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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.09.2009
Aktenzeichen: 3 Bf 7/06
Rechtsgebiete: VwGO, AufenthG
Vorschriften:
VwGO § 124 a Abs. 4 | |
VwGO § 124 a Abs. 5 | |
AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 6 | |
AufenthG § 104 a |
2. Es ist eine klärungsbedürftige Frage, ob der Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz als Ausweisungsgrund in Gestalt der Inanspruchnahme von "Sozialhilfe" im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG (§ 46 Nr. 6 AuslG 1990) anzusehen ist.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth und Niemeyer sowie die Richterin Groß am 22. September 2009 beschlossen:
Tenor:
Auf den Antrag der Kläger wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 23. November 2005 zugelassen, soweit sich die Klage gegen die von der Beklagten mit dem Bescheid vom 14. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. August 2004 verfügte Ausweisung richtet. Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Berufungsverfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Gründe:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, soweit das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil die Klage insoweit abgewiesen hat, als diese sich gegen die den Klägern gegenüber verfügte Ausweisung richtet (I.). Im Übrigen bleibt der Zulassungsantrag ohne Erfolg (II.).
Es ist im vorliegenden Fall möglich und geboten, die Berufung nur zum Teil zuzulassen und den Zulassungsantrag im Übrigen abzulehnen, weil diese divergierenden Teilentscheidungen unterschiedliche Streitgegenstände betreffen, die rechtlich nicht zwingend miteinander verbunden sind (zur Möglichkeit und zu den Voraussetzungen einer Teilzulassung vgl. Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 124 a, Rn. 266, 277). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass sich aus dem Vortrag der Kläger auch unter Zugrundelegung der Annahme, dass die Ausweisung keinen Bestand haben wird, nicht ergibt, dass das Verwaltungsgericht die Klage insoweit zu Unrecht abgewiesen hätte, als die Beklagte die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen abgelehnt hat.
I. Soweit sich die Kläger dagegen wenden, dass das Verwaltungsgericht ihre gegen die Ausweisungen gerichtete Klage abgewiesen hat, hat ihr Zulassungsantrag Erfolg. Die Kläger legen insoweit den Anforderungen des § 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO gemäß dar, dass der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils vorliegt (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils sind regelmäßig dann begründet, wenn gegen dessen Ergebnisrichtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon etwa auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000, NVwZ 2000, 1163, 1164; BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33 S. 7, 10; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 124 Rn. 7). In solchen Fällen kann es für die Begründung ernstlicher Zweifel auch genügen, dass ein Erfolg der angestrebten Berufung möglich ist, weil die Richtigkeit des angefochtenen Urteils hinsichtlich der dort genannten Gründe in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht weiterer Prüfung bedarf und dessen Richtigkeit auch nicht aus anderen als den dort genannten, aber auf der Hand liegenden Gründen feststeht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004, a. a. O.; Beschl. v. 14.6.2002, NVwZ-RR 2002, 894).
Nach diesen Maßstäben sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, soweit damit die Klage gegen die Ausweisungen abgewiesen worden ist, begründet.
2. Das Verwaltungsgericht hat die Abweisung der Klage, soweit sie gegen die Ausweisung der Kläger gerichtet ist, damit begründet, dass die Ausweisungsgründe des § 46 Nr. 2 und Nr. 6 AuslG 1990 (nunmehr: § 55 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 6 AufenthG) gegeben seien. Die Kläger zu 1) und 2) hätten den Ausweisungsgrund des § 46 Nr. 2 AuslG verwirklicht, indem sie langjährig Aliaspersonalien im Umgang mit Behörden benutzt und dadurch dauerhaft gegen die Strafvorschrift des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG verstoßen hätten. Der Ausweisungsgrund des § 46 Nr. 6 AuslG gelte für sämtliche Kläger, weil sie "Sozialhilfe" bezögen.
