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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.09.2008
Aktenzeichen: 1 UE 1394/07
Rechtsgebiete: BBG


Vorschriften:

BBG § 42 Abs. 3 S. 1
Zu den Anforderungen an die Ermessensentscheidung gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 BBG bei der Versetzung eines Beamten in den Ruhestand.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 UE 1394/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Versetzung in den Ruhestand

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richterin am Hess. VGH Schild

am 3. September 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 3. Mai 2007 - 1 E 299/07 (2) - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Berufungsverfahren sind nicht erstattungsfähig.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der am ... 1959 geborene Kläger wendet sich gegen seine Versetzung in den Ruhestand.

Im Jahr 1977 trat er als Betriebsaufseheranwärter in den Dienst der ehemaligen Deutschen Bundesbahn. Zuletzt war er im Amt eines Hauptlokomotivführers (Besoldungsgruppe A 8 BBesO) bei der DB Regio AG, Regionalverkehr S-Bahn Rhein-Main, in C-Stadt als S-Bahnführer tätig.

Seit dem Jahr 1993 leidet der Kläger an Kniebeschwerden, weshalb er sich im August 2002 einer Operation des rechten Kniegelenks und im Mai 2003 einer Operation des linken Kniegelenks unterziehen musste. Ausweislich des Tauglichkeitsgutachtens des Betriebsarztes der Deutschen Bahn AG vom 5. März 2004 war er damals "tauglich mit Bedingungen", nämlich nur für Tätigkeiten ohne häufiges Laufen, Bewegen auf Schotter, häufiges Kniebeugen oder Tätigkeiten in Hockstellung. Daraufhin wurde er bis zum Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit am 9. August 2004 im S-Bahn-Innendienst in C-Stadt beschäftigt. Laut Gutachten des Leitenden Arztes der Dienststelle Mitte des Bundeseisenbahnvermögens war er ab dem 4. Oktober 2004 dienstfähig nach Maßgabe eines erstellten sog. positiven Leistungsprofils. Danach waren schwere und mittelschwere Tätigkeiten ausgeschlossen, leichte körperliche Arbeit im Wechsel von Stehen, Gehen und überwiegendem Sitzen seien jedoch noch möglich. Arbeiten mit einseitiger Zwangshaltung, mit häufigen Tragen und Heben sowie mit Einwirkungen von Schwingungen auf Wirbelsäule und Extremitäten sowie Arbeiten im Freien seien ausgeschlossen. Diese Beurteilung gelte wegen bleibender Körperschäden auf Dauer.

In dem daraufhin eingeleiteten Integrationsverfahren kam die Beraterin in ihrem Abschlussbericht vom 15. April 2005 zu dem Ergebnis, dass im Bereich der Deutschen Bahn AG keine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger mehr bestehe. Zur Vermeidung der Zurruhesetzung wurde auf Initiative des Leitenden Arztes der Dienststelle Mitte ab Juni 2005 nochmals ein Integrationsverfahren durchgeführt, das im Februar 2006 erneut erfolglos endete. Der Bahnarzt kam in seinem Gutachten vom 23. Februar 2006 zu der Empfehlung, den Kläger unter Berücksichtigung der erfolglosen Integrationsverfahren in den Ruhestand zu versetzen.

Darauf leitete der Beklagte mit Schreiben vom 3. März 2006 das Zurruhesetzungsverfahren ein. Am 8. März 2006 erteilte der Präsident des Bundeseisenbahnvermögens hierzu sein Einvernehmen. Mit Schreiben vom 30. März 2006 erhob der Kläger Einwendungen gegen das eingeleitete Ruhestandsversetzungsverfahren.

Der besondere Personalrat stimmte in seiner Sitzung am 30. Juni 2006 der Zurruhesetzung des Klägers zu.

Mit Bescheid vom 5. Juli 2006 versetzte der Leiter der Dienststelle Mitte des Bundeseisenbahnvermögens den Kläger mit Ablauf des 31. Juli 2006 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Der Widerspruch des Klägers vom 10. Juli 2006 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2007, zugestellt am 26. Januar 2007, zurückgewiesen.

