lebenssituation heraus begangen hat, die mit seiner jetzigen nicht mehr vergleichbar ist. Gleiches gilt für die Aussage des Zeugen Drost vor dem Verwaltungsgericht, deren Würdigung durch das Verwaltungsgericht die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten ist. Weiterhin sprechen für diesen Schluss die seit der Begehung dieser Straftaten (zuletzt im Sommer 1994) verstrichene Zeit und seine persönliche Festigung durch Gründung einer eigenen (neuen) Familie mit der Klägerin zu 2) und dem kürzlich geborenen gemeinsamen Kind.
Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht Hamburg und das Hanseatische Oberlandesgericht im Rahmen ihrer Beschlüsse vom 3. Juni 2003 bzw. vom 24. September 2003 keine Prognose im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB abgegeben haben. Liegen, wie hier, keine aussagekräftigen strafvollstreckungsrechtlichen Entscheidungen vor, so sind die Verwaltungsgerichte gehalten, ihre Überzeugung hinsichtlich der Frage einer fortbestehenden Gefährlichkeit des ausgewiesenen Ausländers auf der Grundlage des ansonsten vorhandenen Materials zu bilden.
cc) Weil der Kläger zu 1) freizügigkeitsberechtigt ist, darf die Fortdauer der Sperrwirkungen nicht auf Gründe der Generalprävention gestützt werden. Der Kläger zu 1) ist nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts freizügigkeitsberechtigt (aaa). Das Gemeinschaftsrecht verbietet es, eine Ausweisungsmaßnahme gegenüber Freizügigkeitsberechtigten auf generalpräventive Gesichtspunkte zu stützen, sondern erlaubt solche Maßnahmen nur unter eingeschränkten, bei dem Kläger zu 1) nicht vorliegenden Voraussetzungen (bbb). Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn ein Freizügigkeitsberechtigter sich nicht gegen eine Ausweisung wendet, sondern erst nach Bestandskraft der Ausweisung und nach vollzogener Ausreise begehrt, das mit der Ausreise verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben (ccc).
aaa) Der Kläger zu 1) erfüllt die Voraussetzungen eines von seiner Ehefrau, der Klägerin zu 2), abgeleiteten Freizügigkeitsrechts.
(1) Dem steht zunächst nicht (mehr) entgegen, dass das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur die Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft, also zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, betrifft, während sie dagegen nicht das Recht eines mit einem Unionsbürger verheirateten Drittstaatsangehörigen regelt, von einem Drittstaat aus den Zugang zum Gemeinschaftsgebiet zu erlangen (EuGH, Urt. v. 23.9.2003, C - 109/01 - Akrich, InfAuslR 2003 S. 409, Rdnr. 49). Danach kann sich ein Drittstaatsangehöriger für die Einreise in das Gemeinschaftsgebiet von einem Drittstaat aus nicht auf die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen des Freizügigkeitsrechts berufen (vgl. Borrmann, Rechte drittstaatsangehöriger Ehegatten wandernder Unionsbürger, ZAR 2004 S. 61, 64). Im vorliegenden Fall haben die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 1) im Oktober 2004 ihren Wohnsitz von Chile aus in das Vereinigte Königreich verlegt. Demnach erfüllt der Kläger zu 1) nunmehr diese generelle Voraussetzung für die Geltendmachung eines Freizügigkeitsrechts, wenn er sich zusammen mit der Klägerin zu 2) vom Vereinigten Königreich aus in die Bundesrepublik Deutschland begeben will.
Rechtlich nicht maßgeblich ist die Tatsache, dass die Verlegung ihres Wohnsitzes von Chile in das Vereinigte Königreich erst im Laufe des Klagverfahrens erfolgt ist und die Kläger zu 1) und 2) insbesondere zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides ihren Wohnsitz noch in Chile hatten. Die Verlegung ihres Wohnsitzes in einen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ist in dem vorliegenden Verfahren rechtlich zu beachten, obwohl die Befristung der Sperrwirkung von Ausweisung und Abschiebung durch die Ausländerbehörde in deren Ermessen steht und es bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Ermessensentscheidungen regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides ankommt. Maßgebend ist hier die Lage im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts.
Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der Europäische Gerichtshof in seinen Entscheidungen zu der Frage, wie weit der Ausweisungsschutz von Freizügigkeitsberechtigten reicht, die Auffassung vertritt, dass auch Entwicklungen nach dem Erlass der letzten Behördenentscheidung berücksichtigt werden müssen (vgl. EuGH, Urt. v. 29.4.2004, EuGRZ 2004 S. 422, 427, Rdnr. 82 - Orfanopoulos und Oliveri). Zwar ist der dortige Sachverhalt insofern von dem hier vorliegenden zu unterscheiden, als dort nicht erst nach dem Erlass der letzten Behördenentscheidung ein mögliches Freizügigkeitsrecht der von der Ausweisung Betroffenen entstanden ist, sondern die Unionsbürgerschaft dieser Personen von vornherein feststand. Diese Rechtsprechung ist aber verallgemeinernd dahin zu verstehen, dass in Fällen, in denen sich zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Frage stellt, ob einer Ausweisung (oder auch der Aufrechterhaltung ihrer Sperrwirkung) die Freizügigkeitsregelungen des Gemeinschaftsrechts entgegenstehen, grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung selbst und nicht auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist (vgl. dazu auch BVerwG, Urt. v. 3.8.2004, 1 C 30.02, NVwZ 2005 S. 220 ff.).
Zum anderen hat das Bundesverwaltungsgericht - losgelöst von Fragen des Gemeinschaftsrechts - entschieden, dass die Frage, ob sich das der Ausländerbehörde eingeräumte Ermessen im Einzelfall ausnahmsweise derart verengt, dass keine andere Entscheidung als die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis rechtmäßig erscheint, nach der Sachlage im Zeitpunkt der Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz zu beurteilen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.5.1985, Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 70). Für die Prüfung eines Befristungsanspruchs nach § 11 Abs. 2 AufenthG kann nichts anderes gelten. Da die Kläger hier mit ihrem Abstellen auf die gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit gerade begründen wollen, dass sich das Befristungsermessen der Beklagten auf Null reduziert hat, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf abzustellen, ob der Kläger zu 1) zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit genießt oder nicht. Dementsprechend ist die Verlegung des Wohnsitzes der Kläger zu 1) und 2) von Chile in das Vereinigte Königreich im Rahmen des Berufungsverfahrens zu berücksichtigen.
(2) Der Kläger zu 1) erfüllt auch die weitere, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Akrich (Urt. v. 23.9.2003, a.a.O.) bestehende Voraussetzung für das Freizügigkeitsrecht eines Drittstaatsangehörigen, der mit einem Unionsbürger verheiratet ist und sich mit ihm von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat begeben will. Danach ist es erforderlich, dass der Drittstaatsangehörige sich in dem Mitgliedstaat des aktuellen Aufenthalts bereits rechtmäßig aufhält. Denn anderenfalls liegt in einer Versagung des rechtmäßigen Aufenthalts in dem anderen Mitgliedstaat keine ungünstigere Behandlung, als sie ihm bisher zuteil geworden ist. Würde sich dementsprechend der rechtliche Status des Familienangehörigen nicht verschlechtern, so könnte der Unionsbürger nicht durch die Versagung des rechtmäßigen Aufenthalts für den drittstaatsangehörigen Ehegatten in dem anderen Mitgliedstaat davon abgehalten werden, von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch zu machen (vgl. EuGH, Urt. v. 23.9.2003, a.a.O., Rdnrn. 53 ff.). Dementsprechend ist es erforderlich, dass sich der Kläger zu 1) derzeit bzw. zu dem Zeitpunkt, in dem er vom Vereinigten Königreich aus nach Deutschland reisen will, im Vereinigten Königreich rechtmäßig aufhält. Dies ist der Fall, da der Kläger zu 1) sich alsbald vom Vereinigten Königreich aus zum Besuch der Klägerin zu 3) nach Deutschland begeben will und er über ein Visum für den Aufenthalt im Vereinigten Königreich verfügt, das bis zum 15. September 2006 gilt.
(3) Der Kläger zu 1) ist freizügigkeitsberechtigt entweder wegen Gebrauchmachens von der passiven Dienstleistungsfreiheit nach den Voraussetzungen der Richtlinie Nr. 73/148 des Rats der EWG zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs vom 21. Mai 1973 (ABl. Nr. L 172 S. 14) - im Folgenden: Richtlinie 73/148/EWG - (3.1) oder (jedenfalls) nach Maßgabe der Richtlinie Nr. 90/364 des Rats der EWG über das Aufenthaltsrecht vom 28. Juni 1990 (ABl. Nr. L 180 S. 26), im Folgenden: Richtlinie 90/364/EWG (3.2).
