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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.02.2000
Aktenzeichen: 1 TG 444/00
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 16
Wenn Eltern für ihr volljähriges Kind, das in ihrem Haushalt lebt, Kindergeld erhalten, so kann nach § 16 Satz 1 BSHG erwartet werden, dass sie das Kindergeld dem Kind zugute kommen lassen, und zwar auch dann, wenn ihr Einkommen niedriger ist als der Selbstbehalt nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger in der Sozialhilfe (NDV 1995, 1 ff.). Denn das Kindergeld dient nach § 31 EStG dem Zweck, das Existenzminimum des Kindes abzudecken.
Gründe:

Der Beschwerde des Antragsgegners, die der Senat mit Beschluss vom 1. Februar 2000 - 1 TZ 4341/99 - wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat, ist zu entsprechen. Denn der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht begründet.

Der volljährige Antragsteller, der mit seinen Eltern in Haushaltsgemeinschaft lebt, hat keinen Sachverhalt glaubhaft gemacht, nach dem ihm weitere Beträge über die von dem Antragsgegner gewährten Leistungen hinaus als laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zustehen.

Der Antragsgegner ist bei der Berechnung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt für den Antragsteller davon ausgegangen, dass seine Eltern das Kindergeld, das sie für ihn erhalten, an den Antragsteller weitergeben und dass deshalb der Betrag des Kindergeldes als Einkommen des Antragstellers anzurechnen ist. Diese Wertung des Antragsgegners ist nicht zu beanstanden.

Maßgeblich ist insoweit die Vorschrift des § 16 BSHG. Nach dieser Bestimmung kommt es darauf an, ob von den Eltern des Antragstellers nach ihrem Einkommen und Vermögen erwartet werden kann, dass sie ihm Leistungen für den Lebensunterhalt gewähren.

Bei der Prüfung, inwieweit von den Angehörigen nach ihrem Einkommen und Vermögen Leistungen zum Lebensunterhalt an den Hilfesuchenden, der mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebt, erwartet werden können, ist grundsätzlich auf die "Empfehlungen des Deutschen Vereins (für öffentliche und private Fürsorge) für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger in der Sozialhilfe" (NDV 1995, 1 ff.) zurückzugreifen. Insoweit folgt der Senat für den Regelfall der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 1998 - 5 C 32.97 - Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 436.0 § 16 BSHG Nr. 5).

Nach der Berechnungsweise dieser Empfehlungen des Deutschen Vereins (a.a.O., S. 8) wäre von den Eltern des Antragstellers nicht zu erwarten, dass sie ihrem Sohn Leistungen für den Lebensunterhalt gewähren. Denn nach dieser Berechnung soll den Eltern ein Selbstbehalt in Höhe von insgesamt 2.800,00 DM verbleiben, während sie hier nur über monatliches Einkommen in Höhe von etwa 2.175,00 DM (einschließlich des Kindergeldes in Höhe von 270,00 DM) verfügen.

Hinsichtlich des Kindergeldes, das den Eltern des Hilfesuchenden gezahlt wird, ist aber anders zu verfahren als nach den genannten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, und zwar aufgrund der Zweckbestimmung des Kindergeldes. Nach § 31 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat das Kindergeld den Zweck, das Existenzminimum des Kindes abzudecken. Dies gilt sowohl nach der Fassung des Gesetzes, die bis zum 31. Dezember 1999 galt (Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1997 - BGBl. I S. 821 -) als auch für die Neufassung durch das Gesetz zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2552). Deshalb kann das Kindergeld nach § 74 Abs. 1 Satz 2 EStG alter und neuer Fassung auch an das Kind ausgezahlt werden. Dies gilt nach § 74 Abs. 1 Satz 3 EStG n.F. auch dann, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist.

Soweit das Kindergeld nicht auf der Grundlage des Einkommensteuergesetzes, sondern - wie hier - nach dem Bundeskindergeldgesetz gewährt wird, hat es keinen anderen Zweck als nach § 31 EStG.

Wenn das Kindergeld aber den Zweck hat, das Existenzminimum des Kindes abzudecken und es aus diesem Grund auch an das Kind ausgezahlt werden kann, und zwar selbst dann, wenn der kindergeldberechtigte Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist, ist es geboten, im Rahmen des § 16 Satz 1 BSHG zu vermuten, dass die Eltern das Kindergeld in voller Höhe dem Kind zugute kommen lassen.

Ob etwas anderes dann zu gelten hat, wenn das Einkommen der Eltern einschließlich des Kindergeldes nur oder nicht einmal deren sozialhilferechtlichen Bedarf in Höhe des einfachen Regelsatzes und der Unterkunftskosten abdeckt, braucht im vorliegenden Verfahren nicht erörtert zu werden, da das Einkommen der Eltern des Antragstellers bereits ohne das Kindergeld höher ist als diese Summe.

Nach § 16 Satz 2 BSHG kann zwar die Vermutung nach Satz 1 widerlegt werden. Der Antragsteller hat aber nicht glaubhaft gemacht, dass seine Eltern ihm keine Leistungen in Höhe des Kindergeldbetrags zugute kommen lassen. Nach dem Sachverhalt, wie er sich gegenwärtig darstellt, ist der Antragsgegner deshalb berechtigt, das Kindergeld als Einkommen des Antragstellers zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings für den Zeitraum ab 1. Januar 2000 die neue Vorschrift des § 76 Abs. 2 Nr. 5 BSHG zu beachten, die durch Art. 3 des Gesetzes zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999 eingefügt worden ist. Danach ist von dem Kindergeldbetrag in Höhe von 270,00 DM ein Teilbetrag in Höhe von 20,00 DM abzusetzen.

Da der Antragsteller unterlegen ist, hat er nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Diese Kosten bestehen nur aus den außergerichtlichen Kosten der Beteiligten, da nach § 188 Satz 2 VwGO in Verfahren aus dem Gebiet der Sozialhilfe keine Gerichtskosten erhoben werden.

Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

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