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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 11.05.2007
Aktenzeichen: 3 So 64/06
Rechtsgebiete: GG, VwGO
Vorschriften:
GG Art. 19 Abs. 4 | |
VwGO § 146 Abs. 1 |
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss
15 K 585/04
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Jahnke und Kollak am 11. Mai 2007 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Kläger wird ihnen für das Klagverfahren in erster Instanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwalt bewilligt.
Gründe:
Die Beschwerde der Kläger hat Erfolg. Ihnen ist für das Klagverfahren in erster Instanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die Kläger können nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen, und die mit der Klage beabsichtigte Rechtsverfolgung bot hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des Prozesskostenhilferechts (§§ 166 VwGO, 114 ZPO).
1. Die Beschwerde ist statthaft, obwohl ein die Prozesskostenhilfe versagender Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht vorliegt.
Zwar wird eine Beschwerde, die sich gegen die Unterlassung einer Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag richtet, von einem Teil der Rechtsprechung grundsätzlich als nicht statthaft angesehen, weil nach § 146 Abs. 1 Satz 1 VwGO ausschließlich förmliche Entscheidungen des Verwaltungsgerichts beschwerdefähig sein sollen (vgl. insbesondere VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.3.2003, NVwZ 2003, 1541, m. weit Nachw.). Nach anderer Ansicht soll die Anrufung der Rechtsmittelinstanz insbesondere im Prozesskostenhilfeverfahren dagegen statthaft sein, wenn die Untätigkeit des Verwaltungsgerichts einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK darstellt (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 27.1.2000, NVwZ 2000, 693, m. weit. Nachw.; offen gelassen: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.11.2006, 4 L 33.06, Juris, mit weit. Nachw.). Jedenfalls bei einer ausdrücklichen Weigerung des Ver-waltungsgerichts, einen gestellten oder vermeintlich gestellten Prozesskostenhilfe-Antrag überhaupt zu bescheiden, muss wegen der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und aus praktischen Erwägungen jedoch die Möglichkeit bestehen, sich gegen eine solche Untätigkeit zur Wehr zu setzen, ohne dass deswegen sofort das Bundes-verfassungsgericht angerufen werden muss. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben.
Ob die Kläger in der mündlichen Verhandlung am 1. Februar 2006 im Hinblick auf die nach ihrer Auffassung verbesserten Erfolgsaussichten ihrer Klage - erneut - mündlich einen nicht protokollierten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt haben, kann dabei dahin gestellt bleiben. Denn die Bescheidungsbedürftigkeit des gestellten oder vermeintlich gestellten Antrags lässt sich jedenfalls aus dem nach der mündlichen Verhandlung verfassten Schriftsatz der Kläger vom 1. Februar 2006 entnehmen. Die Kläger führen in dem Schriftsatz aus, dass und warum sie in der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt haben. Hierauf hätte das Verwaltungsgericht mit einem förmlichen Beschluss reagieren müssen. Auf die in einem weiteren Schriftsatz der Kläger ausdrücklich geäußerte Bitte, über den in der mündlichen Verhandlung gestellten und mit Schriftsatz vom selben Tage näher erläuterten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden, hat das Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 4. April 2006 den Klägern aber nur mitgeteilt, dass in der mündlichen Verhandlung lediglich Gegenvorstellung gegen den (früheren) ablehnenden Prozesskostenhilfe-Beschluss erhoben worden war; wegen des klagabweisenden Urteils sei eine Bescheidung dieses Begehrens nicht mehr veranlasst. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens lehnte das Verwaltungsgericht es zudem ab, über eine Abhilfe zu entscheiden, weil der Beschwerde der Kläger keine rechtsmittelfähige Entscheidung über einen neuen Prozesskostenhilfe-Antrag zugrunde gelegen habe.
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
a) Die Kläger haben rechtzeitig vor Abschluss der ersten Instanz mit Schriftsatz vom 1. Februar 2006 einen formell ausreichenden Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war eine Bindungswirkung des Gerichts an sein Urteil vom 1. Februar 2006 noch nicht eingetreten. Denn die Entscheidung sollte den Klägern zugestellt werden, was am 2. März 2006 geschah und wodurch erst die Bindungswirkung des Gerichts an seine Entscheidung eintrat. Aus einem begründeten ablehnenden Prozesskostenhilfe-Beschluss aufgrund ihres Schriftsatzes vom 1. Februar 2006 hätten die Kläger noch prozessuale Konsequenzen für ihre Klage ziehen können.
b) Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussichten im Sinne des Prozesskostenhilferechts genügt bereits eine gewisse, nicht bloß entfernte Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der beabsichtigten Rechtsverfolgung. Nach diesem Maßstab hatte die Klage hinreichende Erfolgsaussichten. Es kam nicht bloß entfernt in Betracht, dass - beiden - Klägern eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG zu erteilen ist, weil ihre Ausreise wegen der Dialysebedürftigkeit des Klägers zu 1) im Hinblick auf § 60 Abs. 7 AufenthG und Art. 6 Abs. 1 GG aus rechtlichen Gründen auf absehbare Zeit unmöglich sein könnte (vgl. den Beschluss vom 11. Mai 2007 im Verfahren der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. Februar 2006, 3 Bf 111/06.Z).
3. Eine Kostenentscheidung für das vorliegende Beschwerdeverfahren ist im Hinblick auf die entsprechende Anwendung von § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.
Ende der Entscheidung
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