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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.11.2007
Aktenzeichen: 3 So 147/06
Rechtsgebiete: StVG, FeV
Vorschriften:
StVG § 3 Abs. 4 Satz 2 | |
StVG § 24 a Abs. 2 | |
StVG § 25 Abs. 1 | |
FeV § 46 Abs. 1 | |
FeV Anlage 4 Nr. 9.1 |
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth und Kollak sowie die Richterin Dr. Daum am 20. November 2007
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 4. September 2006 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. September 2006, mit dem der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren 5 K 1428/06 abgelehnt wurde, bleibt ohne Erfolg.
I.
Dem Kläger wurde mit Bescheid vom 6. Oktober 2005 gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis entzogen, weil er sich nach Auffassung der Beklagten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hatte. Anlass für die Verfügung der Beklagten war das Ergebnis einer Blutprobe, die im Rahmen einer Verkehrskontrolle Anfang Juli 2005 angeordnet worden war und die ergeben hatte, dass der Kläger Amphetamin konsumiert hatte. Die Ungeeignetheit des Klägers folge aus Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2006 zurück. Dagegen hat der Kläger am 8. Mai 2006 Klage erhoben und einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Den weiterhin gestellten Antrag des Klägers nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung seiner Klage wiederherzustellen, begründete er u. a. damit, dass die Rechtsgrundlage für den Entziehungsbescheid, § 46 Abs. 1 FeV, soweit dieser auf Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung verweise, wegen Widerspruchs gegen die gesetzlichen Bestimmungen in §§ 24 a Abs. 2, 25 Abs. 1 Satz 2 StVG nichtig sei und berief sich dazu auf Ausführungen von Prof. D (DAR 2004, 626).
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage sowie den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 30. Juni 2006 (5 E 1464/06) abgelehnt und u. a. die Auffassung vertreten, hinreichende Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des § 46 Abs. 1 FeV seien nicht gegeben. Die Regelungen der §§ 24, 24a und 25 StVG hätten sankionierenden Charakter, während die auf § 6 Abs. 1 StVG beruhenden Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung gefahrenabwehrrechtlichen Charakter hätten. Aufgrund dieser unterschiedlichen Zielsetzungen sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, unterschiedliche Regelungsinhalte zu normieren. Auch im Übrigen sei die angefochtene Verfügung rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beschwerde des Klägers hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 24. August 2006 verworfen, soweit sie den Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage betraf, und zurückgewiesen, soweit der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden war.
Mit Beschluss vom 4. September 2006 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Klägervertreters für das Klageverfahren mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgelehnt und auf die Gründe des Beschlusses vom 30. Juni 2006 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Bezug genommen. Mit der vorliegenden Beschwerde macht der Kläger insbesondere geltend, das Verwaltungsgericht habe sich nicht hinreichend mit der Rechtsauffassung von Prof. D auseinandergesetzt. Wenn ein renommierter Wissenschaftler und Richter eine Rechtsauffassung vertrete, könne sich ein Gericht im summarischen Prozesskostenhilfeverfahren nicht darüber hinwegsetzen; dies gelte unabhängig davon, ob es sich dieser Rechtsauffassung nach einer ausführlichen Auseinandersetzung im Hauptsacheverfahren im Ergebnis anschließe oder nicht.
II.
