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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.04.2003
Aktenzeichen: 3 Bs 37/02
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 69 Abs. 2 Satz 1
AuslG § 18 Abs. 2
AuslG § 17 Abs. 2 Nr. 3
1. Den Eintritt der Duldungsfiktion gemäß § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG in der 1. Variante strikt auf den Fall des erstmaligen Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zu begrenzen, begegnet Zweifeln.

2. Es ist nicht der Sache nach ausgeschlossen, dass ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einen (fiktiv) geduldeten Aufenthalt herbeiführt, der seinerseits nach materiellem Recht Voraussetzung für den Erfolg des Antrags ist.

3. Ein Fall besonderer Härte im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 3 2. Halbsatz AuslG kommt in Betracht, wenn der seit langem im Bundesgebiet lebende Ausländer, zu dem der Ehegatte nachziehen will, wegen Erwerbsunfähigkeit nicht in der Lage ist, den Lebensunterhalt des Ehegatten allein zu sichern.


3 Bs 37/02

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Dr. Müller-Gindullis, Korth und Jahnke am 14. April 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 21. Januar 2002 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 17. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2001 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Ehegattennachzug.

Der Antragsteller ist ein im April 1961 geborener kroatischer Staatsangehöriger. Nach einer ersten Tätigkeit als Werkvertragsarbeitnehmer in München im Jahre 1997 reiste er am 29. Juli 1999 im Besitz eines Visums für eine Arbeitsaufnahme als Werkvertragsarbeitnehmer für die Firma Ingra Lias-Mont (Bauvorhaben Multiplex Cinemax in Hamburg-Harburg) erneut in das Bundesgebiet ein. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte der Antragsgegnerin erteilte ihm am 26. August 1999 eine bis zum 4. Juni 2000 gültige Aufenthaltsbewilligung mit der Auflage: "Die Aufenthaltsgenehmigung erlischt mit Beendigung der Tätigkeit im Rahmen des Werkvertrages zwischen der Firma Ingra Lias-Mont und der Firma *. Eine andere Arbeitsaufnahme oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ist nicht gestattet. Bauvorhaben: Siehe Erteilung der Arbeitserlaubnis des Arbeitsamtes."

Am 3. März 2000 heiratete der Antragsteller in Hamburg eine im Mai 1948 geborene kroatische Staatsangehörige. Sie ist nach einem langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. In ihrem Haushalt lebt ihr im Januar 1981 geborener Sohn. Seit 1992 erhält sie eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Der Antragsteller beantragte am 8. Mai 2000 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Führen der ehelichen Lebensgemeinschaft in Hamburg. Das Bezirksamt Eimsbüttel der Antragsgegnerin stellte ihm am gleichen Tag eine bis zum 7. August 2000 gültige Bescheinigung nach § 69 Abs. 3 AuslG aus, die bis zum 6. November 2000 verlängert wurde.

Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Verfügung vom 17. August 2000 ab und drohte die Abschiebung nach Kroatien für den Fall an, dass der Antragsteller nicht bis zum 30. Oktober 2000 ausgereist sein sollte. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2001 zurück. Die Antragsgegnerin führte zum Sachverhalt aus, eine Nachfrage bei der Firma Ingra Lias-Mont habe ergeben, dass der Antragsteller dort nur bis November 1999 gearbeitet habe. Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 2 AuslG begründete sie wie folgt: Es sei nicht sicher, dass die Ehe wirksam sei, da der Antragsteller gegenüber dem Standesamt als Vorehe nur die Ehe mit Frau Cicek, nicht aber die weitere Ehe mit Frau Pantaler angegeben habe, die nach den Angaben in dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung vom 9. Juni 1997 am 14. Juli 1995 geschlossen worden sei. Jedenfalls stehe gemäß § 17 Abs. 2 AuslG der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis der Umstand entgegen, dass die Ehefrau nicht in der Lage sei, den Lebensunterhalt für sich und den Antragsteller dauerhaft zu sichern; zur Zeit bestehe eine Unterdeckung von 455,71 DM. Hinzu komme der illegale Verbleib des Antragstellers im Bundesgebiet (§ 17 Abs. 5 AuslG). Dessen Aufenthaltsbewilligung sei mit der Beendigung der Arbeitstätigkeit für die Firma Ingra Lias-Mont im November 1999 erloschen gewesen.

