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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.02.2007
Aktenzeichen: 3 Bf 333/04.Z
Rechtsgebiete: StVO, HWG


Vorschriften:

StVO § 45 Abs. 1
HWG § 13
Hat die Straßenverkehrsbehörde auf der Grundlage des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO eine Einbahnstraßenregelung angeordnet, weil eine bauliche Veränderung der Straße zu einer Verengung der Fahrbahn und damit zu einer besonderen Gefahrenlage für den Begegnungsverkehr geführt hat, hängt die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung nicht davon ab, dass auch die zugrundeliegende - nach dem Straßenrecht zu beurteilende - straßenbauliche Maßnahme rechtmäßig ist.

Der von der Einbahnstraßenregelung betroffene Verkehrsteilnehmer darf sich deshalb für eine effektive Rechtsverfolgung nicht auf die Anfechtung der straßenverkehrsbehördlichen Anordnung beschränken, sondern muss daneben die Verpflichtung der Wegebehörde erstreiten, die bauliche Veränderung der Straße rückgängig zu machen.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

3 Bf 333/04.Z

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Jahnke und Albers am 15. Februar 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 16. Juni 2004 zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf EUR 5.000,-- festgesetzt.

Gründe:

Der zulässige Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt in der Sache ohne Erfolg.

I. Der Kläger wendet sich gegen die straßenverkehrsbehördliche Anordnung der Beklagten, dass die G-Straße und die H-Straße streckenweise nur als Einbahnstraße (Verkehrszeichen 220, 267) benutzt werden dürfen.

Der Kläger wohnt in der K-Straße. In dieser Straße betreibt er zudem seine Rechtsanwaltskanzlei. Die K-Straße verläuft in unmittelbarer Nähe der G-Straße und der H-Straße. Der Kläger macht geltend, dass für die von ihm angegriffene Einbahnstraßenregelung kein sachlicher Grund bestehe. Als Straßennachbar und Kraftfahrzeugführer werde er durch die neue Verkehrsführung unzumutbar beeinträchtigt. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage des Klägers gegen die straßenverkehrsbehördliche Anordnung der Beklagten vom 9. August 1999 und den Widerspruchsbescheid vom 13. September 2000 mit Urteil vom 16. Juni 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass die angefochtenen Allgemeinverfügungen der Beklagten in der Form der aufgestellten Verkehrszeichen 209, 220 und 267 rechtmäßig seien. Ermächtigungsgrundlage für die angeordnete Verkehrsbeschränkung sei § 45 StVO. Dabei könne offen bleiben, ob neben den Voraussetzungen des Absatzes 1 der genannten Vorschrift auch die des Absatzes 9 vorliegen müssten. Denn es liege nicht nur eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs i.S. des § 45 Abs. 1 StVO vor, sondern es bestehe auch auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage i.S. des § 45 Abs. 9 StVO, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter erheblich übersteige. Auf Grund der erfolgten Verengung der Fahrbahn in der G-Straße - die dort der Schaffung zusätzlicher Parkplätze diene - sei der betroffene Straßenabschnitt mit einer Breite von 3,5 m so schmal geworden, dass ein Begegnungsverkehr von Kraftfahrzeugen in diesem Bereich ausgeschlossen sei. Die Fahrbahnverengung ihrerseits sei gemessen an § 45 StVO ebenfalls gerechtfertigt, da nach den Angaben der Beklagten im Zuge der Verwirklichung einer Velo-Route die Notwenigkeit bestanden habe, für 30 in der Bogenstraße weggefallene Parkplätze Ersatz in der G-Straße und in der H-Straße zu schaffen.

II. Die Berufungszulassung ist gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO abzulehnen. Denn aus den im Zulassungsantrag gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründen, die vom Berufungsgericht allein zu berücksichtigen sind, ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), noch liegt ein Verfahrensfehler nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor (2.).

1. Aus den vom Kläger in seinem Zulassungsantrag dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.

a) Der Rechtsansicht des Klägers, der Polizei als zuständiger Straßenverkehrsbehörde müsse es verwehrt sein, sich auf eine straßenverkehrsrechtliche Gefahrenlage i.S. des § 45 Abs. 1 StVO zu berufen, die die Beklagte zuvor durch die Verengung der Fahrbahn auf 3,5 m geschaffen habe, vermag das Berufungsgericht nicht beizutreten.

Rechtsgrundlage für die angeordnete Einbahnstraßenregelung ist § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit Abs. 9 Satz 2 StVO. Danach setzen Beschränkungen des fließenden Verkehrs für die Benutzung bestimmter Straßenstrecken eine Gefahrenlage voraus, die - erstens - auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und - zweitens - das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter (hier insbesondere: Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern sowie privates Sacheigentum) erheblich übersteigt (BVerwG, Urt. v. 5.4.2001, Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 41 S. 19, 21). Die Annahme einer derartigen Gefahrenlage setzt nicht voraus, dass sich ein Schadensfall bereits realisiert hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob die konkrete Situation an einer bestimmten Stelle oder Strecke einer Straße eine das allgemeine Verkehrsrisiko erheblich übersteigende Gefahrenlage im Hinblick auf die durch § 45 StVO geschützten Rechtsgüter darstellt und die Befürchtung nahe liegt, dass ohne eine gefahrenmindernde Tätigkeit der Straßenverkehrsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dort Schadensfälle eintreten können (OVG Münster, Urt. v. 6.12.2006 - 8 A 4840/05 -, juris).

