Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.02.2007
Aktenzeichen: 1 UE 1891/06
Rechtsgebiete: HBG, MVergV


Vorschriften:

HBG § 46
HBG § 85 Abs. 2
MVergV § 2 Abs. 1 Nr. 4
MVergV § 3 Abs. 1
1. Der Dienstvorgesetzte entscheidet, ob Mehrarbeit aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Dienstbefreiung ausgeglichen werden kann.

2. Die Hessische Bezügestelle berechnet die konkrete Vergütung, setzt sie fest und zahlt aus.

3. Zwingende dienstliche Gründe für die Vergütung geleisteter Mehrarbeit liegen nicht vor, wenn das Beamtenverhältnis wegen einer strafrechtlichen Verurteilung kraft Gesetzes endet.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 UE 1891/06

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Mehrarbeitsvergütung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Dr. Bark, Richterin am Hess. VGH Schild

am 7. Februar 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 3. Juli 2006 - 5 E 1782/05 - abgeändert, soweit darin der Bescheid des Beklagten vom 21. März 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2005 aufgehoben worden sind.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 4.999,44 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der 19.. geborene Kläger stand bis zum 21. Februar 2005 als Polizeibeamter im Dienst des Beklagten. Zuletzt hatte er das statusrechtliche Amt eines Kriminaloberkommissars (Besoldungsgruppe A 10) inne und verrichtete seinen Dienst als Sachbearbeiter im Kommissariat ... bei der Kriminalinspektion ... des Polizeipräsidiums Mittelhessen. Am 21. März 2004 wurde der Kläger aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Hanau inhaftiert und daraufhin mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert. Mit Urteil vom 21. Februar 2005 verurteilte das Landgericht Hanau den Kläger zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung, so dass das Beamtenverhältnis des Klägers mit Ablauf dieses Tages endete.

Bereits zweimal im Laufe des Jahres 2004 hatte der Kläger beantragt, ihm seine über die reguläre Dienstzeit hinaus erbrachten 324 Dienststunden als Mehrarbeit zu vergüten. Diese Anträge lehnte der Beklagte jeweils unter Hinweis auf das Fehlen haushaltsrechtlicher Mittel für eine derartige Vergütung ab.

Einen erneuten Antrag auf Gewährung von Mehrarbeitsvergütung stellte der Kläger am 15. März 2005. Diesen Antrag lehnte das Polizeipräsidium Mittelhessen mit Bescheid vom 21. März 2005 ab unter Hinweis darauf, dass der Kläger zwar während seiner aktiven Dienstzeit unstrittig Mehrarbeit geleistet habe. Er habe es jedoch selbst zu vertreten, dass er mit Wirkung vom 24. März 2004 vom Dienst suspendiert worden sei und dann aufgrund des Urteils des Landgerichts Hanau sein Beamtenverhältnis geendet habe. Insofern sei es aus in seiner Person liegenden Gründen, nicht aber aus zwingenden dienstlichen Gründen unmöglich, die geleisteten Mehrarbeitsstunden durch Dienstbefreiung auszugleichen, und eine Vergütung in Geld scheide dementsprechend aus. Aufgrund des Widerspruchs des Klägers vom 18. April 2005 bekräftigte das Polizeipräsidium Mittelhessen mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2005 seine Entscheidung und stellte ergänzend darauf ab, dass es für den geltend gemachten Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung bereits an einer Rechtsgrundlage fehle, wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlichen Fall mit Beschluss vom 15. April 2005 (1 UE 1707/04) entschieden habe. Denn bei den über die regelmäßige Dienstzeit hinaus geleisteten Dienststunden handele es sich nicht um Mehrarbeit im Sinne der gesetzlichen Vorschriften. Vielmehr stelle sich die Mehrarbeit als Regel dar, was im Ergebnis zu einer gesetzeswidrigen Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit führe und deshalb nicht im Wege der Mehrarbeitsvergütung abgegolten werden könne. Im Übrigen sei es nach wie vor so, dass der Kläger durch sein Verhalten die Suspendierung und das Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis selbst herbeigeführt habe.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Gießen Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, nicht er, sondern der Beklagte habe ihn vom Dienst suspendiert, so dass auch der Beklagte die Umstände geschaffen habe, die einen Freizeitausgleich für die geleisteten Mehrarbeitsstunden verhinderten. Parallel zu der Regelung im Arbeitsrecht hätte es dem Beklagten oblegen, für die Zeit der Suspendierung die Abgeltung der Mehrarbeitsstunden anzuordnen. Dann hätte der Kläger seine zur Verfügung stehende Zeit frei nutzen können, während er so ständig habe damit rechnen müssen, dass er seine Arbeitskraft wieder zur Verfügung stellen müsse.