Der Antragsteller hat am 30. Oktober 2001 Klage erhoben und mit Antragschrift vom 12. Dezember 2001 vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Er hat vorgebracht: Die Ehefrau habe im Juli 2001 ihre Einbürgerung beantragt; mit einer positiven Entscheidung könne innerhalb der nächsten drei Monate gerechnet werden. Aus der in Kürze nachzureichenden Erklärung eines Handwerksbetriebs werde sich ergeben, dass der Antragsteller ein Arbeitseinkommen erzielen könne, das ausreiche, den Bedarf der Eheleute allein zu decken. - Eine Eheschließung mit einer Frau Pantaler habe es nicht gegeben. Eine dahin gehende Erklärung sei von ihm selbst niemals abgegeben worden.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 21. Januar 2002, dem Antragsteller zugestellt am 24. Januar 2002, abgelehnt. Auf die Begründung wird verwiesen.

Mit der am 7. Februar 2002 eingegangenen Beschwerde bringt der Antragsteller vor: Das Verwaltungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass seine Ehefrau die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt habe, die sie in wenigen Wochen erhalten werde.

- Die Ehefrau bedürfe, wie ärztlicherseits bestätigt werden könne, dringend seiner Fürsorge. Ihr labiler psychischer Zustand werde sich im Falle einer Abschiebung des Antragsteller unvorhersehbar negativ verändern. - Weil mit einer Zustimmung der Antragsgegnerin zur Visumserteilung nicht zu rechnen sei - diese halte den Aufenthalt des Antragsteller in der Bundesrepublik für illegal und gehe weiter davon aus, dass der Antragsteller falsche Erklärungen zu seinem Ehestand abgegeben habe, um sich einen Aufenthalt zu erschleichen - komme die Abschiebung einer Zerstörung der ehelichen Lebensgemeinschaft gleich. - Es seien demnach erhebliche Härtegründe zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen. Er müsse Gelegenheit erhalten, diese Gründe im Hauptsacheverfahren zu vertiefen. Zur Vermeidung einer besonderen Härte müsse das von ihm zu erzielende Arbeitseinkommen in die Prüfung der Sicherung des Lebensunterhalts einbezogen werden. - Am 22. Februar 2002 hat der Antragsteller die Bescheinigung einer Zimmerei über die Bereitschaft zur befristeten tariflichen Beschäftigung des Antragstellers als Bauhelfer sowie den Entlassungsbericht einer Klinik in Bad Bramstedt vom 19. Oktober 1998 betreffend die Ehefrau vorgelegt.

Die Antragsgegnerin hat auf eine Hinweisverfügung des Beschwerdegerichts zur Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 3 2. Halbsatz AuslG Stellung genommen. Nach ihrer Auffassung fehlt es bereits an der Grundvoraussetzung des rechtmäßigen oder geduldeten Aufenthalts des Antragstellers. Die Aufenthaltsbewilligung sei im November 1999 mit der Beendigung der Arbeitstätigkeit bei der Firma Ingra Lias-Mont erloschen. Zudem arbeite der Antragsteller zur Zeit nicht und könne er nur dann eine Arbeitserlaubnis ohne Wartezeit erhalten, wenn insoweit ein Tausch mit der Ehefrau stattfinde.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg. Das Interesse des Antragstellers an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt das öffentliche Interesse an einer sofortigen Beendigung seines Aufenthalts im Bundesgebiet. Es kommt in Betracht, dass die Versagung der Aufenthaltserlaubnis mit der im Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2001 gegebenen Begründung keinen Bestand hat. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt bedarf der weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren.

