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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.01.2009
Aktenzeichen: 1 B 76/09
Rechtsgebiete: HBG, HLbG


Vorschriften:

HBG § 74 Abs. 1
HLbG § 35
HLbG § 43
HLbG § 52
Ein charakterlich ungeeigneter Studienreferendar kann durch ein sofort vollziehbares Verbot des Führens der Dienstgeschäfte von der Teilnahme an der zweiten Staatsprüfung ausgeschlossen werden.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 B 76/09

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Beamtenrechts

hier: Verbot des Führens der Dienstgeschäfte

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richterin am Hess. VGH Schild

am 14. Januar 2009 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 12. Januar 2009 - 9 L 4328/08.F (1) - abgeändert; der Eilantrag wird insgesamt abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den stattgebenden Teil des erstinstanzlichen Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers in Bezug auf den Tag der zweiten Staatsprüfung (16. Januar 2009) wiederhergestellt hat, ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Bescheid des Antragsgegners vom 22. Dezember 2008 erweist sich auch hinsichtlich des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte am Prüfungstag als offensichtlich rechtmäßig, so dass das Vollzugsinteresse das private Aufschubinteresse des Antragstellers überwiegt.

Der Antragsgegner hat mit nachvollziehbaren Gründen, auf die bereits das Verwaltungsgericht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen hat, dem Antragsteller nach dem Auffinden kinderpornografischer Dateien auf seinem Computer gemäß § 74 Abs. 1 HBG die Führung seiner Dienstgeschäfte mit sofortiger Wirkung verboten. Diese Gründe sprechen nicht nur dafür, dass der Antragsteller keinen Unterricht mehr erteilen darf, sondern auch dafür, ihn nicht an der für den 16. Januar 2009 anberaumten Wiederholungsprüfung für das zweite Staatsexamen teilnehmen zu lassen. Zwar finden die beiden Lehrproben, die der Antragsteller an diesem Tag absolvieren muss, vor einer Prüfungskommission und damit "unter Aufsicht" statt, so dass für die beteiligten Schülerinnen und Schüler keine unmittelbare Gefährdung ersichtlich ist. Dies gilt erst recht für das Prüfungsgespräch, das ohne Beteiligung von Schülern allein mit der Kommission geführt wird. Das Abstellen allein auf den "gefahrlosen" Ablauf der Prüfung lässt jedoch außer Betracht, welchem Zweck der schulische Vorbereitungsdienst dient und welche Folgen der erfolgreiche Abschluss des Vorbereitungsdienstes hätte, wenn sich die gegen den Antragsteller bestehenden Verdachtsmomente erhärten. Denn gemäß der ausdrücklichen Definition in § 35 des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes (HLbG) soll der Vorbereitungsdienst die Lehrkräfte befähigen, den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule wahrzunehmen. Durch das erfolgreiche Absolvieren der zweiten Staatsprüfung weist die Lehrkraft im Vorbereitungsdienst nach, dass sie das Ziel der pädagogischen Ausbildung erreicht hat und erlangt damit die Befähigung zum Lehramt (§ 43 Satz 1 HLbG). Dieses Ziel kann der Antragsteller unter Zugrundelegung der bisherigen Erkenntnisse aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht mehr erreichen, denn er hat sich ausweislich der sichergestellten Daten auf seinem Computer wegen des Besitzes und vermutlich auch der Weitergabe kinderpornographischer Dateien für den Lehrberuf als charakterlich ungeeignet erwiesen. Als Beamter auf Widerruf könnte er bei Bestätigung der gravierenden strafrechtlichen Verdachtsmomente nach § 43 Abs. 1 i. V. m. § 42 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 HBG unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen entlassen werden, wenn sein Beamtenverhältnis nicht ohnehin bereits vor Ablauf der Entlassungsfrist zum 31. Januar 2009 enden würde. Ebenso wie während der Dauer des Entlassungsverfahrens (vgl. hierzu Bay. VGH, Beschluss vom 10.03.2006 -13 CS 05.2874 - juris) darf deshalb die Führung der Dienstgeschäfte nach § 74 Abs. 1 HBG vorläufig untersagt werden, wenn das Beamtenverhältnis vor Ablauf der Entlassungsfristen durch Zeitablauf endet.

