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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.12.2004
Aktenzeichen: 3 Bs 531/04
Rechtsgebiete: GG, Wahlordnung der Studierendenschaft der Universität Hamburg
Vorschriften:
GG Art. 19 Abs. 4 | |
Wahlordnung der Studierendenschaft der Universität Hamburg |
2. Das Präsidium des Studierendenparlaments der Universität Hamburg, dem gemäß § 4 der Wahlordnung der Studierendenschaft die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen obliegt, besitzt die Kompetenz, auf die Unterscheidbarkeit der Namen der Kandidierendenlisten hinzuwirken. Ob die Entscheidung zwingend dahin zu treffen ist, die zusätzliche Unterscheidungsbezeichnung derjenigen Gruppierung aufzuerlegen, die später als die konkurrierende Gruppierung in Erscheinung getreten ist, bleibt offen.
3 Bs 531/04
Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Fligge und Kollak am 7. Dezember 2004 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 18. November 2004 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und - insoweit unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts - für das Verfahren erster Instanz auf jeweils 5.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, führen nicht zum Erfolg des Rechtsmittels.
1) Die Antragstellerin dürfte gemäß § 61 Nr. 2 VwGO fähig sein, am Verfahren beteiligt zu sein. Sie ist eine - nicht rechtsfähige - Vereinigung, der aus der Wahlordnung der Studierendenschaft Rechte zustehen. Die Wahlordnung sieht in § 6 die Kandidatur von Listen (Kandidierendengemeinschaften) vor. Daraus folgt, dass diese Listen als solche, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, einen Anspruch darauf haben, zunächst in die vorläufige Kandidierendenliste aufgenommen zu werden, ggf. Einspruch einzureichen und schließlich in die endgültige Kandidierendenliste (§ 7 WahlO) aufgenommen zu werden. Dieser Anspruch steht nicht sämtlichen Angehörigen der Liste in ihrer Gesamtheit, sondern der Liste als solcher zu. Öffentlich-rechtlich betrachtet kommt der Liste danach in diesem Umfang die Eigenschaft eines Zuordnungssubjekts von Rechten (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 61 Rdnr. 8) bei Wahlen zum Studierendenparlament zu.
2) Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren glaubhaft gemacht, dass Frau B. als besonders Beauftragte für sie handeln, insbesondere den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin Vollmacht zur Stellung des Antrags vom 16. November 2004 erteilen durfte (§ 62 Abs. 3 VwGO).
3. Der Antrag dürfte entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch im Übrigen zulässig sein. Die Möglichkeit eines Wahlprüfungsverfahrens schließt diesen Antrag hier nicht aus. Art. 19 Abs. 4 GG könnte in seinem Kern verletzt sein, wenn eine Wahl durchgeführt werden dürfte, obwohl ein eingelegter Rechtsbehelf erkennen lässt, dass eine spätere Wahlanfechtung Erfolg haben muss (vgl. zur Frage der Vereinbarkeit der Einschränkung von Rechtsbehelfen im laufenden Wahlverfahren mit Art. 19 Abs. 4 GG von Mutius, VerwArch Bd. 68 [1977] S. 197, 200; Schenke, NJW 1981 S. 2440 ff.; Bettermann, AöR Bd. 96 [1971] S. 528, 544; a.A. VG Düsseldorf, Beschl. v. 5.2.2001, KMK-HSchR/NF 31C Nr. 3). Soweit das Verwaltungsgericht sich für seinen Standpunkt auf obergerichtliche Entscheidungen stützt, betreffen diese - zumindest zum Teil - Fälle, in denen durch die jeweiligen wahlrechtlichen Normen Rechtsbehelfe vor Durchführung der Wahl eingeschränkt oder ausgeschlossen waren (vgl. vor allem § 49 BWahlG). So liegt es hier nicht. Auch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach in Wahlangelegenheiten der Grundsatz gilt, dass Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden können (vgl. z.B. BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 11.8.1998, BayVBl 1999 S. 46 m.w.N.), hat, soweit ersichtlich, nur solche Wahlen, insbesondere Bundestagswahlen, im Blick. Für Wahlen, die nicht den Bundestag betreffen, ist jedenfalls eine aus dem Grundgesetz abzuleitende Begründung des zitierten Grundsatzes nicht zu erkennen. Art. 41 GG, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf Bundestagswahlen Art. 19 Abs. 4 GG einschränkt, enthält keinen allgemeinen Rechtsgedanken; seine entsprechende Anwendung auf andere Wahlen kommt nicht in Betracht (BVerfG, Beschl. v. 11.10.1972, NJW 1973 S. 33).
4) Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg. Es ist schon zweifelhaft, ob er nach der dem Beschwerdegericht vorliegenden Fassung nicht bereits deshalb scheitern muss, weil eine ihm entsprechende Entscheidung die Gefahr der Verwechslung der Listen 4 und 19 begründen würde. Die Antragstellerin unterschiede sich danach von der neu konstituierten J.-Hochschulgruppe allein durch den Zusatz "& Fachschaftsaktive". Der Antrag ist nicht darauf gerichtet, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die neu konstituierte J.-Hochschulgruppe zur Wahl eines anderen Namens aufzufordern.
Stellt man diese Bedenken zurück, so ist jedenfalls die für den Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung bestehende Voraussetzung nicht erfüllt, dass eine dem Anordnungsantrag entsprechende Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben würde.
a) Zunächst ist nicht zweifelhaft, dass das Präsidium der Antragsgegnerin, dem nach § 4 WahlO die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen obliegt, die Kompetenz besitzt, auf die Unterscheidbarkeit der Namen der einzelnen Listen hinzuwirken, insbesondere dann, wenn wie hier Einsprüche gegen die vorläufige Kandidierendenliste wegen Verwechslungsgefahr eingereicht worden sind (§ 6 Abs. 5 Satz 2 WahlO). Es ist nicht ersichtlich, wer anders als das Präsidium über solche Einsprüche entscheiden sollte.
b) Ob das Präsidium die Antragstellerin wegen der Gefahr der Verwechslung mit der neu konstituierten J.-Hochschulgruppe zur Wahl eines anderen Namens auffordern durfte, wie mit Schreiben vom 15. November 2004 geschehen, ist zwar angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. November 1993 (BVerfGE Bd. 89 S. 291) nicht unzweifelhaft. Diese Entscheidung dürfte Bedeutung nicht nur für Parteien, sondern auch für sonstige Gruppierungen haben, die sich an Wahlen beteiligen. Sie könnte so zu verstehen sein, dass die Wahlorgane sich in Namensstreitigkeiten von Gruppierungen, die bei Wahlen miteinander konkurrieren, nicht einmischen, sondern im Falle einer Verwechslungsgefahr einem der Wahlvorschläge, statt ihn zurückzuweisen, eine Unterscheidungsbezeichnung beifügen sollen (vgl. die für Bundestagswahlen getroffene Regelung in § 36 Abs. 4 Satz 3 BWO). Einer derartigen Maßnahme des Präsidiums hätte es hier möglicherweise nicht einmal bedurft, weil die Worte "& Fachschaftsaktive" als ausreichende Unterscheidungsbezeichnung angesehen werden könnten. Falls man dies jedoch verneinen wollte, hätte das Präsidium möglicherweise nicht die Antragstellerin zur Umbenennung auffordern dürfen, sondern vielmehr dem Namen der Liste 4 einen unterscheidenden Zusatz beifügen müssen. Es spricht manches dafür, die Unterscheidungsbezeichnung derjenigen Gruppierung beizulegen, die später als die konkurrierende Gruppierung in Erscheinung getreten ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.11.1993, a.a.O. S. 308).
c) Dass in einem Hauptsacheverfahren in diesem Sinne zu entscheiden wäre, ist aber keineswegs sicher. Zunächst ist zu bedenken, dass das Bundesverfassungsgericht nur die - auf die Verwechslungsgefahr gestützte - Nichtzulassung zur Wahl beanstandet hat. Eine solche Maßnahme steht hier nicht in Rede. Das Präsidium hat die Antragstellerin nicht von der Wahl ausgeschlossen, sondern ihr vielmehr die Möglichkeit eingeräumt, unter anderem Namen an dieser teilzunehmen. Zu erwägen ist ferner, dass das Präsidium die Unterscheidungsbezeichnung in rechtmäßiger Weise möglicherweise auch dem Namen der Liste 19 - und nicht der Liste 4 - hätte beifügen können. Dies unterstellt, wäre die Antragstellerin durch das Verhalten des Präsidiums nicht beschwert, hätte sie doch dadurch die Möglichkeit erhalten, ihren Namen selbst zu bestimmen, statt eine vom Präsidium gewählte unterscheidende Bezeichnung hinnehmen zu müssen. Schließlich aber hält das Beschwerdegericht es keineswegs für abschließend geklärt, dass die Wahlorgane ihre Entscheidung in einem Konfliktfall wie dem vorliegenden nicht an namensrechtlichen Erwägungen orientieren dürfen, wie es das Präsidium der Antragsgegnerin getan hat. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. November 1993 ist insoweit nicht eindeutig. War das Präsidium aber befugt, die namensrechtliche Problematik selbst zu prüfen, so lässt sich bei summarischer Prüfung nicht feststellen, dass es hier fehlerhaft gehandelt hat. Die Bezeichnung "J." wird von der Verkehrsauffassung eindeutig der Beigeladenen zugeordnet. Indem das Präsidium die Verwendung dieser Bezeichnung der neu konstituierten J.-Hochschulgruppe ermöglicht, trägt es jedenfalls zur Vermeidung von Irrtümern unter den Wählern bei. Das gilt selbst dann, wenn die Antragstellerin auf Grund von Verfahrensfehlern bei der Neukonstituierung der J.-Hochschulgruppe formell noch befugt sein sollte, die betreffende Bezeichnung zu benutzen.