(3.1) Die Kläger machen geltend, die Klägerin zu 2) wolle im Falle eines Besuches der Klägerin zu 3) in Begleitung des Klägers zu 1) als Empfänger von Dienstleistungen von der sogenannten passiven Dienstleistungsfreiheit nach Art. 1 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 73/148/EWG (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU) Gebrauch machen, woraus sich für den Kläger zu 1) nach Art. 1 Abs. 1 lit. c) der Richtlinie (als Ehegatte) ein Freizügigkeitsrecht ergebe (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU).
Sie haben in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass bereits der Kauf einer "Coca Cola am Flughafen" oder die Übernachtung in einem Hotel genügten, um das Freizügigkeitsrecht der passiven Dienstleistungsfreiheit auszulösen. Wie das Berufungsgericht bereits in seinem Zulassungsbeschluss vom 16. November 2004 ausgeführt hat, begegnet diese Sichtweise Zweifeln. Zwar hat der Europäische Gerichtshof mehrfach entschieden, dass neben Personen, die eine medizinische Behandlung in Anspruch nehmen oder Studien- oder Geschäftsreisen unternehmen, auch Touristen "als Empfänger von Dienstleistungen anzusehen sind" (vgl. EuGH, Urt. v. 31.1.1984, EuGHE 1984 S. I - 377 ff., Rdnr. 16. - Luisi und Carbone; Urt. v. 2.2.1989, EuGHE 1989 S. I. - 195 ff., Rdnr. 15 - Cowan; Urt. v. 19.1.1999, EuGHE 1999 S. I - 11 ff., Rdnr. 16 - Calfa). Es ist jedoch unklar, ob daraus folgt, dass ein Unionsbürger bereits dann von der passiven Dienstleistungsfreiheit Gebrauch macht, wenn er anlässlich eines an sich nicht touristisch motivierten Besuchs Dienstleistungen in Anspruch nimmt, die mit jeglichem Aufenthalt an jeglichem Ort zwingend verbunden sind, um etwa elementare Grundbedürfnisse der Nahrungsaufnahme zu befriedigen. Wäre dies der Fall, so wäre jede Art von Aufenthalt zumindest auch durch die passive Dienstleistungsfreiheit gedeckt. Dann allerdings hätte der Rat der Europäischen Gemeinschaften - in Kenntnis der beiden ersten o.g. Urteile des Europäischen Gerichtshofs - nicht mehr die Richtlinie 90/364/EWG zu erlassen brauchen, die gerade nicht davon ausgehen dürfte (vgl. Art. 1 Abs. 1), dass jegliche Art von Aufenthalt jedenfalls hilfsweise durch die passive Dienstleistungsfreiheit erfasst wird.
Von diesem Ansatz ist auch die amtliche Begründung zu § 6 des (zum 1.1.2005 außer Kraft getretenen) AufenthaltsG/EWG (betr. die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Empfänger von Dienstleistungen) ausgegangen: Danach kommt es darauf an, dass der wesentliche und hauptsächliche Zweck des Aufenthalts im Bundesgebiet gerade im Empfang bestimmter, unter Art. 60 des EWG-Vertrages (a.F.) fallender Dienstleistungen bestehe. Der Anspruch entstehe nicht schon dadurch, dass bei Gelegenheit eines anderen Zwecken dienenden Aufenthalts auch mehr oder weniger häufig Dienstleistungen in Anspruch genommen würden (abgedruckt in Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, 5. Aufl., § 6 AufenthaltsG/EWG; die amtl. Begründung zu § 2 Abs. 2 FreizügG/EU, das seit dem 1.1.2005 in § 2 Abs. 2 Nr. 4 das Aufenthaltsrecht der Empfänger von Dienstleistungen regelt, geht auf diese Frage nicht ein, vgl. BT-Drucks. 15/420 v. 7.2.2003, S. 102).
Die Kläger haben ausgeführt, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei dahin zu verstehen, dass jegliche Inanspruchnahme von Dienstleistungen, und zwar "selbst" anlässlich touristischer Reisen, unter die passive Dienstleistungsfreiheit falle. Außerdem habe der Europäische Gerichtshof in der Sache Chen (Urt. v. 19.10.2004, C - 200/02, InfAuslR 2004 S. 413 ff.) die Dienstleistungsfreiheit von den sonstigen Freiheiten der europäischen Verträge allein nach der vorgesehenen Dauer des Aufenthalts abgegrenzt; Dienstleistungsfreiheit komme danach schon dann in Betracht, wenn der Aufenthalt von bestimmter Dauer sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Europäische Gerichtshof in der Sache Chen ausgeführt hat, dass die Dienstleistungsfreiheit kein Recht für Aufenthalte von unbestimmter Dauer verleihe (Rdnr. 22). Daraus lässt sich jedoch nicht der Umkehrschluss ziehen, dass jeglicher Aufenthalt von bestimmter Dauer schon deswegen unter die passive Dienstleistungsfreiheit fällt.
Das Berufungsgericht braucht diese Fragen jedoch im Rahmen des vorliegenden Urteils nicht zu klären. Denn dann, wenn sich die Kläger zu 1) und 2) für Besuchsaufenthalte in Hamburg der von ihnen geplanten Art nicht auf die Freizügigkeit wegen Gebrauchmachens von der passiven Dienstleistungsfreiheit berufen können sollten, würde sich für sie jedenfalls ein Freizügigkeitsrecht nach der Richtlinie 90/364/EWG ergeben.
(3.2) Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 90/364/EWG gewähren die Mitgliedstaaten den Angehörigen der Mitgliedstaaten, denen das Aufenthaltsrecht nicht auf Grund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts (wie etwa der o.g. Richtlinie 73/148/EWG) zuerkannt ist, sowie deren Familienangehörigen (darunter fallen nach Art. 1 Abs. 2 lit. a) auch die Ehegatten) unter der Bedingung das Aufenthaltsrecht, dass sie für sich und ihre Familienangehörigen über eine Krankenversicherung, die im Aufnahmestaat alle Risiken abdeckt, sowie über ausreichende Existenzmittel verfügen, durch die sichergestellt ist, dass sie während ihres Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen (vgl. die deutsche Umsetzung durch § 4 FreizügG/EU). Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen diese Voraussetzungen ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen.
Danach verfügen sie - erstens - über ausreichende Existenzmittel, die eine Inanspruchnahme von Sozialhilfe bei einem Aufenthalt im Bundesgebiet als ausgeschlossen erscheinen lassen. Die Klägerin zu 2) hat monatliche Einkünfte in Höhe von 1.593,33 brit. Pfund; dies entspricht zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts einem Betrag von etwa 2.300,-- Euro. Die zur Umsetzung der Richtlinie im deutschen Recht geschaffenen Regelungen bestätigen dieses Ergebnis. Nach § 8 Abs. 3 der zum 1. Januar 2005 außer Kraft getretenen Freizügigkeitsverordnung/EG (v. 17.7.1997, BGBl. I S. 1810), mit der die Bundesrepublik Deutschland die Richtlinie 90/364/EWG umgesetzt hatte, waren Existenzmittel als ausreichend anzusehen, wenn sie pro Haushaltsvorstand monatlich einen Betrag von 1.170,-- DM überstiegen und pro Familienangehörigem Existenzmittel in Höhe von 60% dieses Betrages, also 702,-- DM, nachgewiesen wurden; nach diesem Maßstab würden die Kläger zu 1) und 2) über ausreichende Existenzmittel verfügen. Das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Freizügigkeitsgesetz/EU sieht in § 4 ("Nicht erwerbstätige Freizügigkeitsberechtigte"), der an die Stelle der Freizügigkeitsverordnung/EG getreten ist, keine bestimmten Mindestbeträge für die Wahrung ausreichender Existenzmittel mehr vor. In der Begründung zum diesbezüglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 15/420 v. 7.2.2003, S. 103 f.) wird dazu ausgeführt, die in § 8 Abs. 3 Satz 1 FreizügV/EG enthalten gewesenen Bedarfseckwerte seien bewusst nicht übernommen worden, da sie entgegen der damit verbundenen Erwartung (wegen der Notwendigkeit exakter Berechnungen in Grenzfällen) nicht zu einer wesentlichen Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens geführt hätten. Bei höheren Einkünften werde der maßgebliche sozialhilferechtliche Bedarf häufig evident überschritten; ein Bedarfseckwert als Orientierungsmarke sei in diesen Fällen nicht erforderlich. Angesichts dessen begegnet es keinen Zweifeln mehr, dass die Kläger zu 1) und 2) über ausreichende Existenzmittel im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 90/364/EWG und von § 4 FreizügG/EU verfügen.
