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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.08.2006
Aktenzeichen: 3 Bf 372/05
Rechtsgebiete: JAO


Vorschriften:

JAO § 3 Abs. 1 Satz 5
Die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 5 (hamburgische) Juristenausbildungsordnung, wonach der Prüfungskandidat in den zwei Semestern oder drei Trimestern, die der Zulassung zur Ersten Juristischen Staatsprüfung vorausgehen, in Hamburg an einer wissenschaftlichen Hochschule im Studiengang Rechtswissenschaft eingeschrieben sein muss, ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
3 Bf 372/05

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Kollak und Niemeyer am 9. August 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 2. September 2005 wird abgelehnt.

Gründe:

Das Berufungsgericht versteht das Rechtsschutzbegehren des Klägers dahin, dass er das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 2. September 2005 mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung angreifen möchte und dazu die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Nur dieser Antrag ist sachdienlich, weil der - hier gemäß § 124 a Abs. 4 VwGO allein statthafte - Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das genannte Urteil gemäß § 67 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO nicht von dem Kläger persönlich, sondern nur durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt wirksam gestellt werden kann. Dieser Antrag bleibt aus den nachfolgend genannten Gründen ohne Erfolg; damit ist das vorliegende Klageverfahren vollen Umfangs rechtskräftig abgeschlossen.

Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts werden dem Antragsteller gemäß §§ 166 VwGO, 114, 121 ZPO versagt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Aus den von dem Kläger dargelegten Gründen (vgl. insbesondere sein Schreiben vom 31.10.2005) ergibt sich nicht, dass die Berufung gegen das Urteil zugelassen werden könnte; derartige Gründe sind auch nicht ersichtlich:

1. Es bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 a Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

a) Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger seinem Hauptantrag gemäß zur Ersten Juristischen Staatsprüfung im Freiversuch innerhalb von 6 Monaten zuzulassen. Die Voraussetzungen eines freien Prüfungsversuchs sind - auch unter Berücksichtigung der von dem Kläger geltend gemachten erschwerten Studienbedingungen - nicht erfüllt. Insoweit nimmt das Berufungsgericht Bezug auf seine Ausführungen in dem im Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 11. März 2004 (3 Bs 86/04):

"Auf das Zulassungsgesuch des Antragstellers finden die Vorschriften der Juristenausbildungsordnung (JAO) vom 10. Juli 1972 (HmbGVBl. S. 133, 148, 151 m.Änd.) weiterhin Anwendung (§ 49 Abs. 1 Satz 1 Hamburgisches Juristenausbildungsgesetz [HmbJAG] vom 11. Juni 2003, HmbGVBl. S. 156). Gemäß § 24a Abs. 1 JAO wird die Prüfung als freier Prüfungsversuch abgelegt, wenn der Bewerber sein Zulassungsgesuch nach ununterbrochenem Studium der Rechtswissenschaft spätestens einen Monat vor Ende des achten Semesters (oder einen Monat vor Ende des zwölften Trimesters) an das Landesjustizprüfungsamt richtet. Der Antragsteller erfüllt diese Voraussetzungen ersichtlich nicht. Er ist im Wintersemester 2003/2004 an der Freien Universität Berlin im Studiengang Rechtswissenschaft im 49. Fachsemester eingeschrieben. Bei dieser Studiendauer erscheint es als praktisch ausgeschlossen, dass dem Antragsteller die Vorschrift in § 24a Abs. 1 Satz 6 JAO helfen könnte, wonach bei der Berechnung der Studienzeit Zeiten unberücksichtigt bleiben, in denen der Prüfling aus wichtigem Grund, insbesondere wegen einer nachgewiesenen schweren Erkrankung, an der Ausübung seines Studiums gehindert war. Erschwerte Studienbedingungen wegen wirtschaftlicher Not und vorenthaltener staatlicher Hilfeleistung, wie sie der Antragsteller geltend macht (Beschwerdeschrift v. 20.2.2004), können eine so außergewöhnlich lange Studienzeit nicht hinreichend erklären."

Diese Ausführungen treffen nach wie vor - mittlerweile dürfte sich der Kläger im 54. Fachsemester an der Freien Universität Berlin befinden - zu. Der Kläger hat auch nach dem Ergehen dieses Beschlusses vom 11. März 2004 keine Umstände dargelegt, die insoweit zu einem anderen Ergebnis führen könnten.

b) Auch soweit das Verwaltungsgericht davon abgesehen hat, die Beklagte gemäß dem ersten Hilfsantrag des Klägers zu verpflichten, ihn zum ersten Prüfungsversuch zuzulassen, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, zum ersten Prüfungsversuch könne der Kläger in Hamburg nicht zugelassen werden, weil er bereits in Berlin einen ersten erfolglosen Versuch unternommen habe, und weil er nicht die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 5 JAO erfülle, in den letzten zwei Semestern, die der Zulassung vorausgehen, an einer wissenschaftlichen Hochschule in Hamburg im Studiengang Rechtswissenschaft eingeschrieben gewesen zu sein. Der Kläger meint demgegenüber, zum einen dürfe man einen erfolglosen Prüfungsversuch in Berlin wegen der seinerseits gegen die dortige Prüfung erhobenen Klagen und einer damit verbundenen Wirkung nach § 80 VwGO nicht unterstellen, und zum anderen habe er unabhängig von § 3 Abs. 1 Satz 5 JAO einen Anspruch auf Zulassung zur Prüfung, weil die Juristenausbildung bundesweit einheitlich sei und er alle für die Zulassung erforderlichen Scheine besitze, was bereits zur Zulassung durch das JPA Berlin geführt habe. Diese Argumente greifen nicht durch:

