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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.07.2009
Aktenzeichen: 1 A 826/09.Z
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Ausschlaggebend für die Frage, ob Vordienstzeiten kausal "zur Ernennung geführt" haben, ist nicht die schlichte Nützlichkeit für die tägliche Arbeit, sondern die Vortätigkeit muss "für die Laufbahn des Beamten", also für die Ernennung und Übertragung des Statusamtes von wesentlicher Bedeutung gewesen sein. Dies folgt aus der Verwendung des Begriffs "Laufbahn", der mehr umfasst als nur das erstmals übertragene Funktionsamt (Ergänzung zu Hess. VGH, Urteil vom 06.11.1996 - 1 UE 327/95 - und im Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 03.12.2008 - 2 B 57.08 -).
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 A 826/09.Z

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Versorgung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Richter am Hess. VGH Dr. Bark, Richterin am Hess. VGH Schild, Richter am Hess. VGH Kohde

am 16. Juli 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 12. Februar 2009 - 1 K 1561/05.DA - wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 3 und 5 VwGO liegen nicht vor.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, mit der das Verwaltungsgericht die Klage auf Berücksichtigung der Vordienstzeiten des Klägers - wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität Frankfurt und Berufsberatung bei der Bundesanstalt für Arbeit - als ruhegehaltfähige Dienstzeiten nach dem Beamtenversorgungsgesetz abgewiesen hat. Beide Tätigkeiten sind nicht als Zeiten einer für die Laufbahn des Beamten förderlichen Tätigkeit im Sinne von § 10 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG zu bewerten, die zu seiner Ernennung geführt haben.

Denn wie das Verwaltungsgericht zu Recht unter Rückgriff u. a. auf die Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 06.11.1996 - 1 UE 327/95 - juris) ausführt, muss zwischen der Ernennung des Beamten und der vorher ausgeübten Tätigkeit ein innerer Zusammenhang bestehen, und zwar sowohl in funktioneller als auch in zeitlicher Hinsicht. Dieser funktionelle Zusammenhang setzt voraus, dass die frühere Tätigkeit für die Dienstausübung des Beamten in gesteigertem Maß nützlich ist, also wenn sie entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder jedenfalls erleichtert und verbessert wird (Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Rdnr. 55 zu § 10 BeamtVG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG, u. a. Urteil vom 14.03.2002 - 2 C 4.01 - NVwZ-RR 2002, 667). Anders ausgedrückt muss die frühere Tätigkeit Fähigkeiten und Erfahrungen vermittelt haben, die ein wesentlicher, wenn auch nicht notwendig ausschlaggebender Grund für die Übernahme in das Beamtenverhältnis gewesen sind (so Hess. VGH, Urteil vom 06.11.1996 - 1 UE 327/95 -). Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist das Verwaltungsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass weder die Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Anthropologie und Humangenetik vom 1. November 1985 bis 30. April 1989 noch die Tätigkeit in der Berufsberatung für die Bundesanstalt für Arbeit zwischen dem 1. Januar 1990 und dem 24. April 2000 als ruhegehaltfähige Dienstzeiten anzuerkennen sind.

Zwar mag insbesondere die berufsberatende Funktion des Klägers bei der Bundesanstalt für Arbeit hilfreich für seine spätere Tätigkeit an der xxx-Schule gewesen sein, wie dies u. a. durch den schulfachlichen Bericht des Schulleiters vom 6. März 2003 bestätigt wird, wonach die Schule "bei der Organisation und Durchführung von Betriebsbesuchen und in Angelegenheiten der Berufsberatung von der vorherigen Berufstätigkeit (des Klägers) in besonderer Weise profitiert". Auch mag die berufliche Vorerfahrung des Klägers für den - nicht zur Ernennung berechtigten - Schulleiter ein wichtiges Kriterium gewesen sein, den Kläger einer anderen Bewerberin um die seinerzeit ausgeschriebene Studienratstelle an seiner Schule vorziehen, wie die Stellungnahme vom 22. September 2006 erkennen lässt. Dies bedeutet jedoch nur, dass bei der Einstellung des Klägers in den hessischen Schuldienst seine früheren beruflichen Tätigkeiten zu seinen Gunsten in die Auswahlentscheidung für die konkrete Stelle eingeflossen sind, ohne aber gleichzeitig im Sinne von § 10 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG "zu seiner Ernennung geführt" zu haben. Denn ausschlaggebend für die Frage, ob eine Vortätigkeit kausal "zur Ernennung geführt hat", ist nicht die schlichte Nützlichkeit beruflicher Vorerfahrungen für seine Arbeit, sondern die Vortätigkeit muss "für die Laufbahn des Beamten", also für die Ernennung und Übertragung des Statusamtes (hier Studienrat z. A.) von wesentlicher Bedeutung gewesen sein. Dies folgt aus der Verwendung des Begriffes "Laufbahn" in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG, der mehr umfasst als nur das erstmals übertragene Funktionsamt (vgl. zum Statusamt als Bezugspunkt ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 03.12.2008 - 2 B 57.08 - juris, in teilweiser Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung, die "Laufbahn" gleichzeitig als Oberbegriff für das tatsächlich innegehabte Amt eingestuft und deshalb auch auf die konkrete Nützlichkeit abgestellt hat: BVerwG, Urteil vom 11.11.1986 - 2 C 4.84 - NVwZ 1987, 807 = DVBl. 1987, 416 und Urteil vom 14.03.2002 - 2 C 4.01 - NVwZ-RR 2002, 667 = DVBl 2002, 1222 = DÖV 2002, 828).