Die vom Kläger geleistete Mehrarbeit stehe auch jeweils in engem Zusammenhang mit einzelnen Ermittlungen, insbesondere seiner Mitarbeit in der Sonderermittlungsgruppe "..." sowie in der den Mordfall H. bearbeitenden Ermittlungsgruppe. Aus der Tätigkeit in diesen beiden Gruppen resultierten im Wesentlichen die geltend gemachten 324 Mehrarbeitsstunden, so dass eben nicht von einem strukturellen Defizit und damit einer rechtswidrigen Verlängerung der Regelarbeitszeit ausgegangen werden könne.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Polizeipräsidiums Mittelhessen vom 21. März 2005 und den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 7. Juli 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Mehrarbeitsvergütung von 4.999,44 € zu gewähren,

hilfsweise,

die Bescheide aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich darauf berufen, dass der Kläger ausweislich seiner Arbeitszeitnachweise von Januar 2001 bis zu seiner Festnahme im März 2004 lediglich in sechs Monaten keine Dienststunden über die regelmäßige Wochenarbeitszeit hinaus geleistet habe. Damit sei für ihn die Verlängerung seiner regelmäßigen Arbeitszeit ein Dauerzustand gewesen, unabhängig davon, dass er ohnehin die Unmöglichkeit eines Freizeitausgleiches zu vertreten habe.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 3. Juli 2006 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass das Polizeipräsidium Mittelhessen für den Erlass der Ablehnungsbescheide sachlich nicht zuständig sei. Vielmehr sei dies Aufgabe der Hessischen Bezügestelle, wie sich aus § 9 Abs. 2 der Verordnung über Zuständigkeiten in beamtenrechtlichen Personalangelegenheiten im Geschäftsbereich des Hessischen Ministeriums des Innern vom 19. Dezember 2000 (GVBl. I S. 635) ergebe. Danach habe der Verordnungsgeber der Hessischen Bezügestelle die Befugnis übertragen, die Besoldung festzusetzen, zu berechnen und die Zahlung anzuordnen. Zu dieser umfassenden Zuständigkeit gehöre also auch die Festsetzung von Mehrarbeitsvergütung, die gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 5, 48 Abs. 1 BBesG als Vergütung Teil der Besoldung sei. Soweit der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15. April 2005 (1 UE 1707/04) die Auffassung vertrete, der Dienstvorgesetzte sei für die Entscheidung über die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung sachlich zuständig, folge das Gericht dem nicht. Denn der Dienstvorgesetzte sei zwar gemäß Ziffer 1 des Erlasses des Hessischen Ministeriums des Innern vom 18. Januar 1993 (StAnz. 1993, S. 378) für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit zuständig. Dabei handele es sich aber gerade nicht um die Festsetzung der Mehrarbeitsvergütung, die auch nicht gleichsam als Annex betrachtet werden könne. Vielmehr gehe hier die eindeutige Zuständigkeitsregelung zu Gunsten der Hessischen Bezügestelle vor.

Materiell habe der Kläger allerdings keinen Anspruch auf die beantragte Vergütung, da er jedenfalls die Unmöglichkeit des Freizeitausgleiches selbst zu vertreten habe. Insoweit helfe es dem Kläger nicht, dass die während seiner Verwendung in der Arbeitsgruppe "..." erbrachten zusätzlichen Dienststunden als Mehrarbeit im Sinne von § 3 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte (MVergV) einzustufen seien, denn in jedem Fall scheitere ein Geldausgleich daran, dass der Kläger durch sein strafrechtlich relevantes Verhalten die Grundlage für seine Suspendierung und das Ende des Beamtenverhältnisses selbst gelegt habe.