a) Die Kläger halten dem zum einen entgegen, dass ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG jedenfalls zum (rechtlich maßgeblichen) jetzigen Zeitpunkt nicht (mehr) vorliege. Abgesehen davon, dass die Beklagte sich selbst gar nicht auf diesen Ausweisungsgrund gestützt habe, sei festzuhalten, dass lediglich gegen den Kläger zu 1) eine strafrechtliche Verurteilung wegen Benutzung falscher Personalien durch das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 7. August 1995 erfolgt sei; diese Verurteilung sei jedoch gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 1 b) BZRG seit langem tilgungsreif und dürfe dem Kläger zu 1) daher auch im Ausweisungsverfahren nicht mehr entgegen gehalten werden. Gegen die Klägerin zu 2) sei seinerzeit kein Strafverfahren eingeleitet worden; in einem solchen Fall wäre jedenfalls bis zum jetzigen Zeitpunkt eine eventuelle strafrechtliche Verfehlung ebenfalls zu tilgen gewesen, so dass man auch ihr ein diesbezügliches Verhalten im Rahmen des vorliegenden Ausweisungsverfahrens nicht mehr entgegenhalten dürfe.
Mit diesem Vorbringen ziehen die Kläger die diesbezüglichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts im Sinne der o. g., bei der Prüfung des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltenden Maßstäbe ernstlich in Zweifel. Es trifft zu, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Ausweisungsentscheidungen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.2007, BVerwGE 130, 20 ff.). Ebenfalls zutreffend ist es, dass strafrechtlich abgeurteilte Verfehlungen einem Ausländer nicht mehr im Rahmen aufenthaltsrechtlicher Verfahren entgegen gehalten werden dürfen, wenn diese Verurteilungen tilgungsreif geworden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.4.1984, NJW 1984, 2053).
b) Zum anderen tragen die Kläger vor, der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG könne ihnen nicht entgegengehalten werden, weil der Umstand, dass sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezögen, von ihnen weder gewollt noch zu vertreten sei; er beruhe darauf, dass die Kläger zu 1) und 2), anders als in früheren Jahren, nicht mehr arbeiten dürften und sie daher aus rechtlichen Gründen keine Möglichkeit hätten, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften zu sichern. Dementsprechend sei der Bezug dieser Leistungen auch nicht als Bezug von "Sozialhilfe" im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG einzustufen; unter diese Regelung falle, wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht bereits entschieden habe (Beschl. v. 17.8.2006, AuAS 2007, 15 f.) lediglich der Bezug von Leistungen nach dem SGB XII. Für die Kläger zu 3) und 4) sei es offensichtlich, dass diese aufgrund ihrer Minderjährigkeit den Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht zu vertreten hätten.
Mit diesem Vorbringen ziehen die Kläger die Richtigkeit auch der diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts ernstlich in Zweifel. Das Verwaltungsgericht hat es offenbar als selbstverständlich angenommen, dass der Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz als Ausweisungsgrund in Gestalt der Inanspruchnahme von "Sozialhilfe" im Sinne des § 46 Nr. 6 AuslG (§ 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG) anzusehen sei (vgl. UA S. 10 f.). Dies steht jedoch (jedenfalls nach dem inzwischen gegebenen Diskussionstand) nicht ohne weiteres fest. In der Rechtsprechung hat zwar der Verwaltungsgerichtshof Kassel diese Auffassung vertreten (Beschl. v. 5.3.2007, DÖV 2007, 755); dem steht allerdings die entgegengesetzte, von den Klägern zutreffend zitierte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Bautzen gegenüber. Weitere obergerichtliche Rechtsprechung ist nicht bekannt; das Berufungsgericht hat diese Frage bislang nicht geklärt. In der Kommentierung zum Aufenthaltsrecht wird demgegenüber sogar überwiegend angenommen, dass allein der Bezug von Leistungen gemäß § 23 SGB XII, nicht aber der Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz als Ausweisungsgrund der Inanspruchnahme von "Sozialhilfe" anzusehen sei (vgl. Discher in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2009, § 55 Rn. 969 - 971; Albrecht in: Storr u. a., Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl. 2008, § 55 Rn. 16; Langeheine in: Zuwanderungsrecht, 1. Aufl. 2008, § 5 Rn. 96; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 55 AufenthG Rn. 44; a. A. Hailbronner, AuslR, Stand: Februar 2009, § 55 AufenthG Rn. 68). Dem entspricht es, dass die demnächst nach ihrer Veröffentlichung in Kraft tretende Allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung zum Aufenthaltsgesetz vom 27. Juli 2009, der der Bundesrat gemäß Art. 84 Abs. 2 GG am 18. September 2009 zugestimmt hat (BR-Drs. 669/09), den Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG in der Überschrift des betreffenden Erläuterungsabschnitts (Nr. 55.2.6) als "Inanspruchnahme von Leistungen nach SGB XII" umschreibt und in den diesbezüglich folgenden Erläuterungen (Nr. 55.2.6.1 bis 55.2.6.2) auch nur Ausführungen zu solchen Leistungen macht.