Am 26. Februar 2007 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat im Wesentlichen vorgetragen: Der Beklagte sei zu einer anderweitigen Verwendung anstelle der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand verpflichtet. Die Gründe für die Nichtübertragung eines adäquaten Arbeitsplatzes lägen nicht in seiner Gesundheit, sondern beruhten allein auf der Tatsache, dass Umstrukturierungsmaßnahmen durchgeführt würden. Ihm sei zu keinem Zeitpunkt eine Umschulung angeboten worden. Die Ruhestandsversetzung zerstöre seine finanzielle Existenz, da er zwei minderjährigen Kindern gegenüber unterhaltspflichtig sei. Seine Versorgungsbezüge seien etwa 1.000,00 € geringer als sein bisheriges Nettoeinkommen von ca. 2.000,00 €.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 5. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2007 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat im Wesentlichen vorgetragen: Der Kläger sei nicht nur für sein abstrakt-funktionelles Amt als Lokführer auf Dauer gesundheitlich untauglich, sondern es kämen auch keine Tätigkeiten in anderen Laufbahnen in Betracht. Einer Umschulung stehe der fehlende entsprechende Personalbedarf entgegen.

Die beigeladene DB Regio AG hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Klageverfahren wird gemäß § 130b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Durch Urteil vom 3. Mai 2007 hat das Verwaltungsgericht Darmstadt den Bescheid des Beklagten vom 5. Juli 2006 und dessen Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2007 aufgehoben.

Gegen das am 1. Juni 2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte fristgerecht am 2. Juli 2007 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 8. August 2007 am 7. August 2007 begründet.

Er hat im Wesentlichen vorgetragen: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne der Kläger nicht in einem Amt einer anderen Laufbahn weiter verwendet werden. Es sei bereits zweifelhaft, ob er die gesundheitliche Eignung für die Laufbahn des mittleren nichttechnischen Dienstes besitze. Seine einseitige Vorverwendung prädestiniere ihn keineswegs für den Verwaltungsdienst. Im Bereich der Disposition Leitstelle könne er wegen zusätzlicher sicherheitsrelevanter Aufgaben keineswegs ohne weiteres eingesetzt werden. Wegen seiner enormen Fehlzeiten in den letzten beiden Jahren vor seiner Zurruhesetzung könne sein Einsatz nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden. Unabhängig hiervon sei die erforderliche Umschulung nur dann in Betracht zu ziehen, wenn in der neuen Laufbahn Personalbedarf bestehe oder zumindest absehbar sei, was hier nicht der Fall sei. Soweit das Verwaltungsgericht eine Prüfung fordere, ob ein Beamter auf infrage kommenden leidensgerechten, aber von tariflich Beschäftigten besetzten Arbeitsplätzen eingesetzt werden könne, habe es übersehen, dass hierdurch der Betriebsfrieden bei der Bahn erheblich gestört und damit letztlich die vom Gesetzgeber vorgegebene Bahnreform, die nur gemeinsam mit den Tarifpartnern umgesetzt werden könne, gefährdet würde.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 3. Mai 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt mit näherer Begründung,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie trägt im Wesentlichen vor: Der Beklagte habe ebenso wie sie keine Möglichkeit, Tarifkräfte von ihren Arbeitsplätzen in ihren Funktionen zu verdrängen bzw. umzusetzen, um Beamten eine vorrangige Beschäftigung zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit eines Beamten sei auf das ihm zuletzt übertragene abstrakt-funktionelle Amt abzustellen. Die Versetzung des Klägers verstoße nicht gegen § 42 Abs. 3 BBG, denn seine Umschulung wäre nicht erfolgreich möglich gewesen. Auf die Frage, ob bei anderen Dienststellen als der DB Regio AG leidensgerechte Dienstposten vorhanden seien, komme es nicht an, weil dem Kläger ein abstrakt-funktionelles Amt bei der Beigeladenen und nicht bei einer anderen Gesellschaft übertragen gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen einschlägigen Verwaltungsvorgänge (zwei Hefte) und Personalakten (zwei Bände) verwiesen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss, da nach seiner einstimmigen Auffassung die Voraussetzungen des § 130a Abs. 1 VwGO gegeben sind. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen. Kläger und Beklagter haben sich mit einer Entscheidung durch Beschluss ausdrücklich einverstanden erklärt.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Die Versetzung des Klägers in den Ruhestand durch den Bescheid des Leiters der Dienststelle Mitte des Bundeseisenbahnvermögens vom 5. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

In formell-rechtlicher Hinsicht sind die angefochtenen Bescheide jedoch nicht zu beanstanden. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, war der Leiter der Dienststelle Mitte des Bundeseisenbahnvermögens gemäß § 47 Abs. 1 i. V. m. § 10 Abs. 1 BBG für die Versetzung des Klägers in den Ruhestand zuständig. Das Versetzungsverfahren wurde gemäß §§ 44, 46a BBG durchgeführt. Die zuständige Personalvertretung ist auf Antrag des Klägers ordnungsgemäß gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Satz 2 BPersVG beteiligt worden und hat am 30. Juni 2006 der Versetzung in den Ruhestand zugestimmt.

