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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.02.2009
Aktenzeichen: 5 So 31/09
Rechtsgebiete: VwGO, IFG
Vorschriften:
VwGO § 40 Abs. 1 | |
IFG § 9 Abs. 4 |
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 5. Senat, durch die Richter Prof. Dr. Ramsauer, Probst und Engelhardt am 16. Februar 2009
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 27. November 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erteilung einer Auskunft.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer insolventen GmbH. In dieser Eigenschaft verlangte er von der Beklagten, einer bundesweit tätigen Ersatzkrankenkasse, eine Auskunft darüber, welche Beiträge sie für einen bestimmten Zahlungszeitraum von der Insolvenzschuldnerin vereinnahmt hatte. Die Beklagte lehnte dies unter Hinweis auf u.a. § 97 der Insolvenzordnung ab, wogegen der Kläger Widerspruch einlegte.
Unter dem 9. September 2008 hat er Klage auf Auskunftserteilung zum Verwaltungsgericht erhoben und sein Begehren auf § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes - Informationsfreiheitsgesetz - vom 5. September 2005, BGBl. I, S. 2722 (im Folgenden: IFG) gestützt. Die Beklagte hat gegenüber dieser Klage geltend gemacht, dass sie vor dem Verwaltungsgericht unzulässig sei, da es sich um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung handele, für die gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG das Sozialgericht zuständig sei.
Mit Beschluss vom 27. November 2008 hat das Verwaltungsgericht nach § 17 a Abs. 3 GVG entschieden, dass der beschrittene Rechtsweg zulässig sei. Nach der dem Beschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrung steht den Beteiligten und sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses zu. Der Beschluss ist der Beklagten am 3. Dezember 2008 zugestellt worden.
Am 6. Januar 2009 ging beim Verwaltungsgericht ein Schriftsatz ein, in dem die Beklagte "die mit Schriftsatz vom 13.12.2008 eingelegte sofortige Beschwerde" begründete. Im Einzelnen macht sie geltend, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. November 2008 fehlerhaft sei, weil für den vorliegenden Rechtsstreit nicht das Verwaltungsgericht, sondern das Sozialgericht beziehungsweise ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuständig sei.
Nachdem das Verwaltungsgericht die Beklagte am 8. Januar 2009 darauf hingewiesen hatte, dass dort keine Beschwerde vom 13. Dezember 2008 vorliege, hat die Beklagte am 14. Januar 2009 wegen der versäumten Beschwerdefrist nach § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und am 19. Januar 2009 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten unter anderem anwaltlich versichert, dass er die Beschwerdeschrift am 13. Dezember 2008 zur Post gegeben habe.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Offenbleiben kann, ob der Beklagten, die nicht gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. §§ 146 Abs. 1, 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidung Beschwerde eingelegt hat - eine entsprechende Beschwerdeschrift ist aus der Prozessakte jedenfalls nicht ersichtlich -, insoweit nach § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann. Denn die Beschwerde hat jedenfalls deshalb keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass für die vorliegende Rechtsstreitigkeit gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (1.) nichtverfassungsrechtlicher Art, die nicht durch Bundesgesetz den Sozialgerichten ausdrücklich zugewiesen ist (2.).
1. Der Kläger macht gegen die Beklagte, bei der es sich im hier vorliegenden Zusammenhang um eine "Behörde des Bundes" i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG handelt (§ 4 Abs. 1 und 2 SGB V i.V.m. Art. 87 Abs. 2 GG), einen Anspruch auf eine amtliche Information nach dem Informationsfreiheitsgesetz geltend. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass es sich bei einer Auseinandersetzung darüber um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Demgegenüber ist ohne Belang, dass nach den Ausführungen der Beklagten, die sie auf Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte stützt, Auskunftsansprüche des Klägers nach dem Insolvenzrecht nicht bestehen sollen. Das führt insbesondere nicht zur Annahme einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit im Sinne von § 13 GVG. Denn das bedeutete gegebenenfalls nicht, dass sich nicht aus anderen Grundlagen wie etwa dem Informationsfreiheitsgesetz eigenständige Ansprüche der in Frage stehenden Art außerhalb des Insolvenzrechts ergeben können, über die die ordentlichen Gerichte nicht entscheiden. Ob - wie die Beklagte ausführt - die Geltendmachung eines eigenständigen Anspruchs aus dem Informationsfreiheitsgesetz im vorliegenden Fall als Umgehung des Insolvenzrechts rechtsmissbräuchlich ist, ist eine materielle Problematik und berührt die Frage des Rechtsweges nicht. Darüber muss gegebenenfalls das zuständige Verwaltungsgericht inhaltlich entscheiden.