Die Verbotsverfügung vom 22. Dezember 2008 lässt bei sachgerechter Auslegung zwingende dienstliche Gründe nicht nur gegen die Fortführung der Dienstgeschäfte insgesamt erkennen, sondern auch konkret gegenüber der Teilnahme an der Abschlussprüfung insoweit, als beim Bestehen der zweiten Staatsprüfung gemäß § 52 Abs. 1 HLbG automatisch ein Zeugnis über die bestandene Prüfung und die erreichte Note auszustellen ist und der Antragsteller danach gemäß § 52 Abs. 2 HLbG ohne weiteres berechtigt wäre, den erworbenen Lehrertitel zu führen, ohne dass Einschränkungen in Bezug auf die charakterlichen Zweifel möglich wären. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck der Staatsprüfung, die nicht nur das erworbene pädagogische Wissen abfragen soll, sondern gleichzeitig mit der Lehrbefähigung den konkreten Bezug zur Unterrichtstätigkeit und dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule herstellt. Insoweit ist die zweite Staatsprüfung für Lehrer von vornherein viel stärker am beruflichen Leitbild des Unterrichtens in der Schule ausgerichtet als beispielsweise die juristische, zu vielen verschiedenen Berufsfeldern führende Staatsprüfung (vgl. §§ 28 Abs. 1, 45 Abs. 1 JAG). Dem Antragsteller würden deshalb durch die bestandene Prüfung Attribute zuerkannt, die ihm nach dem jetzigen Stand der strafrechtlichen Ermittlungen nicht zukämen. Anders als das Verwaltungsgericht dies ausführt, kann dem Antragsgegner daher nicht vorgeworfen werden, das beamtenrechtliche Instrument des Dienstführungsverbotes fälschlich dazu zu benutzen, einen möglichen Prüfungserfolg zu verhindern, obwohl die Prüfung ausschließlich nach prüfungsrechtlichen Gesichtspunkten zu bewerten sei. Dem steht die ausdrückliche gesetzliche Vorgabe der §§ 35 Abs. 1 und 43 Satz 1 HLbG entgegen, wonach in der zweiten Staatsprüfung die pädagogischen Fähigkeiten gerade im Hinblick auf die Mitwirkung am Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule überprüft werden sollen. Dabei geht das Gesetz davon aus, dass ein Beamter im Vorbereitungsdienst, der bis zum Absolvieren der zweiten Staatsprüfung in seiner Ausbildung vorangeschritten ist, auch die sonstigen persönlichen Voraussetzungen erfüllt, da er ansonsten den Vorbereitungsdienst überhaupt nicht hätte antreten dürfen. Denn § 36 Abs. 3 HLbG legt ausdrücklich fest, dass in den Vorbereitungsdienst nicht aufgenommen wird, wer dafür persönlich ungeeignet ist oder insbesondere wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens der Erlangung der Befähigung zum Lehramt nicht würdig ist. Der Gesichtspunkt der charakterlichen Eignung ist also in der Befähigung zum Lehramt enthalten, und deshalb darf der Antragsgegner an diesen Gesichtspunkt anknüpfen, um dem Antragsteller nicht nur allgemein die Führung der Dienstgeschäfte, sondern ausdrücklich auch die Teilnahme an der zweiten Staatsprüfung zu untersagen. Insoweit hebt der Antragsgegner in der Beschwerdebegründung zu Recht hervor, dass durch das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nicht nur die weitere unterrichtliche Tätigkeit des Antragstellers unterbunden werden soll, sondern auch verhindert werden soll, dass einem nach aktuellen Erkenntnissen charakterlich ungeeigneten Beamten die Lehrbefähigung - nach Bestehen der zweiten Staatsprüfung - zugesprochen wird. Dabei kommt es weniger darauf an, inwieweit der Antragsteller anschließend mit dem erteilten Zeugnis in anderen Bundesländern oder an privaten Schulen als Lehrer tätig werden könnte und dann dort Gefährdungen der unterrichteten Schüler nicht auszuschließen sind. Dies mögen ordnungsrechtliche Gesichtspunkte sein, die als zwingende dienstliche Gründe im Sinne von § 74 Abs. 1 HBG die Verbotsverfügung eines hessischen Dienstherrn nicht ohne weiteres rechtfertigen können. Der Dienstherr hat jedoch darauf hinzuwirken, dass er einem - nach derzeitigem Erkenntnisstand - ungeeigneten Lehramtsanwärter die Befähigung zum Lehramt nicht bescheinigen muss. Denn die Beschränkung der Prüfung auf taugliche Bewerber gehört zu seinen dienstlichen Pflichten, wie sich nicht zuletzt aus § 36 Abs. 3 HLbG ergibt, der "unwürdige" Anwärter von vornherein vom Vorbereitungsdienst ausschließt. Der Antragsgegner hat daher in Anlehnung an den Sinn und Zweck der pädagogischen Ausbildung im Vorbereitungsdienst und der zweiten Staatsprüfung zu Recht darauf abgestellt, dass der Antragsteller - bei Bestätigung der jetzigen Ermittlungserkenntnisse - als Lehrer nicht tragbar ist und deshalb auch von der Prüfungsteilnahme ausgeschlossen werden kann. Insoweit umfasst das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte inzident auch die - vorläufige - Rücknahme der Zulassung zur Wiederholungsprüfung, wie sie gegenüber dem Antragsteller mit der Verlängerung des Vorbereitungsdienstes durch Bescheid vom 20. Mai 2008 zunächst ausgesprochen worden war.

