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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: 1 TG 27/07
Rechtsgebiete: GG, HBG


Vorschriften:

GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 33 Abs. 2
HBG § 8 Abs. 1
Die Beförderungspraxis für beurlaubte hessische Lehrkräfte, die im Auslands- oder Privatschuldienst tätig sind, hat sich an denselben Anforderungen zu orientieren wie bei Inlandsbeförderungen (klarstellend zu Hess. VGH, B. v. 08.02.2006 - 1 UZ 1827/06 -). Es hat ein Auswahlverfahren stattzufinden, das einen aktuellen Eignungs- und Leistungsvergleich aller laufbahnrechtlich für eine Beförderung in Betracht kommenden Studienräte/Studienrätinnen am Maßstab des an ein Amt der Besoldungsgruppe A 14 zu stellenden Anforderungen ermöglicht und bei dem sichergestellt ist, dass nur der/die am besten Geeignete(n) befördert wird/werden.

Der in diesen Fällen bestehende Bewerbungsverfahrensanspruch umfasst auch den Anspruch auf rechtzeitige Information über die Person des/der ausgewählten Bewerber sowie die Möglichkeit, von den wesentlichen Auswahlerwägungen Kenntnis zu nehmen.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 TG 27/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Auskunft über Beförderungsverfahren

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richterin am Hess. VGH Schild

am 28. März 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 12. Dezember 2006 - 8 G 382/06 - abgeändert.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller vorläufig über jede beabsichtigte Beförderung einer hessischen Lehrkraft im Auslands- oder Privatschuldienst in ein Amt der Besoldungsgruppe A 14 BBesO auf einer Leerstelle so rechtzeitig zu benachrichtigen, dass dem Antragsteller eine Überlegungsfrist von zwei Wochen verbleibt, bis die Beförderung vollzogen wird. Die Benachrichtigungspflicht gilt solange, bis der Antragsteller den Auslandsschuldienst verlässt oder der Antragsgegner ein geordnetes Auswahlverfahren für die zu besetzenden Leerstellen in Anlehnung an die im innerhessischen Schuldienst geltenden Regelungen eingeführt hat.

Der Antragsgegner hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.

Das Verwaltungsgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, die beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen. Der Antragsteller kann verlangen, dass der Antragsgegner ihn über geplante Beförderungen von im Auslandsschuldienst tätigen Studienräten rechtzeitig informiert, damit er sich bewerben und - sofern er nicht ausgewählt wird - prüfen kann, ob er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Denn anders lässt sich der dem Antragsteller auch während der Beurlaubung jedenfalls sinngemäß zustehende Bewerbungsverfahrensanspruch nicht sichern.

Die derzeit praktizierte Form der Beförderung von beurlaubten hessischen Lehrkräften im Auslands- oder Privatschuldienst stellt sich als rechtswidrig dar, denn sie erfolgt nicht in einem Personalauswahlverfahren mit dem Ziel der Bestenauslese nach den Maßstäben von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG). Zudem bezieht sie sich nicht auf in den Zuständigkeitsbereich des beklagten Landes als Dienstherrn fallende Ämter oder Dienstposten. Die Beförderungen sollen vielmehr unter unveränderter Fortführung der für einen anderen Dienstherrn geleisteten dienstlichen Aufgaben durchgeführt werden, d. h. sie finden zunächst außerhalb des hessischen Schuldienstes statt und damit nicht unter unmittelbarer Geltung der Maßstäbe aus Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 134 HV, § 8 Abs. 1 HBG (so schon Hess. VGH, Beschluss vom 8. Februar 2006 - 1 UZ 1827/05 -).

Dieser Umstand kann jedoch nicht dazu führen, dass hinsichtlich der Beförderungspraxis beurlaubter hessischer Studienräte ein rechtsfreier Raum entsteht, in dem sich die Betroffenen weder auf die Grundsätze des Bewerbungsverfahrensanspruchs noch auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG berufen können, sondern der Auswahlpraxis des Dienstherrn (rechts)schutzlos ausgeliefert sind. Vielmehr gebietet die Garantie des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG, dass auch in derartigen Fallkonstellationen die Möglichkeit gerichtlicher Überprüfung bestehen muss. Denn ansonsten würde der nicht zur Beförderung vorgesehene Beamte trotz eindeutig rechtswidriger Verfahrensweise seines Dienstherrn schlechter gestellt als in einem ordnungsgemäßen Beförderungsverfahren nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung.