Die Versetzung des Klägers in den Ruhestand ist jedoch materiell rechtswidrig.

Als Beamter des Bundeseisenbahnvermögens wurde der Kläger der Deutschen Bahn AG ab deren Eintragung in das Handelsregister gemäß § 12 Abs. 2 DBGrG zugewiesen. Durch diese Zuweisung ist die Rechtsstellung des Klägers als Bundesbeamter sowie die Gesamtverantwortung des Dienstherrn gemäß § 12 Abs. 4 DBGrG gewahrt geblieben.

Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 BBG ist ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Entscheidend für die Dienstunfähigkeit ist, dass der Beamte dauernd nicht mehr in der Lage ist, die Dienstpflichten zu erfüllen, die mit seinem Amt im abstrakt-funktionellen Sinn verbunden sind. Hierbei sind die Auswirkungen auf die Erfüllung der Dienstpflichten und damit auf den Dienstbetrieb maßgebend (BVerwG, Urteil vom 31. Mai 1990 - 2 C 55.88 - ZBR 1990, 353 f., und Urteil vom 23. September 2004 - 2 C 27.03 - BVerwGE 122, 53 ff.).

Der Kläger ist dienstunfähig im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 BBG, denn er ist aufgrund seiner körperlichen Leiden dauernd unfähig, die ihm als Hauptlokomotivführer bei der Deutschen Bahn AG bzw. ihren Nachfolgeunternehmen obliegenden Dienstpflichten als Triebfahrzeugführer zu erfüllen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend unter Hinweis auf die betreffenden Vorschriften der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung im Einzelnen dargelegt hat.

Die Versetzung des Klägers in den Ruhestand verstößt jedoch gegen § 42 Abs. 3 Satz 1 BBG. Nach dieser Vorschrift soll von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden, wenn dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Diese Amtsübertragung ist gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 BBG ohne Zustimmung des Beamten möglich, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und zu erwarten ist, dass der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügt. Soweit dem Beamten die Befähigung für eine andere Laufbahn fehlt, hat er nach § 42 Abs. 3 Satz 3 BBG an Maßnahmen für den Erwerb der Befähigung teilzunehmen. Den Anforderungen dieser Vorschriften genügen die angefochtenen Bescheide nicht, da nicht ausreichend geprüft wurde, welche anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten für den Kläger bestehen einschließlich solcher Arbeitsplätze, für die der Kläger die nötige Befähigung erst noch im Rahmen von Umschulungsmaßnahmen zu erwerben hätte.

Da § 42 Abs. 3 Satz 1 BBG eine Soll-Regelung ist, muss das eng begrenzte Ermessen des Dienstherrn im Regelfall so ausgeübt werden, dass nur in besonderen, atypischen Ausnahmefällen von der Regel des § 42 Abs. 3 Satz 1 BBG abgewichen werden darf.