Die Kläger zu 1) und 2) haben - zweitens - auch einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Gemäß der als Anlage B 4 vorgelegten Bescheinigung deckt ihre Krankenversicherung bei der "BUPA International" weltweit (mit Ausnahme von Aufenthalten in den USA) zum einen die Kosten für Krankenhausaufenthalte und fachärztliche Behandlung bei Verletzungen und akuten Erkrankungen ab. Zum anderen werden für ambulante Behandlungen ("outpatient treatment") und für Behandlungen beim Hausarzt ("family doctor treatment") Kosten in Höhe von bis zu 5.000,-- brit. Pfund (ca. 7.200,-- Euro) pro Mitgliedschaftsjahr gedeckt; die Gesamtdeckung für alle Behandlungen, ob stationär oder ambulant, beträgt 1.000.000,-- brit. Pfund. Dieser Krankenversicherungsschutz ist als ausreichend im Sinne der Richtlinie 90/364/EWG anzusehen. Dem steht nicht entgegen, dass nach Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie die Krankenversicherung "im Aufnahmemitgliedstaat alle Risiken abdeck(en)" muss, und dass nach der Begründung der Bundesregierung zum (so beschlossenen) Entwurf des § 4 FreizügG/EU, der die genannte Richtlinie umsetzt, der notwendige, gemeinschaftsrechtlich vorausgesetzte Krankenversicherungsschutz als ausreichend anzusehen sein soll, wenn er im Umfang der gesetzlichen Krankenversicherung die folgenden Leistungen umfasst: Ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verbands-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, medizinische Leistungen zur Rehabilitation und Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt (BT-Drucks. 15/420 v. 7.2.2003, S. 104). Auch wenn der von der "BUPA International" vermittelte Versicherungsschutz diesen Umfang nicht bieten sollte, ist zu berücksichtigen, dass auch die genannten Voraussetzungen der Richtlinie 90/364/EWG nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wiederum unter Einhaltung der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Grenzen und im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, anzuwenden sind (vgl. EUGH Urt. v. 19.10.2004, C - 200/02 - Chen -, Rdnrn. 32 f., InfAuslR 2004 S. 413; Urt. v. 7.9.2004, C - 456/02 - Trojani -, Rdnrn. 34, InfAuslR 2004 S. 417, 419; Urt. v. 17.9.2002, NJW 2002 S. 3610 ff., Rdnr. 90 f. - Baumbast). Da die Krankenversicherung der Kläger zu 1) und 2) jedenfalls die für ihre beabsichtigten, eher kurzzeitigen Besuchsaufenthalte realistischerweise in Betracht zu ziehenden Risiken abdecken wird, erschiene es unverhältnismäßig, die Freizügigkeit zu versagen, weil etwa die Versicherung nicht auch noch für medizinische Leistungen zur Rehabilitation und Leistungen bei Schwangerschaft gilt. Hinzu kommt, dass die Klägerin zu 2) schriftlich erklärt hat, sie werde vor ihrer nächsten gemeinsamen Auslandsreise mit dem Kläger zu 1) für sie beide eine Reiseversicherung der Marke "Trailfinders - Gold Policy" abschließen, die sie selbst zuletzt bereits ab dem 15. November 2004 für ein Jahr abgeschlossen habe und die für medizinische Ausgaben einen Schutz in Höhe von 5.000.000,-- britischen Pfund biete (vgl. die Anl. B 12 sowie dazu die von dem Klägervertreter in der Berufungsverhandlung überreichten Versicherungsunterlagen).
(4) Das Berufungsgericht sieht es auch als hinreichend sicher an, dass die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 1) tatsächlich beabsichtigen, sich gemeinsam in das Bundesgebiet zu begeben.
Zweifel an einer solchen Absicht konnten sich allerdings daraus ergeben, dass gegenüber dem Kläger zu 1), wie im Tatbestand im Einzelnen dargestellt, eine noch offene, bislang nicht zur Bewährung ausgesetzte Restfreiheitsstrafe in Höhe von 1380 Tagen besteht, und ihm gegenüber ein Vollstreckungshaftbefehl der Staatsanwaltschaft vorliegt, auf Grund dessen er bundesweit zur Festnahme ausgeschrieben ist. Auch wenn die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten in dem Eilverfahren 3 Bs 458/04 diese Sachlage mit dem Argument bestritten haben, eine Inhaftierung des Klägers zu 1) im Falle seiner Einreise in das Bundesgebiet zur Verbüßung der Restfreiheitsstrafe sei unzulässig, weil der Gnadenerweis der Justizbehörde vom 2. Februar 1999 dem nach wie vor entgegenstehe - diese Auffassung trifft nicht zu, vgl. dazu die Ausführungen des Berufungsgerichts in dem im Rahmen des Eilverfahrens ergangenen Beschluss vom 27.1.2005, S. 11 ff. -, dürfte ihnen dieser Beschluss nebst den eingeholten Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft Hamburg hinreichend deutlich vor Augen geführt haben, dass sie im Falle einer Einreise davon auszugehen hätten, dass der gegenüber dem Kläger zu 1) bestehende Vollstreckungshaftbefehl zur Verbüßung der genannten Restfreiheitsstrafe vollstreckt würde.
Diese Bedenken haben die Kläger zu 1) und 2) jedoch durch ihre auf die entsprechende Anforderung des Berufungsgerichts übersandten persönlichen schriftlichen Erklärungen vom 27. Februar 2005 (Anl. B 7 und B 8), an deren Glaubhaftigkeit für das Berufungsgericht kein Zweifel besteht, ausgeräumt. Beide erklären darin, sie wollten in das Bundesgebiet einreisen, auch wenn sie damit das Risiko eingingen, dass der Kläger zu 1) verhaftet werde, und obwohl dies auch unter dem Gesichtspunkt eine besondere Belastung darstellen würde, dass gerade ein gemeinsames Kind geboren worden sei. Die Klägerin zu 2) erklärt, sie sei sich über die Möglichkeit der Inhaftierung des Klägers zu 1) im Klaren, und hoffe, dass die Haft in einem solchen Fall jedenfalls nicht länger als dreieinhalb Monate dauern würde (Zeitraum bis zum Halbstrafenzeitpunkt). Die Vorstellung, dass ihr Mann ins Gefängnis käme, sei zwar kaum erträglich ("quite perverse"), aber wenn dies notwendig sei, um ihren Mann endlich von seiner Vergangenheit zu befreien, so dass sie alle zusammen eine Familie sein könnten, dann würde sie dies akzeptieren müssen ("I would have to agree to these terms").
bbb) Das Recht der Europäischen Gemeinschaft verbietet es, eine Ausweisungsmaßnahme gegenüber Freizügigkeitsberechtigten auf generalpräventive Gesichtspunkte zu stützen, und lässt eine solche Maßnahme nur unter strengen Voraussetzungen zu, die bei dem Kläger zu 1) nicht vorliegen.
(1) Die Richtlinie Nummer 64/221 des Rats der EWG "zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind", vom 25. Februar 1964 (ABl. S. 850) - im Folgenden: Richtlinie 64/221/EWG - bestimmt in Art. 3 Abs. 1, dass bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelperson ausschlaggebend sein kann. Nach ihrem Art. 3 Abs. 2 können strafrechtliche Verurteilungen allein ohne weiteres solche Maßnahmen nicht begründen. Nach Art. 2 Abs. 1 betrifft die Richtlinie die Vorschriften für die Einreise, die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet, welche die Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit erlassen. Gemäß Art. 2 Abs. 2 dürfen Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit nicht für wirtschaftliche Zwecke geltend gemacht werden. Die Richtlinie gilt nach Art. 1 Abs. 1 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft aufhalten oder sich dorthin begeben, um eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben oder - worauf es hier ankäme, falls sich die Kläger zu 1) und 2) auf die o.g. Richtlinie 73/148/EWG berufen können sollten - um Dienstleistungen entgegen zu nehmen. Nach Art. 1 Abs. 2 gelten die Bestimmungen auch für Ehegatten und die Familienmitglieder, welche die Bedingungen der auf Grund des Vertrags auf diesem Gebiet erlassenen Verordnungen und Richtlinien erfüllen. Die Richtlinie 90/364/EWG wiederum bestimmt in Art. 2 Abs. 2 Satz 3, dass die Mitgliedstaaten nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit oder der Volksgesundheit von den Bestimmungen der Richtlinie abweichen dürfen; laut Art. 2 Abs. 2 Satz 4 findet in diesem Fall die Richtlinie 64/221/EWG Anwendung.