Dass auf Grund der erfolgten Fahrbahnverengung für den Begegnungsverkehr eine besondere Gefahrenlage und ein erhöhtes Schadensrisiko im vorstehenden Sinne gegeben sind, wird auch vom Kläger im Zulassungsantrag nicht bestritten. Ihm kann aber nicht darin gefolgt, dass es für die Rechtmäßigkeit der Anordnung durch die Straßenverkehrsbehörde außerdem darauf ankommt, aus welchen Gründen die Gefahrenlage eingetreten ist. Dies ist gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO, der eine rein ordnungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage darstellt, unerheblich, sofern überhaupt straßenverkehrsbezogene Gründe für den Erlass einer verkehrsbehördlichen Anordnung bestehen (BVerwG, Urt. v. 25.4.1980, Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 8 S. 23, 24 f.; OVG Bremen, Urt. v. 10.11.1998, VRS Bd. 98, 53, 58 f.). Für eine Anreicherung der straßenverkehrsbehördlichen Kompetenz, die über das Ordnungsrecht hinaus Fragen der dauerhaften Straßennutzung (insbesondere der Widmung einschließlich ihres straßenbaulichen Vollzug) oder der Stadtplanung einbezieht, besteht im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO kein Raum.

Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang ausführt, dass mit der Fahrbahnverengung möglicherweise auch das Ziel verfolgt worden sei, den Parkplatzsuchverkehr von Kinobesuchern am Grindel zu erschweren, so beseitigt diese städteplanerische Absicht nicht die konkret bestehende Notwendigkeit, im Falle einer zu schmalen Fahrbahn die mit einem Begegnungsverkehr verbundenen Gefahren abzuwehren.

Der Umstand, dass die angefochtene Einbahnstraßenregelung an die vorangegangene Verengung der Fahrbahn anknüpft, bedeutet nicht, dass diese straßenbauliche Maßnahme selbst den ordnungsrechtlichen Anforderungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO genügen muss oder die getroffene straßenverkehrsbehördliche Anordnung nur dann rechtmäßig ist, wenn dies zugleich für die zugrundeliegende straßenrechtliche Entscheidung festzustellen ist. Die Fahrbahnverengung und die Einbahnstraßenregelung unterliegen mit dem Straßenrecht und dem Straßenverkehrsrecht getrennten Rechtsregimes mit je eigenen Voraussetzungen auch bezogen auf den Schutz subjektiver Rechte. Das Straßenverkehrsrecht setzt das Straßenrecht voraus.

Die maßgebliche wegerechtliche "Vorgabe" ergibt sich hier aus dem Umbau der G-Straße, der als eine Maßnahme der Wegebaulast i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1 des Hamburgischen Wegegesetzes (HWG) in der Fassung vom 22. Januar 1974 (HmbGVBl. S. 41, 83; zuletzt geändert durch Gesetz v. 21.11.2006, HmbGVBl. S. 562) anzusehen ist. Sie dient der Verwirklichung der straßen- und städteplanerischen Entscheidung der Beklagten, im Bezirk Hamburg-Eimsbüttel eine vom Universitätsviertel nach Lokstedt verlaufende Velo-Route einzurichten. Die Wegeaufsichtsbehörde bestimmt gemäß § 13 Abs. 2 HWG Art und Umfang des Ausbaus eines öffentlichen Weges. Das Hamburgische Wegegesetz räumt einem Anlieger oder sonstigen Betroffenen damit - anders als der Kläger annimmt - kein Recht darauf ein, dass eine Ausbaumaßnahme zu unterbleiben hat, wenn sie nicht erforderlich ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 2.10.1998 - 2 Bs 356/98 - juris). Gegenüber der straßenplanerischen Entscheidung, einen Begegnungsverkehr zugunsten erweiterter Parkflächen aufzugeben, hat der einzelne Verkehrsteilnehmer keinen - wie bei § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO - auf die gerichtliche Kontrolle der rechtsatzmäßigen tatbestandlichen Voraussetzungen ausgerichteten Schutz (vgl. Strenge, in: Hoffmann-Riem/Koch, Hamburgisches Staats- und Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2006, S. 348 f.). Die Frage, ob bei einer nicht-förmlichen Straßenplanung überhaupt ein Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Abwägung der subjektiv-öffentlichen Rechte besteht, ist vom Hamburgischen Oberverwaltungsgericht bislang offen gelassen worden. Sofern ein derartiges subjektives Recht bestehen sollte, wäre es mit dem Folgenbeseitigungsanspruch durchsetzbar. Der Betroffene muss diesen Anspruch aber auch gerichtlich geltend machen und darf sich nicht auf die Anfechtung der straßenverkehrsbehördlichen Anordnung beschränken, die rechtmäßig bleibt, solange die ihr zugrundeliegende Veränderung der Straße besteht.