Angesichts dessen ist es zumindest offen, ob der Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz als "Inanspruchnahme von Sozialhilfe" im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG einzustufen ist, ohne dass über diese Frage im Rahmen des vorliegenden Zulassungsverfahrens (zu Lasten der Kläger) entschieden werden könnte.
II. Soweit sich die Kläger dagegen wenden, dass das Verwaltungsgericht die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen gerichtete Klage abgewiesen hat, bleibt der Zulassungsantrag hingegen ohne Erfolg. Der insoweit allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben.
1. Gegenstand der insoweit im Zulassungsverfahren anhängigen Verpflichtungsklage ist (allein) das Begehren der Kläger, eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erhalten. Dies ergibt sich aus dem insoweit verfahrenseinleitenden Schreiben vom 5. Oktober 1999, mit dem die Kläger bei der Beklagten beantragt haben, ihnen Aufenthaltsbefugnisse zu erteilen, und dem insoweit ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. August 2004. Das ursprünglich unter der Geltung des Ausländergesetzes 1990 auf die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG) gerichtete Begehren der Kläger ist mit dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 nach der in § 101 Abs. 2 AufenthG verkörperten Wertung nunmehr als Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (Kapitel 2, Abschnitt 5, §§ 22 ff.) einzustufen.
Nicht Gegenstand des vorliegenden Zulassungsverfahrens ist allerdings die Frage, ob die Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a AufenthG erhalten können. Zwar sind auch die auf dieser Rechtsgrundlage zu erteilenden Aufenthaltserlaubnisse als Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes einzustufen, so dass eine auf die Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage grundsätzlich auch mit auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a AufenthG gerichtet ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.9.2007, BVerwGE 129, 226). Dies kann im Falle einer bereits zugelassenen Berufung hinsichtlich einer auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gerichteten Klage dazu führen, dass auch nach Klageerhebung zusätzlich ergangene, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104 a AufenthG ablehnende Bescheide in das Berufungsverfahren einbezogen werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 17.9.2008, 2 So 103/08, juris). Im Rahmen eines Antragsverfahrens auf Zulassung der Berufung hinsichtlich einer Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen ist der Streitgegenstand dagegen nicht gleichsam automatisch um die Prüfung erweitert, ob der Kläger (auch) aus § 104 a AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erlangen kann. Vielmehr ist dies nicht der Fall, wenn - wie vorliegend - das erstinstanzliche Verfahren die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104 a AufenthG (mangels Geltung dieser Vorschrift in jenem Zeitraum) noch nicht zum Gegenstand hatte und (aus dem gleichen Grund) auch die Begründung des Zulassungsantrags innerhalb der diesbezüglichen gesetzlichen Frist darauf nicht eingehen konnte, denn im Zulassungsverfahren sind gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO allein die fristgemäß dargelegten Gründe zu prüfen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 124 a Rn. 48). Rechtsänderungen, die erst nach Ablauf der Begründungsfrist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO eintreten, können daher nur dann der Entscheidung über den Zulassungsantrag zugrunde gelegt werden, wenn sie zuvor bereits Gegenstand der innerhalb der Begründungsfrist dargelegten Gründe gewesen sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.12.2003, NVwZ 2004, 744, 745); an diesem Grundsatz hat auch das o. g. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2007 (welches sich ebenfalls auf die prozessuale Situation einer bereits zugelassenen Berufung bezogen hat) nichts geändert. - Im vorliegenden Fall kommt unter dem Gesichtspunkt anderweitiger Rechtshängigkeit noch hinzu, dass die Kläger gegen den gesondert hinsichtlich § 104 a AufenthG ergangenen Versagungsbescheid der Beklagten vom 25. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2008 beim Verwaltungsgericht bereits eine neue Klage erhoben haben, die nach wie vor dort anhängig ist (8 K 525/08, vgl. dazu den Schriftsatz der Klägervertreter vom 23.7.2009, S. 3).
