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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.11.2001
Aktenzeichen: 1 TG 2988/01
Rechtsgebiete: VwGO, BSHG, ZPO
Vorschriften:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 | |
VwGO § 146 Abs. 4 | |
VwGO § 152 Abs. 1 | |
VwGO § 154 Abs. 1 | |
VwGO § 166 | |
VwGO § 188 Satz 2 | |
BSHG § 1 Abs. 2 | |
BSHG § 12 Abs. 1 | |
ZPO § 118 Abs. 1 Satz 4 | |
ZPO § 121 Abs. 2 |
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Sozialhilferechts (Leistungen für den Kauf eines Kühlschrankes)
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch
Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Kittelmann, Richter am Hess. VGH Thorn, Richter am Hess. VGH Dr. Bark
am 13. November 2001 beschlossen:
Tenor:
Auf den Antrag des Antragsgegners hin wird dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Oktober 2001 - 8 G 4204/01 - zugelassen.
Das Verfahren wird als Beschwerdeverfahren unter dem Aktenzeichen 1 TG 2988/01 fortgesetzt.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der genannte Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main dahin geändert, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in vollem Umfang abgelehnt wird.
Der Antrag der Antragstellerin, ihr für das Rechtsmittelverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe:
Dem Antrag des Antragsgegners auf Zulassung der Beschwerde ist zu entsprechen. Denn der dargelegte Zulassungsgrund im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) liegt vor. Für den Senat bestehen - im Sinne der genannten Vorschriften - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, soweit das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben hat.
Die zugelassene Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Denn entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in vollem Umfang abzulehnen.
Die Antragstellerin hat keinen Sachverhalt glaubhaft gemacht, nach dem der Antragsgegner verpflichtet ist, ihr im Rahmen der Sozialhilfe für den Kauf eines Kühlschranks eine weitere Geldleistung in Höhe von 100,00 DM zu gewähren.
Der Senat teilt die seinerzeit von dem damaligen 9. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 5. Februar 1987 - 9 TG 2714/86 (FEVS 36, 368, 372) vertretene Ansicht, dass der notwendige Lebensunterhalt im Sinne von § 12 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bereits dadurch sichergestellt werden kann, dass den Hilfesuchenden der Kauf eines gebrauchten Kühlschrankes ermöglicht wird. Diese Ansicht wird auch in der veröffentlichten Rechtsprechung der anderen Oberverwaltungsgerichte vertreten (so Oberverwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 25. Mai 1987 - Bf I 23/87 -, FEVS 37, 50, 55; OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. Oktober 1986 - 4 B 182/86 -, FEVS 37, 163 und OVG Münster, Beschluss vom 19. Dezember 1984 - 8 A 1887/83 -, FEVS 35, 383). Auf die genannten Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und der Oberverwaltungsgerichte Hamburg und Lüneburg hat die Antragstellerin selbst hingewiesen.
Soweit die Antragstellerin geltend macht, es sei ihr nicht zuzumuten, einen gebrauchten Kühlschrank zu übernehmen und zu benutzen, folgt der Senat dem nicht.
Aus der Vorschrift des § 1 Abs. 2 BSHG, nach der es Aufgabe der Sozialhilfe ist, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht, folgt nicht, dass dem Hilfeempfänger die Nutzung eines neuen Haushaltsgerätes wie eines Kühlschranks zu ermöglichen ist. Bei Angehörigen der unteren Lohngruppen ist es nicht unüblich, gebrauchte Haushaltsgeräte wie einen Kühlschrank zu kaufen und zu benutzen. Ebenso wie diese Personen ein solches Verhalten für mit der Menschenwürde vereinbar halten, ist es auch für einen Empfänger von Leistungen der Sozialhilfe für mit seiner Menschenwürde vereinbar anzusehen. Eine soziale Ausgrenzung ist damit nicht verbunden.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein gebrauchter Kühlschrank mit üblichen Reinigungsmitteln in einen hygienisch einwandfreien Zustand versetzt werden kann.
Der Umstand, dass bei einem gebrauchten Kühlschrank früher mit einem Defekt zu rechnen ist als bei einem neuen Gerät, lässt den Erwerb ebenfalls nicht unzumutbar erscheinen. Denn die Antragstellerin hat einen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner die notwendigen Reparaturkosten im Rahmen der Sozialhilfe übernimmt. Im Übrigen ist daraus, dass ein gebrauchter Kühlschrank verkauft wird, noch nicht zu schließen, dass er Mängel aufweist. Denn viele Geräte werden allein wegen des Todes des früheren Eigentümers verkauft.
Soweit das Verwaltungsgericht auf die Kosten für den Transport eines gebrauchten Kühlschranks und darauf hingewiesen hat, dass nach den Anzeigen, die der Antragsgegner vorgelegt hat, in der näheren Umgebung des Wohnorts der Antragstellerin nur ein gebrauchtes Gerät angeboten worden ist, ist Folgendes zu beachten: Soweit die Antragstellerin nicht selbst für den Transport sorgen kann, ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner in dem Schriftsatz vom 10. Oktober 2001 zugesagt hat, etwaige Transportkosten zu übernehmen, wenn der Betrag von 200,00 DM für den Kauf und den Transport nicht ausreicht.
Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin mit Verkäufern aushandeln kann, dass diese den Transport übernehmen. Auch spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin dann, wenn sie selbst eine Anzeige mit einem entsprechenden Kaufgesuch aufgibt, auch in ihrem Wohnort oder in der Nähe einen Verkäufer findet, der einen gebrauchten Kühlschrank anliefern kann.
Der Senat geht davon aus, dass mit dem Betrag von 200,00 DM neben dem Kauf eines gebrauchten Kühlschranks auch eine entsprechende Kleinanzeige bezahlt werden kann.
Über die Beschwerde kann der Senat entscheiden, ohne der Antragstellerin zuvor Gelegenheit zu geben, im Beschwerdeverfahren Stellung zu nehmen. Denn die Antragstellerin hat bereits im Zulassungsverfahren sachkundig Stellung genommen.
Dem Antrag der Antragstellerin, ihr für das Rechtsmittelverfahren unter Beiordnung eines Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist nicht zu entsprechen. Da in dem vorliegenden Verfahren aus dem Gebiet der Sozialhilfe keine Gerichtskosten anfallen, hat die Prozesskostenhilfe nur Bedeutung für etwaige Rechtsanwaltskosten. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist aber weder in dem Zulassungsverfahren noch in dem Beschwerdeverfahren notwendig, da es hier keines Antrags der Antragstellerin bedarf, um ihre Rechte zu verfolgen oder zu verteidigen. Das Gericht ist vielmehr von Amts wegen verpflichtet, zu prüfen, ob das Rechtsmittel der Gegenseite begründet ist. Dabei ist das Vorbringen der Antragstellerin auch dann zu berücksichtigen, wenn sie keinen Antrag stellt. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erscheint hier auch nicht erforderlich im Sinne von § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Denn die Antragstellerin hat durch ihre Schriftsätze bewiesen, dass sie ihre Interessen selbst sachkundig vertreten kann.
Da die Antragstellerin unterlegen ist, hat sie nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Diese bestehen nur aus den außergerichtlichen Kosten der Beteiligten, da nach § 188 Satz 2 VwGO in Verfahren aus dem Gebiet der Sozialhilfe keine Gerichtskosten erhoben werden. Etwaige außergerichtliche Kosten, die auf das Verfahren der Prozesskostenhilfe entfallen, sind nach § 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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