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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 23.01.2004
Aktenzeichen: 4 Bs 414/03
Rechtsgebiete: ZPO, VwGO


Vorschriften:

ZPO § 321 a
VwGO § 173
1. § 321 a ZPO ist auf Gegenvorstellungen, die gegen unanfechtbare Entscheidungen der Verwaltungsgerichte erhoben werden, entsprechend anzuwenden.

2. Danach können in verwaltungsgerichtlichen Verfahren Gegenvorstellungen zeitlich nicht (mehr) unbefristet, sondern nur (noch) innerhalb der Zweiwochenfrist des § 312 a Abs. 2 Satz 2 ZPO bei dem Gericht erhoben werden.


HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

4 Bs 414/03

Beschluss vom 23. Januar 2004

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 4. Senat, durch die Richter Wiemann und Pauly sowie die Richterin Dr. Thies am 23. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Gegenvorstellung des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats vom 4. Dezember 2003 wird verworfen.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Die Gegenvorstellung ist bereits deshalb zu verwerfen, weil sie nicht fristgerecht - d.h. hier nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Bekanntgabe der Entscheidung des Beschwerdegerichts - erhoben worden ist.

Nach § 321 a Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die Rüge eines Beteiligten über die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht einzureichen. Diese Regelung ist durch Art. 2 des Reformgesetzes zur Zivilprozessordnung vom 17. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) mit Wirkung vom 1. Januar 2002 eingeführt worden. Sie ist nach § 173 VwGO auf Gegenvorstellungen, die gegen unanfechtbare Entscheidungen der Verwaltungsgerichte erhoben werden und die ggf. zur Beseitigung erheblicher prozessualer Fehler im Zusammenhang mit Verfahrensgrundrechten führen können, entsprechend anzuwenden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.2.2003 - 1 BvR 131/03 - , juris, dort zur entsprechenden Anwendung im arbeitsgerichtlichen Verfahren; siehe auch BVerwG, 16.5.2002, NJW 2002 S. 2657; Beschl. v. 10.6.2003, NVwZ 2003 S. 1132, 1133; BFH, Beschl. v. 5.12.2002, NJW 2003 S. 919; Beschl. v. 13.2.2003, BFH/NV 2003 S. 1063; v. 29.9.2003 - IV B 146/03 - , juris; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.7.2003 - 12 W 209/02 - , juris).

Die entsprechende Anwendung des § 321 a ZPO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren schließt nicht nur aus, dass - wie in der Vergangenheit für denkbar gehalten - eine außerordentliche Beschwerde weiterhin gegeben ist, um eine Möglichkeit zu erhalten, nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidungen der Vorinstanzen korrigieren zu können, wenn ein Verfahrensgrundrecht verletzt oder die angegriffene Entscheidung aus sonstigen Gründen "greifbar gesetzeswidrig" ist (BVerwG, Beschl. v. 16.5.2002, a.a.O.; BFH, Beschl. v. 13.2.2003, a.a.O., und v. 5.12.2002, a.a.O.). Diese Neuregelung hat darüber hinaus auch zur Folge, dass Gegenvorstellungen zeitlich nicht (mehr) unbefristet, sondern nur (noch) innerhalb der Zweiwochenfrist des § 312 a Abs. 2 Satz 2 ZPO bei dem Gericht erhoben werden können.

Auch in Verfahren des einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes - hier in einem Verfahren nach 123 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung - besteht aus Gründen der Rechtssicherheit ein Bedürfnis dafür, die Erhebung von außerordentlichen Rechtsbehelfen in der Form einer Gegenvorstellung nicht unbefristet zuzulassen. Vielmehr soll die Prüfung der Rüge eines Beteiligten, das Gericht habe seine Verfahrensgrundrechte verletzt und insbesondere gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen, möglichst sach - und zeitnah durch das betroffene Gericht erfolgen können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003 [Plenum], NJW 2003 S. 1924). Andernfalls wären Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in vorläufigen Rechtsschutzverfahren, die grundsätzlich materieller Rechtskraft zugänglich sind, dauerhaft der Ungewissheit einer - ggf. erfolgreichen - Gegenvorstellung ausgesetzt.

Dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsfrieden nach Bekanntgabe unanfechtbarer gerichtlicher Entscheidung hat der Gesetzgeber nunmehr für zivilgerichtliche Verfahren durch die Festlegung einer Zweiwochenfrist für die Gehörsrüge in § 321 a Abs. 2 Satz 2 ZPO Rechnung getragen. Diese (Neu-)Regelung im Rahmen der Reform des Zivilprozesses, die von der Verfahrensart unabhängig ist und für die nach dem oben Gesagten innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit ein ebensolches Bedürfnis besteht, ist deshalb hier nach § 173 Satz 1 VwGO entsprechend anzuwenden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.5.2002, NJW 2002 S. 2657). Dem stehen sonstige grundsätzliche Unterschiede der Zivilprozessordnung einerseits und der Verwaltungsgerichtsordnung andererseits nicht entgegen (siehe auch Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Komm. 62. Aufl. § 321 a Rdnr. 62).

Der Antragsteller hat die Gegenvorstellung hier nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 321 a Abs. 2 Satz 2 ZPO erhoben. Der angefochtene Beschluss ist ihm nach eigenen Angaben am 23. Dezember 2003 bekanntgegeben worden. Die - unter dem 30. Dezember 2003 verfasste - Gegenvorstellung ist dagegen erst am 20. Januar dieses Jahres bei Gericht eingegangen.

II.

Die Gegenvorstellung muss aber auch ungeachtet ihrer Verfristung ohne Erfolg bleiben.

Es entspricht gefestigter Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der der Senat folgt, dass eine Gegenvorstellung gegen Beschlüsse, die mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar sind, nur in solchen Fällen zulässig ist und - im Wege der "Selbstkorrektur" - zu einer erneuten Sachentscheidung führen kann, in denen es um die Beseitigung erheblicher prozessualer Fehler im Zusammenhang mit der vorangegangenen Entscheidung geht. Solche schwerwiegenden Fehler können - wie oben ausgeführt - insbesondere in Betracht kommen bei einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs, der anderenfalls nur mit der Verfassungsbeschwerde erfolgreich geltend gemacht werden könnte, oder soweit die Entscheidung jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehrt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.7.1986, FamRZ 1987 S. 142; BVerwG, Beschl. v. 20.1.1984, DVBl. 1984 S. 568; Beschl. v. 20.11.2000, NJW 2001 S. 1294; Beschl. v. 16.5.2002 - BVerwG 6 B 28.02 u. 6 B 29.02 - , m.w.N.).

Für solche Fehler ist hier nichts ersichtlich. Dies macht der Antragsteller auch nicht geltend. Er stellt mit dem weiteren Vorbringen im Schriftsatz vom 30. Dezember 2003 vielmehr in der Art einer weiteren Beschwerde, die im Verwaltungsprozess gegen Beschlüsse des Beschwerdegerichts gerade nicht gegeben ist (vgl. § 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO), die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Senats in Frage und begehrt, sein Tatsachenvorbringen in einer anderen, ihm günstigeren Weise zu würdigen. Dafür ist indes nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens kein Raum.

Soweit der Antragsteller mit seiner Gegenvorstellung meint, das Beschwerdegericht habe den Sachverhalt in Bezug auf den geltend gemachten Anspruch auf Übernahme der von seiner Krankenkasse nicht übernommenen Kosten für Brillengläser aus Sozialhilfemitteln nicht ausreichend aufgeklärt, ist die damit gerügte Verletzung der Aufklärungspflicht durch das Beschwerdegericht (§ 86 Abs. 1 VwGO) schon grundsätzlich nicht geeignet, seiner Gegenvorstellung zum Erfolg zu verhelfen. Dieser vom Antragsteller dem Beschwerdegericht unterstellte Fehler steht einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten nicht gleich. Davon abgesehen ist diese Rüge auch in der Sache nicht begründet. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO oblag es dem Antragsteller, die Voraussetzungen für die beantragte einstweilige Anordnung darzulegen und insbesondere den geltend gemachten Anspruch auf die streitige Sozialhilfeleistung (Krankenhilfe nach § 37 BSHG) und einen insoweit bestehenden Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Darüber hinaus war der - im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertretene - Antragsteller nach § 146 Abs. 6 Satz 3 VwGO gehalten, mit seinem Rechtsmittel die Gründe für eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung darzulegen. Das Beschwerdegericht hat nach Satz 6 dieser Vorschrift nur diese Gründe zu prüfen. Die vom Antragsteller angenommene umfassende Aufklärungspflicht besteht insoweit in einem Beschwerdeverfahren, das Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zum Gegenstand hat (§ 146 Abs. 4 VwGO), gerade nicht.



Ende der Entscheidung

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