2. Im vorliegenden Fall ist auch keine abdrängende Verweisung an das Sozialgericht im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz VwGO erkennbar. Vielmehr ergibt sich im Gegenteil aus § 9 Abs. 4 IFG, dass hier das Verwaltungsgericht zuständig ist (a). Unabhängig davon ist auch nicht ersichtlich, nach welcher Vorschrift des Sozialgerichtsgesetzes hier eine abdrängende Verweisung an das Sozialgericht vorliegen könnte (b).
a) Unter der Paragraphenüberschrift u.a. "Rechtsweg" bestimmt § 9 Abs. 4 Satz 1 IFG, dass gegen eine ablehnende Entscheidung im Zusammenhang mit diesem Gesetz "Widerspruch und Verpflichtungsklage zulässig" sind. Mit dieser Wortwahl allein ist allerdings noch keine Regelung des Rechtsweges ausschließlich zu den Verwaltungsgerichten verbunden, da die Begriffe "Widerspruch und Verpflichtungsklage" auch im Sozialgerichtsgesetz verwendet werden (vgl. dort z.B. § 78 Abs. 3 und § 83). Die unmittelbar folgende Formulierung in § 9 Abs. 4 Satz 2 IFG knüpft sodann allerdings ausschließlich an eine Regelung in der Verwaltungsgerichtsordnung an (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1). Eine mit dieser Bestimmung aus der Verwaltungsgerichtsordnung vergleichbare Normierung findet sich auch im Sozialgerichtsgesetz (§ 78 Abs. 1 Nr. 2). Aus dem Umstand, dass diese in § 9 Abs. 4 Satz 2 IFG nicht in Bezug genommen worden ist, lässt sich im Wege des Umkehrschlusses entnehmen, dass die Regelungen in § 9 Abs. 4 IFG allein auf die Verwaltungsgerichtsordnung und damit auf den Verwaltungsrechtsweg abzielen. Diese Zielsetzung ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Denn durch § 9 Abs. 4 Satz 2 IFG sollen nach der Gesetzesbegründung "die Selbstkontrolle der Verwaltung" gestärkt "und die Verwaltungsgerichte entlastet" werden (vgl. BT-Drucksache 15/4493, S. 16). Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, mit den Regelungen in § 9 Abs. 4 IFG gegebenenfalls auch den Sozialgerichtsweg zu eröffnen, hätte es nahe gelegen, eine mit § 9 Abs. 4 Satz 2 IFG vergleichbare Bestimmung auch für diesen Bereich einzuführen. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, warum ggfs. nicht auch die Selbstkontrolle der dortigen Verwaltung gestärkt und die Sozialgerichte entlastet werden sollten. Derartiges ist indes nicht geschehen. Die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung wird dadurch bestätigt, dass in der Begründung zu § 9 Abs. 4 IFG noch das sogenannte in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO und damit erneut eine Normierung nur aus der Verwaltungsgerichtsordnung angesprochen wird.
Wie sich aus dem Vorstehendem ergibt, beziehen sich sowohl der Wortlaut von § 9 Abs. 4 IFG als auch dessen Begründung auf eine Reihe von Besonderheiten, die lediglich für den Verwaltungsrechtsweg einschlägig sind, so dass davon auszugehen ist, dass durch diese Bestimmung für Streitigkeiten nach dem Informationsfreiheitsgesetz der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten bestimmt werden soll. Soweit sich die Beklagte gegenüber der hier vertretenen Auffassung auf aus ihrer Sicht abweichende Entscheidungen von Finanzgerichten aus dem Jahre 2000 und 2002 beruft, greift das schon deshalb nicht durch, weil diese Entscheidungen vor Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes ergangen sind.
b) Unabhängig davon ist auch nicht ersichtlich, nach welcher Vorschrift des Sozialgerichtsgesetzes hier eine abdrängende Verweisung vorliegen könnte. Zwar ergibt sich aus § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG, dass die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit unter anderem "in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung" entscheiden. Davon ist dann auszugehen, wenn durch den Gegenstand des Streits Maßnahmen betroffen sind, die - wie zum Beispiel die Erhaltung der Gesundheit der Versicherten (§ 1 Satz 1 SGB V) sowie die Gewährung von Leistungen im Krankheitsfalle (§ 2 SGB V) - unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs obliegenden öffentlichen Aufgaben dienen (z.B. BGH, Beschl. v. 30.1.2008, NJW 2008, 1389, 1390 m.w.N.). Auskünfte auf Grund allgemeiner verwaltungsrechtlicher Vorschriften gehören dazu nicht. Auch spricht im vorliegenden Fall nichts für eine Zuständigkeit des Sozialgerichts nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 SGG, wonach dieses Gericht "in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung" entscheidet. Dazu mögen auch Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Akteneinsichtsrecht aus § 25 SGB X gehören. Das Verwaltungsgericht hat im Anschluss an die Regelung in § 1 Abs. 3 IFG indes zutreffend ausgeführt, dass es sich dabei um einen Anspruch außerhalb des eigenständigen Informationsfreiheitsgesetzes handelt, um den es im vorliegenden Fall nicht geht.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 17 a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG.
Ende der Entscheidung
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