Der Europäische Gerichtshof legt die o.g. Bestimmung des Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG in ständiger Rechtsprechung dahin aus, dass die Berufung auf den Begriff der öffentlichen Ordnung voraussetzt, dass außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächlich und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt; die Ausnahme der öffentlichen Ordnung sei eng auszulegen, so dass eine strafrechtliche Verurteilung eine Ausweisung nur insoweit rechtfertigen könne, als die ihr zu Grunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen ließen, dass eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil vom 27.10.1977, Rs. 30/77, EuGHE 1977 S. 1999, 2012 f., Rdnrn. 25/26 ff., 33/35, - Bouchereau). Der Europäische Gerichtshof folgert daraus, dass das Gemeinschaftsrecht der Ausweisung eines Angehörigen eines Mitgliedstaats (gleiches gilt für dessen Familienangehörige aus einem Drittstaat) entgegensteht, die auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützt, d.h. zum Zweck der Abschreckung anderer Ausländer verfügt wird, insbesondere, wenn die Ausweisung auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung automatisch erfolgt, ohne dass das persönliche Verhalten des Täters oder die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentliche Ordnung berücksichtigt wird (vgl. zuletzt EuGH, Urt. v. 29.4.2004 - Rechtssachen Orfanopoulos und Oliveri, EuGRZ 2004 S. 422, 426, Rdnrn. 66 bis 68).
(2) Diese strengen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts an die Rechtmäßigkeit von Ausweisungsmaßnahmen gegenüber Freizügigkeitsberechtigten sind im Fall des Klägers zu 1) nicht erfüllt, so dass er, wenn er sich noch im Bundesgebiet aufhielte und bisher nicht ausgewiesen worden wäre, aktuell nicht mehr aus Gründen der öffentlichen Ordnung ausgewiesen (bzw. der Verlust seines Freizügigkeitsrechts festgestellt, vgl. § 6 FreizügG/EU) werden dürfte.
(2.1) Die Gefahr erneuter Straftaten von Gewicht besteht, wie bereits ausgeführt, nicht.
(2.2) Nach der Auffassung des Berufungsgerichts wird das Freizügigkeitsrecht des Klägers zu 1) nicht gemäß Art. 2 und 3 der Richtlinie 64/221/EWG unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit durch den Umstand ausgeschlossen, dass er im Fall seiner Einreise in das Bundesgebiet damit rechnen muss, gemäß dem von der Staatsanwaltschaft Hamburg erlassenen Vollstreckungshaftbefehl vom 18. März 1999 zur Verbüßung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6. Juni 1996 inhaftiert zu werden. Auf die zu erwartende Dauer der Verbüßung kommt es dafür nicht an.
Für eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung könnte im Ausgangspunkt zwar sprechen, dass auch die Inhaftierung zur Verbüßung einer Resthaftstrafe die Folge eines gefährlichen persönlichen Verhaltens ist, das in der Vergangenheit nicht vollständig durch Strafverfolgung sanktioniert wurde und das daher, solange die Reststrafe nicht erlassen oder wenigstens zur Bewährung ausgesetzt ist, weiterhin fortwirkt.
Der Vollzug der Resthaftstrafe bedeutet jedoch keinen fortdauernden Verstoß des Klägers zu 1) gegen die öffentliche Ordnung im gemeinschaftsrechtlichen Sinne. Ein solcher Verstoß setzt zunächst voraus, dass überhaupt innerstaatliche Rechtsvorschriften verletzt werden (vgl. Streinz-Franzen, EUV/EGV, Art. 39 EGV, Rdnr. 134). Es wäre aber keine Verletzung deutscher Rechtsvorschriften durch den Kläger zu 1), wenn die Staatsanwaltschaft Hamburg im Falle einer Einreise des Klägers zu 1) in das Bundesgebiet ihre nach § 456 a Abs. 2 Satz 3 StPO erfolgte Anordnung vom 15. April 1998 umsetzen würde, wonach die Vollstreckung der noch offenen Reststrafe nachzuholen ist. Ein Grundinteresse der Gesellschaft, das darin bestünde, eine verwirkte Strafe nicht vollstrecken zu müssen, kann im Hinblick auf das Legalitätsprinzip schwerlich bestehen. Soweit im Rahmen des § 456 a Abs. 2 Satz 3 StPO der Strafvollstreckungsbehörde ein Ermessen eingeräumt ist, sind Zweckmäßigkeitserwägungen nicht geeignet, ein Grundinteresse der Gesellschaft zu konstituieren.
Eine Inhaftierung des Klägers zu 1) wäre auch kein Umstand, der die öffentliche Sicherheit im gemeinschaftsrechtlichen Sinne gefährden könnte. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst zwar - neben der äußeren Sicherheit eines Mitgliedstaats, die etwa durch militärische Bedrohungen oder durch erhebliche Störungen der auswärtigen Beziehungen gefährdet sein kann - auch die innere Sicherheit des Mitgliedstaats; hierunter sind sein Bestand, seine Einrichtungen und das Überleben der Bevölkerung zu verstehen (vgl. Streinz-Franzen, a.a.O., Rdnr. 138). Es ist aber weder von der Beklagten dargelegt worden noch sonst ersichtlich, dass etwa die Einrichtungen des deutschen (hamburgischen) Strafvollzugs in ihrem Bestand oder ihrer Funktionsfähigkeit gefährdet wären, wenn der Kläger zu 1) darin aufgenommen werden muss.
Auch die mit einer Strafverbüßung des Klägers zu 1) für die Beklagte verbundenen Kosten rechtfertigen es nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht, die Freizügigkeit des Klägers zu 1) unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der öffentlichen Ordnung auszuschließen.
Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 64/221/EWG bestimmt, dass Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht für wirtschaftliche Zwecke geltend gemacht werden dürfen. Dies bedeutet, dass die Freizügigkeit z. B. nicht aus arbeitsmarktpolitischen Gründen ausgeschlossen werden kann, gleiches gilt grundsätzlich auch für fiskalische Gründe. (vgl. Streinz-Franzen, a.a.O., Rdnr. 136).
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, nach der es gemeinschaftsrechtlich nicht ausgeschlossen ist, dass ein Mitgliedstaat etwa gegenüber einem Studenten aus einem anderen Mitgliedstaat, der Sozialhilfe in Anspruch genommen hat, Maßnahmen ergreift, um seine Aufenthaltserlaubnis zu beenden oder nicht mehr zu verlängern (vgl. EuGH, Urt. v. 20.9.2001, C - 184/99, Rdnr. 41 ff., InfAuslR 2001 S. 481, 483 - Grzelczyk). Der europäische Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, solche Maßnahmen dürften nicht automatisch verfügt werden; aus einer Begründungserwägung der RL 93/96/EWG (Aufenthaltsrecht der Studenten) ergebe sich nämlich ebenso wie hinsichtlich der Richtlinie 90/364/EWG, dass die Aufenthaltsberechtigten die öffentlichen Finanzen des Aufnahmestaates nicht über Gebühr in Anspruch nehmen dürften. Daraus folge eine bestimmte finanzielle Solidarität der Angehörigen dieses Staates mit denen anderer Mitgliedstaaten, insbesondere wenn die finanziellen Schwierigkeiten nur vorübergehender Natur seien. In seinem Urteil vom 7. September 2004 in der Sache Trojani (C - 456/02, InfAuslR 2004 S. 417 ff.) hat der Europäische Gerichtshof an diese Entscheidung angeknüpft und ausgeführt, dass es dem Mitgliedstaat unbenommen bleibe, festzustellen, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats, der Sozialhilfe in Anspruch genommen hat, die Voraussetzungen für sein Aufenthaltsrecht nicht mehr erfülle. Der Aufnahmemitgliedstaat könne in einem solchen Fall unter Einhaltung der vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen eine Ausweisungsmaßnahme vornehmen. Die Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems durch einen Unionsbürger dürfe jedoch nicht automatisch eine solche Maßnahme zur Folge haben (a.a.O., Rdnr. 45).
Diese Rechtsprechung lässt sich - trotz der mit einer Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe des Klägers zu 1) für die Beklagte verbundenen Kosten - nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht in dem Sinne auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen, dass zur Vermeidung des Strafvollzugs das Freizügigkeitsrecht des Klägers zu 1) eingeschränkt werden dürfte. Diese Rechtsprechung lässt nicht erkennen, dass das Freizügigkeitsrecht allein wegen der Kosten, die durch den Aufenthalt für den Mitgliedstaat aus der Beanspruchung seiner Einrichtungen entstehen werden, aus Gründen der öffentlichen Ordnung zurücktreten soll. Sie betrifft vielmehr Fälle, in denen sich der Betreffende zunächst rechtmäßig und (wie es die jeweils einschlägige Richtlinie voraussetzt) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfe in dem betreffenden Mitgliedstaat aufgehalten, er dann aber die "finanzielle Solidarität" überbeansprucht und das Sozialhilfesystem "über Gebühr belastet" hat, wodurch wiederum eine nach Maßgabe der jeweiligen Richtlinie entscheidende Voraussetzung für das Aufenthaltsrecht selbst entfallen ist. Eine solche Lage besteht im vorliegenden Fall dagegen nicht, da die Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach den Richtlinien 73/148/EWG oder 90/364/EWG erfüllen.