Für die Laufbahn des höheren Schuldienstes ist es - worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat - zunächst (nur) erforderlich, dass der Bewerber über das erste und zweite Staatsexamen verfügt und den notwendigen Vorbereitungsdienst abgeleistet hat. Für derartige Fälle ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass für die Anstellung als Beamter die während des Vorbereitungsdienstes erworbenen und durch die Laufbahnprüfung nachgewiesenen Fähigkeiten und Kenntnisse allein ausreichend und ausschlaggebend sind, mithin zur Ernennung geführt haben (Hess. VGH, Urteil vom 6.11.1996 - 1 UE 327/06 -). Dies gilt auch für den Kläger, dessen Vortätigkeiten in der Berufsberatung allenfalls nützlich, aber nicht wesentlich oder gar ausschlaggebend für die Wahrnehmung der den Lehrern generell übertragenen Aufgaben in Bildung, Erziehung und Unterrichtsgestaltung (vgl. §§ 2 und 3 HSchG) sind. Sie beziehen sich zudem nur auf Teilaspekte des Bildungsauftrages wie die Einbeziehung betrieblicher Gesichtspunkte oder organisatorische Kenntnisse.

Dies bedeutet entgegen der Auffassung des Klägers allerdings nicht zwingend, dass § 10 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG bei der Einstellung in den höheren Schuldienst nie zum Tragen kommen kann. Denn auch wenn für die Übertragung des statusrechtlichen Amtes eines Studienrates (z. A.) alleine das Bestehen der ersten und zweiten Staatsprüfung vorgeschrieben ist, so hindert das den Dienstherrn nicht, im Einzellfall beispielsweise Lehrtätigkeiten an Privatschulen oder im Rahmen der Erwachsenenbildung als förderlich für die Laufbahn des höheren Schuldienstes einzustufen und einen konkreten Bewerber genau wegen dieser Vorerfahrungen in den Landesschuldienst zu übernehmen..

Vor diesem Hintergrund können die Differenzen bezüglich der Erklärung des Schulleiters vom 22. September 2006 und die Zweifel, die der Kläger im Hinblick auf die erstinstanzliche Auslegung dieser Erklärung unter Berücksichtigung des schulfachlichen Berichtes des Schulleiters vom 6. März 2003 geäußert hat, auf sich beruhen. Denn sie beziehen sich jeweils nur auf die Förderlichkeit der Vortätigkeit für das dem Kläger übertragene Funktionsamt an der xxx-Schule, nicht aber auf die Einstellung in den Schuldienst als solchen. Auch auf die in erster Instanz zwischen den Beteiligten streitig diskutierte Auslegung der Stellenausschreibung für die später dem Kläger übertragene Position an der xxx-Schule kommt es deshalb nicht entscheidungserheblich an.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts leidet auch nicht an einem Begründungsmangel, weil hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Frankfurt nicht dargelegt worden wäre, weshalb ein funktioneller Zusammenhang zur Einstellung in den höheren Schuldienst fehlt. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht auf Seite 13 des Urteilsabdrucks ausdrücklich auf die Funktionsbeschreibung und damit den Inhalt der dortigen Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter abgestellt und deutlich gemacht, dass diese Tätigkeit nicht einmal ausweislich der Stellungnahme des Schulleiters bei der Einstellung des Klägers eine Rolle gespielt hat. Insoweit ist sie bereits nach eigenem Vortrag nicht kausal für die Einstellung des Klägers gewesen und kann nicht zu seiner Ernennung geführt haben, ergänzend zu den Gründen, die gleichermaßen für die Beschäftigungszeit in der Berufsberatung bei der Bundesanstalt für Arbeit gelten.