Angesichts all dessen (und angesichts der mit dem vorliegenden Beschluss erfolgenden Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung hinsichtlich der Versagung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus sonstigen humanitären Gründen) ist über die Frage, ob die Kläger Aufenthaltserlaubnisse nach der Altfallregelung des § 104 a AufenthG erlangen können, allein in dem o. g., beim Verwaltungsgericht anhängigen Verfahren zu entscheiden. Den Klägern entsteht dadurch kein rechtlicher Nachteil; im Gegenteil bleibt ihnen damit die erste Instanz beim Verwaltungsgericht erhalten, während andernfalls bei einer unmittelbaren Befassung durch das Berufungsgericht der Instanzenzug verkürzt würde.
2. a) Das Verwaltungsgericht hat die Klage, soweit sie auf die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen gerichtet ist, abgewiesen, weil die Voraussetzungen der allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Vorschrift des § 25 Abs. 5 AufenthG nicht vollständig erfüllt seien. Zur Begründung hat es (u. a.) ausgeführt, eine Aufenthaltserlaubnis könne nach dieser Norm nicht erteilt werden, wenn der Ausländer nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert sei; ein Verschulden des Ausländers liege insbesondere vor, wenn er falsche Angaben mache oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täusche oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfülle. So liege es hier. Die Kläger zu 1) und 2) seien nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert. Sie hätten über Jahre hinweg Aliaspersonalien benutzt und die Behörden mit immer wieder unterschiedlichen Schreibweisen ihres Namens konfrontiert. Dass unter diesen Umständen das Verfahren auf Erteilung von Passersatzpapieren erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt sein würde, habe auf der Hand gelegen. Der Versuch, sich durch eine Rechtsanwältin im Libanon in Abwesenheit Pässe zu beschaffen, sei als von vornherein untauglicher Versuch zurückzuweisen. Statt dessen wäre allein die energische Vorsprache bei der libanesischen Botschaft der richtige Weg gewesen. Zu einem Besuch der Botschaft aber habe sich der Kläger zu 1) während seines gesamten Aufenthalts erst einmal, nämlich im Jahr 1998, entschließen können. Die früheren Reisen des Klägers zu 1) zeigten jedoch, dass es ihm durchaus möglich gewesen sei, nach Belieben ein- und auszureisen. Seinen Pass habe er - und wahrscheinlich habe er es auch tatsächlich getan - bei seinem letzten Aufenthalt im Libanon verlängern lassen können. Die Einlassung, er und die Klägerin zu 2) seien im Januar 1994 mit einem falschen Pass eingereist, sei unglaubhaft. Er habe dafür keinen Grund gehabt. Auf eine angebliche Verfolgung durch syrische Militärs könne er sich nicht mit Erfolg berufen; sein diesbezügliches (drittes) Asylverfahren sei wegen Nichtbetreibens eingestellt worden. Könne somit den Klägern zu 1) und 2) keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, weil sie nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert seien, so müssten sich die Kläger zu 3) und 4) dies zurechnen lassen.
b) Die Kläger tragen dagegen vor, entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts hätten sie keineswegs über Jahre hinweg Aliaspersonalien benutzt und die Behörden mit immer wieder unterschiedlichen Schreibweisen ihres Namens konfrontiert. Vielmehr hätten sie sich bereits seit 1995 und zuletzt in einem aufwändigen Verfahren beim Amtsgericht Hamburg bemüht, ihre Personalien klarzustellen. Dort sei geklärt worden, dass je nach Herkunft der eingesetzten Dolmetscher unterschiedliche Namen bei der Übersetzung offizieller Dokumente zu verzeichnen seien. Darüber hinaus sei der Kläger zu 1) bei seinen Versuchen, im Umgang mit Behörden seine richtigen Personalien aufzugeben, immer wieder abgewiesen worden, bzw. die Daten seien immer wieder auf die von der Beklagten in den Duldungen angegebenen (falschen) Daten geändert worden. Es liege eindeutig in der Sphäre der Beklagten, wenn sie die ohnehin bestehenden außerordentlichen Schwierigkeiten bei der Erlangung von Passersatzpapieren dadurch verstärke, dass sie ihren Bemühungen nicht einmal die durch Urkunden nachgewiesenen persönlichen Daten zugrunde lege. Eine Verletzung von Mitwirkungspflichten könne den Klägern somit nicht vorgeworfen werden.