Im Übrigen bleibt zu berücksichtigen, dass der Ausschlussgrund der öffentlichen Ordnung als Ausnahme von einem Grundprinzip (der Freizügigkeit) nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eng auszulegen ist (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 19.1.1999, C - 348/96, Rdnr. 23, InfAuslR 1999 S. 165 - Calfa). Auch dies spricht - unter Berücksichtigung der bereits genannten Argumente - dagegen, die dem Kläger zu 1) drohende Strafverbüßung wegen der daraus folgenden Kosten als Grund der öffentlichen Ordnung anzusehen, der seinem Freizügigkeitsrecht entgegenstünde.
(ccc) Der nach der Richtlinie 64/221/EWG und den vom Europäischen Gerichtshof festgestellten Grundsätzen bestehende Schutz von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen vor einer Ausweisung gilt entsprechend, wenn die betreffende Person bereits bestandskräftig ausgewiesen worden ist, sie sich mittlerweile in einem anderen Mitgliedstaat (rechtmäßig) aufhält und sie nunmehr begehrt, das mit der Ausweisung verbundene Aufenthalts- und Einreiseverbot aufheben zu lassen.
(1) Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 18. Mai 1982 entschieden, dass jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, der in einem anderen Mitgliedstaat, aus dem er ausgewiesen worden ist, eine Arbeit suchen möchte, dort erneut eine Aufenthaltserlaubnis beantragen könne. Werde ein solcher Antrag nach einer angemessenen Frist gestellt, so sei er von der zuständigen Verwaltungsbehörde des Aufnahmestaats zu prüfen, die insbesondere das Vorbringen des Betroffenen berücksichtigen müsse, mit dem eine materielle Änderung der Umstände, die die Ausweisung gerechtfertigt hatten, nachgewiesen werden solle. Sei ihm gegenüber jedoch eine gemeinschaftsrechtlich wirksame Ausweisungsverfügung erlassen worden, die noch immer zur Folge habe, dass ihm das Betreten des Hoheitsgebietes dieses Staates verboten sei, sehe das Gemeinschaftsrecht zu Gunsten des Betroffenen kein Recht auf Zugang zu diesem Hoheitsgebiet während der Prüfung seines neuen Antrags vor (EuGH, Urt. v. 18.5.1982, verbundene Rechtssachen 115 und 116/81, EuGHE 1982 S. I - 1665, 1709, Rdnr. 12 - Adoui und Cornuaille).
In einem neueren Urteil hat der Europäische Gerichtshof erkannt, dass das Gemeinschaftsrecht in einem Fall, in dem ein durch den Assoziationsratbeschluss Nr. 1/80 geschützter türkischer Staatsangehöriger rechtswidrig abgeschoben wurde, der Anwendung einer nationalen Regelung entgegenstehe, nach der die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung solange versagt werden müsse, bis die Wirkung der Abschiebung befristet worden sei (Urt. v. 19.11.2002, C - 188/00, EuGHE 2002 S. I - 1069, 10734, Rdnr. 70 - Kurz). Dieser Entscheidung lässt sich der Grundsatz entnehmen, dass eine durch nationales Recht der Mitgliedstaaten vorgesehene Sperrwirkung einer Ausweisung oder Abschiebung wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht unwirksam ist, wenn die aufenthaltsbeendende Maßnahme als solche zum Zeitpunkt ihrer Verfügung bereits mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar war. Ein solcher Fall ist hier allerdings nicht gegeben, da der Kläger zu 1) zum Zeitpunkt der Ausweisung und deren Bestandskraft noch keinen Bezug zum Gemeinschaftsrecht hatte.
In der Richtlinie 2004/38/EG, die am 30. April 2004 in Kraft getreten ist und deren Umsetzungsfrist am 30. April 2006 abläuft (vgl. Art. 40 und 41 der Richtlinie), wird nunmehr in Art. 32 bestimmt, dass Personen, gegen die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ein Aufenthaltsverbot verhängt worden ist, nach einem entsprechend den Umständen angemessenen Zeitraum, in jedem Fall aber 3 Jahre nach Vollstreckung des nach dem Gemeinschaftsrecht ordnungsgemäß erlassenen endgültigen Aufenthaltsverbots, einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots unter Hinweis darauf einreichen können, "dass eine materielle Änderung der Umstände eingetreten ist, die das Aufenthaltsverbot gerechtfertigt haben". In Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie heißt es, die genannten Personen seien nicht berechtigt, während der Prüfung ihres Antrags in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats einzureisen. In den der Richtlinie vorangestellten Erwägungsgründen heißt es in dem Erwägungsgrund Nr. 27 (ABl. 2004 Nr. L 158 S. 85), im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Mitgliedstaaten gegen die Begünstigten dieser Richtlinie kein Aufenthaltsverbot auf Lebenszeit verhängen dürften, "sollte bestätigt werden, dass ein Unionsbürger oder einer seiner Familienangehörigen, gegen den ein Mitgliedstaat ein Aufenthaltsverbot verhängt hat, nach einem angemessenen Zeitraum, in jedem Fall aber nach Ablauf von 3 Jahren nach Vollstreckung des endgültigen Aufenthaltsverbots, einen neuen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots stellen kann".
Diese Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ebenso wie die genannte Bestimmung des Art. 32 der Richtlinie 2004/38/EG dahin zu verstehen, dass es sich bei der Möglichkeit, einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots unter Hinweis darauf zu stellen, dass eine materielle Änderung der Umstände eingetreten ist, die das Aufenthaltsverbot gerechtfertigt haben, nicht nur um ein bloßes (in der Sache offenes) Verfahrensrecht handelt, sondern vielmehr in dem Sinne zu begreifen ist, dass damit zugleich das materielle Kriterium vorgegeben wird, anhand dessen die zuständigen Behörden des Ausweisungsstaates über die Aufhebung des Aufenthaltsverbots zu entscheiden haben. Andernfalls würde den Behörden - mangels sonst genannter Gesichtspunkte - ein zu weitreichender Ermessensspielraum gelassen, der mit den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts zur Einschränkung der Freizügigkeit aus Gründen der öffentlichen Ordnung nicht vereinbar wäre, weil es dann auch bei einer Änderung der materiellen Umstände, die das Aufenthaltsverbot gerechtfertigt haben, bei einem lebenslangen Aufenthaltsverbot bleiben könnte (zu dem Fall einer lediglich im Ermessen der nationalen Ausländerbehörde stehenden Möglichkeit, ein lebenslanges Aufenthaltsverbot aufzuheben, vgl. EuGH, Urt. v. 19.1.1999, C - 348/96, Rdnr. 26, InfAuslR 1999 S. 165, 166 - Calfa).
(2) Die daraus folgende Frage, unter welchen Voraussetzungen "eine materielle Änderung der Umstände, die das Aufenthaltsverbot gerechtfertigt haben", eingetreten ist, wenn die betroffene Person - wie hier der Kläger zu 1) - zum Zeitpunkt der Ausweisung ein Drittstaatsangehöriger ohne Anknüpfungspunkte zum gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrecht war, ist nach der Auffassung des Berufungsgerichts dahin zu beantworten, dass eine solche Veränderung eingetreten und dementsprechend ein Aufenthaltsverbot dann aufzuheben ist, wenn - neben dem Erfordernis, dass seit der Ausreise der betreffenden Person ein angemessener Zeitraum (nach Art. 32 Abs. 1 RL 2004/38/EG höchstens jedoch 3 Jahre) verstrichen ist - von ihr gegenwärtig keine erhebliche Gefahr (mehr) ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, also etwa keine Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten. Denn es wäre z.B. gemeinschaftsrechtlich nicht gerechtfertigt, einen inzwischen freizügigkeitsberechtigt gewordenen Ausländer weiter vom Bundesgebiet fernzuhalten, wenn er seinerzeit (in Übereinstimmung mit dem nationalen Ausländerrecht) wegen vergleichsweise geringfügiger Rechtsverstöße ausgewiesen wurde, bzgl. derer möglicherweise noch keine materielle Änderung eingetreten ist, von ihm aber jedenfalls keine Gefahr ausgeht, die nach den gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben eine Ausweisung unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung rechtfertigen würde. Diesem Ansatz entspricht auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 1999 (BVerwGE Bd. 110 S. 140 ff.): Darin hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Fall, in dem ein Drittstaatsangehöriger bestandskräftig ausgewiesen worden und dabei seine zugleich vorliegende griechische Staatsangehörigkeit unerkannt geblieben war, und der Betroffene nunmehr unter Vorlage eines später ausgestellten griechischen Passes die sofortige Befristung der Ausweisungssperrwirkung begehrte, entschieden, dass diesem Begehren zu entsprechen sei, weil bei ihm im gemeinschaftsrechtlichen Sinne keine hinreichenden, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung mehr vorlägen, und sich daher sein Freizügigkeitsrecht sogleich entfalten können müsse (a.a.O., S. 148, 150 f.).
