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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.03.2002
Aktenzeichen: 1 TZ 3188/01
Rechtsgebiete: HRiG, HPVG, VwGO, GKG


Vorschriften:

HRiG § 25 Abs. 2
HRiG § 25 Abs. 3
HPVG § 64 Abs. 1
VwGO § 154 Abs. 1
VwGO § 162 Abs. 3
GKG § 14 Abs. 3
GKG § 13 Abs. 1 Satz 1
GKG § 13 Abs. 4 Satz 1a
GKG § 13 Abs. 4 Satz 2
GKG § 20 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

1. Senat

1 TZ 3188/01

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Beförderungen hier: Antrag auf Zulassung der Beschwerde

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Kittelmann, Richter am Hess. VGH Thorn, Richter am Hess. VGH Dr. Bark

am 13. März 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Antragsgegners auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 14. November 2001 - 1 G 86/01 (2) - wird abgelehnt.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 12.566,60 € festgesetzt.

Gründe:

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14. November 2001 kann weder wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung noch wegen Divergenz (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 VwGO in der hier anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991, BGBl. I S. 686, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Juli 2001, BGBl. I S. 1542) zugelassen werden, weil die angefochtene Entscheidung sich jedenfalls im Ergebnis als richtig erweist.

Die in dem Auswahlvermerk vom 3. Januar 2001, vom Staatssekretär im Hessischen Ministerium der Justiz abgezeichnet am 4. Januar 2001, verkörperte und im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 18. April 2001 nachträglich begründete Auswahlentscheidung leidet an einem gravierenden Abwägungsfehler, der einer Heilung nicht zugänglich ist; sie verletzt den Antragsteller in seinem Bewerbungsverfahrensrecht, das eine faire und (chancen-)gleiche Behandlung seiner Bewerbung mit rechtsfehlerfreier Wahrnehmung der Beurteilungsermächtigung sowie die Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens einschließlich etwaiger Anhörungs- und Beteiligungsrechte umfasst (vgl. zum Inhalt des Bewerbungsverfahrensanspruchs eingehend: Beschluss des Senats vom 26. Oktober 1993 - 1 TG 1585/93 - DVBl. 1994, 593 = ZBR 1994, 347).

Nach dem Wortlaut des vom Staatssekretär unterzeichneten Schriftsatzes vom 18. April 2001 ist für die schließliche Entscheidung zu Gunsten des Beigeladenen bei im Wesentlichen gleicher fachlicher Qualifikation ein "kleiner, für die Auswahlentscheidung aber relevanter Vorsprung" des Beigeladenen im Hinblick auf die soziale Kompetenz und die Führungskompetenz als wesentliche Merkmale des Anforderungsprofils der ausgeschriebenen Stelle ausschlaggebend gewesen. Dieser Vorsprung ist wie folgt begründet worden:

"Die Prognose einer erfolgreichen Personalführung steht jedoch bei (dem Beigeladenen) auf etwas sicherer Grundlage. Gerade weil beide Bewerber bereits Vertretungen des Abteilungsleiters erfolgreich wahrgenommen haben, muss insoweit ausschlaggebend sein, inwieweit sie sich in anderen Justizbereichen in ihrer sozialen Kompetenz und Führungskompetenz bewährt haben. Hier ergibt sich ein durchaus beachtlicher Vorsprung für (den Beigeladenen), der nicht nur wie früher (der Antragsteller) im Staatsanwaltsrat in ... engagiert war, sondern nunmehr auch im Bezirksstaatsanwaltsrat seine personelle Kompetenz und seine integrativen Fähigkeiten unter Beweis gestellt hat."

(S. 12 f. des Schriftsatzes vom 18. April 2001, Bl. 48 f. der Gerichtsakte)

Diese Erwägungen besagen im Kern, dass der Beigeladene letztlich aufgrund seiner erfolgreichen Tätigkeit im Bezirksstaatsanwaltsrat den Vorzug erhalten hat; denn der nachfolgende Hinweis auf seine Aufgabe als Leiter von Arbeitsgemeinschaften ist ersichtlich nur ergänzend angefügt ("Hinzu kommt ...") und trägt die Auswahlentscheidung nicht selbständig. Diese Gewichtung der Tätigkeit des Beigeladenen in einem Vertretungsgremium der Staatsanwaltschaft verletzt das Bewerbungsverfahrensrecht des Antragstellers; denn sie verstößt gegen ein gesetzliches Verbot, das auch und gerade bei Beförderungen zu beachten ist. Gemäß § 78a Abs. 2 und 3 i.V.m. § 25 Abs. 2 und 3 Hessisches Richtergesetz (HRiG) gilt für die Rechte und Pflichten der Mitglieder des Bezirksstaatsanwaltsrats die Vorschrift des § 64 Abs. 1 Hessisches Personalvertretungsgesetz (HPVG) entsprechend. Danach dürfen sie wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.

