Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 24.02.2009
Aktenzeichen: 3 Nc 258/08
Rechtsgebiete: VwGO, GVG


Vorschriften:

VwGO § 80
VwGO § 83
VwGO § 123
GVG § 17 a
1. Auf die Abänderung einer im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO ergangenen Entscheidung sind die Vorschriften in § 80 Abs. 7 VwGO entsprechend anzuwenden.

2. Für die Abänderung einer einstweiligen Anordnung ist gemäß § 123 Abs. 2 VwGO das Gericht der Hauptsache zuständig. Ist danach das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig, ist dieses auch befugt, eine im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangene Entscheidung des Beschwerdegerichts abzuändern.

3. Wird der Abänderungsantrag bei dem nach § 123 Abs. 2 VwGO unzuständigen Beschwerdegericht gestellt, ist der Rechtsstreit in entsprechender Anwendung von § 83 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG von Amts wegen an das sachlich und instanziell zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

3 Nc 258/08

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Jahnke und Niemeyer am 24. Februar 2009 beschlossen:

Tenor:

Das Hamburgische Oberveraltungsgerichts ist für den Rechtsstreit instanziell unzuständig.

Der Rechtsstreit wird an das zuständige Verwaltungsgericht Hamburg verwiesen.

Gründe:

Der Rechtsstreit ist nach der mit Schreiben vom 30. Dezember 2008 erfolgten Anhörung der Beteiligten von Amts wegen an das Verwaltungsgericht Hamburg zu verweisen, weil das angerufene Hamburgische Oberverwaltungsgericht für die Anträge der Antragstellerin instanziell nicht zuständig ist.

1. Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Zulassung zum Studium der Medizin an der Universität Hamburg außerhalb der festgesetzten Kapazität nach den Verhältnissen des Berechnungszeitraums 2007/2008. Mit Beschluss vom 1. November 2007 hat das Verwaltungsgericht Hamburg ihren Antrag auf entsprechende Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung abgelehnt. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde der Antragstellerin mit Beschluss vom 14. Oktober 2008 (3 Nc 163/07) zurückgewiesen. Die Antragstellerin beantragt im vorliegenden Verfahren, den Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Oktober 2008 abzuändern und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig zum Studium im Studiengang Medizin an der Universität Hamburg außerhalb der festgesetzten Kapazität nach den Verhältnissen des Berechnungszeitraums 2007/2008 zuzulassen.

2. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht ist für die begehrte Abänderung seines Beschlusses vom 14. Oktober 2008 nicht zuständig.

§ 123 VwGO enthält - anders als § 80 VwGO - keine Vorschrift für die gerichtliche Abänderung von im einstweiligen Anordnungsverfahren getroffenen Entscheidungen. Dennoch besteht Einigkeit darüber, dass ein Abänderungsverfahren auch im System der einstweiligen Anordnung angesichts der dringenden praktischen Notwendigkeit statthaft sein muss. Überwiegend wird inzwischen angenommen, dass die Abänderung oder Aufhebung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren allein in analoger Anwendung von § 80 Abs. 7 VwGO geschieht; eine analoge Anwendung des § 927 ZPO kommt angesichts der fehlenden Benennung in der Auflistung des § 123 Abs. 3 VwGO nicht in Betracht (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 14.5.2007, NJW 2007, 2506 m. weit. Nachw.; VGH München, Beschl. v. 31.1.2007, 7 CE 06.10433 bis 10446, juris; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 16. Ergänzungslieferung 2008, § 123 Rn. 176; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 15. Aufl., 2007, § 123 Rn. 35). Der Rückgriff auf § 80 Abs. 7 VwGO bietet sich an, weil die Zuordnung von Eilanträgen zu § 80 VwGO oder § 123 VwGO nicht selten zweifelhaft ist und verfahrensrechtliche Zufälligkeiten nicht zu unterschiedlichen Rechtsschutzstandards bei aufschiebender Wirkung und einstweiliger Anordnung führen sollten.

Das Verfahren auf Abänderung einer einstweiligen Anordnung stellt ein neues, selbständiges Verfahren dar (vgl. Schoch, a. a. O., Rn. 178). Wie bei § 80 Abs. 7 VwGO geht es nicht um eine Rechtsmittelentscheidung. Für die Bestimmung des zuständigen Gerichts verbleibt es bei der (mit § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO übereinstimmenden) Regelung des § 123 Abs. 2 VwGO (vgl. Schoch, a. a. O., Rn. 179; Kopp/Schenke, a. a. O.). Zuständig ist das Gericht der Hauptsache. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs, sofern - was hier nicht der Fall ist - die Hauptsache nicht im Berufungsverfahren anhängig ist. Das Gericht des ersten Rechtszugs ist damit auch befugt, gegebenenfalls im Beschwerdeverfahren ergangene Entscheidungen des Beschwerdegerichts abzuändern. Die von der Antragstellerin zitierte, von dieser Auffassung abweichende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 29. Dezember 1989 (NVwZ-RR 1990, 591), der die Rechtsprechung zu Recht nicht gefolgt ist, beruht auf der unzutreffenden Annahme, dass § 927 Abs. 2 ZPO entsprechend im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden sei. Im Übrigen hat das Beschwerdegericht - anders als im Fall des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 29. Dezember 1989 - keine einstweilige Anordnung erlassen, sondern (lediglich) die Beschwerde der Antragstellerin gegen den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen.

3. Die instanzielle Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts führt dazu, dass der Rechtsstreit in entsprechender Anwendung von § 83 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG von Amts wegen an das sachlich und instanziell zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen ist (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 83 Rn. 4, 7). § 83 VwGO ist auch im einstweiligen Anordnungsverfahren anwendbar, weil die Eilbedürftigkeit - erst recht - eine zügige und verbindliche Klärung der Zuständigkeit erfordern kann (Ortloff/Riese, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 83 Rn. 25 m. Nachw. der Rechtsprechung, a.A. Kopp/Schenke, a.a.O., § 83 Rn. 4).

Eine Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten (§ 83 Satz 1 VwGO, § 17 b Abs. 2 GVG).

4. Diese Entscheidung ist nach § 83 Satz 2 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück