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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.04.2009
Aktenzeichen: 1 A 2606/08.Z
Rechtsgebiete: BeamtVG, EStG, GG


Vorschriften:

BeamtVG § 53 Abs. 7
EStG § 7 g
GG Art. 33 Abs. 5
Eine zurückgeführte Investitionsrücklage ("Ansparabschreibung") ist im Jahr ihrer Auflösung als Erwerbseinkommen aus selbständiger Tätigkeit oder Gewerbebetrieb in die Ruhensberechnung der Versorgungsbezüge einzubeziehen, nicht im Jahr ihrer Bildung.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 A 2606/08.Z

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Versorgung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Dr. Bark, Richterin am Hess. VGH Schild

am 20. April 2009 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 23. Oktober 2008 - 1 E 806/07 - wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 15.355,20 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 Ziffern 1, 2 und 3 VwGO liegen nicht vor.

Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, mit der das Verwaltungsgericht die Klage gegen die Kürzung des Witwengeldes der Klägerin im Hinblick auf ihr im Jahr 2005 erzieltes Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit abgewiesen hat. Zu Recht hat der Beklagte und mit ihm das Verwaltungsgericht den gesamten aus dem Steuerbescheid für das Jahr 2005 ersichtlichen Betrag von 89.217,00 € und nicht nur die nach Angaben der Klägerin laufenden Einkünfte in Höhe von 34.417,00 € in Ansatz gebracht. Denn auch die von der Klägerin im Jahr 2005 aufgelöste Investitionsrücklage in Höhe von 54.800,00 € - deren Charakter die Klägerin im Übrigen außer durch ein Schreiben ihres Steuerberaters vom 16. April 2007 in keiner Weise nachgewiesen hat - ist als Erwerbseinkommen im Sinne des § 53 Abs. 7 BeamtVG anzusehen und daher beim Zusammentreffen mit Versorgungsbezügen in die Ruhensberechnung einzubeziehen.

Der Begriff des Einkommens ist für die Zwecke des Versorgungsrechts in § 53 Abs. 7 BeamtVG eigenständig definiert und nicht nur durch eine Verweisung auf das Einkommensteuerrecht umschrieben, wie dies im Rahmen der Sozialversicherung nach § 15 Abs. 1 SGB IV der Fall ist. Gleichwohl ist der versorgungsrechtliche Begriff des Einkommens eng an das Einkommensteuerrecht angelehnt und dessen konkretisierende Regelungen werden herangezogen, soweit sie mit der Zielsetzung des § 53 BeamtVG vereinbar sind (so ausdrücklich: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum BeamtVG, Rdnr. 29 zu § 53). Der beamtenversorgungsrechtliche Begriff des Erwerbseinkommens umfasst u.a. die auch im Steuerrecht (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG) erfassten Einkünfte aus selbstständiger Arbeit sowie aus Gewerbebetrieb, so dass die steuerrechtliche Definition für derartige Einkünfte - nämlich der Gewinn im Sinne der §§ 4 ff. EStG - als Ansatzpunkt für die versorgungsrechtliche Betrachtung dienen kann. Dementsprechend wird die Höhe des Einkommens, das der Versorgungsberechtigte aus selbständiger Tätigkeit erzielt, nach dem Gewinn gemäß den steuerlichen Vorschriften ermittelt (Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Rdnr. 29b zu § 53 BeamtVG). Zu diesem Gewinn zählt auch die aufgelöste Investitionsrücklage. Denn § 7 g Abs. 4 EStG schreibt ausdrücklich vor, dass die Rücklage spätestens im zweiten Jahr ihrer Bildung gewinnerhöhend aufgelöst werden muss, wenn sie nicht eingesetzt worden ist.