c) Mit diesen Argumenten vermögen die Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, soweit damit ihre auf die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen gerichtete Klage abgewiesen worden ist, zu begründen.
aa) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits allein § 25 Abs. 5 AufenthG als Anspruchsgrundlage für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen in Betracht kommt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Ausweisung Bestand haben wird, da die anderen in den Vorschriften des Abschnitts 5 in Kapitel 2 des Aufenthaltsgesetzes (§ 22 bis § 25 Abs. 4 a AufenthG) normierten Anspruchsgrundlagen im Fall der Kläger bereits nach den jeweiligen dortigen tatbestandlichen Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind:
Die Bestimmungen der §§ 22 bis 24 AufenthG sind für die Kläger ersichtlich schon vom Ansatz her nicht einschlägig. Auf § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG können die Kläger sich nicht berufen, da sie weder als Asylberechtigte anerkannt sind (vgl. § 25 Abs. 1 AufenthG ) noch ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist (§ 25 Abs. 2 AufenthG ) und für die Kläger zu 1) und 2) aufgrund der bestandskräftigen und nach wie vor geltenden Bescheide des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFL) vom 17. März 1994 bzw. vom 18. März 1994 bindend (vgl. § 42 Satz 1 AsylVfG) feststeht, dass ihnen gegenüber keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegen (vgl. § 25 Abs. 3 AufenthG), während im Fall der Kläger zu 3) und 4) Anhaltspunkte dafür, dass speziell bei ihnen, anders bei den Klägern zu 1) und 2), zielstaatsbezogenene Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegen könnten, weder jemals vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist im Fall der Kläger schon deshalb nicht einschlägig, weil sie keinen bloß vorübergehenden Aufenthalt anstreben, wie bereits das verfahrenseinleitende Antragsschreiben vom 5. Oktober 1999 mit der dort gegebenen, auf eine dauerhafte Legalisierung eines bereits damals jahrelangen Aufenthalts gerichteten Begründung verdeutlicht hat; hätten sie einen nur noch vorübergehenden Aufenthalt angestrebt, so hätten sie im Übrigen seinerzeit mit jenem Schreiben nicht die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen beantragt, sondern sich (nach damaliger Rechtslage) mit den ihnen gewährten Duldungen begnügt (die nunmehr in § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG geregelte Situation, dass dringende humanitäre oder persönliche Gründe die vorübergehende weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern, konnte unter der Geltung des Ausländergesetzes 1990 nur zur Erteilung einer Duldung führen, vgl. § 55 Abs. 3 AuslG). Der Tatbestand des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ist schon deshalb nicht erfüllt, weil die Kläger bis jetzt nie eine Aufenthaltserlaubnis besessen haben, die verlängert werden könnte. Auch § 25 Abs. 4 a AufenthG ist für die Kläger offensichtlich nicht einschlägig.
bb) Das Verwaltungsgericht hat seine Ansicht, dass die Kläger zu 1) und 2) nicht im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert seien, weil sie zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des tatsächlichen Ausreisehindernisses (in der Gestalt fehlender Legimitationspapiere) nicht erfüllt hätten, nicht allein auf seinen Vorwurf des jahrelangen Gebrauchs von Aliaspersonalien (die die Bemühungen der Beklagten gegenüber der libanesischen Botschaft auf Ausstellung von Passersatzpapieren erschwert hätten) gestützt, sondern maßgeblich (auch) darauf abgestellt, dass sie es unterlassen hätten, selbst energisch bei der libanesischen Botschaft vorzusprechen, was (angesichts der gescheiterten Versuche der Beklagten bei der libanesischen Botschaft) "allein ... der richtige Weg" gewesen sei. Dieses Argument trägt die genannte Annahme des Verwaltungsgerichts selbständig, weil es (auch) für sich genommen (unabhängig von dem Vorwurf des Gebrauchs von Aliaspersonalien in früheren Jahren ihres Aufenthalts) den Schluss rechtfertigen soll, dass die Kläger zu 1) und 2) nicht von der ihnen möglichen und zumutbaren Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten, (nach dem sich die Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 28.7.1999 an die libanesische Botschaft erfolglos um die Ausstellung von Passersatzpapieren für die Kläger bemüht hatte) durch eigene Vorsprache bei der libanesischen Botschaft die Ausstellung von Heimreisedokumenten zu erwirken, die eine (freiwillige, von § 25 Abs. 5 AufenthG ebenfalls umfasste) Ausreise ermöglicht hätten. Somit müssten die Kläger jedenfalls - auch - die Richtigkeit dieses Arguments mit hinreichend gewichtigen Argumenten in Zweifel ziehen, um insgesamt ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils begründen zu können (vgl. Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 124 Rn. 100). Letzteres ist indessen nicht der Fall; die Begründung des Zulassungsantrags setzt sich mit diesem Argument nicht auseinander.