Die zulässige Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg. Die Versagung der Prozesskostenhilfe gemäß § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO für die erste Instanz ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des Prozesskostenhilferechts. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussichten genügt zwar grundsätzlich eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der beabsichtigten Rechtsverfolgung; allerdings dürfen diese Erfolgschancen nicht nur entfernte oder bloß theoretische sein. Bietet der Sachstand keinen Anlass für eine weitere Sachaufklärung und lassen sich die gebotenen rechtlichen Folgerungen ohne große Schwierigkeiten zu Lasten des Antragstellers ziehen, bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. Neumann in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 166 Rn. 64). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass ein renommierter Wissenschaftler eine abweichende Rechtsauffassung zur Gültigkeit maßgeblicher Normen vertritt. Kann diese Rechtsauffassung bereits im summarischen Verfahren der Prozesskostenhilfe nicht überzeugen und bleiben keine Gültigkeits- oder Anwendungszweifel bestehen, die erst in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden könnten, besteht nur eine entfernte Erfolgsaussicht für ein Obsiegen in der Sache. So liegt es hier:
1. Der Entziehungsbescheid ist auf der Ermächtigungsgrundlage in § 3 StVG, § 46 Abs. 1 FeV zu Recht ergangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts schließt gemäß der für den Regelfall geltenden Bewertung in Nr. 9.1 der Anlage 4 die Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) die Eignung und die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus und nehmen nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV die in der Anlage 4 aufgelisteten Bewertungen an der Verbindlichkeit teil, die den Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung zukommt. § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i. V. m. Nr. 9.1 der Anlage 4 schreibt danach mit der Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung vor, dass im Regelfall bereits die nachgewiesene einmalige Einnahme von Kokain oder Amphetamin die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 24.4.2002, NordÖR 2003, 123; Beschl. v. 24.1.2007, VRS 112, 308).
2. Die von dem Kläger unter Berufung auf Prof. D vertretene Rechtsauffassung zur Nichtigkeit des § 46 Abs. 1 FeV, soweit darin auf Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 der Fahrerlaubnisverordnung verwiesen wird, teilt das Beschwerdegericht nicht. Der geltend gemachte Wertungswiderspruch zu den gesetzlichen Vorschriften in §§ 24 a Abs. 2, 25 Abs. 1 StVG mit der Folge der Nichtigkeit des Verordnungsrechts besteht nicht. Die insoweit aufgeworfenen Fragen können als geklärt angesehen werden. Zwar ergibt sich aus §§ 24 a Abs. 2, 25 Abs. 1 Satz 2 StVG, dass der Gesetzgeber als Ahndung des Führens eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter der Wirkung eines Betäubungsmittels im Rahmen eines Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahrens neben der Geldbuße ein Fahrverbot als ausreichend ansieht. Im Verfahren über die Verhängung eines Fahrverbots nach § 25 StVG wird aber nicht über die Frage der Eignung eines Kraftfahrers entschieden, sondern die Möglichkeit eröffnet, eine erzieherische Nebenfolge zu verfügen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.1.1994, NJW 1994, 1672; VGH Mannheim, Beschl. v. 12.9.2005, VRS 109, 450 in Auseinandersetzung mit D ). Auch das Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 2 StVG hat wie andere Bußgeldverfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nicht die Frage der Eignung eines Kraftfahrers zum Führen von Kraftfahrzeugen zum Gegenstand; entsprechend entfalten Bußgeldentscheidungen nach § 3 Abs. 4 Satz 2 StVG für das behördliche Entziehungsverfahren auch nur insoweit Bindungswirkung, als sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage beziehen, nicht hingegen hinsichtlich der Eignungsfrage (vgl. VGH Mannheim, a. a. O.). Weil der Gesetzgeber in den Vorschriften der §§ 24 a Abs. 2, 25 Abs. 1 StVG den Bereich der Fahreignung nicht geregelt hat, können die Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung bei Betäubungsmittelkonsum dazu nicht in einem Normwiderspruch stehen (vgl. BVerwG, a. a. O. zur alten Rechtslage nach § 25 StVG und § 15b Abs. 1 StVO). Auch ein Wertungswiderspruch ist nicht feststellbar, weil die genannten Vorschriften mit der Sanktionierung eines Verhaltens bzw. mit der Entziehung der Fahrerlaubnis als Maßnahme der Gefahrenabwehr grundsätzlich andere Regelungsbereiche zum Gegenstand haben (vgl. Dauer in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2007, § 46 FeV, Rn. 2).
3. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 166 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.
Ende der Entscheidung
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