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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: 3 Bf 295/02
Rechtsgebiete: BVFG, StAG


Vorschriften:

BVFG § 15
StAG § 40 a Satz 2
Die höchstpersönliche Natur des Spätaussiedlerstatus wird nicht durch Regelungen wie die in § 40 a Satz 2 StAG in Frage gestellt, die den Erwerb von Rechten oder das Entstehen von Ansprüchen (erst) an das Vorliegen der Bescheinigung gemäß § 15 BVFG anknüpfen.
3 Bf 295/02

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Niemeyer und Larsen am 19. Juli 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf den Antrag des Klägers zu 2) wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 3. Juli 2002 - 12 VG 768/2002 - zugelassen, soweit darin dessen Klagantrag abgewiesen wurde, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 Bundesvertriebenengesetz auszustellen. Im Übrigen wird der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung abgelehnt.

Die Kostenentscheidung bleibt der das Berufungsverfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Gründe:

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat nur teilweise Erfolg.

1. Der Zulassungsantrag wird abgelehnt, soweit sich die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) gegen die Abweisung ihrer Klaganträge wenden, die Versagung der Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG für die verstorbene M - die Mutter der Klägerin zu 1) und die Ehefrau des Klägers zu 2) - aufzuheben und die Beklagte zur Ausstellung einer solchen Bescheinigung zu verpflichten.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage hinsichtlich dieser Klaganträge mangels Klagebefugnis als unzulässig angesehen, weil beide Kläger wegen der höchstpersönlichen Natur des Spätaussiedlerstatus durch die Versagung der Spätaussiedlerbescheinigung für M nicht in eigenen Rechten verletzt sein könnten.

Soweit der Zulassungsantrag das Bestehen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend macht (S. 1 bis S. 4 oben), beziehen sich die Rügen allein auf die Anwendung der Vorschrift in § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG und die dafür festzustellenden tatsächlichen Voraussetzungen. Dieses Vorbringen betrifft die Frage der Klagebefugnis nicht. Das angefochtene Urteil behandelt Fragen des § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG erst im Rahmen des als zulässig angesehenen weiteren Antrags des Klägers zu 2), ihm selbst eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG auszustellen.

Entsprechendes gilt, soweit der Zulassungsantrag im Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (S. 4 Mitte). Fragen der Höchstpersönlichkeit des Spätaussiedlerstatus werden in diesem Zusammenhang nicht berührt.

Die Thematik der fehlenden Klagebefugnis betreffen erst die Ausführungen im Zulassungsantrag ab Seite 4 unten. Der insoweit allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt indes nicht vor. Die Kläger sehen ein grundsätzlich klärungsbedürftiges Problem darin, ob die im angefochtenen Urteil herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur höchstpersönlichen Natur des Spätaussiedlerstatus (Beschl. v. 31.10.1996, Buchholz 412.3 § 15 BVFG Nr. 21) nach der Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts durch § 40 a StAG noch Anwendung finden kann. Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig; sie kann ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne weiteres im bejahenden Sinne beantwortet werden.

Die höchstpersönliche Natur des Vertriebenenstatus und des Anspruchs auf seine Feststellung - in Bezug auf den Spätaussiedlerstatus gilt nichts anderes - äußert sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darin, dass der Anspruch mit dem Tode des Vertriebenen untergeht und deshalb von den Erben des Ausweisbewerbers weder zu dessen Lebzeiten noch nach dessen Tode geltend gemacht werden kann. Der Antrag des Ausweisbewerbers auf Ausstellung des Ausweises erledigt sich im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden durch dessen Tod; bei Eintritt des Todes während des gerichtlichen Verfahrens können die Erben dessen Verpflichtungsklage nicht fortführen. Die Erben können durch die behördliche Ablehnung einer Ausweiserteilung an den verstorbenen Ausweisbewerber nicht in eigenen Rechten verletzt werden; sie können den ablehnenden Bescheid auch nicht unter Berufung auf eine Bindung der Betreuungsbehörden (§ 5 Abs. 1 Satz 4 BVFG) an eine negative Statusentscheidung anfechten, weil der ablehnende Bescheid mit dem Tode des Ausweisbewerbers gegenstandslos wird und dessen Wirksamkeit damit infolge "Erledigung auf andere Weise" (§ 43 Abs. 2 VwVfG) endet. Für eine Feststellungsklage betreffend die Vertriebenen- bzw. Spätaussiedlereigenschaft des Verstorbenen besteht kein Bedürfnis, weil eine solche Feststellung für andere Behörden nicht verbindlich ist; soweit die Ehegatten und Abkömmlinge ihre eigenen Ansprüche verfolgen, wird die Vertriebenen- bzw. Spätaussiedlereigenschaft des verstorbenen Ausweisbewerbers inzident geprüft (vgl. zu diesen Grundsätzen BVerwG, Urt. v. 31.8.1960, NJW 1961 S. 331; Beschl. v. 31.10.1996, Buchholz 412.3 § 15 BVFG Nr. 21; Urt. v. 12.7.2001, BVerwGE Bd. 115 S. 10; Beschl. v. 6.6.2003 - 5 B 19/03 -, Juris).

