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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 25.08.2006
Aktenzeichen: 3 Bf 51/06
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 25 Abs. 5
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG setzt grundsätzlich den Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet voraus.
3 Bf 51/06

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Kollak und Niemeyer am 25. August 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 12. Dezember 2005 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Antragsverfahren wird abgelehnt.

Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Aus den Ausführungen des Klägervertreters in dem Schriftsatz vom 6. März 2006 ergeben sich keine solchen Zweifel.

a) Die Klägerin trägt vor, ihr stehe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 25 Abs. 5 AufenthG zu. Sie mache sowohl inlandsbezogene als auch zielstaatsbezogene Ausreisehindernisse geltend. Sie sei stark pflegebedürftig, leide unter starken Depressionen mit Suizidgedanken und sei nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen. Solange sie sich in Hamburg aufgehalten habe, hätten ihre Töchter und Enkelkinder die Versorgung gewährleistet. Der in Serbien lebende Sohn sei dazu nicht in der Lage, weil er stark alkoholabhängig sei. Es bestünden zielstaatsbezogene Ausreisehindernisse gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Aufgrund der Rückkehr in ihren Heimatort bestehe die ernsthafte konkrete Gefahr, dass sich ihr Gesundheitszustand unmittelbar wesentlich bzw. lebensbedrohlich verschlechtere. Durch jahreszeitlich bedingte kalte trockene Luft würden ihre angegriffenen Atemwege stark gereizt. Ein Lungenfacharzt sei bis zu eineinhalb Busstunden entfernt; zu dieser Fahrt sei die Klägerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage. Ein Allgemeinmediziner befinde sich ebenfalls nicht in unmittelbarer Nähe der Klägerin. Darüber hinaus sei die notwendige Versorgung mit den Medikamenten Novalgin und Atrovent nicht gewährleistet, da diese in ihrer Heimat nicht zu bekommen seien. Die erforderliche medizinische Krankenpflege sei in der Heimat mangels Familie nicht gegeben; sie leide überhaupt unter der Trennung von ihrer Familie. Ihre Depressionen hätten sich seit ihrer Rückkehr erheblich verstärkt; sie trage sich in erhöhtem Maße mit Suizidgedanken.

b) Aus diesem Vorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, mit dem das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen hat, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG habe. Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO meint die Ergebnisrichtigkeit des Entscheidungstenors, nicht dagegen die (vollständige) Richtigkeit der dafür gegebenen Begründung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004, NVwZ-RR 2004 S. 542; OVG Hamburg, Beschl. v. 17.12.1998, NVwZ 1998 S. 863).

aa) Die Klägerin kann schon deshalb nicht die - angesichts der derzeitig weiterhin andauernden Sperrwirkung ihrer Ausweisung gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG allein in Betracht kommende - Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG beanspruchen, weil sie sich zu dem (bei der vorliegenden Verpflichtungsklage) maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (dies gilt sowohl für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts als auch für den Zeitpunkt dieses Beschlusses des Berufungsgerichts) nicht mehr im Bundesgebiet (aufgehalten hat bzw.) aufhält, sondern bereits nach Serbien zurückgekehrt ist. Damit fehlt es an der nach § 25 Abs. 5 AufenthG vorausgesetzten vollziehbaren Ausreisepflicht, da die Klägerin mit ihrer Ausreise aus dem Bundesgebiet am 16. September 2005 ihrer bis dahin bestehenden Ausreisepflicht (§ 50 Abs. 1 AufenthG) genügt hat und diese somit erloschen ist. Dem Erfordernis einer vollziehbaren Ausreisepflicht entspricht es, dass in § 25 AufenthG insgesamt die zuvor in §§ 51 bis 55 AuslG normierten Bestimmungen über die Durchsetzung der Ausreisepflicht zusammengefasst und zu tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen gemacht worden sind (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf in BT-Drucks. 15/420 S. 79). Dies verdeutlicht, dass § 25 AufenthG jedenfalls grundsätzlich nur einschlägig sein kann, solange der Ausländer sich im Bundesgebiet aufhält; nach erfolgter Ausreise gibt es keine Grundlage mehr dafür, wegen eines Abschiebungsverbotes eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Für Ausländer, die sich im Ausland aufhalten, kann daher eine Aufenthaltserlaubnis aus (dringenden) humanitären Gründen nur gemäß § 22 AufenthG erteilt werden (insoweit ist allerdings ggf. die Sperrwirkung von § 11 Abs. 1 AufenthG zu beachten).

