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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.10.2005
Aktenzeichen: 3 Nc 53/05
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 146
VwGO § 161 Abs. 2
1. Ein auf die vorläufige Zulassung zum Studium gerichtetes Rechtsschutzverfahren erledigt sich auch durch die anderweitige vorläufige Zuweisung lediglich eines Teilstudienplatzes im gewünschten Studiengang. Dem Eintritt der Erledigung steht nicht entgegen, dass die der anderweitigen vorläufigen Zulassung zugrunde liegende gerichtliche Entscheidung mit der Beschwerde angegriffen ist.

2. Ist das vorläufige Rechtsschutzverfahren wegen der anderweitigen Zulassung zum Studium objektiv erledigt, ist für die Anschlussbeschwerde des erstinstanzlich erfolgreichen Studienbewerbers nicht deshalb Raum, weil er die vorläufige anderweitige Zulassung zwischenzeitlich wieder verloren hat.


HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

Beschluss

3 Nc 53/05

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Jahnke und Fligge am 26. Oktober 2005 beschlossen:

Tenor:

Es wird festgestellt, dass das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in der Hauptsache erledigt ist.

Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 29. April 2005 ist mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung wirkungslos.

Der Antragsteller trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Verwaltungsgericht Hamburg verpflichtete die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 29. April 2005, den Antragsteller nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2004/2005 vorläufig zum Studium im Studiengang Zahnmedizin zuzulassen, wenn dieser seine Einschreibung bis zum 15. Juni 2005 beantragt und dabei eine eidesstattliche Versicherung des Inhalts vorlegt, dass er weder vorläufig noch endgültig einen Studienplatz im Studiengang Zahnmedizin inne hat oder angeboten bekommen hat oder aus eigenem Entschluss aufgegeben hat. Die Antragsgegnerin erhob am 25. Mai 2005 Beschwerde, die sie mit Schriftsatz vom 13. Juni 2005 begründete. Der Antragsteller beantragte mit Schriftsatz vom 27. Juni 2005 die Zurückweisung der Beschwerde.

Der Antragsteller beanspruchte seine Einschreibung innerhalb der gesetzten Frist nicht. Er hatte auf Grund eines Beschlusses des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. April 2005 im Sommersemester 2005 einen vorläufigen Teilstudienplatz im Studiengang Zahnmedizin an der Universität Tübingen inne. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg änderte den Beschluss im Beschwerdeverfahren und wies den Antrag auf Erlass einer einst-weiligen Anordnung insgesamt ab (Beschl. v. 24.8.2005 - NC 9 S 75/05 -).

Der Antragsteller legte mit Schriftsatz vom 7. September 2005 Anschlussbeschwerde ein mit dem Antrag, die Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 29. April 2005 zu verpflichten, den Antragsteller zum Studium im Studiengang Zahnmedizin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2004/2005 vorläufig zuzu-lassen. Zur Begründung führte er unter anderem aus, ein Anordnungsgrund bestehe (jeden-falls), nachdem er seinen vorläufigen Teilstudienplatz verloren habe.

Das Beschwerdegericht hat den Beteiligten mit Verfügung vom 21. Oktober 2005 den Hinweis gegeben, es komme, weil die Beschwer der Antragsgegnerin aus dem Beschluss vom 29. April 2005 mit dem Ablauf der darin gesetzten Einschreibefrist entfallen sein dürfte, in Betracht, die Beschwerde der Antragsgegnerin als unzulässig zu verwerfen; in der Folge verlöre die Anschlussbeschwerde in entsprechender Anwendung von § 127 Abs. 5 VwGO ihre Wirkung.

Die Antragsgegnerin hat das Verfahren mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2005 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Antragsteller widerspricht der Erledigungserklärung.

II.