5) Das Beschwerdegericht hält es danach nicht in hohem Maße für wahrscheinlich, dass die Antragstellerin mit einer Klage, die das gleiche Ziel verfolgen würde wie der vorliegende Antrag, Erfolg hätte. Es stützt seine Entscheidung ergänzend auf eine Interessenabwägung. Würde die beantragte einstweilige Anordnung erlassen, später jedoch festgestellt, dass dies zu Unrecht geschehen ist, so würde der Antragsgegnerin erheblicher Schaden entstehen. Einmal würde die Durchführung der Wahl so sehr verzögert, dass sie möglicherweise in diesem Semester jedenfalls während der Vorlesungszeit überhaupt nicht mehr stattfinden könnte. Dies wäre mit dem Grundsatz, dass die Mitglieder des Studierendenparlaments auf ein Jahr gewählt werden (Art. 14 Abs. 1 der Satzung der Studierendenschaft) nicht vereinbar. Möglicherweise könnte die Durchführung der Wahl zu einem späteren Zeitpunkt sogar an fehlenden finanziellen Mitteln scheitern. Auf jeden Fall hätte die Antragsgegnerin einen großen finanziellen Schaden in Gestalt von vergeblichen Aufwendungen für den Druck und die Versendung der Wahlunterlagen zu tragen.
Würde demgegenüber zu einem späteren Zeitpunkt auf Grund einer Klage der Antragstellerin festgestellt, dass sie berechtigt war, an den Wahlen mit dem von ihr beanspruchten Namen teilzunehmen, so sind negative Auswirkungen des Unterbleibens der beantragten einstweiligen Anordnung auf sie nicht ohne Weiteres zu erkennen. Es mag zwar sein, dass sie unter ihrem alten Namen mehr Stimmen erhalten hätte, doch ist dies keineswegs sicher. Ihre Stammwähler, um die es ihr vor allem gehen dürfte, werden sie überwiegend auch unter ihrem jetzigen Namen wählen. Die Antragstellerin hat in der Wahlbroschüre darauf hingewiesen, dass die Beigeladene ihr den Namen "j.-hochschulgruppe & fachschaftsaktive" bestreite. Danach kann es für ihre bisherigen Wähler trotz des geänderten Namens keinen Zweifel an der Identität der Antragstellerin geben. Dass der Name für die übrigen Wähler, denen die Antragstellerin bisher unbekannt war, von großer Bedeutung ist, ist eher unwahrscheinlich. Soweit es der Antragstellerin darum geht, durch Verwendung der Abkürzung "J." Wähler anzusprechen, die der Beigeladenen nahe stehen, ist sie nicht schützenswert, da sie insofern einen Irrtum der Wähler ausnutzen würde. Andererseits müsste die Antragstellerin damit rechnen, dass in der Wählerschaft Unmut, der sich gegen sie richten würde, erzeugt würde, wenn sie durch eine einstweilige Anordnung die mit erheblichen Kosten verbundene Verschiebung der Wahl erreichen würde. Dies würde sie wahrscheinlich Stimmen kosten. Schließlich fällt zum Nachteil der Antragstellerin ins Gewicht, dass ihr die Möglichkeit einer späteren Wahlanfechtung unbenommen bleibt.
6. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen, da diese durch die Stellung von Anträgen selbst ein Kostenrisiko eingegangen ist (§ 154 Abs. 3 VwGO). Der Streitwert ist nicht im Hinblick darauf, dass es sich hier um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt, um einen Abschlag zu vermindern. Denn die Antragstellerin erstrebt die Vorwegnahme der Hauptsache.
Ende der Entscheidung
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