Der vom Verwaltungsgericht (UA S. 5) zitierte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Februar 1998 (InfAuslR 1998 S. 220 f.) führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. In dem dort entschiedenen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, die Sperrwirkung einer Abschiebung stehe der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für sich genommen nicht entgegen, wenn die von dem Ausländer zugleich erstrebte Aufhebung des Versagungsbescheides dazu führe, dass sein Aufenthalt rückwirkend als erlaubt gelte, der Ausländer damit nicht ausreisepflichtig gewesen sei und die Voraussetzungen für eine Abschiebung deshalb nicht vorgelegen hätten. Dann könne der Umstand, dass der ausländische Kläger zwischenzeitlich abgeschoben worden sei, nicht dazu führen, dass die gerichtliche Überprüfung der Gründe für die Versagung des Aufenthaltstitels in einem Hauptsacheverfahren entfalle. So liegt der Fall der Klägerin jedoch nicht. Ihr wird hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG keine Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen gehalten (bei § 25 Abs. 5 AufenthG wird eine solche Sperrwirkung ohnehin durchbrochen); vielmehr ist der aktuelle Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet (im Falle gerichtlicher Geltendmachung: zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung) eine tatbestandliche Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

bb) Ob - nicht zuletzt zur Gewährleistung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG - eine andere Rechtslage anzunehmen ist, wenn die Ausreise des Ausländers nicht freiwillig, insbesondere im Wege einer (ggf. rechtswidrigen) Abschiebung erfolgt ist, kann dahin stehen. Die o.g. Grundsätze gelten jedenfalls dann, wenn der betreffende Ausländer freiwillig ausreist. So liegt es im Fall der Klägerin. Nachdem sie am 1. September 2005 zunächst noch bei der Beklagten um Asyl nachgesucht hatte, um eine für den 6. September 2005 angekündigte Abschiebung abzuwenden, hat sie dieses Gesuch mit Schreiben des Klägervertreters an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2005 zurückgezogen und angekündigt, sie werde am 16. September 2005 freiwillig in Begleitung ihrer Tochter mit dem PKW ausreisen. Am 7. September 2005 hat sie durch eine selbst unterschriebene Erklärung gegenüber der Beklagten bestätigt, freiwillig nach Serbien ausreisen zu wollen. Am 13. September 2005 hat sie die Beschwerde (3 Bs 263/05) gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 9. August 2005 (9 E 2419/05), mit dem ihr die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes trotz der von ihr vorgetragenen gesundheitlichen Probleme versagt worden war, zurückgenommen, nachdem sie zuvor mit Schriftsatz des Klägervertreters an das Oberverwaltungsgericht vom 5. September 2005 noch angekündigt hatte, sie wolle "den Ausgang des vorliegenden (Beschwerde-) Verfahrens abwarten und ggf. freiwillig ausreisen", und eine Abschiebung sei vor Beendigung des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht zulässig. Am 16. September 2005 ist sie dann tatsächlich ausgereist und hat sich nach Serbien begeben. Dieser Ablauf verdeutlicht, dass die Klägerin im September 2005 den Entschluss gefasst hat, auf die Ausschöpfung der Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes zu verzichten und - wie sie es ausdrücklich formuliert hat - "freiwillig" auszureisen. Dem entspricht auch der Vorlauf dieser Entwicklung: Die von ihr zur Vertretung gegenüber der Beklagten bevollmächtigte Tochter hatte anlässlich einer Vorsprache bei der Beklagten am 7. Januar 2005 in Anbetracht der Erkrankung und der nicht sichergestellten Betreuung im Heimatland um Aussetzung der Abschiebung bis zum Sommer 2005 gebeten, woraufhin die Duldung der Klägerin bis zum 29. Juli 2005 verlängert worden war. Nachdem die Klägerin bis dahin keine Vorbereitungen für die Ausreise getroffen hatte, wurde am 29. Juli 2005 ihre Duldung bis zum 11. August 2005 verlängert und ihr zugleich die Abschiebung angekündigt, was sie dazu veranlasste, zunächst den o.g. Eilantrag beim Verwaltungsgericht zu stellen, der dann im Beschwerdeverfahren nicht weiter verfolgt wurde. Vor diesem Hintergrund steht der Umstand, dass die Klägerin nach ihrer Ausreise und der Rückkehr nach Serbien erklärt hat, die Klage aufrecht erhalten zu wollen, der Freiwilligkeit ihrer Ausreise am 16. September 2005 nicht entgegen.

c) Die Klägerin ist daher, wenn sie rechtmäßig auf Dauer in das Bundesgebiet zurückkehren und sich hier aufhalten will, gehalten, im Wege des Visumsverfahrens die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu beantragen, wenn die mit ihrer Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG verbundene Sperrfrist dem nicht mehr entgegen stehen wird (vgl. dazu zuletzt den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 10.8.2006). Eine - neben der bereits erwähnten Bestimmung des § 22 Satz 1 AufenthG, die jedoch keinen Anspruch auf Erklärung der Aufnahme begründen kann, vgl. BT-Drucks. 15/420 S. 77 - denkbare (allerdings eine "außergewöhnliche Härte" voraussetzende) Rechtsgrundlage wäre dann, sofern die Klägerin den Nachzug zu einem ihrer in Deutschland aufenthaltsberechtigten Kinder wünschen sollte, die Vorschrift des § 36 AufenthG.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Antragsverfahren war abzulehnen, da die mit dem Zulassungsantrag beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den o.g. Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg versprach, und die Klägerin (entgegen der diesbezüglichen Ankündigung in dem Antragsschriftsatz vom 6.3.2006) auch nicht die erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben hat (§§ 166 VwGO, 114, 117 Abs. 2 und 4 ZPO).

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, 52 Abs. 2, 47 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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