Demgegenüber kann die Klägerin sich nicht darauf berufen, bei der zurückgeführten Investitionsrücklage im Sinne von § 7g EStG handele es sich um Einkünfte, die sie bereits im Jahr der Bildung dieser Rücklage - also im Jahr 2003 - erzielt habe, so dass ihr diese Einkünfte jedenfalls 2005 nicht mehr versorgungsmindernd angerechnet werden könnten. Zwar beschränkt sich der Zweck der Ruhensregelung wegen des Alimentationsprinzips aus Art. 33 Abs. 5 GG (vgl. ausführlich Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Rdnr 9ff zu § 53 BeamtVG) darauf, Einkünfte abzuschöpfen, die der im vorzeitigen Ruhestand befindliche Beamte - hier seine hinterbliebene Witwe - durch den Einsatz der Arbeitskraft erzielt hat. Im Wege des Vorteilsausgleichs dürfen diese Einkünfte trotz der grundsätzlich von der finanziellen Situation des Beamten unabhängigen Alimentationsverpflichtung des Dienstherrn Berücksichtigung finden, weil der Beamte nur durch den vorzeitigen Ruhestand in die Lage versetzt worden ist, erwerbstätig zu werden (so ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 18.09.1997 - 2 C 35.96 - BVerwGE 105, 226 ff). Dieselben Grundsätze gelten für die Hinterbliebenenversorgung - also hier das Witwengeld -, wenn der Beamte vor dem Erreichen der Altersgrenze verstorben ist. Denn für die Versorgungsbezüge der Waisen und Witwen sind seit jeher die selben Gesichtspunkte bestimmend, die für die Versorgung des Beamten selbst gelten (so schon BVerfG, Entscheidung vom 11.04.1967 -1 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 ff, 347 m.w.N.). Es ist kein Grund dafür ersichtlich, den Hinterbliebenen in seinem Versorgungsanspruch besser zu stellen als der Beamte stünde, wenn er nicht verstorben, sondern wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden wäre (BVerwG, Urteil vom 19.2.2004 - 2 C 20.03 - BVerwGE 120, 154 ff; bestätigt durch BVerfG, Beschluss vom 11.12.2007 - 2 BvR 797/04 - ZBR 2008, 91 ff = DVBl 2008, 184 ff). Demgemäß führt nach § 53 Abs. 7 BeamtVG Erwerbseinkommen aus selbstständiger oder nicht selbstständiger Tätigkeit zum Ruhen der Versorgungsbezüge, nicht dagegen Einkommen aus Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung.

Der Gesichtspunkt des Einsatzes der Arbeitskraft schließt es jedoch nicht aus, die zurückgeführte Ansparabschreibung für die Klägerin erst im Jahr 2005 anzurechnen. Denn sie hat zwar ihre Arbeitskraft zur Erzielung des Gewinnes in Höhe der Ansparrücklage bereits im Jahr 2003 "investiert" und nicht erst im Jahr 2005; es war jedoch ihre persönliche Entscheidung, an der sie sich jetzt festhalten lassen muss, diesen Gewinn zunächst als "Sonderposten" in Form der Investitionsrücklage festzulegen, so dass er ihr im Jahr 2003 letztlich nicht zur Verfügung stand. Erst bei Auflösung der Rücklage im Jahr 2005 floss der Betrag wieder ins Betriebsvermögen zurück und konnte frei eingesetzt werden. Dieser steuerliche Mechanismus ist in die versorgungsrechtliche Betrachtung zu übernehmen; denn er deckt sich mit dem auch für das Versorgungsrecht maßgeblichen Zuflussprinzip. Entscheidend für die Frage, welche Beträge wann als Erwerbseinkommen berücksichtigt werden können, ist der Zeitpunkt, zu dem dem Berechtigten das entsprechende Einkommen zugeflossen ist (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Rdnr. 46 zu § 53 BeamtVG), und zwar nach der ausdrücklichen Festlegung in § 53 Abs. 7 Satz 4 BeamtVG sogar nach monatsbezogener Berechnungsweise. Dieser Zufluss ist bei der zurückgeführten Rücklage erst durch ihre Auflösung im Jahr 2005 erfolgt, nicht aber bereits anlässlich ihrer Bildung im Jahr 2003.

Auch der Einwand, dass es sich bei der zurückgeführten Investitionsrücklage (nach der gesetzlichen Definition des § 7g Abs. 3 EStG "Ansparabschreibung" genannt) nur um fiktive Betriebseinnahmen handele, die deshalb den Versorgungsbezug nicht mindern könnten, trifft nicht zu. Vielmehr ist der Betrag von 54.800,00 € tatsächlich erwirtschaftet worden ist, nur zeitlich früher als er jetzt steuerlich und versorgungsrechtlich berücksichtigt wird. Der Sinn und Zweck der Regelung über die Ansparabschreibung zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe in § 7g EStG besteht lediglich darin, dass der Steuerpflichtige durch die Bildung der Rücklage vorübergehend seine Liquidität erhöht, indem erzielte Gewinne in Höhe der Ansparrücklage im Jahr ihrer Bildung nicht besteuert werden. Mit dem Ersparten kann und soll er investieren. Dies bedeutet aber auch, dass der Steuerpflichtige vor der Bildung der Ansparrücklage den entsprechenden Betrag tatsächlich erarbeitet haben muss. Allenfalls mögen diesen Einnahmen ähnlich hohe Ausgaben gegenüber gestanden haben, so dass im Ergebnis ein Verlust entstanden sein kann, der durch die Deklaration eines bestimmten Betrages als Ansparabschreibung noch erhöht worden ist - was § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG ausdrücklich zulässt. Ob die Klägerin im Jahr 2005 ihre Investitionsrücklage aus einem Überschuss gebildet oder nur buchungstechnisch ihren Verlust erhöht hat, vermochte sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht selbst nicht zu erklären; darauf kommt es aber auch nicht an. Denn unanhängig davon, ob im Jahr der Bildung der Rücklage im Ergebnis ein Gewinn oder ein Verlust entstanden ist, wären die erwirtschafteten Beträge erst einmal als positive Einkünfte in die Gewinnermittlung eingegangen. Dementsprechend wird der Klägerin für das Jahr 2005 nicht etwa eine fiktive Einnahme gutgeschrieben, sondern es hat sich lediglich der zeitliche Anknüpfungspunkt verschoben. Der Rücklagenbetrag wurde zwar früher erwirtschaftet, wird aber erst im Jahr der Rückführung wieder verfügbar und damit - gewinnerhöhend - berücksichtigungsfähig.

