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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: 4 Bs 388/04
Rechtsgebiete: GG, SGB VIII


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
SGB VIII § 79 Abs. 1
SGB VIII § 80 Abs. 1
1.) Zu den Voraussetzungen, unter denen das Finanzierungskonzept der sog. Sozialraumbudgetierung in die Berufsausübungsfreiheit eines an diesem Konzept nicht beteiligten Trägers der freien Jugendhilfe eingreift.

2.) Für einen derartigen Eingriff enthält das SGB VIII nicht die erforderliche gesetzliche Grundlage.


4 Bs 388/04

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 4. Senat, durch die Richter Pradel und Pauly sowie die Richterin Haase am 10. November 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 5. August 2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin, ein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe, begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegnerin vorläufig untersagt werden soll, ihr Finanzierungskonzept der Sozialraumbudgetierung im Bereich des Bezirksamts Bergedorf zu praktizieren.

Im Rahmen dieses neuartigen Finanzierungskonzepts schloss die Antragsgegnerin nach vorheriger Durchführung eines im Amtlichen Anzeiger bekannt gegebenen Interessenkundgebungsverfahrens im März 2004 mit den Beigeladenen, fünf anderen anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe, regionale Versorgungs- und Kooperationsverträge. Darin verpflichteten sich die Beigeladenen dazu, die erforderliche Infrastruktur zur Erbringung von Leistungen der Jugendhilfe nach §§ 29 bis 32 und 35 SGB VIII zu erbringen. Als Gegenleistung verpflichtete sich die Antragsgegnerin zur Zahlung eines pauschalen Jahresbudgets, mit dem die Beigeladenen die ihnen übertragenen Hilfeleistungen zu erbringen haben. Erklärtes Ziel der Antragsgegnerin ist es, 90 % der ambulanten und teilstationären Hilfen zur Erziehung im Bereich des Bezirksamts Bergedorf durch die Beigeladenen abzudecken. Für den Fall einer das Budget übersteigenden Nachfrage an Hilfen haben die Antragsgegnerin und die Beigeladenen eine "Überlastquote" von 10 % vereinbart. Bei besonderen Fallgestaltungen, die nach Schätzung der Antragsgegnerin etwa 10 % der Hilfeleistungen ausmachen werden, können auch andere Träger der freien Jugendhilfe an der Hilfe zur Erziehung beteiligt werden.

Mit ihrem Konzept der sozialraumorientierten Finanzierung verfolgt die Antragsgegnerin das Ziel, die Jugendhilfe effektiver und kostengünstiger zu gestalten. Die Antragstellerin sieht hierin eine unzulässige Beeinflussung des Wettbewerbs unter den Trägern der freien Jugendhilfe und damit eine Beeinträchtigung ihrer durch Art. 12 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die Antragstellerin habe in der gemäß §§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO erforderlichen Weise glaubhaft gemacht, dass ihr der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zustehe. Mit ihrem sozialraumorientierten Finanzierungskonzept greife die Antragsgegnerin in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin ein (BVerwG, Urt. v. 17.12.1991, BVerwGE 89, 281). Einer solchen Annahme stehe nicht entgegen, dass die im Bereich des Bezirksamts Bergedorf für Hilfe zur Erziehung zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu 100 % an die von der Antragsgegnerin ausgewählten Leistungserbringer verteilt würden, da die Marktchancen der Antragstellerin jedenfalls nennenswert beeinträchtigt seien. Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit sei auch nicht gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes gerechtfertigt. Insbesondere enthalte das SGB VIII keine Vorschriften, die es dem Jugendamt gestatteten, Hilfen zur Erziehung exklusiv an bestimmte Leistungserbringer zu vergeben und damit die übrigen Träger der freien Jugendhilfe zu übergehen. Auch das Bestreben der Antragsgegnerin, die Kosten der Hilfe zur Erziehung, die in den letzten zehn Jahren erheblich angestiegen seien, zu vermindern, vermöge das neue Finanzierungskonzept nicht zu rechtfertigen. Zwar sei diese Zielsetzung nicht zu beanstanden. Sie müsse indes mit den rechtlich zulässigen Mitteln verwirklicht werden. Dafür biete sich vor allen Dingen eine verstärkte fachliche Steuerung durch die Jugendämter im Hilfeplanverfahren gemäß § 36 SGB VIII an.

