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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.06.2006
Aktenzeichen: 1 UE 1873/05
Rechtsgebiete: HBG
Vorschriften:
HBG § 85b |
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Rechts der Landesbeamten
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch
Richter am Hess. VGH Thorn, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Dr. Bark
am 6. Juni 2006 beschlossen:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Mai 2005 - 9 E 2090/04 (V) - abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die am 12. September 19.. geborene Klägerin steht als Sonderschullehrerin im Schuldienst des beklagten Landes. Am 28. Juli 1994 wurde sie zur Frauenbeauftragten für die Lehrkräfte im Bereich des Staatlichen Schulamts für den Main-Kinzig-Kreis bestellt und dorthin versetzt. Ihre Amtszeit endet mit dem 31. Juli 2006.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2002 und (wiederholt) vom 18. April 2002 und 3. April 2003 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Altersteilzeit im Blockmodell für die Zeit ab 1. Oktober 2003. Die Freistellungsphase sollte am 1. August 2006 beginnen und mit der Versetzung in den Ruhestand am 31. Mai 2009 enden. Diesen Antrag lehnte das Staatliche Schulamt mit Bescheid vom 19. September 2003 unter Hinweis auf fehlende Haushaltsmittel ab.
Nach erfolglosem Widerspruch hat die Klägerin am 3. Mai 2004 Klage erhoben. Sie hat beantragt,
das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides des Staatlichen Schulamts für den Main-Kinzig-Kreis vom 19. September 2003 und seines Widerspruchsbescheides vom 2. April 2004 zu verpflichten, der Klägerin entsprechend ihrem Antrag vom 16. Januar 2002 Altersteilzeit im Blockmodell für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis einschließlich 31. Mai 2009 zu bewilligen,
hilfsweise, das beklagte Land unter Aufhebung der genannten Bescheide zu verpflichten, ihren Antrag auf Altersteilzeit vom 16. Januar 2002 neu unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im erstinstanzlichen Verfahren wird gemäß § 130b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit Urteil vom 30. Mai 2005 hat das Verwaltungsgericht dem Hilfsantrag stattgegeben und den Beklagten zur Neubescheidung des Antrags auf Altersteilzeit verpflichtet; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe gemäß § 85b Abs. 2 Satz 1 HBG keinen Rechtsanspruch auf Bewilligung von Altersteilzeit. Sie könne allerdings die ermessensfehlerfreie Neubescheidung ihres Antrags verlangen, da der Beklagte nicht berechtigt sei, diesen aus rein fiskalischen Erwägungen abzulehnen. Der Begriff der dringenden dienstlichen Belange in § 85b Abs. 1 Nr. 3 HBG sei unter Berücksichtigung der Regelungsermächtigung in Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift auszulegen. Wenn der Beklagte von der Möglichkeit, einzelne Verwaltungsbereiche aus dienstlichen Gründen von der Altersteilzeit auszunehmen, keinen Gebrauch mache, dürfe er entgegenstehende dienstliche Belange nicht mehr generell, sondern nur noch im Einzelfall zur Geltung bringen. Andernfalls stünde bereits die Budgetierung von Haushaltsmitteln einer Bewilligung von Altersteilzeit von vornherein entgegen. Eine solche Entscheidung habe der Beklagte jedoch im Rahmen des § 85b Abs. 2 Satz 2 HBG nicht getroffen.
Am 1. August 2005 hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht im Umfang des stattgebenden Urteilsausspruchs zugelassene Berufung eingelegt. Er macht geltend, dringende dienstliche Belange seien bereits dann anzuerkennen, wenn der ausscheidende Beamte aus Haushaltsgründen nicht ersetzt werden könne, seine Stelle aber im Interesse der Aufgabenerfüllung besetzt bleiben müsse. Der Dienstherr sei keineswegs verpflichtet, von der Ermächtigung in § 85b Abs. 2 Satz 2 HBG Gebrauch zu machen. Die Vorschrift stelle lediglich klar, dass das ihm eingeräumte Organisationsermessen sich auch auf einzelne Verwaltungsbereiche erstrecke.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Mai 2005 - 9 E 2090/04 (V) - aufzuheben, soweit dem Hilfsantrag der Klägerin stattgegeben worden ist, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Personalakte der Klägerin (2 Hefte) verwiesen, die Gegenstand der Senatsberatung gewesen sind.
II.
Der Senat entscheidet gemäß § 130a Satz 1 VwGO über die Berufung durch Beschluss, da er sie einstimmig für begründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.
Die vom Verwaltungsgericht im Hinblick auf den stattgebenden Ausspruch des Urteils zugelassene und auch im Übrigen gemäß § 124a Abs. 6 i. V. m. Abs. 3 Sätze 3 bis 5 VwGO zulässige Berufung hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils in dem angefochtenen Umfang und zur Abweisung der Klage. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine erneute Bescheidung ihres Antrags auf Bewilligung von Altersteilzeit; der dieses Begehren ablehnende Bescheid des Beklagten ist nicht rechtswidrig.
Rechtsgrundlage der Bewilligung von Altersteilzeit ist § 85b Abs. 1 HBG. Darin wird die Entscheidung in das pflichtgemäße Ermessen des Dienstherrn gestellt. Ein Ermessensspielraum ist nur eröffnet, wenn die in Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 3 der Norm genannten gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Der im Mittelpunkt des vorliegenden Verfahrens stehende Begriff der "dringenden" dienstlichen Belange in § 85b Abs. 1 Nr. 3 HBG ist ein unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum, dessen Ausfüllung und Anwendung der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. Beschluss des Senats vom 14. September 2004 - 1 TG 2412/04 - m. w. N.). Die Klägerin trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorliegen solcher qualifizierten Belange als negatives Tatbestandsmerkmal. Ein subjektives öffentliches Recht auf Bewilligung ist gesetzlich ausgeschlossen (§ 85b Abs. 2 Satz 1 HBG); jedoch besteht entsprechend der zutreffenden Darstellung des Verwaltungsgerichts ein Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens.
