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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 03.09.2008
Aktenzeichen: 3 So 55/08
Rechtsgebiete: WaffG, BZRG


Vorschriften:

WaffG § 5
BZRG § 54
BZRG § 56
Zu den Verurteilungen, die gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG die waffenrechtliche Zuverlässigkeit ausschließen, gehören (nach dem Ergebnis summarischer Prüfung) nicht auch ausländische Strafurteile. Gleiches gilt für die regelhafte Vermutung der Unzuverlässigkeit in Anknüpfung an strafrechtliche Verurteilungen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG.

Den Vorschriften in §§ 56 Abs. 1, 54 BZRG kann eine Gleichsetzung eingetragener ausländischer Strafurteile mit deutschen Strafurteilen mit Wirkung für die gesamte deutsche Rechtsordnung nicht entnommen werden.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

3 So 55/08

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Niemeyer und Bertram am 3. September 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 10. April 2008 geändert. Dem Kläger wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das Klageverfahren in erster Instanz bewilligt, soweit die Klage auf die Aufhebung des von der Beklagten mit Bescheid vom 18. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2007 verfügten Widerrufs waffenrechtlicher Erlaubnisse, der Anordnung des Unbrauchbarmachens oder des Überlassens an einen Berechtigten der in den Bescheiden genannten Waffen sowie dazugehöriger Munition und der Aufforderung zur Rückgabe der dort genannten Waffenbesitzkarte gerichtet ist. Im Übrigen wird die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Hinblick auf eine beim Verwaltungsgericht anhängige Klage, die sich im Wesentlichen gegen den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse richtet.

Der Kläger erhielt im Dezember 2000 als Sportschütze die waffenrechtliche Erlaubnis zum Besitz einer Pistole und eines Revolvers. Im August 2004 beantragte er die Erteilung eines Europäischen Feuerwaffenpasses. Am 8. September 2005 verurteilte ihn das Stadtgericht in Komarum/Ungarn wegen Waffenschmuggels zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung. Hintergrund der Verurteilung war eine in seinem Besitz befindliche Waffe, auf die sich die deutschen Erlaubnisse nicht bezogen; laut einem Vermerk des Landeskriminalamts in Hamburg vom 20. Juli 2004 war die Waffe im Mai/Juni 2001 bei einem schweren Diebstahl im Hamburger Freihafen abhanden gekommen. Der Kläger legte gegen die Verurteilung kein Rechtsmittel ein. Das Bundesamt für Justiz trug die Verurteilung in das Bundeszentralregister ein; die dagegen eingelegten Rechtsbehelfe des Klägers blieben ohne Erfolg.

Die Beklagte widerrief daraufhin die dem Kläger erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse, ordnete die Unbrauchbarmachung der im Besitz des Klägers befindlichen Waffen oder deren Überlassung an einen Berechtigten sowie die Rückgabe der Waffenbesitzkarte an und lehnte die Erteilung des Europäischen Feuerwaffenpasses ab; den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück. Sie stützte sich zur Begründung des Widerrufs auf die Verurteilung durch das ungarische Strafgericht, die gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) WaffG unwiderlegbar die fehlende waffenrechtliche Zuverlässigkeit des Klägers vermuten lasse. Dagegen richtet sich die von dem Kläger beim Verwaltungsgericht - mit dem angekündigten Antrag, den Ausgangs- und den Widerspruchsbescheid der Beklagten aufzuheben - erhobene Klage; außerdem hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender hinreichender Aussicht auf Erfolg der mit der Klage beabsichtigten Rechtsverfolgung abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers zu Recht gemäß § 45 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) WaffG widerrufen. Aufgrund der Verurteilung durch das ungarische Strafgericht stehe fest, dass der Kläger nicht mehr waffenrechtlich zuverlässig sei. Die Beklagte habe die nach § 54 BZRG im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilung zu Recht gemäß § 56 Abs. 1 BZRG wie eine Eintragung von Verurteilungen durch ein deutsches Strafgericht behandelt. Ebenfalls zu Recht sei die Beklagte von der Richtigkeit des rechtskräftigen Strafurteils und der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen ausgegangen. Es sei nicht ersichtlich, dass hier ein Sonderfall vorliege, in dem die Waffenbehörde ihrer Entscheidung ausnahmsweise nicht oder nicht ohne weitere Ermittlungen die strafgerichtlichen Feststellungen zugrunde legen dürfe.