Nach dem Vorbringen des Klägers ist davon auszugehen, dass die Bescheide des JPA Berlin, nach denen er dort die Erste Juristische Staatsprüfung im ersten Versuch nicht bestanden hat, bereits bestandskräftig geworden sind. Denn in seinem Schreiben an das VG Berlin vom 25. Oktober 2005, Seite 3 (Anlage zum Schreiben des Klägers vom 31.10.2005) führt der Kläger aus, er habe beim VG Berlin gegen das JPA Berlin auf bessere Zensuren geklagt, und das VG Berlin habe die Klage abgewiesen; Berufung und Revision seien erfolglos geblieben. Daraufhin habe er eine (bis dato nicht beschiedene) "Nichtigkeitsklage" erhoben. Diese - nach offenbar rechtskräftiger Abweisung seiner gegen die Prüfungsbescheide gerichteten Klage beim VG Berlin erhobene -"Nichtigkeitsklage" ändert an dem Verfahrensstand nichts, dass der Kläger bereits einen erfolglosen Prüfungsversuch in Berlin unternommen hat; dies lässt es schon begrifflich als ausgeschlossen erscheinen, dass er nunmehr noch in Hamburg zum "ersten" Versuch zugelassen werden könnte.

Davon abgesehen würde der Rechtsauffassung des Klägers, er könne - aus Art. 12 GG und angesichts der Einheitlichkeit der deutschen Juristenausbildung - entgegen § 3 Abs. 1 Satz 5 JAO auch bei der Beklagten seine Zulassung zur Ersten Juristischen Staatsprüfung beanspruchen, weil er alle erforderlichen Scheine habe, nicht zu folgen sein. Vielmehr steht auch diese Bestimmung einer Zulassung des Klägers bei der Beklagten zur Prüfung - im ersten Versuch - entgegen. Das Berufungsgericht teilt nicht die Bedenken des Klägers hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 3 Abs. 1 Satz 5 JAO mit Art. 12 GG. Sofern die in § 3 Abs. 1 Satz 5 JAO normierte Voraussetzung, wonach der Prüfungskandidat die beiden letzten Semester vor seiner Zulassung zur Prüfung an einer wissenschaftlichen Hochschule in Hamburg im Studiengang Rechtswissenschaft eingeschrieben gewesen sein muss, den Schutzbereich von Art. 12 GG berühren sollte (das Bundesverwaltungsgericht hat z.B. offen gelassen, ob Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG auch das Recht zum Wechsel des Bundeslandes hinsichtlich des juristischen Vorbereitungsdienstes gibt, vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.1977, NJW 1978 S. 2258), wird diese Einschränkung jedenfalls durch den Regelungsvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG (zu dessen Reichweite nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. etwa Gubelt in: v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 12 Rdnrn. 41 ff.) gedeckt. Denn diese Einschränkung beruht auf einem Gesetz im formellen Sinne (der Juristenausbildungsordnung), lässt sich mit legitimen Gemeinwohlinteressen rechtfertigen und belastet den Einzelnen nicht unverhältnismäßig: Da die Erste Juristische Staatsprüfung den Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaft darstellt, ist es - auch zur Vermeidung eines unerwünschten "Prüfungstourismus" und damit verbundener sachlich nicht gerechtfertigter Belastungen von Justizprüfungsämtern - sinnvoll, dass der Prüfungskandidat seine Prüfung bei dem Justizprüfungsamt ablegt, welches der wissenschaftlichen Hochschule zugeordnet ist, an der er sein Studium der Rechtswissenschaft zuletzt betrieben hat. Der Prüfungskandidat wird dadurch nicht unverhältnismäßig belastet, da der zu erlangende Abschluss auch zur Aufnahme des juristischen Vorbereitungsdienstes in anderen Bundesländern berechtigt und es bei ihm selbst liegt, sich hinreichend auf die Prüfung bei dem für ihn zuständigen Prüfungsamt und die dortigen Prüfungsmodalitäten vorzubereiten.