Diese Berechnungsweise entspricht im Übrigen derjenigen, die im Rahmen des gesetzlichen Rentenrechts bei der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf eine gesetzliche Witwenrente stattfindet (vgl. hierzu ausdrücklich LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.05.2007 - L 2 KN 12/07 - juris) , ebenso wie den Berechnungsmodalitäten bei der Berücksichtigung von Einkommen zur Bestimmung der Höhe des gesetzlichen Krankengeldes (vgl. hierzu LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.09.2007 - L 5 KR 25/07 - juris) oder der Berechnung des Einkommens von Kindern in Bezug auf die Frage, ob die Einkommensgrenze für den Bezug von Kindergeld überschritten wird (vgl. hierzu FG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2006 - 14 K 2060/05 Kg - juris). All diesen Entscheidungen ist gemeinsam, dass sie der steuerlichen Betrachtungsweise folgen und in den Jahren, in denen die Ansparabschreibung gebildet wird, nur das durch die Rücklage geminderte Einkommen berücksichtigen, während im Jahr der Auflösung einer solchen Ansparabschreibung das dadurch erhöhte Einkommen maßgebend ist. Anders sieht es das Bundessozialgericht (Urteil vom 5. September 2006 - B 7a AL 38/05 R -; juris) nur für die Anrechnung von Nebeneinkommen auf das Arbeitslosengeld, bei dem wegen der erforderlichen zeitlichen Kongruenz die Anrechnung von Nebeneinkommen zwingend voraussetze, dass das Arbeitseinkommen aus einer Nebenbeschäftigung resultiere, die dem Leistungszeitraum zugeordnet werden könne. Die bloße Rückführung einer früher gebildeten Investitionsrücklage (Ansparabschreibung) erfülle dieses Kriterium nicht. Gesichtspunkte, die auch im Rahmen des Beamtenversorgungsrechtes eine derartige Betrachtungsweise erfordern würden, sind allerdings nicht ersichtlich.

Die Rechtssache weist auch keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Abgesehen davon, dass die Klägerin diese Schwierigkeiten schon nicht näher dargelegt, sondern nur pauschal auf verfassungsrechtliche Aspekte verwiesen hat, unterscheidet sich das vorliegende Verfahren jedenfalls nicht vom Spektrum sonstiger beamtenrechtlicher Streitigkeiten, so dass aus dem Verneinen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung auch gefolgert werden kann, dass keine besonderen Schwierigkeiten vorliegen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.02.1997 - 8 S 375/97 - VBlBW 1997, 219; Bay. VGH, Beschluss vom 28.06.1999 - 19 ZB 97.1557 - juris).

Schließlich hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Denn auch wenn es bislang keine beamtenversorgungsrechtliche Rechtsprechung zur Anrechnung einer aufgelösten Ansparabschreibung gibt, so lässt sich die Frage der Anrechnung doch ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten. Zudem liegen parallele Entscheidungen zum gesetzlichen Rentenrecht vor (vgl. die bereits zitierte Entscheidung des LSG Niedersachen vom 30.05.2007 - L 2 KN 12/07 -), auf die die Beteiligten des Verfahrens sich allerdings nicht bezogen haben. Außerdem ist die von der Klägerin formulierte Frage, ob auch "fiktive" Einkünfte versorgungsmindernd berücksichtigt werden dürfen, ohnehin nicht einschlägig, da die aufgelöste Ansparrücklage nicht als fiktive Einnahme eingestuft werden kann.

Da der Zulassungsantrag erfolglos bleibt, hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 3 GKG. Der Senat geht von der Differenz zwischen den Versorgungsbezügen aus, die der Klägerin mit bzw. ohne Berücksichtigung der Investitionsrücklage zustehen. Dies sind nach Mitteilung des Beklagten im Fall der Berücksichtigung der Investitionsrücklage - also bei einem Jahreseinkommen von 89.217,00 € - monatlich 359,86 €, während ohne Berücksichtigung der Investitionsrücklage - bei einem Jahreseinkommen von 34.417,00 € - monatlich 1.639,46 € an Versorgungsbezügen zu zahlen wären. Die Differenz von 1.279,60 € ist nur auf zwölf Monate hoch zu rechnen, da die Anrechnung der Investitionsrücklage allein für das konkrete Jahr 2005, nicht aber auf Dauer in Streit steht. Dementsprechend ergibt sich der festgesetzte Streitwert von 15.355,20 €.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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