II.

Die Beschwerde des Klägers hat überwiegend Erfolg.

Nach den Angaben des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, von deren Wahrhaftigkeit das Beschwerdegericht ausgeht, kann er die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).

In dem im Beschlusstenor dargestellten Umfang bietet die mit Klage beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO (2.). Dies ist hingegen nicht der Fall, soweit die Klage darauf gerichtet ist, den Bescheid der Beklagten vom 18. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2007 auch insoweit aufzuheben, als dort der Antrag des Klägers auf Erteilung eines Europäischen Feuerwaffenpasses abgelehnt worden ist (1.).

1. Soweit die Klage ihrem angekündigten Antrag nach darauf gerichtet sein soll, den Bescheid der Beklagten vom 18. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2007 insoweit (lediglich) aufzuheben, als dort der Antrag des Klägers auf Erteilung eines Europäischen Feuerwaffenpasses abgelehnt worden ist, dürfte sie bereits unzulässig sein. Soweit mit einer verwaltungsgerichtlichen Klage gegen die Versagung eines begünstigenden Verwaltungsakts vorgegangen werden soll, ist die Erhebung einer Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO) zwecks Erwirkens des begehrten Verwaltungsakts gegenüber der Erhebung einer - isolierten, also allein auf die Aufhebung des Versagungsbescheids gerichteten - Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO) das rechtsschutzintensivere und damit vorrangig zu verfolgende Rechtsmittel; eine isolierte Anfechtungsklage ist in Verpflichtungssituationen nur in - hier nicht einschlägigen - Ausnahmefällen zulässig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., 2007, § 42 Rn. 30).

2. Im Übrigen bietet die mit der Klage beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO.

a) Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussichten im Sinne des Prozesskostenhilferechts genügt bereits eine gewisse, nicht bloß entfernte Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der beabsichtigten Rechtsverfolgung. Denn die Prüfung der Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfeverfahren darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung seitens einer unbemittelten Partei unverhältnismäßig zu erschweren und die Gewährung der Prozesskostenhilfe von einem schon hoch wahrscheinlichen oder gar sicheren Prozesserfolg abhängig zu machen; die Rechtsverfolgung würde sonst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.1.1994, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 33). Der dem Gericht bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten zukommende Entscheidungsspielraum wird durch Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG begrenzt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.2.2004, NJW 2004, 1789). Diese Grenze wird überschritten, wenn dem Unbemittelten durch überspannte Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht der weitgehend gleiche Zugang zu Gericht ermöglicht wird wie dem Bemittelten (vgl. BVerfG, a. a. O.).

b) Nach diesem tendenziell großzügigen Maßstab kann der mit der Klage beabsichtigten Rechtsverfolgung die hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden.

aa) Soweit die Beklagte die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers wegen seiner in Ungarn erfolgten strafrechtlichen Verurteilung widerrufen hat, bestehen Zweifel an der Tragfähigkeit dieses rechtlichen Ansatzes, die für eine nicht bloß entfernte Erfolgswahrscheinlichkeit der dagegen gerichteten Klage genügen.

Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG die persönliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) des Antragstellers; der nachträgliche Wegfall dieser Zuverlässigkeit führt somit zum Widerruf der Erlaubnis.

aaa) Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, die rechtskräftig verurteilt worden sind wegen vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind. Sowohl die Beklagte als auch das Verwaltungsgericht in dem hier angefochtenen Beschluss haben angenommen, dass die im Jahr 2005 seitens des Gerichts in Komarum/Ungarn erfolgte Verurteilung des Klägers zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung wegen Waffenschmuggels als Verurteilung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) WaffG anzusehen sei. Das Beschwerdegericht hat Zweifel, ob diese - an die Verurteilung eines ausländischen Strafgerichts anknüpfende - Rechtsansicht zutrifft.

(1) Der Wortlaut von § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG lässt keinen Aufschluss zu, ob auch Verurteilungen ausländischer Strafgerichte umfasst sein sollen. Soweit in Buchstabe "a)" der Norm allerdings von der Verurteilung "wegen eines Verbrechens" die Rede ist, dürfte diese Regelung allein deutsche Strafurteile meinen können, da die insoweit einzig in Betracht kommende Legaldefinition in § 12 Abs. 1 StGB sich nur auf deutsche Strafnormen beziehen kann.