dd) Die Anwendung des Gemeinschaftsrechts führt nach alledem dazu, dass das der Beklagten nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG eröffnete Befristungsermessen im vorliegenden Fall gegenüber dem Kläger zu 1) dahin reduziert ist, das infolge seiner Ausweisung aus dem Bundesgebiet bestehende Einreise- und Aufenthaltsverbot (bezogen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts) mit sofortiger Wirkung aufzuheben, also die Sperrwirkungen der Ausweisung auf den Jetztzeitpunkt zu befristen.
Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die Überlegung, ob es zur Gewährleistung des Freizügigkeitsrechts der Klägerin zu 2) zwingend erforderlich sei, das gegenüber dem Kläger zu 1) bestehende Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben, oder ob dem Freizügigkeitsrecht beider Kläger angesichts der von ihnen geplanten eher kurzzeitigen Aufenthalte in Hamburg nicht auch durch die Erteilung anlassbezogener Betretenserlaubnisse Rechnung getragen werden könnte (vgl. den Beschluss des Berufungsgerichts vom 16.11.2004 über die Zulassung der Berufung, S. 4 f.). Denn eine solche Vorgehensweise bedeutete deshalb, weil die Klägerin zu 2) im Hinblick auf die Besuche bei der Klägerin zu 3) nicht nur einen, sondern mehrere, hinsichtlich der jeweiligen Dauer nicht exakt vorhersehbare Aufenthalte im Bundesgebiet in Begleitung des Klägers zu 1) plant, eine unverhältnismäßige Behinderung ihres Freizügigkeitsrechts, da der Kläger zu 1) dann für jeden der wiederholt anstehenden Aufenthalte als Begleiter der Klägerin zu 2) stets von neuem Betretenserlaubnisse beantragen und erwirken müsste.
Der Befristungsanspruch des Klägers zu 1) ist ab dem 22. März 2005, dem Tag der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts, begründet. Es besteht dagegen kein Anspruch auf eine Befristung auf den 14. Juni 2004. Das Berufungsgericht hat erst in der Berufungsverhandlung auf der Grundlage der seitens der Kläger im Berufungsverfahren eingereichten Erklärungen und Unterlagen (vgl. die Schriftsätze vom 7.3.2005 mit Anlagen) den Anspruch vollständig prüfen und bestätigen können. Darüber hinaus vermittelt das zur Reduzierung des Befristungsermessens führende Gemeinschaftsrecht keinen Anspruch auf Einreise, solange die Prüfung seines Befristungsbegehrens noch andauert (vgl. EuGH, Urt. v. 18.5.1982, EuGHE 1982 S. I - 1665 - ff., Rdnr. 12 - Adoui und Cornuaille; vgl. auch die Regelung in Art. 32 Abs. 2 der neuen Richtlinie 2004/38/EG vom 29.4.2004). Dementsprechend kann sich aus dem Gemeinschaftsrecht kein Anspruch auf eine rückwirkende - also auf einen vor dem Abschluss der Prüfung des Aufhebungsantrags liegenden Zeitpunkt bezogene - Beseitigung des Aufenthaltsverbots ergeben. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger zu 1) jedenfalls vor dem 10. Oktober 2004, dem Tag der Einreise in das Vereinigte Königreich auf der Grundlage des ihm zuvor erteilten Visums für den dortigen Aufenthalt, kein Freizügigkeitsrecht haben konnte, da die Berufung auf ein Freizügigkeitsrecht, wie bereits ausgeführt, voraussetzt, dass der Betreffende sich von einem Mitgliedstaat aus in einen anderen Mitgliedstaat begeben will.
ee) Ist das Ermessen der Beklagten somit aus Gründen des Gemeinschaftsrechts dahin reduziert, dass die Sperrwirkungen der Ausweisung auf den 22. März 2005 zu befristen sind, so braucht nicht mehr geklärt zu werden, ob sich diese Rechtsfolge außerdem (unabhängig von den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts) aus Art. 6 GG oder aus Art. 8 EMRK im Hinblick auf das Verhältnis des Klägers zu 1) zu der Klägerin zu 3) ergeben könnte.
Ein darüber hinausgehender, bereits auf den 14. Juni 2004 gerichteter (angesichts des für die Berufungsentscheidung maßgeblichen Zeitpunkts somit rückwirkender) Befristungsanspruch des Klägers zu 1) folgt nicht aus Art. 6 GG oder aus Art. 8 EMRK. Dabei kann dahinstehen, ob § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG überhaupt einen Anspruch auf eine rückwirkende Befristung der Sperrwirkungen begründen kann. Jedenfalls ist hier nicht ersichtlich, dass Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK es geböten, zum Zwecke von Besuchsaufenthalten des Klägers zu 1) bei der Klägerin zu 3) das Einreise- und Aufenthaltsverbot (auch) für einen bereits in der Vergangenheit liegenden Zeitraum aufzuheben, in dem er die Klägerin zu 3) tatsächlich nicht mehr ("rückwirkend") besuchen kann.
d) Soweit die von dem Kläger zu 1) erhobene Klage sich auf die Befristung der ihm gegenüber bestehenden Sperrwirkung der Abschiebung bezieht, hat sie nach Maßgabe des Urteilstenors ebenfalls überwiegend Erfolg. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Befristung der Abschiebungssperrwirkung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG liegen vor. Das Befristungsermessen der Beklagten ist gegenüber dem Kläger zu 1) angesichts der dargestellten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in gleicher Weise beschränkt wie hinsichtlich der Sperrwirkung der Ausweisung. Soweit nach "regulärem" Ausländerrecht für die Befristung der Wirkungen der Abschiebung teilweise andere Maßstäbe gelten als für die Befristung der Wirkungen der Ausweisung (vgl. dazu VGH Mannheim, Urt. v. 26. März 2003, InfAuslR 2003 S. 333, 336 f.), kommt es darauf im vorliegenden Fall nicht an.
3. Über den Klagantrag, die Beklagte zur Erteilung einer Betretenserlaubnis zu verpflichten, hat das Berufungsgericht keine Entscheidung zu treffen. Der Kläger zu 1) hat diesen Klagantrag, über den schon das Verwaltungsgericht wegen des Erfolgs der Klage hinsichtlich des Befristungsbegehrens nicht entschieden hat, auch im Berufungsverfahren lediglich als Hilfsantrag zu dem Befristungsbegehren aufrecht erhalten. Sofern nämlich das Gericht erster Instanz (wie im vorliegenden Fall) über Hilfsanträge nicht mehr entscheidet, weil es bereits dem Hauptantrag der Klägerseite (weitestgehend) stattgibt, fallen die in erster Instanz von dem Kläger gestellten Hilfsanträge in der Berufungsinstanz mit der von der Beklagten erwirkten Zulassung der Berufung - ebenfalls als Hilfsanträge - wieder an. Dies bedeutet, dass das Berufungsgericht nur dann gehalten ist, über die in der ersten Instanz gestellten und nunmehr im Berufungsverfahren angefallenen Hilfsanträge des Klägers und Berufungsbeklagten zu entscheiden, falls es der Berufung der Beklagten hinsichtlich ihrer in der ersten Instanz erfolgten Verurteilung nach dem Hauptantrag (im wesentlichen) stattgeben will und die Hilfsanträge dadurch wieder eine eigenständige Bedeutung erlangen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.1.1999, Buchholz 310 § 44 VwGO Nr. 3). Zwar hat die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Befristungsantrags insoweit Erfolg, als sie nicht mehr zur Befristung auf den 14. Juni 2004 (den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts) verpflichtet wird, sondern auf den 22. März 2005 (den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts). Dies führt aber nicht dazu, dass der auf die Erteilung einer Betretenserlaubnis gerichtete Antrag im Berufungsverfahren eine eigenständige Bedeutung erlangt hätte. Denn eine Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Betretenserlaubnis durch das Berufungsgericht wäre (wenn überhaupt) nur für einen nach dem 22. März 2005 liegenden Zeitraum möglich gewesen. Eine solche Verpflichtung hätte jedoch als selbständiger Hauptausspruch neben der Verpflichtung der Beklagten zur Befristung der Sperrwirkungen auf den 22. März 2005 deshalb nicht erfolgen können, weil die Erteilung einer Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 2 AufenthG gerade voraussetzt, dass die Sperrwirkung der Ausweisung bzw. Abschiebung aktuell andauert.