§ 42 Abs. 3 BBG wurde durch Art. 7 Nr. 4 Buchstabe a) des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2218) mit Wirkung zum 1. Januar 1992 eingefügt. Nach den Motiven des Gesetzgebers sollte dadurch der Grundsatz Rehabilitation vor Versorgung und der Rechtsanspruch des Beamten auf medizinische und berufliche Rehabilitation durchgesetzt werden (vgl. BT-Drs. 11/4125; 11/5136 S. 21, 32 f.; 11/5372 S. 22, 33; 11/5537 S. 34 ff.). Seine heutige Fassung hat § 42 Abs. 3 BBG durch Art. 2 Nr. 10 Buchstabe a) des Reformgesetzes vom 24. Februar 1997 (BGBl. I S. 322) erhalten. Mit der Erweiterung der Verwendungsmöglichkeiten von Beamten zur Vermeidung frühzeitiger Versetzungen in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit sollte in Abkehr von der bis dahin bestehenden Rechtslage die Übertragung eines laufbahnfremden Amtes ermöglicht werden, eingeschränkt lediglich durch das Merkmal der Zumutbarkeit. Bei Dienstunfähigkeit eines Beamten im Sinne des § 42 Abs. 1 BBG muss deshalb geprüft werden, ob der Beamte noch für andere Sachgebiete hinreichend einsatzfähig und ob dem Dienstherrn eine entsprechende Organisationsänderung durch eine Änderung der Geschäftsverteilung oder eine Umsetzung auf anderen Dienstposten zumutbar ist. Der Berechtigung des Dienstherrn zu den dienstrechtlichen Maßnahmen gemäß § 42 Abs. 3 Satz 3 und 4 BBG entspricht auf der anderen Seite das aus der Fürsorgepflicht folgende Gebot, alle in Betracht kommenden Versetzungsmöglichkeiten zu prüfen, die eine Zurruhesetzung gegen den Willen des Betroffenen vermeiden können und eine weitere Beschäftigung ermöglichen (vgl. zum inhaltsgleichen hessischen Recht: von Roetteken in: Hessisches Bedienstetenrecht, § 51 HBG Rdnrn. 10 f., 39, 41a. E., 44, 44d). Die Suche nach einer anderweitigen "leidensgerechten" Einsatzmöglichkeit gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 BBG darf sich im Hinblick auf den Zweck der Rehabilitation nicht nur auf gerade freie Stellen erstrecken. Vielmehr sind auch zumutbare Änderungen der Geschäftsverteilung innerhalb des Geschäftsbereichs des Dienstherrn in den Blick zu nehmen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Juli 2003 - 1 B 413/03 - DÖV 2003, 1044 f.). Die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gebietet es auch zu prüfen, ob nicht ein "leidensgerechter" Arbeitsplatz dadurch freigemacht werden kann, dass ein tariflich Beschäftigter im Rahmen einer Änderung der Geschäftsverteilung auf einen anderen Arbeitsplatz umgesetzt wird. Anderenfalls hätte der Dienstherr die Möglichkeit, die Anforderungen des § 42 Abs. 3 BBG dadurch zu umgehen, dass er durch Organisationsentscheidung viele Arbeitsplätze nur mit Angestellten besetzt und die Besetzung mit Beamten ausschließt.

Der mit der Gesetzesänderung kodifizierte Grundsatz der Rehabilitation vor Versorgung und der Rechtsanspruch auf medizinische und berufliche Rehabilitation kann durch die Bahnreform und die mit ihr einhergehenden strukturellen und organisatorischen Veränderungen nicht außer Kraft gesetzt werden, denn in Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG wird ausdrücklich die Wahrung der Rechtsstellung der der Eisenbahn zugewiesenen Beamten gewährleistet. Durch Art. 143a GG wird den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundesbahn kein über die Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG hinausgehender Gestaltungsspielraum eingeräumt. Es wird lediglich klargestellt, dass die Beschäftigung von Beamten bei privaten Unternehmen verfassungsrechtlich zulässig ist und die gemäß Art. 33 Abs. 5 GG anerkannten Strukturprinzipien des Beamtenrechts auch bei der Weiterbeschäftigung der Beamten der Deutschen Bundesbahn bei deren privaten Nachfolgeunternehmen grundsätzlich uneingeschränkt Anwendung finden. Zwar erlaubt Art. 33 Abs. 5 GG die Fortentwicklung und Anpassung des Beamtenrechts an veränderte Umstände (BVerfG, Beschlüsse vom 31. März 1998 - 2 BvR 1877/97 - BVerfGE 97, 351, 376 f., und vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 - BVerfGE 99, 300, 315), doch steht dieser Gestaltungsspielraum dem Gesetzgeber zu und nicht den die Organisationsgewalt ausübenden Exekutivorganen des Dienstherrn oder den die Dienstherrnbefugnisse ausübenden Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundesbahn. Art. 143a Abs. 1 Satz 3 GG hat diese Rechtslage nicht verändert, sondern sie bestätigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006 - 2 C 1.06 - NVwZ 2006, 1291 ff.). Der Gesetzgeber hat von der Möglichkeit einer abweichenden Sonderregelung keinen Gebrauch gemacht. Das Gesetz zur Verbesserung der personellen Struktur beim Bundeseisenbahnvermögen und in den Postnachfolgeunternehmen vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2426), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. November 2006 (BGBl. I S. 2589) sieht insoweit keine Änderung vor. Sogar die Sonderregelung des § 3 des Gesetzes, die die Möglichkeit zur vorzeitigen Ruhestandsversetzung der Beamten des Bundeseisenbahnvermögens, die von Umstrukturierungsmaßnahmen bei der Deutschen Bahn AG betroffen sind, gegenüber dem Bundesbeamtengesetz erleichtert, behält inhaltlich den Regelungsgehalt des § 42 Abs. 3 BGB bei, da nach Abs. 1 Nr. 2 der Vorschrift Ruhestandsversetzungen auch in diesen Fällen nur möglich sind, wenn eine anderweitige Verwendung in der eigenen oder in anderen Verwaltungen nicht möglich oder nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen nicht zumutbar ist.

