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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 31.01.2003
Aktenzeichen: 4 Bs 443/02
Rechtsgebiete: VwGO, BSHG, SGB VIII
Vorschriften:
VwGO § 78 Abs. 1 Nr. 1 | |
BSHG § 99 | |
SGB VIII § 85 Abs. 1 |
HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT
4. Senat
Beschluß vom 31. Januar 2003
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 4. Senat, durch die Richter Sinhuber und Wiemann sowie die Richterin Haase am 31. Janaur 2003 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 15. November 2002 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Aus den von der Antragsgegnerin - in diesem Verfahren vertreten durch das Bezirksamt Hamburg-Nord - dargelegten Gründen, die das Beschwerdegericht nur zu prüfen hat (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 [BGBl. I S. 3987], ist die angefochtene Entscheidung weder abzuändern noch aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die bisher nicht gedeckten Kosten der Betreuung der Antragstellerin in der Einrichtung "Drogenhilfe Tannenhof Berlin e.V." für die Dauer der Therapie ihrer Mutter in dieser Einrichtung zu übernehmen.
Die im Juli 2002 geborene Antragstellerin und ihre alleinerziehende Mutter befinden sich seit dem 18. November 2002 in der genannten Einrichtung, die drogenkranken Eltern(-teilen) eine sog. integrierte Drogentherapie im Zusammenleben mit ihren Kindern anbietet, die tagsüber während der Therapiesitzungen ihrer Väter und/oder Mütter in einem eigenen Kinderbereich von Fachpersonal betreut werden. Hierfür hat der zuständige Träger des Landes Berlin (Landesjugendamt) mit dem Einrichtungsträger eine Pflegesatzvereinbarung abgeschlossen (Tagesentgelt 94,98 Euro). Zwischenzeitlich hat die Antragsgegnerin, vertreten durch die Behörde für Umwelt und Gesundheit, der Mutter der Antragstellerin mit Bescheid vom 21. November 2002 gemäß §§ 39, 40 BSHG Hilfe in besonderen Lebenslagen durch Übernahme der Kosten der Drogentherapie in der genannten Einrichtung vom 18. November 2002 bis 17. Mai 2003 bewilligt. Ferner übernimmt diese Behörde nach diesem Bescheid für die Antragstellerin einen Teil des sie betreffenden Pflegesatzes (58 Euro) "als Nebenkosten".
Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung, die Antragsgegnerin auch zur Übernahme des restlichen Tagesentgeltes zu verpflichten, im Wesentlichen wie folgt begründet: Für die fragliche Maßnahme - gemeinsame Unterbringung von Mutter und (Kleinst-)Kind in der Einrichtung Tannenhof - bestehe unstreitig ein Hilfebedarf. Die Mutter der Antragstellerin erhalte für ihre - durch die Behörde für Umwelt und Gesundheit gebilligte - stationäre Drogentherapie Eingliederungshilfe. Bei einem Ausbleiben der Übernahme der restlichen Kosten für die Unterbringung und Betreuung der Antragstellerin im Tannenhof müsste diese Therapie abgebrochen oder die Antragstellerin anderweitig untergebracht werden. Beides sei unzumutbar. Nach dem Konzept der Einrichtung, die die drogenabhängigen Väter und Mütter u.a. auch bei der Wahrnehmung ihrer elterlichen Aufgaben unterstütze, habe die Betreuung der Kinder während der stationären Therapie auch eine erzieherische Komponente. Insoweit könne ein Anspruch auf Hilfe durch Übernahme eines Teils der Kosten am ehesten auf § 19 SGB VIII (Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder) gestützt werden.