1. Es wird festgestellt, dass das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in der Hauptsache erledigt ist.

a) Die einseitig gebliebene Erledigungserklärung der Antragsgegnerin hat zu einer Änderung des Streitgegenstandes geführt. Zu entscheiden ist nunmehr darüber, ob sich das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Hauptsache erledigt hat. Eines ausdrücklichen Feststellungsantrags der Antragsgegnerin bedarf es dazu nicht (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 25.8.2004 - 3 Bs 96/04 - m.w.N.). Die einseitig gebliebene Erledigungserklärung führt zur Erledigungsfeststellung, wenn ausgehend von dem ursprünglichen Antrag objektiv ein erledigendes Ereignis eingetreten ist und die Gegenseite kein beachtliches Interesse an der Klärung der Begründetheit des ursprünglichen Antrags hat (vgl.: BVerwG, Urt. v. 29.6.2001, NVwZ-RR 2002, S. 152).

b) Das vorläufige Rechtsschutzverfahren hat sich durch die anderweitige Zuweisung eines vorläufigen Teilstudienplatzes im Studiengang Zahnmedizin an den Antragsteller erledigt.

Es ist höchstrichterlich geklärt, dass die anderweitige endgültige Zulassung zu dem gewünschten Studium grundsätzlich einen Zulassungsrechtsstreit in der Hauptsache erledigt (für das Klageverfahren vgl. BVerwG, Urt. v. 8.2.1980, NJW 1980, S. 2772). Gleichermaßen ist ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erledigt, wenn der jeweilige Antragsteller eine anderweitige Zulassung zu dem gewünschten Studium erhält, mag diese auch vorläufig und die ihr zugrunde liegende gerichtliche Entscheidung mit der Beschwerde angegriffen sein (ständige Rechtsprechung des Beschwerdegerichts, vgl. bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 28.3.1979 - OVG Bs III 81/78 -, BA S. 40). Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erscheint nämlich in diesen Fällen nicht mehr zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig, §§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO. Keinen Unterschied macht es weiter, wenn der jeweilige Antragsteller lediglich einen Teilstudienplatz innehat (OVG Hamburg, Beschl. v. 29.10.2002 - 3 Nc 34/02 -; v. 29.3.2000 - 3 Nc 30/00 -; v. 2.12.1997 - OVG Bs III 161/97 -, jeweils betr. Teilzulassung im Studiengang Medizin). Wer einen (vorläufigen) Teilstudienplatz in Zahnmedizin für den vorklinischen Studienanschnitt bis einschließlich der zahnärztlichen Vorprüfung erhalten hat, erleidet gegenwärtig keinen unwiederbringlichen Verlust an Studienzeit. Die Frage der Fortsetzung des Studiums nach dem Bestehen der Vorprüfung stellt sich insoweit nicht. Bis zum Abschluss des vorklinischen Teils des Studiums bleibt genügend Zeit, den geltend gemachten Anspruch auf Zuweisung eines Voll-Studienplatzes im Hauptsacheverfahren zu verfolgen. Im Hinblick auf das für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bestehende Erfordernis eines wesentlichen Nachteils ist entscheidend, dass der Studienbewerber ohne weiteres Warten mit dem Studium in dem gewünschten Studiengang beginnen kann. Deshalb ist insoweit ohne Belang, ob und in welchen verfahrens- und kapazitätsrechtlichen Hinsichten der Teilstudienplatz ein aliud gegenüber dem Voll-Studienplatz darstellt. Diesen Grundsätzen entsprechen die vom Beschwerdegericht seit langem als erforderlich angesehenen eidesstattlichen Versicherungen zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.

Im vorliegenden Fall hat sich das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes objektiv bereits mit dem Wirksamwerden des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. April 2005 erledigt, mit dem die Universität Tübingen zur vorläufigen Zulassung des Antragstellers auf einem Teilstudienplatz im Studiengang Zahnmedizin verpflichtet worden ist. Das Verwaltungsgericht Hamburg hätte, wenn ihm dieser Umstand unverzüglich zur Kenntnis gebracht worden wäre, den Beschluss vom 29. April 2005 nicht erlassen, sondern den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, wäre dieser aufrechterhalten geblieben, mangels Anordnungsgrundes abgelehnt und einen der konkurrierenden weiteren Antragsteller bei der Verteilung berücksichtigt.

