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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 13.02.2007
Aktenzeichen: 3 Bs 270/06
Rechtsgebiete: GG, VwGO
Vorschriften:
GG Art. 19 Abs. 4 | |
VwGO § 123 |
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Jahnke und Niemeyer am 13. Februar 2007 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 17. August 2006 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und - insoweit unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts - für das Verfahren in erster Instanz auf jeweils 5.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe:
Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerde keinen Erfolg.
I.
Der Antragsteller begehrt die vorläufige Neubewertung seiner Examenshausarbeit nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts, den Ausschluss der bisherigen Prüfer von der Neubewertung und die Ausstellung eines vorläufigen neuen Zeugnisses über die bestandene Erste Juristische Staatsprüfung mit der neuberechneten Gesamtnote.
Der Antragsteller bestand am 26. Juni 2006 die Erste Juristische Staatsprüfung mit der Note befriedigend (8,11 Punkte); seine Examenshausarbeit war dabei von den Prüfern übereinstimmend mit mangelhaft (2 Punkte) bewertet worden. Der Antragsteller erhob Widerspruch gegen die Bewertung seiner Examenshausarbeit. Die Votanten der Strafrechtshausarbeit haben ergänzende Stellungnahmen zu den Beanstandungen des Antragstellers abgegeben, ohne ihre Bewertung zu verändern. Über den Widerspruch ist bisher nicht entschieden worden.
Das Verwaltungsgericht Hamburg hat den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 17. August 2006 abgelehnt: Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht worden. Angesichts der erstrebten Neubewertung der Examenshausarbeit, die anders als ein Zeugnis nicht vorläufig ergehen könne, seien besonders strenge Voraussetzungen an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zu stellen. Welche konkreten beruflichen Nachteile sich für ihn aus der beanstandeten Note ergäben, habe der Antragsteller nicht dargetan. Zudem habe die Antragsgegnerin in Aussicht gestellt, das Widerspruchsverfahren innerhalb von drei bis vier Monaten abzuschließen. Schon aus diesem Grund sei nicht zu erkennen, dass dem Antragsteller durch weiteren Zeitablauf schwere Nachteile drohten.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist nicht begründet. Die von ihm dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, führen nicht zum Erfolg des Rechtsmittels.
1. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster (Beschluss vom 31.8.2000, NWVBl. 2001, 66) die vom Antragsteller begehrte Neubewertung seiner Examenshausarbeit als Vorwegnahme der Hauptsache angesehen hat, weil eine Neubewertung der Hausarbeit nicht "vorläufig" ergehen könne. Nach richtiger Auffassung ist die Neubewertung einer schriftlichen Prüfungsleistung ihrem Wesen nach als Beurteilungsakt auf eine abschließende Gesamtwürdigung einer Leistung gerichtet und in diesem Sinne endgültig (vgl. - neben dem vorgenannten Beschluss des OVG Münster - VGH Mannheim, Beschluss vom 3.7.1986, NVwZ 1987, 1014; Beschluss vom 19.10.1984, NVwZ 1985, 594; Beschluss vom 19.8.1980, DÖV 1980, 612; Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 2. Auflage, 2001, Rdnr. 688 f.; Zimmerling/Brehm, Der Prüfungsprozess, 2004, Rdnr. 358 f.; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, 1998, Rdnr. 1211). Als Beurteilungsakt verändert sich eine neue Leistungsbewertung nicht dadurch, dass sie - prozessual vorläufig - aufgrund einer einstweiligen Anordnung vorgenommen wird und nicht - endgültig - aufgrund einer Verurteilung im Hauptsacheverfahren erfolgt. Die im Verfahren der einstweiligen Anordnung erstrittene Neubewertung steht zwar unter dem Vorbehalt des Obsiegens in der Hauptsache (vgl. Zimmerling/Brehm, Der Prüfungsprozess, a. a. O., Rdnr. 359). Aber bei einem Obsiegen des Prüflings im Hauptsacheverfahren würde nicht noch eine weitere "endgültige" Neubewertung erfolgen, sondern würde die im Eilverfahren erstrittene Neubewertung aufrecht erhalten bleiben und damit zu einer "endgültigen" Neubewertung werden (vgl. Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2, Prüfungsrecht, 4. Auflage, 2004, Rdnr. 876). Soweit gleichwohl von einer "vorläufigen Neubewertung" gesprochen wird (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 11.4.1996, NVwZ 1997, 502; OVG Saarlouis, Beschluss vom 22.11.2000, NVwZ 2001, 942), ist damit lediglich der Umstand zum Ausdruck gebracht, dass die Verpflichtung zur Neubewertung im Verfahren der einstweiligen Anordnung ergeht.
2. Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller entgegen § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO einen Anordnungsgrund für sein Begehren nicht glaubhaft gemacht hat. Mit seinem Antrag auf Verpflichtung zur Neubewertung der Examenshausarbeit begehrt der Antragsteller keine vorläufige Maßnahme, sondern die Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 12.7.2002 - 14 B 552/01 - Juris; Beschluss vom 5.1.1995, NVwZ-RR 1995, 329; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, Stand April 2006, Rdnr. 156). Ein solches Rechtsschutzziel widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes (BVerwG, Beschluss vom 21.03.1997 - 11 VR 3/97 -, Juris, m. weit. Nachw.). Einem solchen Antrag ist im Eilverfahren nur ausnahmsweise im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) stattzugeben, wenn das Abwarten in der Hauptsache für den Rechtsschutzsuchenden unzumutbar wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.6.2006 - 4 VR 1/05 -, Juris, m. weit. Nachw.). Unzumutbare Nachteile drohen dem Antragsteller jedoch bisher nicht.
Soweit der Antragsteller geltend macht, mit einer aufgrund der Neubewertung seiner Examenshausarbeit verbesserten Gesamtnote der Ersten Juristischen Staatsprüfung erhöhten sich seine Chancen, schon jetzt und nicht erst nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens wegen der Benotung der Ersten Juristischen Staatsprüfung in den Referendardienst eingestellt zu werden, zur Promotion zugelassen zu werden und eine Nebentätigkeit zu erlangen, sind das Nachteile, die sich allein aus der Dauer des Hauptsacheverfahrens ergeben. Der zu bewertende Nachteil beschränkt sich auf einen möglichen Zeitverlust bei der Einstellung in den Referendardienst, bei der Zulassung zur Promotion oder der Aufnahme einer Nebentätigkeit. Der Umfang dieses Zeitverlustes ist zur Zeit nicht abschätzbar. Allerdings dürfte eine Entscheidung über den Widerspruch alsbald zu erwarten sein, nachdem die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 8. November 2006 mitgeteilt hat, dass die Stellungnahmen der Votanten der Examenshausarbeit dem Verfahrensbevollmächtigten zur Stellungnahme binnen eines Monats übermittelt worden seien und das Widerspruchsverfahren nach Ablauf dieser Frist entscheidungsreif sei. Offen ist, ob das Hauptsacheverfahren mit dem Widerspruchsbescheid enden oder der Antragsteller Klage erheben wird. Das Abwarten des Widerspruchsverfahrens, in dem die Einwände gegen die Bewertung der Examenshausarbeit auf der Grundlage der Stellungnahmen der Prüfer überprüft werden, ist dem Antragsteller zuzumuten. Der insoweit noch drohende Zeitverlust ist gering. Auch ist erst nach Ergehen der Widerspruchsentscheidung absehbar, ob und in welchem Umfang der Antragsteller überhaupt der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes bedarf.
3. Im Hinblick auf den bevorstehenden Abschluss des Widerspruchsverfahrens kann es dahin gestellt bleiben, wie die Erfolgsaussichten des Widerspruchs des Antragstellers gegen das Ergebnis der Ersten Juristischen Staatsprüfung aufgrund seiner Einwände gegen die Bewertung der Examenshausarbeit einzuschätzen sind. Entgegen den Ausführungen des Antragstellers in der Beschwerde steht keineswegs schon fest, dass eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache besteht. Denn die Kontrolle von Prüfungsentscheidungen wird durch den Bewertungsspielraum der Prüfer begrenzt, und selbst festgestellte Verfahrens- oder Bewertungsfehler führen nicht ohne weiteres zu einem besseren Gesamtergebnis. Insbesondere ist es ausgeschlossen, dass das Gericht anstelle der Prüfer eine eigene Bewertung der Examenshausarbeit vornimmt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 2, 63 Abs. 3 GKG. Der Ansatz des Verwaltungsgerichts ist zu korrigieren, weil im vorliegenden Fall nicht über das Bestehen einer das Studium abschließenden Staatsprüfung gestritten wird, für die nach 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 2004, 1525) ein Streitwert von 7.500,- Euro vorgeschlagen wird. Der Antragsteller begehrt (nur) die Verbesserung seiner Examensnote, wofür mangels genügender Anhaltspunkte der Auffangstreitwert anzunehmen ist. Wegen der erstrebten Vorwegnahme der Hauptsache ist dieser Wert auch für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angemessen.
Ende der Entscheidung
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