Außerdem befinden sich die Lehrkräfte - während des Beförderungsverfahrens - zwar nicht auf hessischen Dienstposten, doch kehren sie mit dem Ende ihrer Beurlaubung auf hessische Dienstposten zurück und haben - etwa im Fall einer vorherigen Beförderung zum Oberstudienrat - auch Anspruch auf einen entsprechenden Dienstposten der Besoldungsgruppe A 14 BBesO, der damit zwangsläufig für die Besetzung in einem ordnungsgemäßen Beförderungsverfahren nicht mehr zur Verfügung steht. Die Ergebnisse des (rechtswidrigen) Beförderungsverfahrens während der Beurlaubung werden also perpetuiert und wirken sich auch auf die Stellenbesetzungsmöglichkeiten innerhalb des hessischen Schuldienstes aus, so dass sich schon von daher eine starre Abgrenzung zwischen dem nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmenden Personalauswahlverfahren hessischer Stelleninhaber und dem - in der bisherigen Praxis - nicht von diesen Grundsätzen geprägten Beförderungsverfahren im Auslandsschuldienst verbietet. Um dem entgegenzuwirken, muss sich deshalb die Praxis der Auslandsbeförderungen (weitgehend) an denselben Anforderungen orientieren wie bei Inlandsbeförderungen.

Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 8. Februar 2006 - 1 UZ 1827/05 - das Rechtsschutzbegehren einer an einer Auslandsschule tätigen Lehrkraft an der Rechtswidrigkeit der geübten Beförderungspraxis hat scheitern lassen, ist dies allein vor dem Hintergrund der dortigen Erledigung der Hauptsache durch die Rückkehr der Lehrkraft aus dem Auslandsschuldienst in den hessischen Schuldienst zu sehen und nicht dahingehend zu verstehen, dass die rechtswidrige Praxis des Antragsgegners gebilligt worden wäre.

Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beförderungspraxis hat den Antragsgegner offensichtlich auch - anders als seinerzeit nach der Entscheidung des VG Gießen vom 22. Januar 1993 (V/2 G 1148/92) und dem bestätigenden Beschluss des Hess. Verwaltungsgerichtshofs vom 15. März 1993 (1 TG 542/93) bezüglich der landesinternen Beförderungspraxis von Studienrätinnen und Studienräten - bisher nicht dazu bewogen, das Auswahlverfahren vor der Beförderung beurlaubter, im Auslandsschuldienst beschäftigter Lehrkräfte unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben (Art. 33 GG, § 8 Abs. 1 Satz 1 HBG, § 10 Abs. 1 Satz 1 HGlG) von sich aus neu zu ordnen, so dass der Senat nunmehr Veranlassung sieht, auch für dieses Beförderungsverfahren zum Schutz der unterlegenen "Bewerber" gewisse Mindeststandards vorzugeben.

Zwar ist der Antragsgegner rechtlich nicht verpflichtet, besondere Beförderungsmöglichkeiten für beurlaubte Studienräte z. B. im Wege des bislang praktizierten "Leerstellenmodells" vorzusehen. Wenn er sich jedoch - aus Fürsorgegesichtspunkten, zur Förderung der Bereitschaft für einen Auslandseinsatz oder aus sonstigen Gründen - dafür entscheidet, so darf das dabei praktizierte Verfahren nicht losgelöst von den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG ausgestaltet werden. Das bedeutet, dass ein Verfahren geregelt und eingehalten werden muss, welches einen aktuellen Eignungs- und Leistungsvergleich aller laufbahnrechtlich für eine Beförderung in Betracht kommenden Studienräte/Studienrätinnen am Maßstab der an ein Amt der Besoldungsgruppe A 14 zu stellenden Anforderungen ermöglicht und bei dem sichergestellt ist, dass nur der/die am besten Geeignete(n) befördert wird/werden (so schon VG Gießen, Beschluss vom 22. Januar 1993 - V/2 G 1148/92 -).