Soweit der Kläger schließlich meint, er habe seine fehlende Einschreibung bei der Universität Hamburg nicht selbst zu verantworten, da er sich wiederholt darum bemüht habe, aber zu Unrecht zurückgewiesen worden sei, führt dies schon deshalb nicht weiter, weil der Kläger insoweit bisher nicht alles ihm Zumutbare unternommen, es vielmehr versäumt hat, bei der Universität Hamburg die erforderlichen form- und fristgerechten Zulassungsanträge zu stellen (vgl. den Beschluss des Beschwerdegerichts vom 9.8.2006 in der Sache 3 Bf 373/05).

c) Schließlich ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, soweit das Verwaltungsgericht damit den zweiten Hilfsantrag (gerichtet auf eine Verpflichtung der Beklagten zur Zulassung des Klägers im zweiten Versuch) abgewiesen hat. Dieses Begehren dürfte der Situation des Klägers zwar eher entsprechen als der Haupt- und der erste Hilfsantrag (vgl. dazu die obigen Ausführungen); das Verwaltungsgericht hat ihm aber zu Recht ebenfalls nicht entsprochen. Die hier noch anzuwendende Juristenausbildungsordnung sieht (vgl. § 25 JAO) an sich keine Übernahme von Prüfungsverfahren vor, die der Prüfungskandidat bei einem anderen Justizprüfungsamt begonnen hat. Ein in Ausnahmesituationen denkbarer Übernahmeanspruch (etwa in erweiternder Auslegung von § 25 JAO oder aus einem gebundenen Ermessen der Beklagten nach dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung) würde jedenfalls voraussetzen, dass in der Person des Klägers ein wichtiger Grund für einen Wechsel von Berlin nach Hamburg vorläge. Auch nach der neuen Rechtslage unter der Geltung des Hamburgischen Juristenausbildungsgesetzes vom 11. Juni 2003 (HmbGVBl. S. 156) - HmbJAG - ergäbe sich nichts anderes; dort ist dieses Erfordernis eines wichtigen Grundes nun ausdrücklich geregelt in § 28 Abs. 2. Dabei müsste es sich insbesondere um einen erst nach dem Durchlaufen des ersten Prüfungsverfahrens eingetretenen Grund handeln, der nunmehr - im Gegensatz zum ersten Prüfungsverfahren - den zweiten Versuch in Berlin unzumutbar erscheinen ließe. Ein solcher wichtiger Grund ist, wie bereits das Verwaltungsgericht und die Beklagte zutreffend ausgeführt haben, weder vom Kläger dargelegt noch sonst ersichtlich. Der Kläger hat mit seinem Schreiben vom 31. Oktober 2005 insoweit lediglich vorgetragen, "wichtige Gründe habe (er) ... genannt". Die darin liegende Bezugnahme auf sein vorheriges Vorbringen führt nicht weiter: Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Gewalttätigkeit eines "guten Bekannten" in Berlin im Jahr 1995 (vgl. das Schreiben an die Beklagte vom 14.1.2004, S. 2) den Kläger nunmehr bzw. nach dem Durchlaufen des ersten Prüfungsversuchs in Berlin im Jahr 2002 daran hindern müsste, sich zum Zwecke eines zweiten Prüfungsversuchs erneut in Berlin aufzuhalten. Ebenso wenig überzeugt es, dass es dem Kläger aus finanziellen Gründen unmöglich wäre, sich zur Prüfung nach Berlin zu begeben (vgl. das Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 28.1.2004, S. 2 f.), nachdem ihm dies auch im Jahr 2002 gelungen ist. Soweit der Kläger vorgetragen hat, dass er "in Berlin eventuell parteilich schlechte Noten bekam" (Schreiben vom 28.1.2004, S. 3), führt auch dies nicht weiter: Derartige Rügen bilden (ebenso wie ein Misserfolg im ersten Prüfungsversuch an sich) keinen wichtigen Grund für den Wechsel des Prüfungsamts, sondern sind durch die Beantragung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes zwecks Durchsetzung eines fehlerfreien Prüfungsverfahrens bei der für das betroffene Justizprüfungsamt örtlich zuständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu verfolgen; im Fall des Klägers haben sie sich allerdings angesichts der Erfolglosigkeit seiner beim VG Berlin gegen das Ergebnis des ersten Prüfungsversuchs erhobenen Klage offenbar nicht bestätigt.

2. Aus den Ausführungen des Klägers (insbesondere) in seinem Schreiben vom 31. Oktober 2005 und aus den sonstigen Umständen ergibt sich auch nicht, dass die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts aus anderen Gründen zuzulassen wäre.

Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) lassen sich ebenso wenig erkennen wie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist richtig, ohne dass insoweit schwierige oder grundsätzlich klärungsbedürftige Fragen aufgeworfen würden, für die ein Berufungsverfahren erforderlich wäre; auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.

Schließlich hat der Kläger mit seinem Vorbringen, ein Verfahrensmangel liege vor, weil jahrelang zu seinem Nachteil "mit unterlassener Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg gearbeitet worden" sei, auch keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem das Urteil des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Damit will der Kläger offenbar rügen, dass er mit Klagen und Eilanträgen wiederholt beim Verwaltungsgericht Hamburg in vergangenen Gerichtsverfahren ohne Erfolg geblieben ist oder dass diese Verfahren seines Erachtens zu lange gedauert haben. Damit legt er jedoch keinen Mangel des hier maßgeblichen erstinstanzlichen Klageverfahrens dar, auf dem das Urteil vom 2. September 2005 beruhen könnte; ein solcher Verfahrensfehler ist auch sonst nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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