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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.12.2008
Aktenzeichen: 3 Bs 31/08
Rechtsgebiete: AufenthG
Vorschriften:
AufenthG § 104 a |
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth und Jahnke sowie die Richterin Büschgens am 8. Dezember 2008 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. Januar 2008, mit dem die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden ist, den Antragsteller bis zur Rechtskraft einer Entscheidung über die Klage 9 K 3869/07 zu dulden, ist nicht begründet. Die mit der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ausschließlich zu prüfen hat, rechtfertigen es nicht, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Beschluss die Auffassung vertreten, der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch darauf glaubhaft gemacht, vor einer rechtskräftigen Entscheidung über seine auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage nicht abgeschoben zu werden. Es spräche viel dafür, dass der Antragsteller auf der Grundlage des § 104 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zumindest einen Anspruch auf erneute Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts habe. Diesem Anspruch stünde auch nicht der Ausschlussgrund des § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG entgegen.
1. Die Antragsgegnerin wendet hiergegen ein, einem Anspruch aus § 104 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG stehe der Versagungsgrund der Passunterdrückung und somit der Verhinderung der Aufenthaltsbeendigung entgegen. Mit diesem Einwand vermag sie die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zu erschüttern.
a) Soweit das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten hat, einem Anspruch des Antragstellers stehe nicht der Ausschlussgrund des § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG entgegen, ist dies im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Nach § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG darf eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt werden, wenn der in Satz 1 bezeichnete Ausländer vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht oder behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hat. Diese negative Erteilungsvoraussetzung spielt im Hinblick auf den vom Verwaltungsgericht angenommenen Anspruch aus § 104 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG jedoch keine Rolle. § 104 a Abs. 2 AufenthG nimmt nach seinem Wortlaut nicht auf die (positiven und negativen) Erteilungsvoraussetzungen in Absatz 1 dieser Vorschrift Bezug. § 104 a AufenthG ist auch nicht aus einem erkennbaren systematischen Zusammenhang seiner Regelungen zu entnehmen, dass zumindest die negativen Erteilungsvoraussetzungen in Absatz 1 sämtlich oder zum Teil Geltung auch für die in Absatz 2 geregelte Personengruppe haben sollen. Der beschließende Senat ist bereits anlässlich der Frage, ob vorsätzliche Straftaten, die nicht zur Verhängung der Jugendstrafe, sondern zu Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln geführt haben und deshalb nicht den Merkmalen der in § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG geregelten Verurteilungen unterfallen, im Rahmen der Integrationsprognose nach § 104 a Abs. 2 AufenthG berücksichtigt werden dürfen, zu dem Ergebnis gelangt, dass für die Personengruppe volljähriger lediger Kinder eines geduldeten Ausländers in § 104 a Abs. 2 AufenthG eine nach Erteilungsvoraussetzungen und Ermessensbefugnis eigenständige Regelung innerhalb der Altfallregelung geschaffen worden ist. Für sie gilt (allein) das komplexe Kriterium einer positiven Integrationsprognose (OVG Hamburg, Urt. v. 29.1.2008, 3 Bf 149/02, juris; so auch OVG Bremen, Beschl. v. 6.8.2007, InfAuslR 2007, 447). Bei diesem normativen Befund einer gegenüber § 104 a Abs. 1 AufenthG eigenständigen Regelung ist auch die negative Erteilungsvoraussetzung in § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG im Rahmen des § 104 a Abs. 2 AufenthG nicht anwendbar (vgl. im Ergebnis übereinstimmend OVG Münster, Beschl. v. 10.1.2008, 18 E 359/07, juris; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Februar 2008, § 104 a AufenthG, Rn. 23; GK-AufenthG, Stand Januar 2008, § 104 a AufenthG, Rn. 36; Maaßen in: Kluth/Hund/Maaßen, Zuwanderungsrecht, Abschnitt 4 Rn. 686 und 741; Fränklin in: Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, § 104 a AufenthG, Rn. 20). Raum für die Berücksichtigung eines Fehlverhaltens, wie es § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG beschreibt, bietet allenfalls die Integrationsprognose nach § 104 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG selbst (in diesem Sinne OVG Münster, Beschl. v. 10.1.2008, a.a.O).
b) Ob das von der Antragsgegnerin angenommene Fehlverhalten des Antragstellers in Gestalt einer Unterdrückung seines Passes vorliegt und der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen steht, ist im Rahmen der dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) hier nicht zu prüfen. Das Verwaltungsgericht hat die Prüfung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen in § 5 Abs. 1 AufenthG mit der Erwägung als unerheblich angesehen, die Antragsgegnerin könne gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Ermessenswege bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a Abs. 2 AufenthG von der Anwendung des Absatzes 1 absehen, die Antragsgegnerin habe ihr Ermessen bislang aber nicht ausgeübt. Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts werden mit der Beschwerde nicht angegriffen.
2. Die Antragsgegnerin rügt weiter, die durch das Verwaltungsgericht angeordnete Aussetzung der Abschiebung bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Sache 9 K 3869/07 sei zu weit gefasst worden. Eine Aussetzung nach § 123 VwGO könne nur eine kurzfristige Regelung sein und keinesfalls über die Frist nach § 80 b VwGO hinausgehen. Diese Rüge rechtfertigt es nicht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern.
Der Entscheidung des Verwaltungsgerichts lag nicht etwa die Annahme zugrunde, es müsse der Sachverhalt weiter aufgeklärt werden, was für eine engere zeitliche Begrenzung der Anordnung hätte sprechen können. Ziel der erlassenen einstweiligen Anordnung war es vielmehr, den angenommenen Hauptsacheanspruch des Antragstellers auf eine erneute Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts abzusichern. Dass das Verwaltungsgericht es zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes hierfür als erforderlich angesehen hat, eine den gesamten Zeitraum bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren umfassende Anordnung zu erlassen, überschreitet seine Anordnungsbefugnis gemäß § 123 Abs. 1 VwGO nicht (vgl. auch OVG Münster, Beschl. v. 12.2.2008, InfAusR 2008, 211). Für eine analoge Anwendung des § 80 b VwGO fehlt es bereits an einer Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Ende der Entscheidung
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