Inwieweit dabei für beurlaubte Lehrkräfte ein Beförderungsverfahren auf Leerstellen -d. h. ohne zugeordneten Dienstposten und dementsprechende Dienstpostenbewertung - aus praktischen Gründen ausnahmsweise zulässig erscheint, ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Immerhin ist eine derartige, der sog. "Topfwirtschaft" vergleichbare Vorgehensweise auch in anderen Fällen, in denen die Auswahlentscheidung unter Aussparung des Kriteriums des zugeordneten Dienstpostens den sonstigen Maßstäben der Bestenauslese gerecht wird, im Ergebnis gebilligt worden (siehe z. B. Hess. VGH, Beschluss vom 22. März 2001 - 1 TZ 3214/00 - und Beschluss vom 18. Januar 2000 - 1 TZ 3149/99 - NVwZ-RR 2000, 622 ff.).

Jedenfalls muss die nächste Beförderungsrunde für die beurlaubten Lehrkräfte rechtzeitig und unter Angabe konkret zu erfüllender Voraussetzungen nach Art des Anforderungsprofils im Erlass des Hessischen Kultusministeriums vom 21. Juli 1994 (ABl. S. 952) dem potenziell betroffenen Personenkreis allgemein bekannt gemacht werden, z. B. durch Ankündigung im Amtsblatt wie bei regulären Beförderungsstellen oder hilfsweise auch z. B. per Email. Jedenfalls hat der Antragsgegner sicherzustellen, dass die im Ausland befindlichen Lehrkräfte die "Ausschreibung" überhaupt zur Kenntnis nehmen können, um sich rechtzeitig bewerben zu können. Die Auswahlentscheidung selbst muss sich - mangels sonstiger Maßstäbe - an den für die reguläre Beförderungspraxis geltenden Grundsätzen unter Wahrung des Bewerbungsverfahrensrechts jedes einzelnen Mitbewerbers orientieren. Einem unterlegenen Mitbewerber steht bei einer behaupteten Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs der Rechtsweg ebenso offen wie bei einem "inländischen" Beförderungsverfahren.

Der in diesen Fällen bestehende Bewerbungsverfahrensanspruch umfasst auch den Anspruch auf rechtzeitige Information über die Person des/der ausgewählten Bewerber sowie die Möglichkeit, von den wesentlichen Auswahlerwägungen Kenntnis zu nehmen. Zu diesem Zweck hat der Bewerber ein Recht auf Akteneinsicht, das ggf. durch einen Bevollmächtigten im Inland wahrgenommen werden kann. Denn nur die Kenntnis auch der - schriftlich niederzulegenden - Auswahlerwägungen versetzt die nicht berücksichtigten Bewerber in die Lage, sachgerecht darüber zu befinden, ob sie die zu ihren Ungunsten ausgefallene Auswahlentscheidung akzeptieren oder gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollen (so schon Hess. VGH, Beschluss vom 26. Oktober 1993 - 1 TG 1585/93 - DVBl. 1994, S. 593 ff. m. w. N.).

Demgemäß kann der Antragsteller im Vorfeld anstehender Beförderungen für beurlaubte hessische Lehrkräfte auf Leerstellen der Besoldungsgruppe A 14 verlangen, über beabsichtigte Beförderungen unter Namensnennung rechtzeitig informiert zu werden. Auch die wesentlichen Auswahlerwägungen sind ihm - spätestens auf konkrete Nachfrage - so rechtzeitig zur Kenntnis zu geben, dass er eine verantwortliche Entscheidung zu der Frage treffen kann, ob er gerichtlichen Rechtsschutz gegen die geplante Beförderung in Anspruch nehmen will.