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, von den Klägern zu 1) und 2) habe die von einem entsprechend ernsthaft bekundeten Willen getragene Vorsprache bei der libanesischen zwecks Erwirkens der Ausstellung von Heimreisepapieren erwartet werden dürfen, ist vom rechtlichen Ansatz her zutreffend. Es gehört für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, die sich (wie die Kläger des vorliegenden Falls) nicht auf zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote im Hinblick auf ihren Heimatstaat berufen können bzw. auch sonst keine rechtlich anerkennenswerten Motive für eine Ablehnung der Rückkehr in den Heimatstaat haben, zu den zumutbaren Anforderungen im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG, sich ernsthaft und intensiv bei den diplomatischen Vertretungen ihres Heimatstaats um die Ausstellung von Heimreisedokumenten zu bemühen, um das tatsächliche Ausreisehindernis in Gestalt der fehlenden Ausreisedokumente zu beseitigen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14.6.2007, 3 B 34.05, juris, Rn. 53 ff.; OVG Hamburg, Beschl. v. 12.7.2007, 3 So 106/03). Insoweit ist es unerheblich, ob der Ausländer tatsächlich in sein Heimatland zurückzukehren wünscht oder nicht. Andernfalls hätte ein ausreisepflichtiger Ausländer es u. U. in der Hand, allein durch das Bilden und Bekunden eines der Rückkehr entgegenstehenden Willens die Voraussetzungen eines humanitären Aufenthaltsrechts selbst zu schaffen; dies entspricht nicht Zweck und Ziel des § 25 Abs. 5 AufenthG (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.6.2007, a. a. O., juris Rn. 55).
Es ist weder zur Begründung des Zulassungsantrags vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass solche Bemühungen wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit unzumutbar gewesen wären. Es ist nicht anzunehmen, dass einem libanesischen Staatsangehörigen von seiner diplomatischen Vertretung die Ausstellung eines Heimreisedokuments versagt wird, wenn er deutlich macht, dass er dieses auch wirklich erhalten will. Denn dies würde bedeuten, dass ein libanesischer Staatsangehöriger, der keinen Pass besitzt und kein Aufenthaltsrecht im Aufenthaltsstaat hat, keine Möglichkeit hätte, wieder in den Libanon zurückzukehren; dies ist bereits für sich genommen völlig unwahrscheinlich und wäre zudem wegen der damit verbundenen schwerwiegenden Auswirkungen allgemein bekannt geworden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 12.7.2007, a. a. O.; für aus dem Libanon stammende staatenlose Palästinenser mag Anderes gelten, vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 3.12.2008, InfAuslR 2009, 109, 111 ff.). Dem entspricht, soweit gegeben, auch die Auskunftslage (vgl. die Auskunft des Auswärtigen Amts an das VG Sigmaringen vom 26.9.2005, unter Bezugnahme auf ein Schreiben der Clearingstelle der Stadt Trier vom 19.9.2005, Auskunft 2005/3 in der Asyldokumentation der hamburgischen Verwaltungsgerichte).
Vor diesem Hintergrund bleibt ebenfalls die - mit dem vorliegenden Zulassungsantrag nicht eigens angegriffene - Wertung des Verwaltungsgerichts bestehen, dass die minderjährigen Kläger zu 3) und 4) sich im Rahmen der Prüfung des § 25 Abs. 5 AufenthG den gegenüber ihren Eltern geltenden Ausschlussgrund der Sätze 3 und 4 zurechnen lassen müssen. Diese Annahme entspricht dem auch im Aufenthaltsrecht geltenden allgemeinen Grundsatz, dass minderjährigen Kindern das Verhalten ihrer Eltern zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.1997, 1 B 74.97, juris; OVG Münster, Beschl. v. 8.12.2006, AuAS 2007, 87, 88).
Ende der Entscheidung
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