1. Vorläufiger Rechtsschutz ist allerdings nicht schon im Hinblick auf das laufende Einbürgerungsverfahren der Ehefrau des Antragstellers geboten. Die in der Beschwerde vom 7. Februar 2002 vorgebrachte Erwartung, die Ehefrau des Antragstellers werde die deutsche Staatsbürgerschaft "in wenigen Wochen" erhalten, hat sich nicht erfüllt. Auf zukünftige Ereignisse, deren Eintritt ungewiss ist und zudem nicht unmittelbar bevorsteht, kann das Gericht im Rahmen seiner Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht Bedacht nehmen.

2. Der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis steht § 28 Abs. 3 AuslG voraussichtlich nicht entgegen. Der Antragsteller hatte sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Mai 2000 - dieser Zeitpunkt und nicht der der Entscheidung über den Antrag dürfte maßgeblich sein - noch nicht länger als ein Jahr im Bundesgebiet aufgehalten, § 28 Abs. 3 Satz 3 AuslG.

3. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach §§ 18 Abs. 2, 17 AuslG kommt im Ermessenswege bei Anwendung der Vorschrift in § 17 Abs. 2 Nr. 3 2. Halbsatz AuslG in Betracht. Danach kann die Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis zur Vermeidung einer besonderen Härte erteilen, wenn der Lebensunterhalt der Familie auch aus eigener Erwerbstätigkeit des sich rechtmäßig oder geduldet im Bundesgebiet aufhaltenden Familienangehörigen gesichert wird. Nach den für Verpflichtungsbegehren geltenden Grundsätzen wird dabei auch für die Voraussetzung eines rechtmäßigen oder geduldeten Aufenthalts auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.2.2001, BVerwGE Bd. 114 S. 9, 12 f. - zu § 30 Abs. 4 AuslG).

a) Die Anwendung dieser Bestimmung scheitert voraussichtlich nicht schon an der Voraussetzung eines (jedenfalls) geduldeten Aufenthalts des Antragstellers.

Ein rechtmäßiger Aufenthalt des Antragstellers besteht nach Aktenlage bereits seit November 1999 nicht mehr. Die ihm erteilte Aufenthaltsbewilligung war mit der Beendigung der Arbeitstätigkeit bei der Firma Ingra Lias-Mont erloschen und der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet deshalb unerlaubt (vgl. zum Eintritt der auflösenden Bedingung der Aufenthaltsgenehmigung für einen Werkvertragsarbeitnehmer in einem solchen Fall BVerwG, Urt. v. 3.6.1997, Buchholz 402.240 § 18 AuslG Nr. 1 S. 1, 3). Der Antragsteller ist der Feststellung der Antragsgegnerin, die Arbeitstätigkeit habe im November 1999 geendet, nicht entgegengetreten. - Dass die Antragsgegnerin entgegen § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG trotz Fehlens der Voraussetzung eines im Zeitpunkt der Antragstellung andauernden rechtmäßigen Aufenthalts von mehr als sechs Monaten eine Bescheinigung nach § 69 Abs. 3 AuslG erteilte, kommt dem Antragsteller nicht zugute, weil insoweit mangels Regelungswirkung der Bescheinigung allein die wahre Rechtslage maßgebend ist (BVerwG, Urt. v. 3.6.1997, a.a.O., S. 7).