Das in § 64 Abs. 1 HPVG enthaltene Verbot der Begünstigung verwehrt es dem Dienstherrn bereits, über die bloße Erwähnung einer derartigen Tätigkeit hinaus diesbezügliche Werturteile in eine dienstliche Beurteilung aufzunehmen. Erst recht ist es zu beanstanden, dass eine Beförderungsentscheidung ausdrücklich und maßgebend hierauf gestützt wird; denn nicht von ungefähr hat der Gesetzgeber die berufliche Entwicklung unter den besonderen Schutz des § 64 Abs. 1 HPVG gestellt und damit zum Ausdruck gebracht, dass weder Funktionsträger begünstigt noch Dritte ihnen gegenüber in ihrer beruflichen Entwicklung benachteiligt werden dürfen (vgl. dazu Fürst/Fischer/Goeres, GKÖD Bd. V Teil 2, Stand: Juni 1997, K § 8 BPersVG Rn. 16, 18). Der Schutz vor sachwidrigen oder willkürlichen Behinderungen im beruflichen Fortkommen ist eines der wesentlichen Ziele des Bewerbungsverfahrensrechts; dies bedarf hier keiner weiteren Vertiefung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. September 1989 - 2 BvR 1576/88 - NJW 1990, 501 = DVBl. 1989, 1247; Hess. StGH, Urteil vom 13. Mai 1992 - P.St. 1126 - NVwZ-RR 1993, 201 = ESVGH 43, 1).

Bei dieser Sachlage kommt es auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob ein Sinneswandel des Dienstherrn im Laufe eines Personalauswahlverfahrens von der für die Auswahlentscheidung geltenden Begründungspflicht umfasst wird, für die Entscheidung nicht mehr an. Der Senat neigt allerdings dazu, das Begründungserfordernis nicht auf den gesamten Entscheidungsprozess auszudehnen; denn dem rechtsstaatlichen Zweck einer schriftlichen, rational nachvollziehbaren Begründung, dem unterlegenen Bewerber eine verantwortliche Entscheidung über die Inanspruchnahme von Rechtsschutz zu ermöglichen, ist in der Regel genügt, wenn die eigentliche, abschließende Personalentscheidung hinreichend begründet wird.

Schließlich kann auch dahinstehen, ob der erstinstanzliche Beschluss entsprechend der Auffassung des Antragsgegners auf einer Abweichung von der Entscheidung des Senats vom 5. September 2000 - 1 TG 2708/00 - beruht (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO a.F.), nach der das Erfordernis einer schriftlichen Begründung es nicht verlangt, auf sämtliche Merkmale des Anforderungsprofils der ausgeschriebenen Stelle einzugehen. Die gerügte Abweichung dürfte nicht vorliegen; denn das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, dass eine Gegenüberstellung der ursprünglich für den Antragsteller sprechenden Gründe mit den nunmehr für die Auswahl des Beigeladenen herangezogenen Erwägungen fehle. Somit hat das Verwaltungsgericht ein besonderes, auf den vorliegenden Einzelfall bezogenes Begründungsdefizit gesehen, das nicht in einer lückenhaften Erörterung der Eignung der Bewerber am Maßstab des Anforderungsprofils, sondern in dem nicht nachvollziehbaren Wechsel in der Person des ausgewählten Bewerbers besteht.

Da der Zulassungsantrag erfolglos bleibt, hat der Antragsgegner nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Zu einer Billigkeitsentscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO hinsichtlich außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen besteht kein Anlass, da dieser keine Anträge gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 14 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Sätze 1a und 2, 20 Abs. 3 GKG. Der Senat berechnet den Streitwert ebenso wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss. Da der Zulassungsantrag vor der Währungsumstellung eingegangen ist, ist der Wert von 24.578,12 DM in Euro umzurechnen (§ 73 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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