Dass diese Grundsätze durch die Regelungen in § 40 a StAG - diese Vorschrift ist durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl. I S. 1618) eingefügt worden - berührt sein könnten, zeigt der Zulassungsantrag nicht überzeugend auf. Die Vorschrift besagt ihrem Regelungsgehalt nach über die höchstpersönliche Natur des in der Spätaussiedlerbescheinigung festgestellten Status nichts. Soweit sie - in Satz 2 - den Personenkreis der Spätaussiedler betrifft, bestimmt sie, dass ein Spätaussiedler, sein nichtdeutscher Ehegatte und seine Abkömmlinge im Sinne von § 4 BVFG am 1. August 1999 Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG nur sind (und also nach Satz 1 an diesem Tag die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben), wenn ihnen vor diesem Zeitpunkt eine Bescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 BVFG erteilt worden ist. Damit knüpft § 40 a Satz 2 StAG allein an das Vorliegen der genannten Bescheinigungen an. Über die Voraussetzungen der Bescheinigungserteilung ist damit nichts ausgesagt. Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb bereits ausgesprochen, dass sich aus den Regelungen in § 40 a Satz 2 (und § 7) StAG nicht herleiten lasse, es müsse über das Vertriebenenrecht möglich sein, einem bestimmten Kreis von Ehegatten und Abkömmlingen (dort: Personen, für die § 5 BVFG sinngemäß gilt) nur deshalb eine solche Bescheinigung zu erteilen, um diesen Personen Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit zu verschaffen (Urt. v. 11.8.2005, BVerwGE Bd. 124 S. 95, 97). Gleiches gilt allgemein für die rechtliche Qualifizierung des Anspruchs auf die darin genannten Bescheinigungen. Die höchstpersönliche Natur des Vertriebenen- bzw. Spätaussiedlerstatus und des Anspruchs auf dessen Bescheinigung leitet sich aus dessen personenbezogenen Voraussetzungen ab. Sie wird nicht durch Regelungen in Frage gestellt, nach denen (erst) an das Vorliegen der Bescheinigung Rechtsfolgen für den Erwerb von Rechten oder das Entstehen von Ansprüchen des Betreffenden geknüpft sind. Der erteilten Bescheinigung mag in solchen Fällen, wie der Zulassungsantrag es für § 40 a StAG formuliert, eine "konstitutive" Bedeutung zukommen; die höchstpersönliche Natur des auf die Erteilung gerichteten Anspruchs berührt dies aber nicht.

Zu der Erwägung im Zulassungsantrag, den Klägern könne die erstrebte Bescheinigung für die Verstorbene in staatsangehörigkeitsrechtlicher Hinsicht von Nutzen sein, ist darauf hinzuweisen, dass nach § 40 a Satz 2 StAG die Erteilung der Bescheinigung vor dem 1. August 1999 erfolgt sein muss.

2. Ohne Erfolg bleibt auch der Antrag der Klägerin zu 1), die Berufung wegen der Abweisung ihres hilfsweise gestellten Klagantrags zuzulassen, mit dem sie die Feststellung begehrt hat, dass M bis zu ihrem Tode Spätaussiedlerin gewesen ist.