In Betracht kommt aber, dass der Aufenthalt des Antragstellers mit dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Ehegattennachzug entsprechend § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG bis zur Entscheidung über den Antrag als geduldet galt und diese Fiktionswirkung im maßgebenden Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren wegen ihres erneuten Eintritts bei der Anwendung von § 17 Abs. 2 Nr. 3 2. Halbsatz AuslG zu beachten ist. Die insoweit aufgeworfenen rechtlichen Fragen erfordern eine nähere Klärung im Hauptsacheverfahren. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob der Fall eines Antrags auf "Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung" im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG vorliegt, wenn ein Ausländer, dem nach der Einreise eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden ist, nach deren Erlöschen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck beantragt. Die strikte Begrenzung der Duldungsfiktion auf den Fall eines erstmaligen Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung (in diesem Sinne VGH Mannheim, Beschl. v. 18.5.1999, NVwZ-RR 1999 S. 610; OVG Münster, Beschl. v. 20.2.2001, NVwZ-RR 2001 S. 538) begegnet erheblichen Zweifeln (vgl. GK-AuslR § 69 Rdnr. 16). Der Beschwerdesenat hat bei verspäteten Anträgen auf Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung, die wegen des Erfordernisses eines rechtmäßigen Aufenthalts noch im Zeitpunkt des Verlängerungsantrags gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG nicht die Fiktion eines erlaubten Aufenthalts herbeiführen, den Eintritt einer Duldungsfiktion in entsprechender Anwendung von § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG angenommen (OVG Hamburg, Beschl. v. 10.10.2000, InfAuslR 2001 S. 136, 137 m.w.N.), in den Anwendungsbereich der Duldungsfiktion also auch Fallgruppen außerhalb von Erstanträgen einbezogen. - Die Fiktionswirkung des geduldeten Aufenthalts kann nach ihrer Beendigung durch die Entscheidung der Ausländerbehörde über den Antrag erneut eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Klage angeordnet oder wenn der Ablehnungsbescheid wegen fehlerhafter Versagung der Aufenthaltserlaubnis aufgehoben wird (zu der im Hinblick auf § 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG teilweise abweichenden Fallgestaltung bei der Fiktion des rechtmäßigen Aufenthalts vgl. BVerwG, Urt. v. 1.2.2000, InfAuslR 2000 S. 274, 275; Urt. v. 3.6.1997, a.a.O., S. 7). Danach wären, wenn der Aufenthalt des Antragstellers zunächst als geduldet galt, die Erfolgsaussichten der Klage in materieller Hinsicht aller Voraussicht nach unter der Prämisse einer im Entscheidungszeitpunkt bestehenden Duldungsfiktion zu beurteilen. Es erscheint nicht sachlich oder rechtslogisch als ausgeschlossen, dass ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einen (fiktiv) geduldeten Aufenthalt herbeiführt, der seinerseits nach materiellem Recht Voraussetzung für den Erfolg des Antrags ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.2.2000, a.a.O., S. 274, 276 zu § 30 Abs. 2 AuslG; zum Problem bereits Urt. v. 6.7.1997, a.a.O., S. 8).

b) Näherer Prüfung im Hautsacheverfahren bedarf, ob eine besondere Härte i.S.d. § 17 Abs. 2 Nr. 3 2. Halbsatz AuslG entsteht, wenn dem Antragsteller der Nachzug wegen Fehlens ausreichender Mittel verwehrt bleibt, obwohl er den Lebensunterhalt der Familie ergänzend aus eigener Erwerbstätigkeit sichern könnte. Anlass zu dieser Prüfung besteht hier deshalb, weil die Ehefrau des Antragstellers nach Aktenlage wegen Erwerbsunfähigkeit nicht in der Lage ist, den Lebensunterhalt allein zu sichern. Der gesetzlichen Regel entspricht es, dass der im Bundesgebiet lebende Ausländer, wenn auf eigenes Vermögen oder sonstige eigene Mittel nicht zurückgegriffen werden kann, die Grundlage für den Nachzug seines Familienangehörigen durch die Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit schaffen muss. Im Hinblick auf diese Regel kann es einen besonderen Fall bilden, wenn der Ausländer auf Grund seiner persönlichen Lebenssituation auf längere Sicht unverschuldet außer Stande ist, den Lebensunterhalt eigenständig sicherzustellen (vgl. Nr. 17.2.3.4 AuslG-VwV v. 28.6.2000, BAnz Nr. 188a v. 6.10.2000, mit den Beispielen von Schwangerschaft, Arbeitsunfähigkeit, unverschuldeter Arbeitslosigkeit und notwendiger Kinderbetreuung; zum Beispiel der Krankheit vgl. auch BT-Drs. 13/767 v. 10.3.1995, S. 6; GK-AuslR § 17 Rdnr. 123 f.; Renner, Ausländerrecht in Deutschland, S. 455). Die Ehefrau des Antragstellers ist seit längerem ersichtlich aus gesundheitlichen Gründen erwerbsunfähig und bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Die ihr mögliche Arbeitstätigkeit im Rahmen geringfügiger Beschäftigung führt zu keinem Gesamteinkommen, mit dem der Lebensunterhalt auch des Antragstellers gedeckt werden kann. Sie wäre deshalb ohne die Zulassung einer Ausnahme nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 2. Halbsatz AuslG von der Möglichkeit abgeschnitten, die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu führen; sie hält sich hier nach den Angaben des Antragstellers aber bereits seit mehr als dreißig Jahren auf. Ob es ihr nach den persönlichen Verhältnissen gleichwohl zuzumuten ist, zur Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Antragsteller nach Kroatien zurückzukehren, ist nach Aktenlage nicht sicher zu beurteilen. Die Antragsgegnerin hat den Sachverhalt im Hinblick auf Umstände einer besonderen Härte bisher nicht geprüft.

