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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.09.2005
Aktenzeichen: 1 TG 1228/05
Rechtsgebiete: BBG, BLV, GG


Vorschriften:

BBG § 8
BLV § 41
BLV § 41a
GG Art. 33
Eine Beurteilungspraxis, die ohne sachlichen Grund nicht hinreichend zwischen den zu Beurteilenden differenziert, verletzt den von Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Anspruch des im Beförderungsauswahlverfahren unterlegenen Bewerbers auf beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 TG 1228/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Beförderung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Dr. Bark

am 20. September 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. März 2005 - 9 G 192/05 (1) - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge auf jeweils 9.556,41 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht stattgegeben und der Antragsgegnerin aufgegeben, von der Besetzung der bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zur Verfügung stehenden Stelle der Besoldungsgruppe A 13 BBesO für Sachverständige mit dem Beigeladenen bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Bekanntgabe einer neuen Auswahlentscheidung abzusehen. Der Antragsteller ist durch die Art und Weise des Auswahlverfahrens und die hierauf beruhende Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen in seinem von Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten grundrechtsgleichen Recht auf chancengleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verletzt worden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. September 1989 - 2 BvR 1576/88 - DVBl. 1989, 1247, u. v. 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 - DVBl. 2002, 1633; Hess. VGH, Beschluss vom 26. November 1993 - 1 TG 1465/93 - ZBR 1994, 344 m. w. N.).

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war es allerdings nicht fehlerhaft, dass die Antragsgegnerin für die Besetzung der streitigen A 13-BBesO-Stelle kein spezifisches Anforderungsprofil aufgestellt hat, denn sie hat die Stelle nicht ausgeschrieben, sondern von sich aus alle in Betracht kommenden Sachverständigen, die den Technischen Überwachungsvereinen sowie der Technischen Überwachung Hessen zur Dienstleistung überlassen sind, in das Auswahlverfahren einbezogen. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Aufstellung eines - ihn eventuell begünstigenden - Anforderungsprofils.

Die Auswahlentscheidung verletzt den Antragsteller jedoch deshalb in seinem Bewerbungsverfahrensrecht, weil ihre Begründung nicht den Bedingungen rationaler Abwägung genügt und die der Entscheidung zu Grunde gelegten dienstlichen Beurteilungen nicht den Anforderungen an eine hinreichende Differenzierung gerecht werden, wie sie sowohl § 41a BLV als auch die maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien der Antragsgegnerin, insbesondere in den Quotierungsvorgaben gemäß Ziffer 40 der Richtlinien vorsehen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. November 1993 - 1 TG 1465/93 - a. a. O.). Insoweit nimmt der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss Bezug. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts ist die dienstliche Beurteilung eines Beamten vorrangige Grundlage für am Leistungsprinzip im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG orientierte Entscheidungen über dessen Verwendung und dienstliches Fortkommen, weil und soweit sie maßgebliche und zuverlässige Aussagen zu seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung enthält (BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 - ZBR 2004, 45 f.; BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 2 C 23.03 - ZBR 2005, 162 ff.; Hess. VGH, Beschluss vom 19. November 1993 - 1 TG 1465/93 - a. a. O.). Daraus folgt, dass eine Beurteilungspraxis, die diesen Anforderungen nicht gerecht wird und ohne sachlichen Grund nicht hinreichend zwischen den zu Beurteilenden differenziert, den von Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Anspruch des im Beförderungsauswahlverfahren unterlegenen Bewerbers auf beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung verletzt. In einem solchen Fall fehlt es insgesamt an einer tragfähigen, dem Gebot der Bestenauslese entsprechenden Grundlage für die Auswahlentscheidung. Zwar kann eine gleiche Beurteilung mehrerer Beförderungsbewerber mit dem Leistungsgrundsatz vereinbar sein. Dies setzt jedoch voraus, dass die Gleichheit der Beurteilungsergebnisse auf der Anwendung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabs beruht, der differenzierte Beurteilungen gewährleistet und damit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Bestenauslese gerecht wird. Die Anwendung eines derartigen Beurteilungsmaßstabs wird in der Regel auch zu differenzierten Beurteilungsergebnissen führen. Ist eine große Anzahl von Bewerbern um eine Beförderungsstelle ausnahmslos mit der Spitzennote beurteilt - im vorliegenden Fall acht von den elf in Betracht kommenden beamteten Sachverständigen - spricht dies für eine mit Art. 33 Abs. 2 GG nicht vereinbare Beurteilungspraxis (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 - a. a. O.). Mangels hinreichend differenzierter und auf gleichem Bewertungsmaßstab beruhender dienstlicher Beurteilungen ist kein fehlerfreier aktueller Eignungs- und Leistungsvergleich zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen vorgenommen worden.

Da die Beschwerde erfolglos bleibt, hat die Antragsgegnerin gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Zu einer Billigkeitsentscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO besteht kein Anlass, da dieser keinen Antrag gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG. Der Senat geht im Hinblick auf das eigentliche, nach § 52 Abs. 1 GKG für die Bestimmung des Streitwerts maßgebliche Rechtsschutzziel des Antragstellers vom sog. Beförderungsstreitwert aus (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2004 - 1 TE 3124/04 -). Dieser entspricht der Hälfte des sog. Statusstreitwerts nach § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG, da es sich um die Verleihung eines anderen Amtes mit höherem Endgrundgehalt handelt (§ 52 Abs. 5 Satz 2 GKG). Zu Grunde zu legen ist mithin der 6,5-fache Betrag des Endgrundgehalts nach Besoldungsgruppe A 13 BBesO (25.483,77 €). Für die Anwendung der Vorschrift über den sog. Auffangwert (§ 52 Abs. 2 GKG) ist kein Raum. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren erfolgt eine Kürzung des Hauptsachestreitwertes auf 3/8 (9.556,41 €). Die Befugnis zur Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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