(2) Auch in Verbindung mit §§ 56 Abs. 1 Satz 1, 54 BZRG lässt sich nach der Einschätzung des Beschwerdegerichts (anders, als es sich für das Verwaltungsgericht dargestellt hat) nicht tragfähig darauf schließen, dass ausländische Strafurteile die Wertung fehlender waffenrechtlicher Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG begründen können sollen.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 BZRG werden nach § 54 BZRG im Bundeszentralregister eingetragene strafrechtliche Verurteilungen ausländischer Gerichte "bei der Anwendung dieses Gesetzes" wie Eintragungen von Verurteilungen durch deutsche Gerichte im Bundesgebiet behandelt. Die Verurteilung des Klägers durch das o. g. ungarische Gericht ist zwar gemäß § 54 BZRG im Bundeszentralregister eingetragen. Das Beschwerdegericht hält es aber für zweifelhaft, dass aus der Bestimmung des § 56 Abs. 1 BZRG gleichsam eine für die gesamte deutsche Rechtsordnung geltende Tatbestandswirkung folgen soll, die eine vorbehaltlose Gleichsetzung ausländischer Strafurteile mit deutschen Strafurteilen geböte. Gegen eine derart weitgehende Wirkung spricht bereits der Wortlaut von § 56 Abs. 1 Satz 1 BZRG, der die Gleichbehandlung deutscher und ausländischer Strafurteile ausdrücklich darauf beschränkt, dass dies "bei der Anwendung dieses Gesetzes" (also des BZRG) zu gelten hat. Ein verbindliches Ausfüllen sämtlicher Normen der deutschen Rechtsordnung, die Rechtsfolgen an strafrechtliche Verurteilungen knüpfen, liegt angesichts dessen nicht nahe. Gemeint sein dürfte eher die registerliche Behandlung von Eintragungen seitens der Registerbehörde, etwa im Hinblick auf die Tilgung von Eintragungen (§§ 45 ff. BZRG) oder auf die Erteilung von Auskünften (§§ 41 ff. BZRG).

Gegen eine aus § 56 Abs. 1 Satz 1 BZRG folgende materielle Ausstrahlung im Bundeszentralregister eingetragener Verurteilungen ausländischer Strafgerichte in das gesamte deutsche Recht spricht weiter der Umstand, dass andere deutsche Gesetze es ausdrücklich zulassen, an ausländische Verurteilungen negative Rechtsfolgen zu knüpfen (vgl. § 66 Abs. 4 Satz 5 StGB). Dies wäre nicht notwendig, wenn sich aus § 56 Abs. 1 Satz 1 BZRG eine generelle Gleichbehandlung deutscher und ausländischer Strafurteile im deutschen Recht ergäbe. Dem entspricht es, dass auch die Kommentierung (soweit sie sich mit dem Thema der Verwertbarkeit ausländischer Verurteilungen beschäftigt) zu § 53 Nr. 1 AufenthG (zwingende Ausweisung von Ausländern nach Verurteilungen zu Strafen in dort genannter Höhe) annimmt, Verurteilungen durch ausländische Strafgerichte seien insoweit nicht heranzuziehen, weil die zwingende Rechtsfolge der Ausweisung in alleiniger Anknüpfung an ein bestimmtes Strafmaß ihren Sinn und Zweck nur durch ihren Bezug zu einem bestimmten (dem deutschen) Strafstandard erhalte (vgl. Renner, AuslR, 8. Aufl. 2005, § 53 AufenthG, Rn. 6; Discher in: GK-AufenthG, Stand Januar 2007, § 53 Rn. 83).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Anforderungen in § 54 BZRG für die Eintragungsfähigkeit ausländischer Verurteilungen im Bundeszentralregister, da diese Voraussetzungen keine hinreichenden Rückschlüsse auf den Grad der Vergleichbarkeit der ausländischen Verurteilung (insbesondere des dort verhängten Strafmaßes) mit dem Strafstandard der Bundesrepublik Deutschland erlauben. Auch die darüber hinaus für eine Eintragung vorausgesetzte Einhaltung eines völkerrechtlich geforderten Mindestmaßes elementarer Verfahrensgerechtigkeit (fair trial) und der Vereinbarkeit der Verurteilung mit elementaren Grundsätzen des deutschen Verfassungsrechts (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 21.5.1987, 2 BvR 1170/83; KG, Beschl. v. 24.1.2000, 4 VAs 39/99, beide in juris; Götz/Tolzmann, BZRG, 4. Aufl. 2000, § 54, Rn. 37 ff.) dürften einen zu groben Filter darstellen, um zwingend von der Verurteilung und deren Strafmaß auf die Unzuverlässigkeit des Verurteilten nach Maßgabe des deutschen Verwaltungsrechts schließen zu können.

