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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 05.03.2007
Aktenzeichen: 3 So 5/06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 162
Die Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts gehören nur dann zu den erstattungsfähigen notwendigen Aufwendungen eines Beteiligten im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO, wenn es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war, den nicht am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt mit der Vertretung zu beauftragen.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

3 So 5/06

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Jahnke, Kollak und Albers am 5. März 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 19. Dezember 2005 in der Gestalt des Abhilfebeschlusses vom 5. Januar 2006 geändert:

Die von der Beklagten an den Kläger zu 1 nach dem hinsichtlich der Kosten rechtskräftigen Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. März 2005 zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf EUR 2.025,15 (in Buchstaben: zweitausendfünfundzwanzig 15/100) nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 15. Juli 2005.

2. Die Beschwerde des Klägers zu 1 gegen den Abhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 5. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger zu 1 trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

4. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf EUR 1.376,32 festgesetzt.

Gründe:

Die von den beiden Beteiligten erhobenen Beschwerden sind gemäß §§ 146 Abs. 1 und 3, 147 Abs. 1 VwGO zulässig. Jedoch ist nur die Beschwerde der Beklagten auch in der Sache erfolgreich (I.). Die Beschwerde des Klägers zu 1 ist dagegen unbegründet (II.).

I. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 19. Dezember 2005 in der Gestalt des Abhilfebeschlusses vom 5. Januar 2006 insoweit, als mit ihm Reisekosten des Rechtsanwalts der Kläger in Höhe von EUR 522,68 für die erste und in Höhe von EUR 189,-- für die zweite Instanz (jeweils zuzügl. 16 % MwSt.) als erstattungsfähig anerkannt worden sind. Sie vertritt hierzu die Ansicht, dass die von dem Rechtsanwalt geltend gemachten Reisekosten nicht erstattungsfähig seien, da die Kläger gehalten gewesen seien, einen am Gerichtssitz ansässigen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu beauftragen. Im Übrigen seien die bei den Reisekosten berücksichtigten Übernachtungskosten in Höhe von EUR 160,79 für eine Übernachtung im "Raffles Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg" unangemessen hoch.

1. Die Beschwerde der Beklagten ist begründet, da die geltend gemachten Reisekosten des Rechtsanwalts (§ 28 BRAGO/§ 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 RVG i.V. mit Nr. 7004 bis 7006 des Vergütungsverzeichnisses (VV) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG) nicht zu den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Klägers zu 1 i.S. des § 162 Abs. 1 VwGO zählen. Als notwendige Aufwendungen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung sind nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO stets die Auslagen und Gebühren zu ersetzen, die ein Beteiligter dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt zu zahlen hat. Zu den Auslagen eines Rechtsanwalts gehören auch dessen Reisekosten, namentlich zur Wahrnehmung gerichtlicher Termine. Die Reisekosten des Rechtsanwalts sind jedoch nur erstattungsfähig, soweit sie i.S. des § 162 Abs. 1 VwGO notwendig sind (OVG Greifswald, Beschl. v. 10.1.1995, NVwZ-RR 1996, 238 f.). Dies ist der Fall, wenn es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war, einen Rechtsanwalt gerade mit Sitz an diesem Ort mit der Vertretung zu beauftragen. Maßgeblich sind die Verhältnisse in dem Zeitpunkt, zu dem der Beteiligte erstmals einen Rechtsanwalt beauftragt (Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 162 Rdnr. 66). Gemessen hieran hält es der Senat nicht für notwendig, dass der Kläger zu 1, der seinerzeit in Chile lebte (siehe dazu die beiden Schreiben des Bevollmächtigten vom 28. Februar 2002 an das Einwohner-Zentralamt und die Justizbehörde sowie seine Klageschrift vom 16. April 2003), einen Bevollmächtigten mit Sitz in Aachen beauftragt hat, um einen Rechtsstreit in Hamburg zu führen.

a) Die Beauftragung des auswärtigen Rechtsanwalts lässt sich nicht bereits damit rechtfertigen, dass zwischen ihm und dem Kläger zu 1 ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden habe, weil der Kontakt zwischen ihnen über einen dem Kläger zu 1 und seiner Ehefrau gut bekannten Rechtsanwalt aus London hergestellt worden sei. Denn die Empfehlung durch einen Rechtsanwaltskollegen begründet noch kein erhaltenswertes besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem empfohlenen Rechtsanwalt und seinem neuen Mandanten. Ein solches Vertrauen kann sich vielmehr erst im Laufe der anschließenden Tätigkeit des empfohlenen Rechtsanwalts entwickeln. Davon abgesehen ist auch zu berücksichtigen, dass die Einschätzung der Notwendigkeit in diesen Fällen stets subjektiv geprägt ist. Für einen Beteiligten mögen die zusätzlichen Reisekosten unerheblich erscheinen, solange er nur den Anwalt seines Vertrauens beauftragen kann. Doch muss er in diesem Fall bereit sein, diese Zusatzkosten auch dann selbst zu tragen, wenn dem Gegner die Prozesskosten auferlegt worden sind (BGH, Beschl. v. 12.12.2002, NJW 2003, 901, 902 f.).

b) Der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 1 für diesen bereits im Verwaltungsverfahren tätig war, stellt ebenso wenig einen guten Grund für die weitere Beauftragung des auswärtigen Rechtsanwalts dar. Denn aus der Sicht eines vernünftigen und kostenorientierten Beteiligten empfiehlt es sich, schon vorprozessual einen ortsansässigen Rechtsanwalt einzuschalten (BGH, Beschl. v. 12.12.2002, a.a.O., 903).

c) Auf die vom Prozessbevollmächtigten des Weiteren angeführte Möglichkeit, von Aachen aus grenznahe Informationsgespräche mit dem Kläger zu 1 in den Niederlanden führen zu können, kam es im maßgeblichen Zeitpunkt der Mandatserteilung im Februar 2002 nicht an, weil der Kläger zu 1 damals in Chile lebte und sich die Notwendigkeit von Informationsgesprächen nicht abzeichnete. Denn der Kläger zu 1 spricht Deutsch, ist schreibgewandt und er rechnete zudem nicht mit der Führung eines Gerichtsprozesses (siehe den Schriftsatz seines Bevollmächtigten v. 22.7.2005, Bl. 2).

d) Die vom Verwaltungsgericht angeführte Argumentation (vgl. dazu VGH München, Beschl. v. 1.9.1987, BayVBl. 1988, 58 f.) - die durch die Beauftragung eines nicht am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts bedingten Mehrkosten seien bis in Höhe der durch die Beauftragung eines Verkehrsanwalts zusätzlich anfallenden Kosten erstattungsfähig - ist vorliegend nicht tragfähig, da die Zuziehung eines Verkehrsanwalts für den Kläger zu 1 sachlich nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Bei der Prüfung, ob die Zuziehung eines Verkehrsanwalts erforderlich ist, ist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtstreits und die subjektiven Fähigkeiten der Beteiligten abzustellen (BGH, Beschl. v. 23.6.2004, BGHZ Bd. 159, 370, 374 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 162 Rdnr. 12).

Für den Kläger zu 1 kam es bei der umstrittenen Frage der angemessenen Befristung der Sperrwirkungen seiner Ausweisung und Abschiebung in tatsächlicher Hinsicht entscheidend darauf an, sein späteres Verhalten und die Beziehungen zu Familienangehörigen im Bundesgebiet darstellen zu können. Die hierzu erforderliche Beherrschung der deutschen Sprache und Schreibgewandtheit ist beim Kläger zu 1 gegeben, weil der Senat andernfalls in seinem Urteil vom 22. März 2005 (3 Bf 294/04) nicht auf die von ihm insoweit angefertigten Erklärungen einfach hätte Bezug nehmen können (siehe S. 28 UA). Außerdem ist dem Kläger zu 1 eine schriftliche Information über die rechtlichen Schwierigkeiten seines Falles zumutbar gewesen, da er rechtlich nicht unerfahren ist.

2. Infolgedessen reduzieren sich die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1 für die erste Instanz auf EUR 875,80 und für die zweite auf EUR 896,10. Die gesamten außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1 betragen somit EUR 2.363,50. Bei Anwendung der Kostenquote von 6/7 und unter Verrechnung des Erstattungsanspruchs der Beklagten in Höhe von EUR 0,71 ergibt sich ein Erstattungsanspruch des Klägers zu 1 gegen die Beklagte in Höhe von EUR 2.025,15.

II. Der Kläger zu 1 wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Abhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 5. Januar 2006 insoweit, als mit ihm Gebühren für die Erhöhung bei mehreren Auftraggebern gemäß § 6 Abs. 1 BRAGO/§§ 7, 13 RVG i.V. mit Nr. 1008 VV hinsichtlich des Vorverfahrens und beider gerichtlichen Instanzen in Höhe von insgesamt EUR 474,80 (zuzügl. 16 % MwSt.) nicht mehr in Ansatz gebracht worden sind. Er vertritt hierzu die Ansicht, die Erhöhungsgebühren zählten zu seinen außergerichtlichen Kosten, die nach der Kostengrundentscheidung im Urteil des OVG Hamburg vom 22. März 2005 zu 6/7 hinsichtlich des gesamten Verfahrens von der Beklagten zu tragen seien.

Die Beschwerde des Klägers zu 1 ist unbegründet, da nach der Kostengrundentscheidung des Senats im Urteil vom 22. März 2005 die Klägerinnen zu 2 und 3 jeweils ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen haben und dies nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden darf, dass der Kläger zu 1 - als obsiegender Streitgenosse - die vollen Kosten des gemeinsamen Bevollmächtigten von der Beklagten liquidieren darf, obwohl diese nach der Kostengrundentscheidung den Anteil der unterlegenen Streitgenossen - also hier den der Klägerinnen zu 2 und 3 - nicht zu erstatten hat. Der Senat folgt damit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der entschieden hat, waren Streitgenossen in einem Prozess, in welchem ein Streitgenosse obsiegt hat und ein anderer unterlegen ist, durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertreten, so kann der obsiegende Streitgenosse grundsätzlich nur den seiner Beteiligung am Rechtsstreit entsprechenden Bruchteil der Anwaltskosten von dem Prozessgegner erstattet verlangen (BGH, Beschl. v. 30.4.2003, NJW-RR 2003, 1217 f.; Beschl. v. 17.7.2003, NJW-RR 2003, 1507 f.). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist hier auch deshalb nicht zu machen, weil zu befürchten wäre, dass der Kläger zu 1 von den außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen zu 2 und 3 nicht auf Dauer und vollständig befreit bleiben würde (siehe dazu BGH, Beschl. v. 30.4.2003, a.a.O., 1218). Denn eine Zahlungsunfähigkeit der Klägerinnen zu 2 und 3 ist vom Kläger zu 1 nicht geltend gemacht worden.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3, 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GKG. Die Ansprüche betreffen hier nicht "denselben Gegenstand" i.S. des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, da sich die wechselseitigen Beschwerden auf verschiedene Teile derselben Forderung beziehen (Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. 2006, § 45 GKG Rdnr. 35). Die Ansprüche sind deshalb gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG zu addieren.

Ende der Entscheidung

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