Es spricht auch eine ausreichend große Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich die Vorwürfe gegen den Antragsteller erhärten werden, da eine andere Erklärung als eigenes Tätigwerden für das Abspeichern und Weiterleiten der kinderpornografischen Dateien auf dem passwortgeschützten Computer kaum vorstellbar ist. Der Antragsteller hat zwar durch seinen Bevollmächtigten bestritten, dass er anlässlich der Durchsuchung der Wohnung den Vorwurf "eingeräumt" hat, weil er nicht ordnungsgemäß belehrt und förmlich vernommen worden sei. Unabhängig vom juristischen Charakter der "Kurzvernehmung" vom 16.12.2008, bei der der Antragsteller das Herunterladen der Dateien bestätigt hat (Bl. 42 der in Kopie vorliegenden Ermittlungsakte) sprechen seine damaligen Äußerungen jedenfalls für die Berechtigung der erhobenen Vorwürfe, zumal er bis heute nicht behauptet hat, keine Dateien heruntergeladen zu haben und fälschlich beschuldigt zu werden.

Auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ist das Verbot der Prüfungsteilnahme nicht zu beanstanden. Zwar mag die geplante Teilnahme an der Abschlussprüfung im Rahmen der Dienstgeschäfte einen besonderen Stellenwert einnehmen, weil sie nicht nur über den Erfolg der Ausbildung entscheidet, sondern auch Einfluss auf den weiteren beruflichen Lebensweg des jeweiligen Beamtenanwärters hat. Diesem Gedanken trägt bei einer Entlassung § 43 Abs. 2 HBG Rechnung, wonach Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, die Prüfung abzulegen. Diese Soll-Vorschrift lässt jedoch bereits erkennen, dass auch eine abweichende Regelung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles sachgerecht sein kann, und im Fall des Antragstellers wären sicherlich mit den vorgefundenen kinderpornografischen Dateien auf seinem Computer hinreichende Gründe gegeben, seinen Vorbereitungsdienst durch Entlassung vorzeitig und ohne Gelegenheit zur Prüfungsablegung zu beenden. Auch das sofort vollziehbare Verbot der Führung der Dienstgeschäfte darf deshalb die Prüfungsteilnahme mit umfassen.

Darüber hinaus ist gerade der Antragsteller nicht auf die zweite Staatsprüfung angewiesen, um überhaupt eine berufliche Zukunft zu haben. Denn der inzwischen 54 Jahre alte Antragsteller hat bereits mehrere Ausbildungen erfolgreich absolviert und in verschiedenen Firmen insbesondere im Banken- und IT-Bereich gearbeitet, so dass er aufbauend auf diesen beruflichen Vorerfahrungen und abgeschlossenen Ausbildungsgängen auch ohne die zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien berufliche Einstiegsmöglichkeiten finden dürfte.

Letztlich wird der Antragsteller auch nicht zwingend auf Dauer gehindert, seinen Vorbereitungsdienst erfolgreich abzuschließen. Denn er darf - wie vom Antragsgegner bereits angedeutet - den Vorbereitungsdienst wieder aufnehmen und die Wiederholungsprüfung antreten, wenn sich die Verdachtsmomente gegen ihn nicht bestätigen sollten.

Vor diesem Hintergrund müsste deshalb eine Interessenabwägung zwischen dem Aufschubinteresse des Antragstellers und dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners auch dann zu dem Ergebnis führen, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs insgesamt zu versagen, wenn man die Verbotsverfügung vom 22. Dezember 2008 nicht als offensichtlich rechtmäßig einstuft, sondern im Hinblick auf die Frage, welche zwingenden dienstlichen Gründe im Einzelnen von § 74 Abs. 1 HBG erfasst werden, lediglich von einem offenen Ausgang einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren ausginge.

Aus denselben Gründen kann auch die hilfsweise vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung zur Teilnahme an der zweiten Staatsprüfung nicht erlassen werden. Denn ein Anordnungsanspruch auf Prüfungsteilnahme gerade zum jetzigen Zeitpunkt - und nicht erst nach abgeschlossener strafrechtlicher Überprüfung der erhobenen Vorwürfe - ist nicht ersichtlich. Vielmehr stehen dieselben Gesichtspunkte, die das sofort vollziehbare Verbot der Prüfungsteilnahme zum jetzigen Zeitpunkt rechtfertigen, einem sicherungsfähigen Anspruch des Antragstellers auf sofortige Prüfungsteilnahme entgegen.

Da der Antragsteller unterlegen ist, hat er die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 und 2 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Der Senat geht ebenso wie das Verwaltungsgericht vom Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,00 € aus, der wegen des vorläufigen Charakters zu halbieren ist, unabhängig davon, dass in der Sache eine - bezüglich des Prüfungstermins am 16. Januar 2009 - tatsächliche endgültige Regelung getroffen worden ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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