c) Es bestehen für eine nähere Prüfung im Hauptsacheverfahren ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller den Lebensunterhalt der Eheleute auf Dauer ergänzend durch eine eigene Erwerbstätigkeit sichern kann. Er hat in Deutschland bereits als Werkvertragsarbeitnehmer im Bauhandwerk gearbeitet. Die im Beschwerdeverfahren noch innerhalb der Begründungsfrist vorgelegte Bescheinigung der Firma Schnackenberg (Zimmerei, Holzbau) vom 20. Februar 2002 stellt die Möglichkeit einer befristeten tarifgebundenen Tätigkeit als Bauhelfer in Aussicht. Es liegt nahe, dass durch eine solche Erwerbstätigkeit dauerhaft ein Einkommen erzielt werden kann, das neben dem Einkommen der Ehefrau aus der Erwerbsunfähigkeitsrente (nach dem Stand vom 1.7.2001 in Höhe von rund 1.100,--DM) und ihrem Zuverdienst aus geringfügiger Beschäftigung ausreicht, den Lebensunterhalt beider Ehegatten sicherzustellen. - Dass der Antragsteller gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 3 Satz 2 Arbeitsgenehmigungsverordnung zur Vermeidung einer besonderen Härte und ohne Wartezeit eine Arbeitserlaubnis erhalten könnte, erscheint bei summarischer Prüfung nicht als ausgeschlossen.

d) Den Bedenken der Antragsgegnerin, der Antragsteller könnte eine Doppelehe (§ 1306 BGB) eingegangen sein, ist, sofern sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Zagreb aufrecht erhalten werden, im Hauptsacheverfahren nachzugehen. Die Antragsgegnerin hat die Versagung der Aufenthaltserlaubnis auf diesen Gesichtspunkt bisher auch nicht tragend gestützt (Widerspruchsbescheid S. 4).

e) Den illegalen Verbleib des Antragstellers im Bundesgebiet nach dem Erlöschen der Aufenthaltsbewilligung hat die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid nicht schon als Umstand gewürdigt, der im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung in jedem Fall zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis führen werde, also auch dann, wenn der Lebensunterhalt der Familie zur Vermeidung einer besonderen Härte ergänzend durch eine Erwerbstätigkeit des Antragstellers gesichert werden dürfte. Die Antragsgegnerin hat auf diesen Umstand hingewiesen (Widerspruchsbescheid S. 5), ihn aber nicht schon in ihre Ermessensbetätigung einbezogen. Dementsprechend ist insoweit auch keine Abwägung dieses Verstoßes mit den für den Schutz der ehelichen Lebensgemeinschaft vor einer (vorübergehenden) Trennung der Ehegatten erfolgt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG und berücksichtigt, dass vorläufiger Rechtsschutz nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens allein noch für die Dauer des Klageverfahrens begehrt worden ist (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 29.4.2002 - 3 So 69/01).

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