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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 29.10.2004
Aktenzeichen: 4 Bs 392/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 189
Für die Heilung eines Zustellungsmangels durch tatsächlichen Zugang genügt es nicht, dass das Schriftstück (hier ein Telefax) in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist, so dass der Empfänger objektiv die Möglichkeit hat, es zur Kenntnis zu nehmen. Erforderlich ist vielmehr, dass ihm die Kenntnisnahme zuverlässig möglich ist, was bei einem Rechtsanwalt die Bereitschaft hierzu einschließt.
HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

4 Bs 392/04

4. Senat

vom 29. Oktober 2004

n der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 4. Senat, durch die Richter Pradel und Pauly sowie die Richterin Haase am 29. Oktober 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 9. August 2004 wird zurückgewiesen

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Streitwert von 2.500,-- Euro.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Die Beschwerde ist zulässig.

Der Antragsteller hat die Beschwerde innerhalb der Frist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO begründet. Diese Frist ist mit dem am 13. September 2004, einem Montag, beim Beschwerdegericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage gewahrt worden.

Die Begründungsfrist ist gemäß § 57 Abs. 1 VwGO in Lauf gesetzt worden. Allerdings liegt ein Zustellungsmangel vor, da der Beschluss dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist. Entgegen § 56 Abs. 2 VwGO ist der Beschluss nicht in einer der in §§ 166 ff. ZPO geregelten Weisen zugestellt worden. Der Absendevermerk des Verwaltungsgerichts lässt nicht erkennen, dass der Beschluss gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde. Erkennbar ist nur, dass er am 9. August 2004 per Telefax übermittelt und entweder am selben Tage oder erst am 13. August 2004 abgesandt wurde. Den glaubhaften Angaben des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zufolge wurde der Beschluss am 9. August 2004 per Telefax übermittelt und er ging als Brief am 12. August 2004 in seinem Büro ein, und zwar jeweils ohne Empfangsbekenntnis. Gleichwohl liegt eine Zustellung im Sinne des § 57 Abs. 1 VwGO vor, weil dieser Zustellungsmangel geheilt ist und die Zustellung fingiert wird. Denn nach § 189 ZPO gilt der Beschluss in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem er - hier dem Prozessbevollmächtigen des Antragstellers - tatsächlich zugegangen ist. Dass mit der Zustellung eine Frist ausgelöst wird, ändert hieran nichts. Die diesbezügliche Einschränkung in den früheren Heilungsvorschriften nach § 187 Satz 2 ZPO a.F. und § 9 Abs. 2 VwZG a.F. enthält der heutige § 189 ZPO nicht mehr.

Die Voraussetzungen des § 189 ZPO sind erfüllt. Der angefochtene Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nachweislich erst am 13. August 2004 zugegangen. Auf die Übermittlung des Beschlusses per Telefax am 9. August 2004 ist hier nicht abzustellen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Zustellungsmangel überhaupt durch Übermittlung einer Telekopie geheilt werden kann, oder ob das zuzustellende Schriftstück selbst zugehen muss. Für die Möglichkeit einer Heilung auch durch Übermittlung einer Telekopie spricht, dass eben diese Übermittlungsform durch den neuen § 174 Abs. 2 ZPO u.a. bei Rechtsanwälten zulässig sein soll und dass bei einer Zustellung auf diesem Wege dem Wortlaut des § 174 Abs. 2 Satz 1 ZPO zufolge eben das Schriftstück selbst auf diese Weise zugestellt wird. Hiernach genügt es, dass dem Zustellungsempfänger die Telekopie vorliegt, um von einer Zustellung des Schriftstückes selbst ausgehen zu können. Deshalb liegt es nahe, im Rahmen des § 189 ZPO ebenfalls einen Zugang des Schriftstücks selbst anzunehmen, auch wenn nur eine Telekopie übermittelt worden ist. Es kommt hinzu, dass bereits zu § 9 Abs. 1 VwZG a.F., dem der neue § 189 ZPO nachgebildet ist (vgl. auch BT-Drs. 14/4554, S. 24), anerkannt wurde, dass ein Zustellungsmangel geheilt wurde, wenn der Empfänger nur eine Kopie des Schriftstücks erhalten hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.4.1997, BVerwGE Bd. 104 S. 301, m.w.N.; a.A. Engelhardt/App, VwVG/VwZG, 6. Aufl. 2004, Rdnr. 4 zu § 9 VwZG). Eine Kopie liegt auch im Falle eines Telefaxes vor.