Der gemäß §§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO erforderliche Anordnungsgrund sei ebenfalls gegeben. Mit der Durchführung des in Rede stehenden Finanzierungskonzepts würden die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Marktchancen der Antragstellerin erheblich beeinträchtigt werden. Es bestehe die Gefahr, dass die Antragstellerin in einem nicht unerheblichen Umfange als Leistungserbringer von vornherein ausfalle und damit nachhaltig und längerfristig vom Markt verdrängt werde. Dies zu verhindern, gebiete der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes.

II.

Die hiergegen nach rechtzeitiger Beschwerdeerhebung innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragenen Beschwerdegründe, die das Oberverwaltungsgericht nur prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), sind nicht geeignet, die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ernstlich in Frage zu stellen.

Die Antragsgegnerin wendet sich in erster Linie gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sie mit ihrem sozialraumorientierten Finanzierungskonzept in das Grundrecht der Antragstellerin auf freie Berufsausübung eingreife. Sie macht demgegenüber geltend, dass dieses Finanzierungskonzept nicht dazu diene, die Antragstellerin und andere Träger der freien Jugendhilfe zu reglementieren, zu beschränken und zu verdrängen und dass es demzufolge an der für einen Eingriff in die Berufsausübung erforderlichen Intention fehle. Damit kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Bundesverwaltungsgerichts setzt die Annahme eines Eingriffs in das Grundrecht der Berufsausübung nicht zwingend voraus, dass eine Beeinträchtigung der Berufsausübung bezweckt ist. Ein Eingriff in den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit liegt vielmehr schon dann vor, wenn das betreffende hoheitliche Handeln aufgrund seiner tatsächlichen Auswirkungen die Berufsfreiheit lediglich mittelbar beeinträchtigt und insoweit eine deutlich erkennbare berufsregelnde Tendenz oder eine voraussehbare und in Kauf genommene schwerwiegende Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit zur Folge hat. Davon ist (u.a.) auszugehen, wenn durch hoheitliches Handeln der Wettbewerb beeinflusst wird und Konkurrenten deutlich benachteiligt werden (BVerfGE 13, 181 f.; BVerfGE 46, 120, 137 f.; BVerfGE 86, 28, 37; BVerwGE 71, 183; BVerwGE 89, 281, 283; vgl. ferner Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl., Art. 12 Rdnr. 15).

Gemessen an diesen Grundsätzen, von denen das Bundesverfassungsgericht nicht, wie die Antragsgegnerin geltend macht, in seinem Urteil vom 26. Juli 2002 (NJW 2002, 2621 - Warnung vor Glykolwein) abgewichen ist und die das Bundesverwaltungsgericht in der von der Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren zur Akte gereichten Entscheidung vom 13. Mai 2004 (BVerwG 3 C 45.03, NJW 2004, 3134) noch einmal ausdrücklich bestätigt hat, greift die Antragsgegnerin mit ihrem sozialraumorientierten Finanzierungskonzept durch Beeinflussung des Wettbewerbs unter den Trägern der freien Jugendhilfe in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin ein.