Im vorliegenden Fall bestand nach den ärztlichen Feststellungen eine Tauglichkeit des Klägers für den Betriebsdienst insgesamt nicht mehr. Die Beigeladene und ihr folgend das beklagte Bundeseisenbahnvermögen sind jedoch ihrer Verpflichtung gemäß § 42 Abs. 3 BBG nicht gerecht geworden. Sie haben keine ausreichenden Ermittlungen und Erwägungen zu einer möglichen Weiterbeschäftigung des Klägers angestellt. Es wurde nie erwogen, durch eine Änderung von Arbeitsplätzen eine organisatorische Anpassung an die eingeschränkten Beschäftigungsmöglichkeiten des Klägers vorzunehmen. Zwar hat die DB Vermittlung GmbH ein sog. personenbezogenes Integrationsverfahren durchgeführt. Dieses Verfahren beschränkt sich jedoch ausschließlich auf die Vermittlung vorhandener freier Arbeitsplätze und sieht keine Überprüfung vorhandener "leidensgerechter", jedoch besetzter Arbeitsplätze im Hinblick auf die Möglichkeit der Umsetzung von tariflichen Mitarbeitern oder der anderweitigen Umstrukturierung der Geschäftsverteilung vor.

Die Feststellung des Beklagten, im DB-Konzern stünden keine für den Kläger geeigneten freien Stellen zur Verfügung, reicht allein nicht aus, um den Anforderungen des § 42 Abs. 3 BBG gerecht zu werden. Der Beklagte und die Beigeladene haben nicht geprüft, ob der Kläger auf infrage kommenden "leidensgerechten" Arbeitsplätzen nach Umsetzung von tariflich Beschäftigten eingesetzt werden kann. Diese Prüfungspflicht beschränkt sich nicht auf den Konzern der Deutschen Bahn AG, sondern erfasst alle Behörden und Ämter im gesamten Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.

Soweit der Beklagte hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten des Klägers darauf verweist, er sei nicht einmal "Tp 4-tauglich", steht dieses Vorbringen in Widerspruch zu den bahnärztlichen Feststellungen. In seinem sog. positiven Leistungsprofil vom 4. Oktober 2004 stellte der Leitende Arzt der Dienststelle Mitte des Bundeseisenbahnvermögens fest, dass für den Kläger Tätigkeiten im Innendienst auch mit besonderer Beanspruchung der Psyche ohne Einschränkung möglich sind; ausgeschlossen werden lediglich Tätigkeiten im Freien und mit besonderer Beanspruchung des Bewegungs- und Stützapparates. In seiner ärztlichen Stellungnahme vom 23. Februar 2006 bezieht sich der Leitende Arzt auf dieses positive Leistungsprofil und führt ausdrücklich aus, dass die Beschwerden des Klägers unverändert seien und sich keine wesentlichen Veränderungen gegenüber den Vorbefunden ergeben hätten.

Entgegen der Auffassung des Beklagten können die krankheitsbedingten Fehlzeiten dem Kläger nicht entgegengehalten werden. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Beisein von Vertretern der Beigeladenen unwidersprochen erklärt hat, sei ihm die "Krankschreibung" ab August 2004 von seinem Personalsachbearbeiter empfohlen worden.

Der Beklagte hat gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des erfolglosen Berufungsverfahrens zu tragen. Zu einer Billigkeitsentscheidung gemäß § 162 Abs. 3 VwGO hinsichtlich außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen im Berufungsverfahren besteht kein Anlass, da diese keinen Antrag gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Revision wird zugelassen, da die Frage der Anforderungen an die Ermessensausübung gemäß § 42 Abs. 3 BBG grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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