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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.05.2001
Aktenzeichen: 4 TG 764/01
Rechtsgebiete: HBO
Vorschriften:
HBO § 61 Abs. 2 |
2. Die Anordnung, die Errichtung einer baulichen Anlage zu unterlassen, darf sich auch auf den gesamten räumlichen Zuständigkeitsbereich der Bauaufsichtsbehörde beziehen, wenn die Errichtung der Anlage an jeder Stelle des Zuständigkeitsgebietes der Behörde rechtswidrig wäre.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Baurechts,
hier: Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Beseitigungsverfügung und eine Unterlassungsanordnung
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 4. Senat - durch
Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Blume, Richter am Hess. VGH Schröder, Richter am Hess. VGH Dr. Dittmann
am 25. Mai 2001 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 24. Januar 2001 - 1 G 100/01 -, soweit darin dem Eilantrag der Antragstellerin entsprochen worden ist, mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Der Antrag wird insgesamt abgelehnt.
Die Kostenentscheidung für die erste Instanz wird wie folgt neu gefasst:
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8.000,-- DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Mit Verfügung vom 05.01.2001 gab der Antragsgegner der Antragstellerin, die eine Werbefirma betreibt, unter Ziffer 1 auf, den auf dem Grundstück Flur 2, Flurstück 205/4 im Außenbereich der Gemarkung ............... abgestellten fahrbaren Anhänger mit zwei hierauf montierten Werbetafeln mit jeweils einer Größe von 3 m x 2 m mit Werbung für ein M. Lokal innerhalb einer Woche nach Zustellung der Verfügung von dem Grundstück zu entfernen. Unter Ziffer 2 der Verfügung wurde der Antragstellerin ferner aufgegeben, das erneute Aufstellen des unter Ziffer 1 genannten Anhängers auf einem anderen Standort im gesamten Kreisgebiet des Antragsgegners zu unterlassen oder im Kreisgebiet ab Zustellung der Verfügung andere Anhänger mit baugenehmigungspflichtigen Werbeanlagen ohne Baugenehmigung neu ab- bzw. aufzustellen. Die Unterlassungsanordnung, die auf § 61 Abs. 2 HBO gestützt wurde, wurde damit begründet, dass die Antragstellerin den Anhänger mit den Werbetafeln in der Vergangenheit im Kreisgebiet bereits an drei anderen Standorten ohne Baugenehmigung aufgestellt und den Standort jeweils erst dann aufgegeben habe, wenn gegen sie bauaufsichtliche Maßnahmen ergriffen worden seien. Ferner wurde zur Begründung ausgeführt, dass die Antragstellerin über drei weitere, ebenfalls auf Fahrzeuganhängern montierte Werbeanlagen verfüge, die auch ohne Baugenehmigung auf Außenbereichsgrundstücken an der Autobahn A 5 in den Gemarkungen .............., .............. und .................. aufgestellt seien. Hinsichtlich dieser Werbeanlagen liefen getrennte Verwaltungsverfahren. Aufgrund der bisher mit der Antragstellerin gemachten Erfahrungen bestehe die Gefahr, dass sie den von Ziffer 1 der Verfügung erfassten Anhänger oder die anderen drei genannten Anhänger mit Werbeschildern auf anderen Standorten erneut in formell illegaler Weise im Kreisgebiet aufstelle. Es bestehe die konkrete Gefahr weiterer Baurechtsverstöße, der wirksam nur durch eine Unterlassungsanordnung begegnet werden könne.
Gegen die Verfügung vom 05.01.2001 hat die Antragstellerin nach vorheriger Widerspruchseinlegung beim Verwaltungsgericht Gießen um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die unter Ziffer 2 der Verfügung getroffene Anordnung wiederhergestellt und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Zur Begründung des stattgebenden Teils der Entscheidung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, für die unter Ziffer 2 der Verfügung getroffene Anordnung gebe es keine Rechtsgrundlage. Die Anwendbarkeit des § 61 Abs. 2 HBO setze voraus, dass durch eine konkrete bauliche Anlage oder durch Arbeiten zu ihrer Errichtung oder durch ihre rechtserhebliche Nutzung bestimmte Gefahren für die öffentliche Sicherheit hervorgerufen würden. Hierfür sei das Bestehen einer konkreten baulichen Anlage erforderlich. Eine bloß imaginäre Anlage genüge nicht. Der Anhänger mit Werbeflächen sei aber nicht bereits für sich genommen eine bauliche Anlage, sondern werde dies erst durch seine überwiegend ortsfeste Nutzung. Nach Entfernen des Anhängers vom bisherigen Standort, wozu die Antragstellerin sofort vollziehbar verpflichtet sei, bis zum Aufstellen des Anhängers an einem neuen Standort sei er lediglich als eine imaginäre bauliche Anlage zu betrachten. Zudem verstoße die Anordnung auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da sie lediglich der Erleichterung der Durchführung der Aufgaben der Bauaufsichtsbehörde diene. Der Antragsgegner beabsichtige offenbar der Antragstellerin, deren ständige Verstöße gegen das Bauordnungsrecht gerichtsbekannt seien, durch die im Streit befindliche Maßnahme mit einem Schlage und ein für alle Mal das Handwerk zu legen. Die Maßnahme sei aber nicht erforderlich, um baurechtsgemäße Zustände herzustellen.
