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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.05.2002
Aktenzeichen: 4 So 45/01
Rechtsgebiete: BRAGO, GKG


Vorschriften:

BRAGO § 9 Abs. 2
BRAGO § 10 Abs. 3
GKG § 25 Abs. 2 Satz 2
1. Eine von dem Prozessbevollmächtigten ausdrücklich namens der Partei mit dem Ziel der Heraufsetzung des Wertes eingelegte - und deshalb unzulässige - Gegenstandsbeschwerde kann nicht zugleich als eine - zulässige - Beschwerde des Prozessbevollmächtigten aus eigenem Recht angesehen werden.

2. Für eine sog. einfache Beschwerde - unabhängig von der Beschwerdefrist nach § 10 Abs. 3 Satz 3 BRAGO - bei Verfahrensfehlern bei der erstinstanzlichen Wertfestsetzung (hier: Festsetzung des Gegenstandswertes ohne Antrag und ohne Anhörung der Beteiligten) ist im Verwaltungsprozess kein Raum.

3. Eine Änderung der erstinstanzlichen Festsetzung des Gegenstandswertes von Amts wegen - entsprechend § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG - ist dem Beschwerdegericht verwehrt.


HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

4 So 45/01

4. Senat

Beschluß vom 10. Mai 2002

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 4. Senat, durch die Richter Sinhuber und Wiemann sowie die Richterin Haase am 10. Mai 2002 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten gegen die Wertfestsetzung in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 27. Juli 2001 werden verworfen.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 7. Mai 2001 hat das Verwaltungsgericht dem Kläger für seine Klage betr. Hilfe in besonderen Lebenslagen gemäß § 72 BSHG Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt sowie - ohne Antrag und ohne Anhörung der Beteiligten (vgl. § 10 Abs. 2 Sätze 2 u. 3 BRAGO) - den Gegenstandswert auf 4.000,-- DM festgesetzt. Nachdem die Beklagte die Hilfe bewilligt hatte und das Verfahren von den Beteiligten für in der Hauptsache erledigt erklärt worden war, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. Juli 2001 das Verfahren eingestellt, die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der Beklagten auferlegt und - wiederum ohne Antrag und Anhörung der Beteiligten einschließlich der Staatskasse - erneut den Gegenstandswert auf 4.000,-- DM festgesetzt. Der hinsichtlich der Wertfestsetzung mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 1. August 2001 zugestellt worden.

Mit einem am 8. August 2001 eingegangenen Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte "namens des Klägers" gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt, mit der er die Heraufsetzung des Gegenstandswertes auf 15.682,18 DM begehrt. Auf den Hinweis des Beschwerdegerichts vom 13. August 2001, dass für die ausdrücklich namens des Klägers erhobene Beschwerde mit dem Ziel der Anhebung des Gegenstandswertes kein Rechtsschutzbedürfnis bestehen dürfte, hat der Prozessbevollmächtigte mit einem am 28. August 2001 eingegangenen Schriftsatz erklärt, dass die Beschwerde aufrechterhalten bleibe, nach seiner Auffassung ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers gegeben sei und im Übrigen die Beschwerde dahin zu verstehen sei, dass das Rechtsmittel sowohl im Namen des Klägers als auch im eigenen Namen eingelegt worden sei.

II.

1. Die rechtzeitig innerhalb der Beschwerdefrist (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 3 BRAGO) eingegangene, ausdrücklich namens des Klägers gegen die Wertfestsetzung eingelegte Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen. Die Partei ist durch eine zu niedrige Wertfestsetzung regelmäßig nicht beschwert, so dass für ihre auf die Heraufsetzung des Wertes gerichtete Beschwerde grundsätzlich kein Rechtsschutzbedürfnis besteht (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3.8.1998 - 5 WF 80/98 - Juris; Markl/Meyer, GKG, Kommentar, 4. Aufl., § 25 Rdnr. 46; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, Kommentar, 13. Aufl., § 9 Rdnr. 104). Die gegenteilige Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 22. August 2001 ist nicht begründet worden. Es liegt indessen auf der Hand, dass die Partei in der Regel selbst kein schützenswertes Interesse daran haben kann, die Wertfestsetzung - und damit die anfallenden Gebühren - in die Höhe zu treiben, und sie braucht insoweit auch nicht die Interessen ihres Prozessbevollmächtigten zu besorgen, denn dieser kann gemäß § 9 Abs. 2 BRAGO aus eigenem Recht Rechtsmittel gegen eine Wertfestsetzung einlegen (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O.).

Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten kann die mit Schriftsatz vom 6. August 2001 erhobene Beschwerde nicht als zugleich auch in seinem Namen eingelegt angesehen werden. Allerdings wird eine von einem Rechtsanwalt mit dem Ziel der Erhöhung eingelegte Wertbeschwerde im Zweifel als im eigenen Namen eingelegt anzusehen sein (vgl. Markl/Meyer, a.a.O.; Gerold u.a., a.a.O., Rdnr. 72; LAG Bremen, Beschl. v. 24.12.1982, Kostenrechtsprechung, § 10 BRAGO Nr. 18). Solche Zweifel bestehen hier an der Rechtsmittelerklärung im Schriftsatz vom 6. August 2001 nicht. Danach ist die Beschwerde unzweideutig namens des Klägers eingelegt worden, und der Schriftsatz lässt auch in der Begründung an keiner Stelle erkennen, dass in Wahrheit der Prozessbevollmächtigte Beschwerdeführer sein soll. Mit der Erklärung in dem nach Ablauf der Beschwerdefrist eingegangenen Schriftsatz vom 22. August 2001, dass das Rechtsmittel als auch im eigenen Namen des Prozessbevollmächtigten eingelegt anzusehen sei, konnte der Prozessbevollmächtigte nicht rückwirkend der Beschwerdeschrift vom 6. August 2001 diesen Inhalt beilegen.

2. Die mit dem Schriftsatz vom 22. August 2001 - eingegangen am 28. August 2001 - im eigenen Namen von dem Prozessbevollmächtigten eingelegte Beschwerde ist verspätet - und deshalb zu verwerfen -, weil die Beschwerdefrist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung bereits seit dem 15. August 2001 verstrichen ist. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist (§ 60 VwGO) ist von dem Prozessbevollmächtigten nichts vorgetragen worden und auch nichts ersichtlich.

3. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten kann vorliegend auch nicht wegen der Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts bei der Wertfestsetzung unabhängig von der Beschwerdefrist nach § 10 Abs. 3 Satz 3 BRAGO für zulässig erachtet werden (vgl. hierzu und zum Folgenden Beschl. des Senats v. 5.12.2001 - 4 So 37/01 -). Die Festsetzung eines in gerichtskostenfreien Verfahren (vgl. hier § 188 VwGO) allein für die außergerichtlichen Kosten des Rechtsanwalts maßgeblichen Gegenstandswertes findet nicht von Amts wegen, sondern gemäß § 10 Abs. 1 BRAGO nur auf Antrag statt. Ein solcher Antrag war hier vor der Festsetzung von keiner Seite gestellt worden. Darüber hinaus sind die Beteiligten entgegen § 10 Abs. 2 Satz 3 BRAGO vor der Wertfestsetzung nicht gehört worden. Im Hinblick auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hätte insoweit auch die Landeskasse gehört werden müssen (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BRAGO). Im Verwaltungsprozess ist bei einer verfahrensfehlerhaften Gegenstandswertfestsetzung für eine sog. einfache (nicht fristgebundene) Beschwerde kein Raum. Es mag im Zivilprozess die Auffassung vertreten werden, dass eine Beschwerde unabhängig von der Frist - und der Beschwerdesumme - in § 10 Abs. 3 Sätze 1 u. 3 BRAGO zulässig ist, wenn das erstinstanzliche Gericht aus verfahrensrechtlichen Gründen eine Wertfestsetzung abgelehnt hat (vgl. Hartmann, Kostengesetze, Kommentar, 31. Aufl., § 10 BRAGO Rdnrn. 21 u. 23; Riedel/Sußbauer, BRAGO, Kommentar, 8. Aufl., § 10 Rdnrn. 22, 23 mit Hinweis auf KG, Beschl. v. 4.11.1965, NJW 1966 S. 1369). Abgesehen davon, dass sie vorliegend nicht greifen könnte, weil das Verwaltungsgericht hier einen Gegenstandswert festgesetzt hat, mag sie durch einen Rückgriff auf die im Zivilprozess früher vorgesehene - mit der ZPO-Reform 2001 abgeschaffte - sog. einfache Beschwerde (§ 567 ZPO a.F.) zu rechtfertigen gewesen sein. Die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kennt jedoch seit jeher außerhalb des Anwendungsbereiches des § 10 BRAGO - abgesehen von der Streitwertbeschwerde gemäß § 25 Abs. 3 GKG - nur die befristete Beschwerde gemäß §§ 146, 147 Abs. 1 VwGO. Von daher fehlt schon die rechtliche Möglichkeit der Zulassung einer unbefristeten Beschwerde in dem vorliegenden Zusammenhang.

Darüber hinaus besteht dafür aber auch keine Notwendigkeit, wenn der Prozessbevollmächtigte wie hier die Möglichkeit gehabt hat, innerhalb der Rechtsmittelfrist die Wertfestsetzung mit der Beschwerde zu beanstanden, es jedoch versäumt hat, rechtzeitig davon Gebrauch zu machen.

4. Eine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Festsetzung des Gegenstandswertes von Amts wegen durch das Beschwerdegericht - wie sie nach § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG bei einer Streitwertfestsetzung möglich ist - kommt vorliegend nicht in Betracht. Sie ist in § 10 BRAGO nicht vorgesehen, und eine entsprechende Anwendung von § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG scheidet aus, weil das Gegenstandswertfestsetzungsverfahren anders als das Streitwertfestsetzungsverfahren ein Antragsverfahren ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.8.1995 - 9 B 745/94 - Juris; Gerold u.a., a.a.O., § 10 Rz. 3).

III.

Eine Kostenentscheidung ist im Verfahren betr. eine Gegenstandswertbeschwerde nicht veranlasst (vgl. Beschl. des Senats v. 30.5.1994 - OVG Bs IV 92/94 - m.w.N.).

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