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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.05.2007
Aktenzeichen: 4 Bs 241/06
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 4 Abs. 5
AufenthG § 84 Abs. 1
§ 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist einschränkend dahin auszulegen, dass die Vorschrift nur für konstitutive Aufenthaltstitel gilt, nicht aber für die Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 5 AufenthG.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

4 Bs 241/06

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 4. Senat, durch den Richter Pradel, die Richterin Dr. Thies und den Richter Dr. Kränz am 9. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 7. August 2006 geändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Antragsteller vor Ablauf eines Monats nach Zustellung einer Entscheidung über den Widerspruch gegen die Verfügung vom 6. Februar 2006 abzuschieben.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin tragen die Kosten des gesamten Verfahrens je zur Hälfte.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat mit der aus dem Tenor ersichtlichen Einschränkung Erfolg.

Die vom Antragsteller gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO dargelegten Beschwerdegründe sind geeignet, die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in Frage zu stellen (1.). Die danach gebotene umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass dem Antragsteller einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren ist (2.).

1. Der im Jahre 1980 in Deutschland geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Als Kleinkind reiste er mit seinen Eltern in die Türkei aus und kehrte im Jahre 1986 allein wieder nach Deutschland zurück. Hier wuchs er ohne weitere Unterbrechung bei seiner im Erwerbsleben beschäftigten türkischen Großmutter auf, die das Sorgerecht für den Antragsteller ausübte. Kurz vor Vollendung des 16. Lebensjahres beantragte er die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die im Hinblick auf damals schon rechtskräftige Jugendstrafen mit bestandskräftiger Verfügung vom 16. Februar 1998 unter Androhung der Abschiebung abgelehnt wurde. Der Antragsteller entzog sich der Abschiebung und beantragte im Jahre 2005 bei der Antragsgegnerin, die Verfügung vom 16. Februar 1998 zurückzunehmen und ihm im Hinblick auf ein von seiner Großmutter abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Das lehnte die Antragsgegnerin mit Verfügung vom 6. Februar 2006 ab. Sie wies ihn darin im Hinblick auf neue strafrechtliche Verurteilungen ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung aus dem Bundesgebiet aus und lehnte es ab, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Im Übrigen wies sie ihn darauf hin, dass er auf Grund der Verfügung vom 16. Februar 1998 vollziehbar ausreisepflichtig sei und gemäß § 58 AufenthG abgeschoben werden könne.

Das Verwaltungsgericht hat es abgelehnt, dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen die Verfügung vom 6. Februar 2006 zu gewähren. Es hat offen gelassen, ob das Rechtsschutzbegehren nach § 80 Abs. 5 VwGO oder nach § 123 VwGO zu beurteilen sei. Selbst wenn sich der Antragsteller auf ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei (ARB 1/80) berufen könnte und sein Aufenthalt im Bundesgebiet rechtmäßig sei, dürfte die Antragsgegnerin ihm die begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG zu Recht versagt haben. Die Ausweisung habe dieses Recht zum Erlöschen gebracht. Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sei die Ausweisung wirksam. Das gelte auch dann, wenn die sofortige Vollziehung der Ausweisung nicht gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO besonders angeordnet worden sei. Die sowohl auf § 53 Nr. 2 und § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG als auch auf zusätzliche Ermessenserwägungen gestützte Ausweisung werde den Anforderungen gerecht, die an die Ausweisung eines ARB-Berechtigten zu stellen seien und dürfte sich auch sonst als rechtmäßig erweisen. Da das Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 nicht mehr bestehe, sei der Antragsteller gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig. Die Ausreisepflicht sei gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar, weil die Versagung des Aufenthaltstitels vollziehbar sei (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).