Nach diesen Grundsätzen sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur sachlichen Gebotenheit der erfolgten Verengung der Fahrbahn nach § 45 StVO (S. 11 unter c. UA) nicht entscheidungserheblich. Da es auf den Grund für das Bestehen der Gefahrenlage nicht ankommt, sind auch die weiteren Einwände des Klägers - dass die Fahrbahnverengung nicht erforderlich gewesen sei, wenn das Parken auf Gehwegen erlaubt worden wäre, oder dass 30 neue Parkplätze tatsächlich nicht geschaffen worden seien - für die materielle Richtigkeit des Urteils unerheblich.

b) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Einbahnstraßenregelung sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, hält ebenfalls den Angriffen des Klägers Stand.

aa) Insoweit der Kläger der Sache nach meint, die Einbahnstraßenregelung sei zur Gefahrenabwehr ungeeignet, weil sie für entgegenkommende Fahrradfahrer eine erhöhte Unfallgefahr mit sich bringe, ist dies von ihm nicht schlüssig begründet worden. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich nicht entnehmen, wodurch diese erhöhte Unfallgefahr begründet sein soll. Schließlich geht mit der Verengung der Fahrbahn auch eine Reduzierung des Kraftfahrzeugverkehrs einher, weil der Begegnungsverkehr abgeschafft worden ist, so dass sich die Bewegungsfreiheit für Radfahrer nicht unbedingt verschlechtert haben muss. Außerdem wäre es darlegungsbedürftig gewesen, weshalb es für einen Radfahrer gefährlicher sein soll, wenn der Kraftfahrzeugverkehr ihm entgegenkommt als wenn er ihn im Rücken hat.

bb) Des weiteren vermag die Rechtsansicht des Klägers, dass mit der Einbahnstraßenregelung unverhältnismäßig in sein durch Art. 2 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr eingriffen werde, nicht zu überzeugen. Die von ihm angeführten Beeinträchtigungen - das Fahren auf Straßen mit starkem Verkehrsaufkommen, das Beachten zahlreicher Fahrradüberwege und das Durchfahren verkehrsberuhigter Zonen mit spielenden Kindern - sind gemessen an dem mit der Verkehrsbeschränkung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit der Verkehrsteilnehmer sowie des privaten Sacheigentums nicht unzumutbar. Denn diese Folgen der angeordneten Einbahnstraßenregelung gehen nicht über das allgemeine Interesse eines jeden Verkehrsteilnehmers an der Flüssigkeit, Leichtigkeit oder Sicherheit des Straßenverkehrs hinaus.

2. Schließlich ist die Berufung nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen des vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen, weil dieser nicht vorliegt.

Das Verwaltungsgericht war unter den gegebenen Umständen nicht verpflichtet, den vom Kläger schriftsätzlich angebotenen Beweis für die fehlende Schaffung zusätzlicher Parkplätze zu erheben. Dem Gericht erwächst allerdings, worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat, eine Pflicht, (weitere) Ermittlungen hinsichtlich aus seiner Sicht entscheidungserheblicher Tatsachen anzustellen, keineswegs nur durch Beweisanträge der Beteiligten. Es erforscht nach § 86 Abs. 1 VwGO den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei - lediglich - heranzuziehen (BVerwG, Beschl. v. 27.12.1988, Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 36 S. 5, 6). Gleichwohl ist hier ein Rügeverlust des Klägers gemäß § 295 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 173 VwGO eingetreten, da er den schriftsätzlich angebotenen Beweis in der mündlichen Verhandlung nicht beantragt hatte, dies aber nach dem Verhandlungsverlauf von ihm zu erwarten gewesen wäre.

Denn ausweislich des Verhandlungsprotokolls vom 16. Juni 2004 ist die Frage der Schaffung zusätzlicher Parkplätze ausführlich erörtert worden und hat die Beklagte hierzu dem Gericht Unterlagen vorgelegt, die zur Gerichtsakte genommen wurden und aus denen sich ergibt, dass für die G-Straße die Herstellung von 10 und für die H-Straße von 20 zusätzlichen Parkplätzen geplant war. Unter diesen Umständen hätte der Kläger aber spätestens am Ende der mündlichen Verhandlung dem Verwaltungsgericht durch Stellen eines Beweisantrages zu erkennen geben müssen, dass er nicht lediglich Akteneinsicht nehmen möchte, sondern auch an seinem Beweisbegehren festhält, dass tatsächlich keine neuen Parkplätze hergestellt worden seien.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2, 72 Nr. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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