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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.07.2004
Aktenzeichen: 1 N 1257/04
Rechtsgebiete: HPVG, Verordnung zur Sicherstellung der Personalvertretung in den Universitätskliniken Gießen und Marburg


Vorschriften:

HPVG § 24 Abs. 2
Verordnung zur Sicherstellung der Personalvertretung in den Universitätskliniken Gießen und Marburg vom 17. März 2004 (GVBl. I, S. 175)
§ 24 Abs. 6 HPVG setzt voraus, dass die Umstrukturierungsmaßnahme bereits getroffen wurde. Es ist deshalb für den Erlass einer Verordnung nach § 24 Abs. 6 HPVG nicht ausreichend, dass durch sie erwartete künftige Folgen von beabsichtigten Umstrukturierungsmaßnahmen auf die Personalvertretungen geregelt werden sollen.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

1. Senat

1 N 1257/04

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Gültigkeit der Verordnung zur Sicherstellung der Personalvertretung in den Universitätskliniken Gießen und Marburg vom 17. März 2004 (GVBl. I, S. 175)

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Kittelmann, Richter am Hess. VGH Thorn, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Dr. Bark, Richter am Hess. VGH Pabst

am 29. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Verordnung zur Sicherstellung der Personalvertretung in den Universitätskliniken Gießen und Marburg vom 17. März 2004 (GVBl. I, S. 175) ist nichtig.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Beschäftigter des Universitätsklinikums. Er kandidierte für die im Mai 2004 vorgesehene Wahl zum Personalrat des Universitätsklinikums auf der Vorschlagsliste "Rad/t-Wechsel".

Durch Verordnung zur Sicherstellung der Personalvertretung in den Universitätskliniken Gießen und Marburg vom 17. März 2004 (GVBl. I, S. 175) wurde die Amtszeit der Personalräte sowie der Jugend- und Auszubildendenvertretungen der Universitätskliniken Gießen und Marburg bis zum 31. Mai 2005 verlängert.

Der Antragsteller hat am 27. April 2004 das vorliegende Normenkontrollverfahren eingeleitet. Er ist der Meinung, die vorstehend bezeichnete Verordnung sei ungültig, weil die für ihren Erlass erforderlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 6 HPVG nicht vorlägen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb wegen der möglichen Fusion der Universitätskliniken Gießen und Marburg die Personalratswahl verschoben werden solle. Das Hessische Personalvertretungsgesetz treffe in seinem Paragraphen 24 detaillierte Regelungen darüber, was bei einer Fusion mit den bestehenden Personalräten geschehen solle. Die Personalvertretung der Beschäftigten werde durch diese Regelung ausreichend geschützt. Darüber hinaus erfordere gerade die Diskussion über eine Fusion der beiden Universitätskliniken Personalvertretungen, die möglichst aktuell den demokratischen Willen der Beschäftigten widerspiegelten, denn die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten würden möglicherweise durch eine solche Fusion massiv berührt.

Der Antragsteller beantragt,

die Verordnung zur Sicherstellung der Personalvertretung in den Universitätskliniken Gießen und Marburg vom 17. März 2004 (GVBl. I, S. 175) für nichtig zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er trägt vor, die streitbefangene Verordnung sei von der Ermächtigungsgrundlage des § 24 Abs. 6 HPVG gedeckt. Im Hinblick auf die absehbare Zusammenführung der Universitätskliniken Gießen und Marburg sei die Verlängerung der Amtszeit der Personalvertretungen sachlich geboten. Sie diene der Sicherstellung der Kontinuität der Interessenvertretungen im Umstrukturierungsprozess. Die Vorsitzenden der Personalräte seien Mitglieder der Aufsichtsräte der Universitätskliniken, so dass sie umfassend über die betriebliche und finanzielle Situation der Universitätskliniken informiert und in die Reformdiskussion innerhalb der Aufsichtsräte eingebunden seien. Darüber hinaus gehörten sie der auf Landesebene eingesetzten Arbeitsgruppe zur Strukturentwicklung der hessischen Hochschulmedizin an und seien deshalb in der Lage, die Reformüberlegungen mit zu gestalten und sie den Beschäftigten anschließend zu vermitteln. Im Falle eines Wechsels der Personalratsvorsitzenden durch die jetzt anstehende Personalratswahl gingen die erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen der derzeitigen Amtsinhaber im konkreten Reformprozess verloren.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Verfahrensbeteiligten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über den Normenkontrollantrag durch Beschluss, da er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.