Der Antragsteller legt mit seiner Beschwerde Gründe dar (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), die geeignet sind, die Richtigkeit dieser Entscheidung in Frage zu stellen. Er beruft sich auf das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 und weist darauf hin, dass er es unabhängig von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besitze. Die nach § 4 Abs. 5 AufenthG erforderliche Aufenthaltserlaubnis habe nur deklaratorische Bedeutung. Sie werde nur "ausgestellt" und wirke nicht konstitutiv. Wegen dieser nur deklaratorischen Wirkung erscheine es zweifelhaft, ob § 84 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hier zum Tragen kommen und die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht begründen könne. Solange die Antragsgegnerin nicht die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet habe, besitze sein Widerspruch aufschiebende Wirkung.

Mit diesem Vorbringen genügt der Antragsteller seiner Darlegungspflicht. Er zeigt auf, dass es aus assoziationsrechtlichen Gründen bedenklich sein könnte, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet mit sofortiger Wirkung zu beenden. Da das Verwaltungsgericht die Vorschrift des § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG problemlos auf den vorliegenden Fall angewandt hat, in dem es - wie der Antragsteller zu Recht geltend macht - nicht um die Erteilung eines konstitutiven Aufenthaltstitels, sondern um die Ausstellung einer nur deklaratorischen Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG geht, und die sich aus § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ergebenden Konsequenzen im Hinblick auf die Tragweite des Aufenthaltsrechts nach dem ARB 1/80 nicht besonders bedacht hat, bedurfte es auf Seiten des Antragstellers für seinen auf das Assoziationsrecht gestützten gegenteiligen Rechtsstandpunkt keiner noch eingehenderen Begründung.

2. Die danach gebotene umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage gebietet es, dem Antragsteller gemäß § 123 VwGO einstweiligen Rechtsschutz vor Abschiebung zu gewähren. Denn er ist nicht vollziehbar ausreisepflichtig.

Es ist gut möglich, dass sich der Antragsteller auf ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen kann (a). Es kann offen bleiben, ob dieses Aufenthaltsrecht durch Ausweisung erloschen und der Antragsteller deshalb ausreisepflichtig ist. Jedenfalls fehlt es insoweit an der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht (b). Vollziehbar ausreisepflichtig ist der Antragsteller auch nicht dadurch geworden, dass er die beantragte Aufenthaltserlaubnis nicht erhalten hat (c). Vorläufiger Rechtsschutz ist mit der zeitlichen Beschränkung zu gewähren, dass der Antragsteller zumindest nicht vor Ablauf eines Monats nach Zustellung einer Entscheidung über seinen Widerspruch abgeschoben werden darf (d).

a) Es ist gut möglich, dass sich der Antragsteller auf ein von seiner Großmutter abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 berufen kann. Dieses Aufenthaltsrecht setzt voraus, dass der Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers die Genehmigung erhalten hat, zu ihm zu ziehen. Diese Voraussetzungen dürften hier gegeben sein. Die fortlaufend im Bundesgebiet beschäftigte Großmutter des Antragstellers dürfte nach den vom Antragsteller belegten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört und ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besessen haben. Zu ihren Familienangehörigen gehörten seinerzeit entsprechend Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 vom 15. Oktober 1968 (ABl. L 257 S. 2) die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt waren oder denen Unterhalt gewährt wurde, also bei häuslicher Gemeinschaft auch das Enkelkind (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 14.1.2005, InfAuslR 2005, 238; vgl. heute auch Art. 2 Nr. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/38/EG vom 29.4.2004, ABl. L 229 S. 35). Der Antragsteller dürfte im Sinne des Art. 7 ARB 1/80 auch die Genehmigung erhalten haben, zu seiner Großmutter zu ziehen. Allerdings wurde ihm für die Wiedereinreise in das Bundesgebiet im Jahre 1986 nicht ausdrücklich eine Erlaubnis erteilt. Seine Einreise erfolgte gleichwohl erlaubt. Nach der seinerzeit noch geltenden Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 1 AuslG 1965 bedurften Ausländer, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet keiner Aufenthaltserlaubnis. Diese erlaubnisfreie Einreise ist einer Zuzugsgenehmigung nach Art. 7 ARB 1/80 gleichzustellen (ebenso VGH Kassel, Beschl. v. 29.3.1995, InfAuslR 1995, 279 m.w.N.; a.A. OVG Hamburg, Beschl. v. 13.9.1995, Bs V 85/95, juris). Die Befreiung vom Erfordernis der Aufenthaltserlaubnis setzte auch nicht voraus, dass sich das Kind zusammen mit seinen Eltern im Bundesgebiet aufhielt (VGH Mannheim, Urt. v. 16.2.1995 - juris). Das so begründete Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 ging nicht dadurch wieder verloren, dass der Antragsteller inzwischen volljährig geworden bzw. zu Freiheitsstrafen verurteilt worden ist (vgl. EuGH, Urt. v. 16.3.2000, DVBl. 2000, 691; v. 11.11.2004, DVBl. 2005, 103).