Der Beklagte hat seine ablehnende Entscheidung ausschließlich mit fiskalischen Erwägungen begründet, insbesondere mit der Budgetierung der den Staatlichen Schulämtern zur Verfügung stehenden Mittel für die Finanzierung von Altersteilzeit; danach sei sowohl eine Nachbesetzung der Stelle der Klägerin während der Freistellungsphase als auch eine Vertretung ausgeschlossen. Eine Kostenverlagerung auf den Landeshaushalt scheide aus, weil die in der Arbeitsphase anfallenden, dem Budget des Schulamts zuzurechnenden Einsparungen haushaltswirtschaftlich gesperrt seien und dem getrennt bewirtschafteten Budget für Lehrkräfte im Unterrichtseinsatz zugeschlagen würden.
Diese Erwägungen sind nach Auffassung des Senats im Rahmen des § 85b Abs. 1 Nr. 3 HBG als dringende dienstliche Belange anzuerkennen, so dass eine Bewilligung von Altersteilzeit zwingend ausgeschlossen ist; die Klägerin ist ihnen nicht hinreichend substantiiert entgegen getreten. In Anbetracht der allgemein bekannten Haushaltslage kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass eine Nachbesetzung der Stelle der Klägerin derzeit ausgeschlossen erscheint, und dass insbesondere eine Refinanzierung durch Verlagerung eingesparter Haushaltsmittel nicht in Betracht kommt. Mit Rücksicht darauf, dass das Rechtsinstitut der Altersteilzeit im Beamtenbereich nach insoweit übereinstimmender Auffassung überwiegend arbeitsmarktpolitisch motiviert ist und dem öffentlichen Interesse an einer flexiblen und effizienten Personalverwendung sowie an einem sozialverträglichen Stellenabbau dient (vgl. Beschluss des Senats vom 15. Juni 2004 - 1 UZ 3219/03 - unter Hinweis auf v. Roetteken/Rothländer, Hessisches Bedienstetenrecht, Stand nunmehr: Dezember 2005, Rn. 10 zu § 85b HBG), haben die geltend gemachten fiskalischen Erwägungen zur Finanzierbarkeit einer Ersatzkraft unter den Bedingungen der dezentralen Budgetierung von Personal- und Sachkosten als gewichtige öffentliche Belange zu gelten.
Der Senat sieht anders als das Verwaltungsgericht hierin keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Altersteilzeitregelung des Landes Schleswig-Holstein (BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 2 C 21.03 - BVerwGE 120, 382 = ZBR 2004, 393). Im Gegenteil wird darin gerade die Fallkonstellation der Auswirkung einer bestimmten Haushaltslage auf die Wiederbesetzbarkeit freiwerdender Stellen mit dem Ziel der sachgemäßen und reibungslosen Erfüllung öffentlicher Aufgaben als dringender dienstlicher Belang im Sinne der parallelen Regelung des § 88a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 des schleswig-holsteinischen Landesbeamtengesetzes bezeichnet, wie sich der im erstinstanzlichen Urteil zitierten Fundstelle (S. 8 des Abdrucks) unmittelbar entnehmen lässt.
Nach Auffassung des Senats ergeben sich aus der Regelungsermächtigung in § 85b Abs. 2 Satz 2 HBG keine Besonderheiten, die es verbieten könnten, diese höchstrichterliche Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Aus der bisher unterbliebenen Inanspruchnahme dieser Ermächtigung lässt sich nicht folgern, dass aus der Sicht des Dienstherrn allgemeine dienstliche Hindernisse, wie sie etwa für einen bestimmten Verwaltungsbereich insgesamt angenommen werden können, einer Inanspruchnahme von Altersteilzeit im Bereich der Schulverwaltung nicht entgegen stünden. Die normative Ausgestaltung der Altersteilzeit in § 85b HBG nötigt den Beklagten weder dazu, generell-abstrakte Regelungen für einzelne Verwaltungsbereiche zu treffen, noch ist der Beklagte durch § 85b Abs. 2 Satz 2 HBG gehindert, sich in jedem Einzelfall auf durchgreifende fiskalische Erwägungen zu berufen (vgl. auch v. Roetteken/Rothländer a. a. O., Rn. 52, 60 zu § 85b HBG). Ob der Beklagte von der in dieser Vorschrift geregelten Möglichkeit Gebrauch macht, steht in seinem weiten organisationspolitischen Ermessen. § 85b Abs. 2 Satz 2 HBG ist im Lichte des Satzes 1 zu interpretieren und stellt lediglich klar, dass der Dienstherr die Bewilligung von Altersteilzeit ohne Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte des einzelnen Beamten ganz oder teilweise aussetzen darf. Eine weiter gehende Bedeutung kommt der Vorschrift nicht zu.
Als unterliegende Partei hat die Klägerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 127 BRRG, § 183 HBG, § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in der seit dem 1. Juli 2004 geltenden Fassung, da das Rechtsmittel nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist (§ 72 GKG). Danach beträgt der sog. Auffangstreitwert, der in Verfahren betreffend die Bewilligung von Altersteilzeit regelmäßig anzusetzen ist (vgl. Beschluss des Senats vom 1. Dezember 2003 - 1 TE 2969/03 -), 5.000,00 €.
Ende der Entscheidung
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