Gleichwohl stellt das Beschwerdegericht im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht auf den Zeitpunkt ab, zu dem das Telefax in die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers übermittelt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war das Schriftstück noch nicht i.S. von § 189 ZPO zugegangen. Für die Heilung des Zustellungsmangels genügt es nicht, dass das Schriftstück in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist, so dass der Empfänger objektiv die Möglichkeit hat, es zur Kenntnis zu nehmen. Erforderlich ist vielmehr, dass ihm die Kenntnisnahme zuverlässig möglich ist, was bei einem Rechtsanwalt die Bereitschaft hierzu einschließt. Bereits für die Heilung nach § 9 Abs. 1 VwZG a.F. war anerkannt, dass dem Empfänger eine zuverlässige Kenntnis des Inhalts des Beschlusses möglich sein musste (vgl. BVerwG, a.a.O.; BGH, Urt. v. 21.3.2001, NJW 2001 S. 1946). Zwar stellte diese Vorläufervorschrift nicht auf den "Zugang" ab, sondern darauf, dass der Empfänger das Schriftstück "nachweislich erhalten" hat. Diese veränderte Wortwahl indiziert jedoch keine andere Auslegung der Norm. Denn nichts spricht dafür, dass sich die materiellen Anforderungen an die Heilung geändert haben könnten. Auch der Gesetzgeber ist vielmehr auf der Grundlage des Regierungsentwurfs für das Zustellungsreformgesetz davon ausgegangen, dass § 189 ZPO an das Vorbild des § 9 Abs. 1 VwZG a.F. anknüpft und dass ein Schriftstück deshalb "als zu dem Zeitpunkt zugestellt gelten (soll), in dem es der Zustellungsadressat oder ein Empfangsberechtigter nachweislich erhalten hat" (vgl. BT-Drs. 14/4554, a.a.O.). Für eine Auslegung des § 189 ZPO in dem Sinne, dass dem Empfänger eine Kenntnisnahme des Inhalts zuverlässig möglich sein muss, sprechen zudem Sinn und Zweck der Heilungsvorschrift. Ihr Sinn liegt darin, dass Verstöße gegen Vorschriften über die Zustellung dann ohne Rechtsfolgen bleiben sollen, wenn auch ohne ihre Einhaltung der Zweck der Zustellung erreicht wurde, insbesondere das zuzustellende Schriftstück so in die Hand des Empfängers gelangt ist, wie es bei ordnungsgemäßer Zustellung geschehen wäre (vgl. Engelhardt/App, a.a.O., Rdnr. 2 zu § 9 VwZG). Bei ordnungsgemäßer Zustellung gegen Empfangsbekenntnis wird das Schriftstück aber erst zu dem Zeitpunkt zugestellt, zu dem der Empfänger von dem Zugang Kenntnis erlangt und bereit ist, die Zustellung entgegenzunehmen (BVerwG, Beschl. v. 1.11.1984, Buchholz 442.40 § 22 LuftVG Nr. 1; BSG, Urt. v. 7.11.2000, B 2 U 147/00 R, m.w.N. - juris -). Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hätte mithin die Möglichkeit gehabt, selbst den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem er bereit ist, das Schriftstück zur Kenntnis zu nehmen. Erst wenn er hierzu bereit ist, ist der Zweck der Zustellung erreicht. Dass einem Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege durch die Heilungsvorschrift des § 189 ZPO diese Möglichkeit genommen werden sollte, ist nicht ersichtlich.

Nach diesen Maßstäben ist der Zustellungsmangel nachweislich erst am 13. August 2004 geheilt worden. Abzustellen ist auf die Bereitschaft zur Kenntnisnahme durch die Vertreterin, die der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers offenbar für die Dauer seiner Abwesenheit nach § 53 Abs. 2 BRAO bestellt hatte. Es ist nicht erkennbar, mithin nicht nachgewiesen, dass sie bereits am Tage des Einganges des Telefaxes oder an den folgenden Tagen bereit war, von dem Beschluss Kenntnis zu nehmen. Nachweislich bereit war sie hierzu am 13. August 2004. An diesem Tag hat sie den Schriftsatz gefertigt, mit dem sie Beschwerde eingelegt hat.

II.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.



Ende der Entscheidung

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