b) Es kann offen bleiben, ob dieses Aufenthaltsrecht durch Ausweisung erloschen ist. Ein Erlöschen käme in Betracht, wenn § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG auf Berechtigte nach dem ARB 1/80 Anwendung finden würde. Nach dieser Vorschrift lassen Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsakts, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Bedenken gegen eine Anwendbarkeit des § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG auf Berechtigte nach dem ARB 1/80 könnten sich daraus ergeben, dass die Vorschrift des § 84 AufenthG gemäß § 11 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU nicht für Unionsbürger gilt, der gemeinschaftsrechtliche Ausweisungsschutz für nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigte Türken jedoch möglichst in gleicher Weise ausgestaltet sein sollte wie für freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.8.2004, BVerwGE 121, 315, 320 ff.). Diese Bedenken können indessen dahinstehen. Selbst wenn das Aufenthaltsrecht durch eine wirksame Ausweisung nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erloschen und der Antragsteller deshalb gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG zur Ausreise verpflichtet sein sollte, wäre die Ausreisepflicht nicht vollziehbar. Gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn der Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist. Die Ausweisung ist indessen nicht vollziehbar, weil die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung nicht gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse besonders angeordnet hat.

c) Eine vollziehbare Ausreisepflicht ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragsgegnerin es abgelehnt hat, dem Antragsteller gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis auszustellen.

Wer ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzt, bedarf nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG keines Aufenthaltstitels. Er ist nach § 4 Abs. 5 AufenthG lediglich verpflichtet, das Bestehen seines Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, die ihm auf Antrag ausgestellt wird. Mit diesen Vorschriften wird der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften Rechnung getragen (vgl. Urt. v. 16.3.2000, InfAuslR 2000, 217), wonach ARB-Berechtigte ein europarechtliches Aufenthaltsrecht besitzen. Es besteht unabhängig von der Aufenthaltserlaubnis. Diese besitzt nur deklaratorische Bedeutung. Das Aufenthaltsgesetz trägt dem dadurch Rechnung, dass die Aufenthaltserlaubnis für ARB-Berechtigte nicht - wie anderen Ausländern - konstitutiv "erteilt" (§ 5 AufenthG), sondern schlicht "ausgestellt" wird (§ 4 Abs. 5 Satz 2 AufenthG). Daraus ergibt sich, dass der Bestand des Aufenthaltsrechts nicht von der Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis abhängig ist. Wird die Ausstellung versagt, ändert dies am Fortbestand des Aufenthaltsrechts nichts. Der Berechtigte wird dadurch insbesondere nicht ausreisepflichtig im Sinne des § 50 Abs. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist der ARB-Berechtigte ausdrücklich (erst) zur Ausreise verpflichtet, wenn das Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 nicht oder nicht mehr besteht.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift haben Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels keine aufschiebende Wirkung. Die fehlende aufschiebende Wirkung führt dazu, dass die nach § 50 Abs. 1 AufenthG bestehende Ausreisepflicht gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar wird. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist assoziationsrechtskonform einschränkend dahin auszulegen, dass die Vorschrift nur für konstitutive Aufenthaltstitel gilt, nicht aber für die Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG. Dafür spricht schon der Wortlaut der Vorschrift, in der von "Erteilung" und "Aufenthaltstitel" die Rede ist. Mit diesen Begriffen werden die Anforderungen umschrieben, denen gemäß § 4 Abs. 1 AufenthG sonstige Ausländer unterworfen sind, während den Berechtigten nach dem ARB 1/80, die schon im Besitz eines Aufenthaltsrechts sind, nach § 4 Abs. 5 AufenthG kein Titel erteilt, sondern nur ein Papier ausgestellt wird. Die Vorschrift des § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG lässt sich ferner sinnvoll nur auf konstitutive Aufenthaltstitel anwenden. Das zeigt sich an den im Zusammenhang mit § 50 Abs. 1 und § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG stehenden Rechtsfolgen. Die Versagung des konstitutiven Aufenthaltstitels führt gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG zum Verlust des Aufenthaltsrechts und zur Ausreisepflicht. Beide Rechtsfolgen treten nicht ein, wenn es allein an einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG fehlt. Auch der mit § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verfolgte Gesetzeszweck, die Ausreisepflicht vollziehbar zu machen, lässt sich bei der Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG nicht verwirklichen, weil es bei Versagung der Aufenthaltserlaubnis dort schon an der Ausreisepflicht fehlt. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG findet damit auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG keine Anwendung (vgl. VG Karlsruhe, Beschl. v. 29.5.2006 - juris; a.A. Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, Komm., § 84 Rdnr. 14; Jakober/Welte, AuslG, Komm., § 72 Rdnr. 13) und lässt den Bestand des Aufenthaltsrechts nach dem ARB 1/80 unberührt.