Ohne dass der Antragsteller dies ausdrücklich beantragt hätte, muss er selbstverständlich - wie in jedem anderen Stellenbesetzungsverfahren auch - zuvor als potenzieller Bewerber rechtzeitig von der "Ausschreibung" Kenntnis nehmen können. Erst recht steht ihm auf konkrete Nachfrage eine Antwort zu, ob bzw. wann die nächste Beförderungsrunde mit wie vielen Stellenbesetzungen geplant ist und welche Anforderungen an die Beförderungsbewerber gestellt werden.

Allein der Umstand, dass trotz des Schreibens des Kultusministeriums an den Antragsteller vom 24. Oktober 2005 noch kein Tätigkeitsbericht und kein Beurteilungsbericht über den Zeitraum der Lehrverpflichtung an der Europäischen Schule Alicante (also ab dem 1. September 2003) vorliegt, rechtfertigt es im Übrigen nicht, den Antragsteller von vornherein von jeglicher Information und jeglichem Beförderungsverfahren auszuschließen. Denn es ist nicht erkennbar, inwieweit der Antragsteller dafür verantwortlich gemacht werden kann, dass diese Unterlagen nicht vorhanden sind bzw. nicht vorgelegt wurden. Weder ist es seine Aufgabe, den Beurteilungsbericht zu erstellen, noch kann er offensichtlich auf dessen zeitgerechte Anfertigung Einfluss nehmen, wie sich aus der ebenfalls erst sehr späten Vorlage des Beurteilungsberichts über seine Probezeit an der Europäischen Schule Karlsruhe erkennen lässt. Der Antragsgegner hat auch gegenüber dem Antragsteller nicht deutlich gemacht, dass es auf diese Berichte entscheidungserheblich ankommt, oder sich seinerseits ernsthaft um die Vorlage dieser Unterlagen bemüht.

Ohnehin ist der aktuelle Leistungsstand des Antragstellers im vorliegenden Verfahren zunächst nicht von Bedeutung. Denn der Antragsteller verlangt nicht etwa, anstelle eines anderen Bewerbers befördert zu werden, sondern er will lediglich in den Kreis der potenziell zu befördernden Lehrkräfte aufgenommen und über anstehende Beförderungen unterrichtet werden, was ihm bislang rechtsfehlerhaft mit dem Hinweis verwehrt wurde, sein Antrag sei unüblich und man werde die Entscheidung, ob er in ein Beförderungsverfahren aufgenommen werde, zu gegebener Zeit treffen.

Mehr Transparenz bezüglich der bisherigen Beförderungspraxis wird auch durch die Stellungnahme des Antragsgegners vom 28. März 2007 nicht hergestellt. Zwar führt der Antragsgegner dort aus, eine Beförderung nach Besoldungsgruppe A 14 BBesO erhielten alle Lehrkräfte im Auslandsschuldienst, die die entsprechenden Voraussetzungen erfüllten. Diese Aussage lässt sich jedoch nur schwer in Einklang bringen mit dem Inhalt des vorgelegten Schriftverkehrs zwischen den Beteiligten. Denn dort wurde dem Antragsteller signalisiert, eine Beförderung im Auslandsschuldienst erfolge nur im Einzelfall, bei besonderer Bewährung über einen längeren Zeitraum und gebunden an zusätzlich übernommene Aufgaben (siehe Schreiben des Antragsgegners vom 17. Dezember 2003), d. h. es wurde der Eindruck erweckt, eine Beförderung komme nur ausnahmsweise in Betracht. Demgegenüber stellt der aktuelle Schriftsatz des Antragsgegners die Situation so dar, als ob regelmäßig alle Lehrkräfte zur Oberstudienrätin/zum Oberstudienrat befördert würden, denen das dienstliche Gutachten überdurchschnittliche Leistungen bescheinigt, wobei eine Vertragsverlängerung - wie im Fall des Antragstellers - bereits ein Hinweis auf eine überdurchschnittliche Leistung sein könne.

Da der Antragsgegner unterlegen ist, hat er die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG. Der Senat geht wie das Verwaltungsgericht von der Hälfte des Auffangstreitwertes aus.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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