Der Antragsteller kann nicht mit Erfolg geltend machen, ein Anordnungsgrund bestehe jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt wieder, nachdem er seinen Teilstudienplatz in Tübingen verloren habe. Ein objektiv erledigtes Verfahren lebt nicht auf Grund später eintretender neuer Umstände wieder auf. Die Erledigung ist ein prozessuales Ereignis mit endgültigen gesetzlichen Folgen; sie beendet die Rechtshängigkeit und führt zur Unwirksamkeit einer bereits ergangenen Entscheidung. Veränderte Umstände, die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erheblich sein können, sind in einem neuen Anordnungsverfahren geltend zu machen.

c) Neben der Erledigungsfeststellung ist gemäß § 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung klarstellend auszusprechen, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 29. April 2005 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung wirkungslos ist.

2. Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

a) Die (unselbständige) Anschlussbeschwerde ist gemäß §§ 146, 127 analog, 173 VwGO, § 567 Abs. 3 ZPO nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich statthaft (Kopp/ Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 146 Rdnr. 46; OVG Hamburg, Beschl. v. 5.8.2004, NVwZ-RR 2005, S. 544). Ob und gegebenenfalls welche Fristen für die Einlegung und die Begründung der Anschlussbeschwerde bestehen, bedarf hier keiner näheren Prüfung, weil die Beschwerde aus anderen Gründen zurückzuweisen ist.

b) Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers hat nicht gemäß § 127 Abs. 5 VwGO in entsprechender Anwendung bzw. §§ 173 VwGO, 567 Abs. 3 ZPO ihre Wirkung verloren. Ob die Verfahrensbeendigung durch übereinstimmende Erledigungserklärungen in gleicher Weise wie eine Rücknahme der Beschwerde die Anschließung wirkungslos macht, kann offen bleiben. Die Erledigungserklärung ist hier einseitig geblieben. Die Entscheidung im Erledigungsstreit steht der Verfahrensbeendigung durch Rücknahme der Beschwerde oder durch ein Verwerfen der Beschwerde als unzulässig nicht gleich.

c) Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers hält sich aber nach der Erledigungser-klärung der Antragsgegnerin nicht mehr an den für eine Anschlussbeschwerde bestehenden prozessualen Rahmen und ist deshalb zurückzuweisen. Eine unselbständige Anschlussbe-schwerde muss an eine Beschwerde anschließen, mit der ein anderer Beteiligter die Abän-derung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu Ungunsten des Anschlussbeschwer-deführers erstrebt, und sich gegen das vom Beschwerdeführer erstrebte Ziel richten (OVG Hamburg, Beschl. v. 5.8.2004, NVwZ-RR 2005, S. 544; v. 17.9.1964, NJW 1965 S. 2267; VGH Mannheim, Beschl. v. 21.12.1992 - 8 S 2717/92 -, Juris; Beschl. v. 11.5.1998, NVwZ 1999 S. 442, m.w.N.). Dieses Erfordernis ist nach der Erledigungserklärung der beschwerdeführenden Antragsgegnerin nicht mehr erfüllt. Streitgegenstand ist nunmehr die Frage, ob eine Erledigung eingetreten ist. Das mit der Anschlussbeschwerde verfolgte Anordnungsbegehren der vorläufigen Zulassung zum Studium liegt außerhalb dieses Erle-digungsstreits. Weil der ursprüngliche Zulassungsrechtsstreit mit der anderweitigen Zulas-sung des Antragstellers in Tübingen in der Hauptsache erledigt war und diese Erledigung endgültig ist, kann auch die Anschlussbeschwerde nicht die prozessuale Möglichkeit eröff-nen, das Anordnungsbegehren auf der Grundlage veränderter Umstände in demselben Ver-fahren erneut zur Entscheidung zu stellen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG und legt den Wert des ursprünglichen Begehrens zugrunde.



Ende der Entscheidung

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