bbb) Ebenfalls zweifelhaft erscheint es, dass im vorliegenden Fall gemäß der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) WaffG auf die fehlende waffenrechtliche Zuverlässigkeit des Klägers geschlossen werden kann. Nach dieser Bestimmung besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind. Auch insoweit bestehen Bedenken, diese Vorschrift auf ausländische Strafverurteilungen zu beziehen.

(1) Auch hier gilt, dass der Wortlaut keinen Aufschluss vermittelt, dass unter "Verurteilungen" auch solche ausländischer Strafgerichte zu verstehen sein sollen. Soweit in Buchstabe "b)" von einer "fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat" die Rede ist, dürfte damit an das deutsche Strafrecht angeknüpft werden (vgl. §§ 15, 306 ff. StGB); die in Buchstabe "c)" aufgeführten Gesetze sind eindeutig solche des deutschen Rechts. Dass über die "vorsätzliche Straftat" in Buchstabe "a)" die Tür zur Regelvermutung der Unzuverlässigkeit wegen ausländischer Verurteilungen geöffnet werden soll, erscheint vor diesem Hintergrund wenig naheliegend, zumal die im deutschen Strafrecht wichtige Unterscheidung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit (vgl. § 15 StGB) nicht in allen ausländischen Strafrechtsordnungen von vergleichbarer Begrifflichkeit und Bedeutung sein muss.

(2) Auch bei der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG vorgeschriebenen regelhaften Vermutung der Unzuverlässigkeit in Anknüpfung an strafrechtliche Verurteilungen spricht einiges dafür, dass diese Anknüpfung ihre Tragfähigkeit aus dem Bezug zu einem bestimmten Strafstandard ableiten dürfte. Ob ein Gericht eine Freiheits- oder Geldstrafe verhängt, bzw. ob es eine Jugendstrafe ausspricht oder es bei Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln bewenden lässt, richtet sich nach den Wertungen und Vorgaben des jeweiligen Strafrechts (vgl. §§ 46, 47 StGB, §§ 5, 9 ff., 13 ff., 17 ff. JGG). Angesichts dessen bestehen im Bereich der regelhaft vorgegebenen Unzuverlässigkeitsvermutungen wegen strafrechtlicher Verurteilungen (die nicht nur im Waffenrecht vorkommen, vgl. etwa die Regelungen in §§ 33 c Abs. 2 Satz 2, 33 d Abs. 3 Satz 2, 33 i Abs. 2 Nr. 1, 34 b Abs. 4 Nr. 1 und 34 c Abs. 2 Nr. 1 GewO) im Hinblick auf die Anknüpfung an ausländische Verurteilungen ähnliche Bedenken wie bei der in § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG zwingend vorgeschriebenen Unzuverlässigkeitsvermutung.