Auf den Antrag des Antragsgegners hat der Senat dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen zugelassen, soweit darin dem Eilantrag der Antragstellerin entsprochen worden ist.
II.
Die zugelassene Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erweist sich die angegriffene Verfügung auch hinsichtlich der in ihr unter Ziffer 2 enthaltenen Unterlassungsanordnung bereits bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig und hinsichtlich ihres Vollzuges eilbedürftig, so dass der Eilantrag der Antragstellerin insgesamt erfolglos bleiben muss und die angegriffene erstinstanzliche Entscheidung entsprechend abzuändern ist.
Rechtsgrundlage der Unterlassungsanordnung ist § 61 Abs. 2 HBO. Hiernach haben die Bauaufsichtsbehörden im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder einzelnen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, die durch bauliche Anlagen oder durch Arbeiten zu ihrer Errichtung, Änderung, Instandhaltung oder Beseitigung oder ihrem Abbruch oder durch eine nach der Hessischen Bauordnung rechtserhebliche Nutzung hervorgerufen werden. Der Umstand, dass die von der Antragstellerin mit Werbetafeln versehenen Anhänger nicht bereits für sich genommen eine bauliche Anlage darstellen, sondern diese Eigenschaft erst durch ihre Aufstellung an einem bestimmten Ort und die überwiegend ortsfeste Nutzung erhalten, steht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts der Anwendbarkeit des § 61 Abs. 2 HBO nicht entgegen. Die den Bauaufsichtsbehörden nach § 61 Abs. 2 HBO eingeräumte umfassende Befugnis, alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um die Verwirklichung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften in Bezug auf bauliche Anlagen zu sichern, umfasst nämlich auch die Ermächtigung, bereits vorbeugend zur Verhinderung eines sonst in Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintretenden rechtswidrigen Zustandes einzuschreiten, soweit ein rechtlicher Zusammenhang u. a. mit der Errichtung baulicher Anlagen gegeben ist (ebenso für die vergleichbare Regelung der Bayerischen Bauordnung Simon, Bay.BauO, 1994, Komm., Rdnr. 8 zu Art. 66). Vorliegend waren und sind die Voraussetzungen für ein vorbeugendes Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde gegeben. Die Antragstellerin hat den in der Verfügung genannten Anhänger mit Werbetafeln immer wieder ohne die erforderliche Baugenehmigung an verschiedenen Standorten des Kreisgebietes illegal aufgestellt. Gleiches gilt für die drei weiteren mit Werbetafeln versehenen Anhänger, die die Antragstellerin ebenfalls ständig im Kreisgebiet ohne die erforderliche Baugenehmigung zu Werbezwecken einsetzt und nutzt. Nach Ergehen entsprechender Beseitigungsanordnungen hat die Antragstellerin die vorgenannten Anhänger zwar jeweils entfernt, sie aber unmittelbar danach wieder an anderen Standorten ohne die erforderliche Baugenehmigung und damit illegal erneut aufgestellt. Von ihrem rechtswidrigen Treiben hat sich die Antragstellerin bisher auch nicht durch den wiederholten Erlass von Beseitigungsverfügungen, Zwangsgeldandrohungen und Bußgeldbescheiden abbringen lassen. Angesichts dieses Verhaltens der Antragstellerin musste und durfte der Antragsgegner davon ausgehen, dass die Antragstellerin den im Tenor der Verfügung genannten Anhänger bzw. die in der Begründung der Verfügung angeführten weiteren drei Anhänger mit Werbetafeln in Kürze wiederum an anderen als den bisherigen Standorten im Kreisgebiet unter erneuter Nichtbeachtung des Baugenehmigungserfordernisses auf- bzw. abstellen würde und zur Vermeidung eines solchen rechtswidrigen Zustandes vorbeugend bauaufsichtlich tätig werden. Dass die Verfügung die erneute Aufstellung der vorgenannten vier Anhänger mit Werbetafeln für das gesamte Kreisgebiet untersagt, ist nicht zu beanstanden, da ihre Aufstellung ohne die erforderliche Baugenehmigung an jedem Ort des Kreisgebietes rechtswidrig wäre. Die Unterlassungsanordnung kann auch nicht als unverhältnismäßig angesehen werden. Sie ist vielmehr erforderlich, um der hartnäckigen und nachhaltigen Missachtung der baurechtlichen Vorschriften durch die Antragstellerin wirksam entgegenzutreten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14, 20 Abs. 3 und 25 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Ebenso wie das Verwaltungsgericht bewertet auch der Senat das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Unterlassungsanordnung mit 8.000,-- DM.
Hinweis: Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2)
Ende der Entscheidung
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