Vieles spricht bereits dafür, dass es sich hierbei um einen gezielten Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin (und anderer freier Träger der freien Jugendhilfe) handelt, weil mit der Vergabe von 90 % aller Hilfen zur Erziehung im Bereich des Bezirksamts Bergedorf an die Beigeladenen zwangsläufig ein erheblicher Konkurrenznachteil für die Antragstellerin verbunden ist. Diese Frage kann aber dahingestellt bleiben. Denn der Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit setzt, wie ausgeführt, kein zielgerichtetes hoheitliches Handeln voraus. Es genügt vielmehr, dass durch hoheitliches Handeln der Wettbewerb voraussehbar beeinflusst und der Eingriff in die Berufsfreiheit damit in Kauf genommen wird. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:

Die in Rede in stehenden Hilfen zur Erziehung gemäß §§ 29 bis 32 und 35 SGB VIII werden, sofern sie das Jugendamt nicht selbst erbringt, was selten geschieht (vgl. § 4 Abs. 2 SGB VIII), im Rahmen eines jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses erbracht (vgl. Münder, Sozialraumorientierung aus rechtlicher Sicht, ZfJ 2002, 416). Der Leistungsberechtigte (d.h. der Personensorgeberechtigte, § 27 Abs. 1 SGB VIII) hat sich zunächst mit seinem Hilfebegehren an das Jugendamt als den Leistungsverpflichteten (§ 3 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII) zu wenden. Ein Recht, sich die Hilfeleistung unmittelbar durch einen Leistungserbringer (d.h. einen Träger der freien Jugendhilfe) zu verschaffen und im Anschluss daran von dem Jugendamt Kostenerstattung zu verlangen, steht ihm nicht zu (BVerwG, Urt. v. 29.9.2000, BVerwGE 112, 98). Das Jugendamt benennt sodann im Rahmen des Hilfeplanverfahrens gemäß § 36 SGB VIII einen geeigneten Träger der freien Jugendhilfe, mit dem der Leistungsberechtigte eine privatrechtliche Leistungs- und Entgeltsvereinbarung trifft, und erklärt sich dem Leistungsberechtigten gegenüber zur Übernahme der durch die Hilfeleistung entstehenden Kosten bereit. Bei der Benennung eines geeigneten Trägers der freien Jugendhilfe hat das Jugendamt zwar grundsätzlich das Recht des Leistungsberechtigten, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen, zu beachten (§ 5 Abs. 1 SGB VIII). Es übt indes im Rahmen des Hilfeplanverfahrens in aller Regel einen maßgeblichen Einfluss auf die Wahl des Trägers der freien Jugendhilfe aus. Dies gilt vorliegend im besonderen Maße, weil sich die Antragsgegnerin durch regionale Versorgungs- und Kooperationsverträge dazu verpflichtet hat, 90 % aller im Bereich des Bezirksamts Bergedorf anfallenden Hilfefälle an die Beigeladenen zu übertragen und aus diesem Grunde regelmäßig die Beigeladenen als geeignete Leistungserbringer vorschlagen wird. Dadurch beeinflusst sie faktisch und ohne weiteres vorhersehbar den Wettbewerb unter den Trägern der freien Jugendhilfe, was, wie ausgeführt, für die Annahme eines Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit ausreicht (zu einem vergleichbaren Fall vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1991, BVerwGE 89, 281, 283).

Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde dagegen ein, es fehle (jedenfalls) an der für die Annahme eines Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit erforderlichen Intensität der Grundrechtsverletzung, weil die Träger der freien Jugendhilfe, die in das neue Finanzierungskonzept nicht eingebunden seien, nicht vollständig vom Markt verdrängt würden und damit nicht nachhaltig betroffen seien. Denn im Hinblick darauf, dass es das erklärte Ziel der Antragsgegnerin ist, 90 % aller im Bezirk Bergedorf zu erbringenden Hilfe zur Erziehung exklusiv an die Beigeladenen zu vergeben, liegt der Konkurrenznachteil der übrigen Träger der freien Jugendhilfe und damit ein Eingriff in deren Berufsausübungsfreiheit geradezu auf der Hand.