Eine klärungsbedürftige Frage, die der Rechtssache insoweit grundsätzliche Bedeutung verleihen könnte, ist im Zulassungsantrag nicht dargelegt. Die Höchstpersönlichkeit des Spätaussiedlerstatus schließt, wie bereits dargestellt, die Fortführung der Klage durch die Erben in jeder Klageart aus. Dass die höchstpersönliche Natur der Spätaussiedlereigenschaft nicht wegen der im Zulassungsantrag herangezogenen Vorschrift des § 40 a StAG neu klärungsbedürftig ist, ist vorstehend ausgeführt. Für die Verfolgung eigener Rechte durch die Klägerin zu 1) bedarf es der begehrten Feststellung nicht, weil die Eigenschaft der Verstorbenen als Spätaussiedlerin im Rahmen des jeweiligen Streitverhältnisses inzident festgestellt wird. Insoweit wird im Zulassungsantrag auch keine fallübergreifende klärungsbedürftige Frage formuliert (Zulassungsantrag S. 6).

3. Die Berufung ist hingegen auf den Antrag des Klägers zu 2) zuzulassen, soweit das Verwaltungsgericht seinen Antrag abgewiesen hat, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG auszustellen. Es bestehen in dieser Hinsicht die im Zulassungsantrag geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§§ 124 a Abs. 5 Satz 2, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat verneint, dass M die Fiktion des § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG zugute kommt, wonach ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum unterstellt wird, wenn es unterblieben ist, weil es mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden war, jedoch aufgrund der Gesamtumstände der Wille unzweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören. Die dafür im Urteil gegebene Begründung, M habe sich als Beweggrund dafür, dass sie ihre Nationalität im Jahr 1942 bei der Ausstellung des ersten Inlandspasses als armenisch erklärt habe, einzig auf das Verbot des Vaters berufen, die (deutsche) Nationalität der Mutter anzunehmen, und das Bestreben, nicht gegen ein elterliches Verbot zu verstoßen, erkenne das Gesetz als Hinderungsgrund nicht an (UA S. 8), begegnet den im Zulassungsantrag dargestellten Bedenken. Es kommt nach den Zeitumständen des Krieges ernsthaft in Betracht, dieses Verbot des Vaters als Ausdruck der Furcht vor einer Deportation seiner Tochter im Falle einer erklärten deutschen Volkszugehörigkeit zu verstehen. Dann griffe es aber zu kurz, bei der Würdigung der Umstände allein auf das väterliche Verbot und nicht auf die dafür maßgebenden Beweggründe abzustellen. Dass für die Entscheidung der Tochter die Furcht vor Verfolgung keine Rolle gespielt hätte, wird sich aus ihren Angaben vor dem Bundesverwaltungsamt allein wohl nicht entnehmen lassen; für ein gesteigertes Vorbringen fehlten dann wesentliche Anhaltspunkte.

Die Zulassung der Berufung scheitert nicht daran, dass die Abweisung der Klage im Ergebnis aus auf der Hand liegenden anderen Gründen richtig wäre. Allerdings würde die Fiktion eines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum gemäß § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG nicht über die Zeit hinaus wirken, in der ein solches Bekenntnis für den Betreffenden mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden war. Alsbald nach deren Ende muss der Betreffende seinen Willen, nur dem deutschen Volkstum zuzugehören, durch ein nach außen wirkendes Verhalten zum Ausdruck gebracht haben (BVerwG, Urt. v. 13.11.2003, BVerwGE Bd. 119 S. 188). Ob diese Voraussetzung hier erfüllt ist, kann erst im Berufungsverfahren geklärt werden.

Da der Zulassungsantrag hinsichtlich des Klagantrags nach § 15 Abs. 2 BVFG Erfolg hat, ist über den dazu hilfsweise gestellten Feststellungsantrag des Klägers zu 2) im Antragsverfahren nicht zu befinden; dieser Hilfsantrag fällt im Berufungsverfahren mit zur Entscheidung an.

Ende der Entscheidung

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