4. Angesichts der mit dem vorliegenden Urteil ausgesprochenen Verpflichtung der Beklagten, die Sperrwirkungen von Ausweisung und Abschiebung auf den 22. März 2005 zu befristen, ist auch hinsichtlich des für erledigt erklärten, auf die Löschung im Schengener Informationssystem bezogenen Antrags keine Entscheidung mehr zu treffen. Auch dieser Antrag ist neben dem Befristungsbegehren nicht als weiterer Hauptantrag, sondern als Hilfsantrag zu verstehen gewesen. Bereits das Verwaltungsgericht hat das Löschungsbegehren als nicht mehr zu bescheidenden Hilfsantrag verstanden und von dessen Bescheidung wegen des zwar nicht vollständigen, aber doch weitgehenden Erfolges der Klage nach dem Hauptantrag abgesehen. Die Kläger haben diese Bewertung des Verhältnisses beider Anträge durch das Verwaltungsgericht nicht angegriffen.
Wäre somit im Berufungsverfahren hinsichtlich des auf die Löschung im Schengener Informationssystem bezogenen Hilfsantrags angesichts der auf den Hauptantrag des Klägers zu 1) erfolgten Befristungsentscheidung des Berufungsgerichts auch ohne Erledigung keine Entscheidung zu treffen gewesen, so sind die in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts erfolgten, auf diesen Hilfsantrag des Klägers zu 1) bezogenen Erledigungserklärungen gegenstandslos. Dementsprechend ist es auch nicht veranlasst, insoweit im Verhältnis zwischen dem Kläger zu 1) und der Beklagten das Verfahren einzustellen und diesbezüglich eine Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO zu treffen.
II.
Soweit auf die Berufung der Beklagten über die von den Klägerinnen zu 2) und 3) erhobenen Klagen noch streitig zu entscheiden ist, ist die Berufung begründet. Die Klagen sind abzuweisen, weil sie unzulässig sind (1.). Im Übrigen ist das Verfahren einzustellen (2.).
1. Das Klagebegehren der Klägerinnen zu 2) und 3) ist hinsichtlich des (Haupt- und Hilfs-) Verhältnisses der einzelnen Anträge im gleichen Sinne zu verstehen wie das Klagebegehren des Klägers zu 1); auf die diesbezüglichen Ausführungen wird Bezug genommen. Dementsprechend ist auf die von den Klägerinnen erhobenen Klagen sowohl über den Befristungsantrag (als Hauptantrag) als auch - wegen der Abweisung ihrer Klagen nach dem Hauptantrag - über den auf die Erteilung einer Betretenserlaubnis gerichteten Hilfsantrag zu entscheiden.
Die Klagen sind sowohl mit dem Hauptantrag als auch mit dem Hilfsantrag unzulässig, da es sich um Verpflichtungsklagen handelt und die Klägerinnen ihre Klage insoweit ohne vorgelagertes Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten erhoben haben.
a) Eine Verpflichtungsklage ist unzulässig, wenn sie ohne vorgelagertes Verwaltungsverfahren erhoben wird (vgl. Sodan-Ziekow, VwGO, § 42 Rdnr. 37). So liegt der Fall hier. Hinsichtlich beider Anträge handelt es sich um Verpflichtungsklagen. Die Klägerinnen zu 2) und 3) sind erstmals im Rahmen des anhängigen Klagverfahrens zu Beteiligten geworden, ohne zuvor jedoch Beteiligte des von dem Kläger zu 1) durchgeführten Verwaltungsverfahrens gewesen zu sein und dort (ggf. auch konkludent) im eigenen Namen Anträge gestellt zu haben. Anders als in dem von dem Klägervertreter in der Berufungsverhandlung herangezogenen Fall (BVerwG, Urt. v. 27.8.1996, BVerwGE Bd. 102 S. 12 ff., 15) haben die Klägerinnen vor der Klageerhebung auch nicht im eigenen Namen Widerspruch gegen den mit der Klage angegriffenen Bescheid eingelegt. Sämtliche Korrespondenz des Klägervertreters bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2003 ist hinsichtlich der Aktivparteien des Verwaltungsverfahrens nur im Namen des Klägers zu 1) geführt worden, nicht aber auch im Namen der Klägerinnen zu 2) oder zu 3) (vgl. den Befristungsantrag vom 28.8.2002 mit der dort anliegenden Vollmacht, die weiteren Schreiben an die Beklagte vom 4.10.2002, 14.11.2002, 21.11.2002 und 4.2.2003 sowie das Widerspruchsschreiben vom 1.4.2003). An der Unzulässigkeit einer solchermaßen erhobenen Verpflichtungsklage ändert sich auch dann nichts, wenn sich die Behörde im Rechtsstreit zur Sache einlässt (vgl. Sodan-Ziekow, VwGO, § 42, Rdnr. 37 m.w.N.).
b) Die Klagen sind nicht als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig. Die Klägerinnen machen ohne Erfolg geltend, für die Klägerin zu 2) sei auf die unmittelbar bevorstehende bzw. auf die erfolgte Eheschließung noch vor dem Erlass des Ausgangsbescheides mit Schriftsatz vom 4. Februar 2003 bzw. mit Schriftsätzen vom 1. April 2003 und vom 10. April 2003 hingewiesen worden; ebenso sei für die Klägerin zu 3) mit der Anlage V 2 zu dem Schriftsatz vom 4. Februar 2003 geltend gemacht worden, dass sie ihren Vater bei sich haben wolle. Es habe deshalb eine Verpflichtung der Beklagten bestanden, die Klägerinnen zu 2) und 3) am Verfahren zu beteiligen und auch ihnen einen Bescheid zu erteilen. Weder sind deshalb die Voraussetzungen für die Erhebung einer Untätigkeitsklage erfüllt (aa), noch trifft es in der Sache zu, dass die Beklagte es rechtswidrig versäumt habe, die Klägerinnen zu 2) und 3) am Verwaltungsverfahren des Klägers zu 1) zu beteiligen (bb).
aa) Auch eine Untätigkeitsklage setzt gemäß § 75 Satz 1 VwGO voraus, dass der betreffende Kläger vor Erhebung der Klage bei der beklagten Behörde zumindest einen verfahrenseinleitenden Antrag gestellt oder gegen einen Bescheid der beklagten Behörde Widerspruch eingelegt hat. Wird dagegen - wie im vorliegenden Fall - eine Verpflichtungsklage erhoben, ohne dass der betreffende Kläger das nunmehr eingeklagte Recht zuvor in einem Verwaltungsverfahren für sich selbst gegenüber der beklagten Behörde geltend gemacht hätte, so handelt es sich nicht um eine Fallkonstellation, die von § 75 VwGO erfasst wird.
Soweit der Klägervertreter mit seinem Klageerweiterungsschriftsatz vom 21. Mai 2003 "rein vorsorglich ... noch einmal förmlich bei der Beklagten für die Klägerin zu 3) beantragt" hat, "dem Kläger zu 1) gegenüber..." - gemeint sein sollte wohl die Klägerin zu 3) - "...diejenigen Verwaltungsakte zu erlassen, die mit den Klageanträgen zu 1. bis 3. (Klageschriftsatz vom 16.04.03) sowie mit dem Antrag vom 28.08.02 geltend gemacht worden sind", führt auch dies zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage: Ein Kläger kann nicht das Erfordernis eines vorgelagerten Verwaltungsverfahrens vor Erhebung einer Verpflichtungsklage dadurch umgehen, dass er erstmals mit der Klagschrift "bei" der beklagten Behörde denjenigen Antrag stellt, auf den sich die Klage gerade beziehen soll.
bb) Die Beklagte hat es im Übrigen nicht rechtswidrig versäumt, die Klägerinnen zu 2) und 3) im Verwaltungsverfahren des Klägers zu 1) zu beteiligen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat seinerzeit mit dem Hinweis auf die bevorstehende bzw. erfolgte Eheschließung und auf die Lage der in Hamburg lebenden Tochter weder die Klägerin zu 2) noch die Klägerin zu 3) gegenüber der Beklagten als weitere Antragstellerinnen (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 HmbVwVfG) in Stellung gebracht. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, dennoch die Klägerin zu 2) und 3) in dem Verwaltungsverfahren des Klägers zu 1) als Beteiligte hinzuzuziehen.
Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 HmbVwVfG kann die Behörde von Amts wegen oder auf Antrag diejenigen, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, als Beteiligte hinzuziehen. Einen Antrag auf Beteiligung haben die Klägerinnen zu 2) und 3) in dem Verwaltungsverfahren des Klägers zu 1) nicht gestellt. Eine derartige Beteiligung musste sich für die Beklagte auch nicht aufdrängen, da der Kläger zu 1) im Verwaltungsverfahren anwaltlich vertreten war und der Verfahrensbevollmächtigte ersichtlich auch in Kontakt zu beiden Klägerinnen stand. Unter diesen Umständen durfte die Beklagte es als naheliegend erachten, dass beide Klägerinnen es über den Verfahrensbevollmächtigten des Klägers zu 1) von sich aus beantragen würden, sie in dem Verwaltungsverfahren des Klägers zu 1) zu beteiligen, falls dies aus dortiger Sicht angebracht erschien.
Der Fall einer notwendigen Hinzuziehung zu dem Verwaltungsverfahren lag nicht vor. Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 HmbVwVfG ist ein Dritter auf seinen Antrag als Beteiligter zu dem Verfahren hinzuzuziehen, wenn der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für ihn (den Dritten) hat; soweit er der Behörde bekannt ist, hat diese ihn von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen. Der Ausgang des Verfahrens des Klägers zu 1) hatte weder rechtsgestaltende Wirkung für die Klägerin zu 2) noch für die Klägerin zu 3). Für den Bereich des Aufenthaltsrechts ist es geklärt, dass die Ausländerbehörde, wenn sie einen Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung ablehnt, damit nicht zugleich über die durch diese Entscheidung betroffenen Rechte der Familienangehörigen mitentschieden hat. Gleiches gilt für den Bereich des Ausweisungsrechts: Auch die Ausweisung greift nicht rechtsgestaltend in die Rechte des Ehegatten oder anderer Familienangehöriger ein, selbst wenn diese durch die Ausweisung in ihren Rechten berührt sind (vgl. zur Beiladung BVerwG, Urt. v. 27.8.1996, BVerwGE Bd. 102 S. 12, 16; Urt. v. 25.10.1977, BVerwGE Bd. 55 S. 8, 11 f.). Für die Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung oder die Erteilung einer Betretenserlaubnis gilt nichts anderes.
2. Da die von den Klägerinnen zu 2) und 3) erhobenen Klagen nach dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag abzuweisen sind, wäre auch über den zweiten, auf die Löschung im Schengener Informationssystem bezogenen Hilfsantrag zu entscheiden, wenn die Klägerinnen und die Beklagte nicht insoweit das Verfahren für in der Hauptsache erledigt erklärt hätten. Wegen der übereinstimmenden Erledigungserklärungen ist das Verfahren insoweit in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Ein Ausspruch über eine diesbezügliche Wirkungslosigkeit des angefochtenen Urteils (vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 ZPO) ist nicht veranlasst, weil das Verwaltungsgericht über diesen Hilfsantrag der Klägerinnen zu 2) und 3) nicht entschieden und sich sein Urteilstenor daher nicht auf diesen Antrag erstreckt hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 2 VwGO. Das Berufungsgericht hat die unterschiedlichen Obsiegens- bzw. Unterliegensanteile der Beteiligten nach Maßgabe der sog. Baumbachschen Formel (vgl. dazu Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl., § 100 Rdnrn. 5 ff.; Baumbach-Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 100 Rdnr. 52; zu ihrer Anwendbarkeit bei unterschiedlichem Erfolg von Streitgenossen im Verwaltungsprozess vgl. Schoch-Olbertz, VwGO, § 159 Rdnr. 5) bewertet und dabei berücksichtigt, dass der im Verhältnis des Klägers zu 1) zu der Beklagten allein entscheidungserhebliche Hauptantrag mit einem Teilstreitwert von 5.000,-- Euro zu veranschlagen ist, während im Verhältnis der Klägerinnen zu 2) und 3) zu der Beklagten jeweils ein Teilstreitwert von 10.000,-- Euro anzunehmen ist, da dort auch über die Hilfsanträge entschieden werden muss (zu weiteren Einzelheiten der Streitwertfestsetzung vgl. die Gründe des diesbezüglichen Beschlusses des Berufungsgerichts vom 22.3.2005, der den Beteiligten gemeinsam mit der Ausfertigung des vorliegenden Urteils zugestellt wird).
Im Verhältnis zwischen dem Kläger zu 1) und der Beklagten hat das Berufungsgericht angesichts der hier zu treffenden Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens einen Obsiegensanteil des Klägers zu 1) in Höhe von 6/7 angenommen, weil er ursprünglich mit seiner Klage die Befristung bereits zum 31. Dezember 2002 angestrebt hat, eine diesbezügliche Verpflichtung der Beklagten aber jedenfalls nicht vor Oktober 2004 bestehen konnte, da der Kläger zu 1) sich erst ab dann als Ehegatte einer Unionsbürgerin (rechtmäßig) im Vereinigten Königreich aufhielt, während die Beklagte in beiden Instanzen ihre auf den 23. Februar 2014 verfügte Befristung aufrechterhalten wollte.
Im Verhältnis zwischen den Klägerinnen zu 2) bzw. zu 3) einerseits und der Beklagten andererseits sind die Kosten jeweils vollständig von den beiden Klägerinnen zu tragen. Soweit auf die Berufung der Beklagten über ihre Klagen streitig zu entscheiden ist, tragen sie als vollständig Unterliegende die Kosten. Soweit sie und die Beklagte die Verfahren hinsichtlich des auf die Löschung im Schengener Informationssystem gerichteten Hilfsantrags in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, tragen die Klägerinnen zu 2) und 3) auch insoweit gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes die Kosten, weil ihre Klagen auch mit diesem Antrag unzulässig waren. Bei diesen Hilfsanträgen handelte es sich gleichfalls um Verpflichtungsklagen. Auch wenn die Löschung einer Ausschreibung zur Einreiseverweigerung im Schengener Informationssystem für sich genommen kein Verwaltungsakt ist, weil sie, ebenso wie die Ausschreibung selbst, nicht auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, so ist doch die ablehnende Entscheidung der zuständigen Ausländerbehörde über einen diesbezüglichen Löschungsantrag ein Verwaltungsakt, der mit Widerspruch und Klage angegriffen werden kann (vgl. Westphal, InfAuslR 1999 S. 361, 364 f.). Auch hinsichtlich dieser Hilfsanträge haben die Klägerinnen zu 2) und 3) vor der Erhebung ihrer Klagen gegenüber der Beklagten kein Verwaltungsverfahren durchgeführt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO bzw. i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Kläger zu 1) kann hinsichtlich seines gegenüber der Beklagten bestehenden Kostenerstattungsanspruchs nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstrecken, weil dieser (auf das gesamte Verfahren bezogene) Anspruch mehr als 1.500,-- Euro (vgl. § 708 Nr. 11 ZPO) beträgt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sein Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich seiner Rechtsanwaltskosten nach einem Teilstreitwert von "nur" 4.000,-- Euro für das erstinstanzliche Verfahren bzw. 5.000,-- Euro für das Berufungsverfahren zu berechnen sein wird, weil sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Berufungsgericht - bezogen auf die von ihm erhobene Klage - nur über den (mit den genannten Beträgen zu veranschlagenden) Hauptantrag, nicht aber über die (erst zu dem Gesamtstreitwert von 10.000,-- Euro führenden, vgl. dazu die Gründe in dem Streitwertbeschluss vom 22.3.2005) Hilfsanträge entschieden haben (vgl. §§ 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., § 9 Abs. 1 BRAGO, bzw. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG n.F., § 32 Abs. 1 RVG).
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO). Insbesondere hat nicht die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) im Hinblick auf die für die Entscheidung des vorliegenden Falls maßgeblichen Fragen des Gemeinschaftsrechts. Zwar können auch Fragen des Gemeinschaftsrechts grundsätzliche Bedeutung haben, insbesondere dann, wenn eine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof nach Art. 234 EGV in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.12.1983, Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 43; Beschl. v. 22.10.1986, NJW 1988 S. 664; Beschl. v. 30.1.1996, NVwZ 1997 S. 178). Die hier entscheidungserheblichen Fragen des Gemeinschaftsrechts bedürfen jedoch keiner weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren, da sie sich anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eindeutig beantworten lassen.
Ende der Entscheidung
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