Das Verwaltungsgericht hat auch keinen Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO begangen, weil es die Erklärung des Schulleiters vom 22. September 2006 im Lichte des schulfachlichen Berichtes vom 6. März 2003 ausgelegt hat, ohne den Schulleiter zu den Einzelheiten seiner Erklärung zu vernehmen und einem entsprechenden Beweisangebot des Klägers zu folgen. Denn das Verwaltungsgericht hat nicht etwa die Erklärung trotz Unklarheiten, die sich nur durch eine Nachfrage bei deren Verfasser aufklären ließen, zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Vielmehr hat es die beiden Schriftstücke vom 22. September 2006 und vom 6. März 2003 in einer Gesamtschau gewürdigt und dadurch den Aussagegehalt der ausdrücklich für das gerichtliche Verfahren gefertigten Erklärung des Schulleiters vom 22. September 2006 relativiert. Dem Beweis a n g e b o t auf Vernehmung des Schulleiters brauchte das Verwaltungsgericht darüber hinaus schon deshalb nicht zu folgen, weil der anwaltlich vertretene Kläger keinen ausdrücklichen dahingehenden Beweis a n t r a g gestellt hat. Denn auch wenn die Beteiligten in der ersten mündlichen Verhandlung vom 12. September 2006 vor der früheren Berichterstatterin ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt hatten, so waren sie dadurch nicht gehindert, noch schriftlich Beweisanträge zu stellen. Der Kläger hatte ausdrücklich Gelegenheit zur Vorlage der damaligen Stellenausschreibung, und wenn er in diesem Zusammenhang die Vernehmung des Schulleiters für notwendig erachtet hat, so hätte er mit seinem Schriftsatz vom 6. Oktober 2006 nicht nur das Schreiben des Schulleiters vorlegen, sondern zusätzlich dessen Vernehmung als Zeugen beantragen können; zumal über die Klage - nach einem Berichterstatterwechsel - erst rund eineinhalb Jahre später entschieden worden ist. Ist ein förmlicher Beweisantrag unterblieben, so kann ohnehin nicht mit Erfolg die Verletzung der Aufklärungspflicht des erstinstanzlichen Gerichts geltend gemacht werden (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 17.3.2008 - 1 UZ 1779/07 - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG zur analogen revisionsrechtlichen Vorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, u. a. BVerwG , Beschluss vom 24.3.2000 - 9 B 530.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308). Im Übrigen kommt es auf die angebotene Vernehmung des Schulleiters auch deshalb nicht an, weil sich seine Erklärung ausschließlich auf die Bewertung der Voraktivitäten des Klägers unter dem Gesichtspunkt der konkret zu besetzenden Stelle an der xxx-Schule bezieht, nicht aber auf das Statusamt des Studienrates im höheren Schuldienst.

Schließlich weist die Rechtssache auch nicht die vom Kläger behauptete grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Denn allein der Hinweis auf die Vielzahl von Bewerbern mit zweitem Staatsexamen, die im Anschluss daran keine direkte Einstellung in den Schuldienst erreichen konnten oder können, genügt nicht, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzulegen. Eine konkret damit zusammenhängende Frage hat der Kläger nicht formuliert. Darüber hinaus ist durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 2008 (2 B 57.08) ausdrücklich klargestellt worden, dass auf die Ernennung in dem jeweiligen Statusamt abzustellen ist und nicht auf das konkrete Funktionsamt. Diese Frage hat das Bundesverwaltungsgericht sogar seinerseits als nicht grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet, weil sie sich ohne weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Regelungen beantworten lässt. Weitergehende Einzelheiten bezüglich der im jeweiligen Einzelfall ausgeübten Vortätigkeiten können zudem schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung aufweisen, weil sie sich von Fall zu Fall unterscheiden.

Da der Zulassungsantrag erfolglos bleibt, hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG und geht mangels konkreter Anhaltspunkte für die späteren finanziellen Auswirkungen einer Anerkennung der Vordienstzeiten des Klägers vom Auffangstreitwert aus.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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