Der Antrag ist zulässig; er hat auch in der Sache Erfolg. Die Verordnung zur Sicherstellung der Personalvertretung in den Universitätskliniken B-Stadt und Marburg vom 17. März 2004 (GVBl. I, S. 175) ist ungültig und deshalb für nichtig zu erklären (§ 47 Abs. 5 Satz 2 1. Halbsatz VwGO). Sie wird nicht von der Ermächtigungsvorschrift des § 24 Abs. 6 HPVG getragen. Nach dieser Bestimmung wird das für das Dienstrecht zuständige Ministerium, das Ministerium des Innern und für Sport, ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Folgen von Umstrukturierungsmaßnahmen auf die Personalvertretungen abweichend von den Abs. 3 bis 5 zu regeln, soweit dies erforderlich ist, um Erschwernisse auszugleichen und eine ausreichende Interessenwahrnehmung der Beschäftigten sicherzustellen. Die Bestimmung ermöglicht eine von den Absätzen 3 bis 5 abweichende Regelung der Folgen von Umstrukturierungsmaßnahmen auf die Personalvertretungen. Sie setzt nach ihrem eindeutigen Wortlaut ("Folgen von Umstrukturierungsmaßnahmen") voraus, dass die Umstrukturierungsmaßnahme bereits getroffen wurde, denn nur dann kann sie Folgen für die Personalvertretungen haben. § 24 Abs. 6 HPVG ermächtigt das für das Dienstrecht zuständige Ministerium hingegen nicht, bereits im Zeitpunkt der Planung von Umstrukturierungsmaßnahmen wegen der zu erwartenden künftigen Folgen für die Personalvertretungen abweichende Regelungen von den Absätzen 3 bis 5 zu erlassen. Dieses Ergebnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte des § 24 Abs. 6 HPVG bestätigt. In der Begründung des Gesetzesentwurfes der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Beschleunigung von Entscheidungsprozessen innerhalb der öffentlichen Verwaltung (Hessischer Landtag, Drucksache 15/123 Seite 12) wird zu Artikel 1 Nr. 5 (§ 24 Abs. 6 HPVG neu) ausgeführt, dass sich die Regelungen in den Abs. 3 bis 5 in der Praxis als zum Teil zu unflexibel erwiesen hätten. Es werde zusätzlich eine Rechtsverordnungsermächtigung geschaffen, um in allen Fällen von Umstrukturierungen sinnvolle Folgeregelungen für die Sicherstellung der Personalvertretung treffen zu können. Die Verwendung des Wortes "Folgeregelung" bestätigt, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des Abs. 6 in § 24 HPVG die Möglichkeit schaffen wollte, die Folgen, also die Auswirkungen einer Umstrukturierungsmaßnahme auf die Personalvertretung durch Rechtsverordnung zu regeln. Gedacht war von dem Gesetzgeber nicht an Regelungen im Vorgriff auf geplante, sondern an solche in Folge von getroffenen Umstrukturierungsmaßnahmen.

Da die streitbefangene Rechtsverordnung ohne ausreichende Ermächtigungsgrundlage erlassen wurde und deshalb ungültig ist, ist nicht den Ausführungen des Antragsgegners nachzugehen, wonach die Verlängerung der Amtszeit der Personalvertretungen im Interesse der Beschäftigten liegt und sachlich geboten ist. Diese Überlegungen ändern nichts an der Ungültigkeit der Rechtsverordnung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO nicht vorliegen.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 13 Abs. 1 S. 2 GKG a. F.



Ende der Entscheidung

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