Zwar erschiene es vom rechtlichen Ansatz her auch als denkbar, die Vergleichbarkeit des Strafrechts und der Strafprozessordnung des betreffenden ausländischen Staats mit der deutschen Rechtsordnung im Rahmen der Prüfung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG zu prüfen und daran anknüpfend ggf. einen Ausnahmefall anzunehmen. Eine solche Vorgehensweise dürfte allerdings mit der durch § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG vorgegebenen Prüfung schwerlich zu vereinbaren sein. Die Waffenbehörde und die Verwaltungsgerichte sollen bei der Anwendung dieser Bestimmung grundsätzlich von der Richtigkeit der Verurteilung und den ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen ausgehen dürfen; allenfalls in Sonderfällen gilt anderes, etwa wenn offensichtlich ist, dass die Verurteilung auf einem Fehler beruht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.4.1992, GewArch 1992, 314, 315). Die Prüfung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses durch die Waffenbehörden und die Verwaltungsgerichte wird ausgelöst, wenn (vorgetragene oder sonst bekannte) besondere Umstände der Tatbegehung entgegen der regelhaften Bewertung durch den Gesetzgeber darauf hindeuten könnten, dass der Verurteilte sich trotz der zugrunde liegenden Verfehlung als in waffenrechtlicher Hinsicht zuverlässig erweisen wird (vgl. Hinze, Waffenrecht, Stand Februar 2005, § 5 WaffG, Rn. 38). Auch dieses Prüfungsschema knüpft inhaltlich an Verurteilungen deutscher Strafgerichte an; die Vornahme rechtsvergleichender Untersuchungen zu strafrechtlichen und strafprozessualen Standards zwecks Prüfung der Frage, ob ein Ausnahmefall vorliegen könnte, dürfte diesen Rahmen sprengen.

ccc) Spricht somit einiges dafür, dass Verurteilungen durch ausländische Strafgerichte nicht die zwingende bzw. regelhafte Vermutung der Unzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG begründen, so bedeutet dies dennoch nicht, dass die ihnen zugrunde liegenden Umstände generell unbeachtlich oder unverwertbar sein müssen. Der Waffenbehörde, die gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 WaffG unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister erhält und dadurch auch von den gemäß § 54 BZRG eingetragenen Verurteilungen ausländischer Gerichte erfährt, bleibt es unbenommen, sich das Urteil (sei es durch Aufforderung zur Vorlage an den Verurteilten, sei es im Wege der Amtshilfe) zu verschaffen und die dort enthaltenen tatsächlichen Feststellungen waffenrechtlich dahingehend zu prüfen, ob sich daraus nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG Tatsachen ergeben, welche die Annahme rechtfertigen, dass die betreffende Person im Sinne dieser Vorschrift unsachgemäß mit Waffen oder Munition umgehen wird. Im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG dürften auch Sachverhalte, die sich im Ausland abgespielt haben, grundsätzlich berücksichtigungsfähig sein, soweit sie bei dem Betreffenden Rückschlüsse auf seinen Umgang mit Waffen oder Munition zulassen.

bb) Ob die Widerrufsentscheidung der Beklagten möglicherweise im Ergebnis aus anderen als den von der Beklagten und dem Verwaltungsgericht bisher zugrunde gelegten Gründen wird Bestand haben können, lässt sich im derzeitigen Verfahrensstadium aus der Sicht des Beschwerdegerichts weder ausschließen noch feststellen.

Als denkbar erscheint es etwa, dass der Kläger - seinen eigenen Vortrag zu den Umständen seiner Verurteilung in Ungarn zugrunde gelegt, vgl. die Klagebegründung mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2007 - den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) oder c) WaffG verwirklicht hat, indem er die (in dem dort von ihm bewohnten Haus befindliche) Pistole seiner damaligen Haushälterin überlassen hat, damit diese sie den Behörden überreiche, worauf hin sie statt dessen in einer Gastwirtschaft den Wirt, der ihr keinen Alkohol mehr ausschenken wollte, mit dieser Waffe bedroht hat (vgl. die Beschwerdebegründung vom 2.5.2008, S. 2). Wer sich derart in einem Staat verhält, der unerlaubten Waffenbesitz (offenbar nicht weniger streng als die Bundesrepublik Deutschland) strafrechtlich ahndet, schafft möglicherweise Tatsachen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) oder c) WaffG. Da die Beklagte den Widerruf aber nicht hierauf gestützt hat und der Kläger dementsprechend insoweit bisher nicht angehört worden ist, lässt sich derzeit nicht hinreichend sicher beurteilen, ob der Widerruf unter diesem Gesichtspunkt Bestand haben könnte.

cc) Hat die Klage somit im Sinne des Prozesskostenhilferechts hinreichende Aussicht auf Erfolg hinsichtlich des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse, so erstreckt sich diese Erfolgsaussicht auch auf die weiteren von der Beklagten verfügten Regelungen, die an den Widerruf anknüpfen.

3. Die Beiordnung des Klägervertreters beruht auf § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2, 1. Alt. ZPO.

4. Eine Kostenentscheidung ist in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht veranlasst (vgl. § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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