Aus den mit der Beschwerde vorgebrachten Gründen ist die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht abzuändern und der Antrag auf Übernahme der streitigen Kosten abzulehnen. Damit zieht das Bezirksamt Hamburg-Nord, welches hier die Antragsgegnerin vertritt, nicht in Zweifel, dass ein Hilfebedarf betreffend die Unterbringung und zeitweise Betreuung der Antragstellerin während der stationären Drogentherapie ihrer Mutter in der Einrichtung Tannenhof besteht - die Maßnahme also erforderlich bzw. geeignet ist. Ebensowenig bestreitet die Beschwerde, dass die "Drogenhilfe Tannenhof Berlin e.V." als geeigneter Träger für die Therapie anzusehen sei. Der mit der Beschwerde erhobene Einwand gegen die Höhe des Tagespflegesatzes, den das Land Berlin (Landesjugendamt) auf der Grundlage der mit dem Einrichtungsträger geschlossenen Vergütungsvereinbarung mit Entgeltmitteilung vom 1. August 2001 auf 94,98 Euro festgesetzt hat, ist nicht näher substantiiert worden. Im Übrigen hat die Behörde für Umwelt und Gesundheit der Antragsgegnerin, die die Eingliederungshilfe für die Mutter und die Teilkostenübernahme für die Antragstellerin bewilligt hat, in ihrer vom Beschwerdegericht eingeholten Stellungnahme vom 16. Dezember 2002 sowohl die Erforderlichkeit und Geeignetheit der integrierten Drogentherapie einschließlich der Unterbringung der Antragstellerin in der Einrichtung bestätigt als auch ausdrücklich die Entgeltfestsetzung nicht in Frage gestellt.
Soweit das Bezirksamt geltend macht, für die Deckung des anzuerkennenden Hilfebedarfs der Antragstellerin sei - da dafür entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Leistungen der Jugendhilfe, insbesondere nicht nach §§ 19, 27 und 34 SGB VIII, in Betracht kämen - nicht sein Jugendamt, sondern vorrangig die Behörde für Umwelt und Gesundheit zuständig, die der Mutter der Antragstellerin auch bereits Eingliederungshilfe nach §§ 39,40 BSHG gewährt habe und die die Antragstellerin als die "richtige" Antragsgegnerin auf Gewährung von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz durch Übernahme des vollen Tagessatzes in Anspruch nehmen müsse, kann dieser Einwand nicht zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung führen.
Das Verwaltungsgericht hat mit der einstweiligen Anordnung nicht eine bestimmte Behörde der Freien und Hansestadt Hamburg - etwa das Bezirksamt - zur Gewährung der hier streitigen Leistungen (Kostenübernahme) verpflichtet, sondern als passivlegitimiert zutreffend gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Freie und Hansestadt Hamburg angesehen und insoweit auch diese im Beschluss ausdrücklich als Antragsgegnerin bezeichnet. Das Bezirksamt ist (nur) als diejenige Verwaltungsbehörde aufgeführt, die die Antragsgegnerin im dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vertritt. Dagegen scheint das Bezirksamt mit der Beschwerde die Ansicht zu vertreten, im vorliegenden Hilfefall kämen jeweils verschiedene - (örtlich) zuständige - Leistungsträger in Betracht, nämlich einerseits die Behörde für Umwelt und Gesundheit hinsichtlich der - seiner Auffassung nach hier gegebenen - (Eingliederungs-)Hilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz sowie andererseits für - nach seiner Meinung nicht einschlägige - Leistungen nach dem SGB VIII das Jugendamt des Bezirksamtes. Diese Rechtsansicht ist nicht zutreffend.
Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zu Recht die Freie und Hansestadt - als Antragsgegnerin - und nicht eine bestimmte Verwaltungsbehörde für die Regulierung des vorliegenden Hilfefalls als zuständigen Leistungsträger angesehen und diese zur vorläufigen Leistungsgewährung verpflichtet. Das gilt unabhängig von der - nicht ohne Weiteres zu beantwortenden - Frage, ob für den hier gegebenen konkreten Hilfebedarf (Übernahme der Kosten der Unterbringung und Betreuung der Antragstellerin im Tannenhof) (Teil-)Leistungen nach dem SGB VIII, etwa nach §§ 19, 27 oder 34 SGB VIII, beansprucht werden können oder ob der streitige Bedarf - ggf. als "Annexmaßnahme" zu der der Mutter gewährten Eingliederungshilfe nach §§ 39, 40 BSHG - durch Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz zu decken ist. In beiden Fällen ist ausschließlich die Freie und Hansestadt Hamburg, in der die Antragstellerin und ihre Mutter vor Beginn der stationären Maßnahme unstreitig ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, der örtlich und sachlich zuständige Leistungsträger. Das zieht die Beschwerde - etwa unter Hinweis auf eine örtliche Zuständigkeit des Landes Berlin, in dem sich die Antragstellerin für die Dauer der Therapie ihrer Mutter tatsächlich aufhält - nicht in Zweifel (vgl. für die Sozialhilfe §§ 97 Abs. 2, 99 BSHG, für die öffentliche Jugendhilfe §§ 69 Abs. 1, 85, 86 SGB VIII). Träger der Sozialhilfe ebenso wie der öffentlichen Jugendhilfe nach den genannten Bestimmungen ist in Hamburg die Freie und Hansestadt Hamburg als Gebietskörperschaft (so ausdrücklich auch Abschn. I der Anordnung zur Durchführung des Bundessozialhilfegesetzes v. 13.7.1999, Amtl. Anz. S. 1961, sowie Abschn. I der Anordnung über Zuständigkeiten im Kinder- und Jugendhilferecht v. 12.2.2002, Amtl. Anz. S. 817, 852). Eine - in den Flächenländern gebotene - Unterscheidung in örtliche oder überörtliche Leistungsträger (vgl. § 96 BSHG; § 85 Abs. 1 SGB VIII) - etwa dergestalt, dass auch Bezirksämter oder die Fachbehörden als rechtlich selbstständige Leistungsträger in Betracht kämen und als solche verklagt werden könnten - findet in der Freien und Hansestadt Hamburg, in der staatliche und gemeindliche Tätigkeit nicht getrennt werden (Art. 4 Abs. 1 der Verfassung der FHH), nicht statt.