An einem hinreichend schweren Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit fehlt es auch nicht, wie die Antragsgegnerin ferner geltend macht, im Hinblick darauf, dass sich alle Träger der freien Jugendhilfe an dem Interessenkundgebungsverfahren beteiligen konnten und damit die gleichen Chancen auf den Abschluss eines regionalen Versorgungs- und Kooperationsvertrages hatten. Denn das Grundrecht auf freie Berufsausübung garantiert jedem Träger der Jugendhilfe die freie Entscheidung, derartige Verträge mit der Antragsgegnerin abzuschließen oder aber - etwa im Hinblick auf die damit verbundenen erheblichen Verpflichtungen - davon Abstand zu nehmen und Hilfe zur Erziehung in der bisherigen Weise anzubieten. Abgesehen davon hatte jedenfalls die Antragstellerin keine reale Chance zum Abschluss eines regionalen Versorgungs- und Kooperationsvertrages durch Beteiligung an dem Interessenkundgebungsverfahren. Denn die Antragsgegnerin hatte ihr schon vor Beginn dieses Interessenkundgebungsverfahrens am 6. November 2003 per Telefax mitgeteilt, dass ein Vertragsabschluss mit ihr nicht beabsichtigt sei, weil sie nicht mindestens eine ganze Stelle im Bereich der ambulanten Hilfe zur Erziehung vorhalte.

An der erforderlichen Intensität des Grundrechtseingriffs fehlt es entgegen der Beschwerde schließlich nicht deshalb, weil die regionalen Versorgungs- und Kooperationsverträge lediglich eine Laufzeit von sechs Monaten bis Ende 2004 haben. Diesem Einwand steht entgegen, dass die Verträge eine Fortsetzungsklausel haben. Gemäß Ziffer 1 Nr. 4 der regionalen Versorgungsverträge werden diese jeweils um ein Jahr verlängert, wenn über die Rahmenbedingungen des Folgevertrages bis zum 30. September des jeweils laufenden Jahres Einigkeit erzielt worden ist. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass die Verträge mit der Antragsgegnerin über Jahre Bestand haben werden und die Antragstellerin entsprechend lange von der Erbringung von Jugendhilfeleistungen ausgeschlossen sein wird.

Die Beschwerde macht ferner geltend, ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin liege (auch) deshalb nicht vor, weil es nicht um Eingriffs- sondern Leistungsverwaltung gehe. Die Antragstellerin beanspruche der Sache nach die Förderung ihrer Einrichtung, auf die sie indes keinen Rechtsanspruch habe. Die Vorenthaltung einer Subvention beinhalte als solche keinen Eingriff in die Berufsfreiheit. Dieser Einwand geht fehl. Die Antragstellerin hat in diesem Eilverfahren mehrfach ausdrücklich betont, dass sie nicht die Absicht habe, sich an dem Finanzierungskonzept der Antragsgegnerin zu beteiligen und auch sonst keine Zuwendungen beanspruche, sondern dass sie von der Antragsgegnerin lediglich verlange, die exklusive Vergabe von Hilfeleistungen an die Beigeladenen zu unterlassen, weil sie darin - zu Recht - eine Beeinflussung des Wettbewerbs zwischen den Trägern der Jugendhilfe und damit einen Eingriff in ihre Berufsausübung sieht.

Die Beschwerdebegründung rechtfertigt auch keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin nicht gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch ein Gesetz gerechtfertigt ist.