Diese Erwägungen haben entsprechend auch insoweit zu gelten, als dem Antragsteller bereits zuvor mit Verfügung vom 16. Februar 1998 eine Aufenthaltserlaubnis versagt worden war. Gegenstand der Prüfung im damaligen Widerspruchsverfahren war auch das Bestehen eines Aufenthaltsrechts nach dem ARB 1/80, wie sich aus dem Widerspruchsbescheid vom 26. August 2002 ergibt. Dass dem Antragsteller die Aufenthaltserlaubnis versagt wurde, änderte am Bestand seines Aufenthaltsrechts nichts.

d) Bei dieser Sach- und Rechtslage ist dem Antragsteller gemäß § 123 VwGO Abschiebungsschutz zu gewähren.

Eine Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung vom 6. Februar 2006 - wie vom Antragsteller bis zum Zeitpunkt des § 80 b VwGO beantragt - kommt nicht in Betracht. Zum einen besitzt sein Widerspruch ohnehin gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung, soweit er sich gegen die Ausweisung richtet. Zum anderen lässt sich die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung nicht mit der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs beseitigen, der nur gegen die Verfügung vom 6. Februar 2006 gerichtet ist. Die Verfügung vom 6. Februar 2006 enthält keine selbstständige Abschiebungsandrohung. Dort wird nur auf die bestandskräftige Abschiebungsandrohung in der Verfügung vom 16. Februar 1998 verwiesen. Rechtsschutz gegen diese Abschiebungsandrohung ist nur noch dadurch zu erreichen, dass der Antragsgegnerin gemäß § 123 VwGO untersagt wird, den Antragsteller abzuschieben. Es erscheint sachgerecht, das Rechtsschutzbegehren in diesem Sinne auszulegen (§ 88 VwGO).

Abschiebungsschutz kann dem Antragsteller allerdings nur mit der aus dem Beschlusstenor ersichtlichen zeitlichen Einschränkung bis maximal einen Monat nach Zustellung einer Entscheidung über den Widerspruch gewährt werden, weshalb die Beschwerde zum Teil erfolglos bleiben muss. Die Antragsgegnerin hat ihre Verfügung im Widerspruchsverfahren auch hinsichtlich der Ermessenserwägungen noch einmal voll zu überprüfen. Dabei hat sie alle seit Erlass der Verfügung vom 6. Februar 2006 eingetretenen neuen Umstände, die für ihre Entscheidung erheblich sein können, zu berücksichtigen. Dem soll nicht vorgegriffen werden. Sollte die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Ausweisung im Widerspruchsbescheid besonders anordnen, könnte der Antragsteller dagegen erneut um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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