Insoweit ist der Sachverhalt im vorliegenden Fall nicht vergleichbar mit den Einzelumständen des - vom Bezirksamt mit der Beschwerde angeführten und noch im Zulassungsverfahren beim Beschwerdegericht anhängigen - Verfahrens 13 VG 569/2001 = 4 Bf 86/02. Dort kommen nicht - wie hier - ausschließlich Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz oder nach dem SGB VIII in Betracht, für die neben der Antragsgegnerin ein weiterer/anderer Kostenträger ausscheidet. Vielmehr ist in jenem Verfahren die Hilfe im Tannenhof (Drogentherapie) von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gewährt worden und hat diese Stelle auch einen Teil des Tagessatzes des mit den Eltern untergebrachten Kindes übernommen. Insoweit könnte in jenem Streitverfahren - anders als hier - ggf. in Betracht gezogen werden, die Bundesversicherungsanstalt als zuständigen Leistungsträger für die gesamten Kosten auch betr. die Betreuung des Kindes - als eine "Annexmaßnahme" zur Hilfe für die Mutter - anzusehen.
Wenn und soweit jedoch - wie hier - ausschließlich die Antragsgegnerin als zuständiger Leistungsträger (und damit Kostenträger für die fragliche Unterbringung) entweder für Sozialhilfeleistungen oder für Leistungen nach dem SGB VIII in Betracht kommt, berühren Fragen nach der internen Behördenzuständigkeit bzw. der Vertretung der Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren einen Anordnungsanspruch eines Hilfesuchenden grundsätzlich nicht. Welche Verwaltungsbehörde nach der internen Zuständigkeitsregelung im Einzelfall bzw. bzgl. bestimmter Leistungsbereiche die entsprechenden Verwaltungsaufgaben wahrnimmt - also insbesondere, ob sie vorrangig den Bezirksämtern oder den Fachbehörden obliegen - bestimmt der politische Senat der Antragsgegnerin durch entsprechende Zuständigkeitsanordnungen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über Verwaltungsbehörden i.d.F. v. 4.12.2001, HmbGVBl. S. 462, sowie die oben aufgeführten Zuständigkeitsanordnungen). Diese Anordnungen lassen aber die Eigenschaft der Antragsgegnerin als zuständiger Träger der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe unberührt. Die einschlägigen Zuständigkeitsanordnungen haben insbesondere auch nicht - wie das Bezirksamt offenbar meint - zur Folge, dass ein gegen die Freie und Hansestadt gerichtetes und durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgtes Hilfebegehren schon deshalb abzuweisen ist, weil es - aus der Sicht dieser Behörde - zu Unrecht bei ihr angebracht worden ist bzw. die Antragstellerin insoweit das Bezirksamt (ggf. im Widerspruch zu dieser Anordnung) im Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als Vertreter der Freien und Hansestadt Hamburg (Antragsgegnerin) bezeichnet hat.
Weitere Gründe, aus denen die vom Verwaltungsgericht erlassene einstweiligen Anordnung in Frage zu stellen ist, hat die Beschwerde nicht vorgebracht.
Bei diesem Sachstand - Abweisung des Rechtsmittels der Antragsgegnerin verbunden mit deren Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen - bedarf es keiner Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
Ende der Entscheidung
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