Die Antragsgegnerin sieht ein solches Gesetz vor allem in § 79 Abs. 1 SGB VIII. Dem ist nicht zu folgen. Gemäß § 79 Abs. 1 SGB VIII haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII. Aus der Gesamtverantwortung folgt gemäß § 79 Abs. 2 SGB VIII vor allen Dingen die Verpflichtung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu gewährleisten, dass die zur Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII erforderlichen und geeigneten Einrichtungen Dienste und Veranstaltungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen. Die sich aus § 79 Abs. 1 SGB VIII ergebende Planungsverantwortung verpflichtet die Träger der öffentlichen Jugendhilfe ferner gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB VIII, den Bestand an Einrichtungen und Diensten festzustellen, den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten zu ermitteln und die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben rechtzeitig und ausreichend zu planen. Mit diesem Inhalt und dieser Bedeutung erfüllt § 79 Abs. 1 SGB VIII nicht die Anforderungen an ein Gesetz, das gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zu Eingriffen in die Berufsausübungsfreiheit berechtigt. Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit sind nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung zulässig, die Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen lassen (BVerfG, Beschl. v. 12.6.1990, BVerfGE 82, 209, 224; BVerwG, Urt. v. 17.12.1991, BVerwGE 89, 281, 285; Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl., Art. 12 Rdnr. 21). Diesen Bestimmtheitsanforderungen werden Gesetze, die, wie § 79 Abs. 1 SGB VIII, behördliche Aufgaben lediglich allgemein umschreiben, grundsätzlich nicht gerecht (vgl. hierzu Neumann, Subventionen oder Leistungsentgelte? - Drei Anmerkungen zum Leistungserbringungsrecht des SGB VIII, RsDE 31, 42). Eine Ausnahme hiervon ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur - unter eng begrenzten Voraussetzungen - für die polizeiliche Generalklausel gemacht worden, weil diese "in jahrzehntelanger Entwicklung durch Rechtsprechung und Lehre nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend präzisiert, in ihrer Bedeutung geklärt und im juristischen Sprachgebrauch verfestigt" worden ist (BVerfG, Beschl. v. 23.5.1980, BVerfGE 54, 143, 144; BVerwG, Beschl. v. 24.10.2001, BVerwGE 115, 189, 195). Diese Voraussetzungen erfüllt die Aufgabennorm des § 79 Abs. 1 SGB VIII ersichtlich nicht. Fragen zur Einführung und inhaltlichen Ausgestaltung sozialraumorientierter Finanzierungskonzepte sowie deren Vereinbarkeit mit Grundprinzipien des Jugendhilferechts sind bislang kaum Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen, und werden auch erst seit wenigen Jahren in der jugendhilferechtlichen Fachliteratur diskutiert (vgl. hierzu Münder, Sozialraumorientierung aus rechtlicher Sicht, ZfJ 2002, 416; Wiesner, Fortschritt durch Recht; ZfJ 2004, 241; Mrozynski, Der Leistungserbringermarkt zwischen Angebotsteuerung und Budgetierung, ZFSH/SGB 2004, 3). Regelungen in diesem Bereich sind demzufolge zunächst dem Gesetzgeber vorzubehalten und dürfen nicht, wie die Antragsgegnerin meint, auf behördlicher Ebene in Anwendung der Aufgabennorm des § 79 Abs. 1 SGB VIII getroffen werden.

Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist auch nicht, wie die Antragsgegnerin meint, durch § 74 Abs. 3 SGB VIII gerechtfertigt, wonach über Art und Höhe der Förderung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet. Dem steht schon entgegen, dass Regelungsgegenstand des § 74 Abs. 3 SGB VIII die Förderungs- bzw. Subventionsfinanzierung ist, während es sich bei dem sozialraumorientierten Finanzierungskonzept der Antragsgegnerin vollständig oder zumindest ganz überwiegend um Entgeltfinanzierung gemäß § 77 SGB VIII der in Anspruch genommenen Dienste und Einrichtungen der Beigeladenen, wenn auch in pauschalierter Form, handelt. Abgesehen davon berechtigt § 74 Abs. 3 SGB VIII auch nicht dazu, durch Zuwendungen bzw. Subventionen den Wettbewerb unter den Trägern der freien Jugendhilfe zu beeinflussen (Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII, 2. Aufl. 2000, § 74 Rdnr. 45 a).

Eine Ermächtigung zum Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ergibt sich entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht aus § 27 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII. Danach richten sich Art und Umfang der Hilfe zur Erziehung nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall. Dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder Jugendlichen einbezogen werden. Mit diesem Inhalt regelt § 27 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII lediglich Art und Maß sowie sonstige Einzelheiten der Hilfe zur Erziehung und berechtigt damit ersichtlich nicht zu Eingriffen in den Wettbewerb zwischen den Trägern der freien Jugendhilfe. Entsprechendes gilt für die von der Beschwerde als Eingriffsnormen ferner angeführten §§ 11 ff. und 16 ff. SGB VIII, in denen Art und Umfang anderweitiger Leistungen der Jugendhilfe geregelt sind.

Die von der Antragsgegnerin angeführten Rechtvorschriften des SGB VIII enthalten nach alledem keine Ermächtigung zu Eingriffen in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin. Rechtsnormen, die zu einem solchen Eingriff berechtigen könnten, sind auch sonst nicht ersichtlich. Es ist im Gegenteil ernsthaft in Erwägung zu ziehen, dass sozialraumorientierte Finanzierungskonzepte, wie das hier in Rede stehende, gegen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze des SGB VIII verstoßen, etwa gegen das in § 3 SGB VIII enthaltene Strukturprinzip der Trägervielfalt und das Recht des Leistungsberechtigten gemäß § 5 Abs. 1 SGB VIII, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen. Durch die Schaffung von Budgets besteht ferner die Gefahr, dass individuelle Rechtsansprüche auf Hilfe zur Erziehung gemäß § 27 Abs. 2 SGB VIII nicht erfüllt werden (vgl. hierzu Münder, Sozialraumorientierung aus rechtlicher Sicht, a.a.O.; Wiesner, Fortschritt durch Recht; a.a.O.; Mrozynski, Der Leistungserbringermarkt zwischen Angebotsteuerung und Budgetierung, a.a.O.).

Die Antragsgegnerin macht ferner geltend, das Verwaltungsgericht sei mit seiner Entscheidung, ihr die Durchführung des Finanzierungskonzepts der Sozialraumbudgetierung vollständig zu untersagen, erheblich über das Antragsbegehren hinausgegangen und habe dadurch gegen § 88 VwGO verstoßen. Abgesehen davon stehe der Antragstellerin ein derart weitgehender Unterlassungsanspruch auch materiellrechtlich nicht zu. Das Verwaltungsgericht hätte ihr allenfalls untersagen dürfen, das neue Finanzierungskonzept "Im Verhältnis zur Antragstellerin" durchzuführen. Der weitergehende Beschlusstenor gehe über die Reichweite des von der Antragstellerin verfolgten subjektiven Rechts hinaus. Auch diese Rügen gehen fehl. Die Antragsgegnerin beeinflusst, wie ausgeführt, mit ihrem sozialraumorientierten Finanzierungskonzept den Wettbewerb zwischen den Trägern der freien Jugendhilfe und greift damit zugleich in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin ein. Daraus resultiert ein Rechtsanspruch der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG gegen die Antragsgegnerin, die Durchführung ihres Finanzierungskonzepts vollen Umfangs zu unterlassen. In diesem Sinne ist das Antragsbegehren auch zu verstehen.

Die angefochtene Entscheidung ist schließlich nicht wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers aufzuheben oder abzuändern. Die Träger der freien Jugendhilfe, die mit der Antragsgegnerin regionale Versorgungs- und Kooperationsverträge abgeschlossen haben, hätten zwar, wie die Beschwerde zu Recht rügt, bereits im erstinstanzlichen Verfahren beigeladen werden müssen. Wird mit einer Klage oder, wie vorliegend, mit einem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO der Sache nach begehrt, dass eine behördliche Leistung an einen Dritten unterbleibt, ist dieser gemäß § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beizuladen (vgl. Bier in Schoch/Schmidt/Aßmann/Pietzner, VwGO § 65 Rdnr. 26). Das Unterbleiben einer notwendigen Beiladung stellt grundsätzlich einen schweren Verfahrensmangel dar. Dieser könnte indes - allenfalls - zur Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen Beschlusses führen, wenn die Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre. Dies macht die Antragsgegnerin indes nicht geltend und ist, wie die voranstehenden Ausführungen zeigen, auch sonst nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3, 188 Satz 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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