Gegen dieses ihm am 11. Juli 2006 zugestellte Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Beklagten. Der Kläger hat nach Vorlage der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt.

Der Beklagte trägt vor, das Verwaltungsgericht habe die angefochtenen Bescheide zu Unrecht aufgehoben. Denn die Bezügestelle sei zwar für die Festsetzung der Höhe der Mehrarbeitsvergütung sowie die Berechnung und die Zahlungsanordnung zuständig, nicht jedoch für die Entscheidung der Frage, inwieweit geleistete Mehrarbeitsstunden in Freizeit ausgeglichen werden könnten oder nicht. Die Entscheidung, ob (überhaupt) eine Mehrarbeitsvergütung gezahlt werde, sei als Annex zur Anordnung von Mehrarbeit zu sehen und könne ausschließlich von der Dienststelle getroffen werden. Nur die Dienststelle kenne die Verhältnisse des Dienstablaufes vor Ort und könne prüfen, ob und in welchem Umfang Mehrarbeit tatsächlich angefallen sei, ob und in welchem Umfang Freizeitausgleich dafür genommen werden könne oder ob dienstliche Belange dem entgegenstünden. Erst wenn diese Frage geklärt und von der Dienststelle die Feststellung getroffen worden sei, dass Mehrarbeit in bestimmtem Stundenumfang vorliege und ein Freizeitausgleich nicht in Betracht komme, stehe fest, dass Mehrarbeitsvergütung zu gewähren sei. Darüber werde die Hessische Bezügestelle unterrichtet (so auch geregelt in den Bezügebezahlungsbestimmungen mit Erlass des Hessischen Ministeriums der Finanzen vom 30. Januar 2006, StAnz. S. 374) und setze dann den konkreten Betrag fest.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 3. Juli 2006 insoweit aufzuheben, als der Bescheid des Polizeipräsidiums Mittelhessen vom 21. März 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2005 wegen sachlicher Unzuständigkeit aufgehoben werden,

und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil vom 3. Juli 2006 insoweit aufzuheben, als der Beklagte nicht verpflichtet worden ist, dem Kläger eine Mehrarbeitsvergütung von 4.999,44 € zu gewähren, bzw. über den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung unter Beachtung der Rechtssauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Er betont nochmals, dass nicht von einer rechtswidrigen Zuvielarbeit auszugehen sei, die nicht unter die Vorschriften der Mehrarbeitsverordnung falle und keinen Vergütungsanspruch auslösen könne. Vielmehr habe sich gezeigt, dass der Kläger wegen seiner Mitarbeit in der Arbeitsgruppe "..." und wegen eines weiteren aufwändigen Ermittlungsverfahrens fast 800 zusätzliche Stunden geleistet habe. Wenn er dann innerhalb von drei Jahren diese Mehrarbeitsstunden immerhin um rund 500 Stunden habe abbauen können, spreche dies gegen ein strukturelles Defizit in dem Kommissariat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Personalakten des Klägers mit Unterordnern A, B 1, B 2, Besoldung und zwei Verwaltungsvorgänge Mehrarbeitsvergütung) verwiesen, die Gegenstand der Senatsberatung gewesen sind.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufungen gemäß § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss, da er einstimmig die Berufung des Klägers für unbegründet und diejenige des Beklagten für begründet sowie eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden und haben ausdrücklich ihr Einverständnis erklärt.

Die vom Verwaltungsgericht gemäß § 124a Abs. 1 VwGO zugelassene und auch im Übrigen nach § 124a Abs. 2 und 3 VwGO zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die angefochtenen Bescheide mit der Begründung aufgehoben, das Polizeipräsidium Mittelhessen sei für deren Erlass sachlich unzuständig gewesen.

Inhalt der angefochtenen Bescheide ist die Überprüfung, inwieweit Mehrarbeit im Sinne von § 85 Abs. 2 Satz 3 HBG i. V. m. §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 4, 3 MVergV vorliegt und ob diese Mehrarbeit aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden kann. Denn nur für diesen Fall ist die Gewährung einer Vergütung anstelle des Freizeitausgleiches in § 3 Abs. 1 Nr. 3 MVergV vorgesehen. Diese Entscheidung hat - wie der Senat schon in seinem Beschluss vom 15. April 2005 (1 UE 1707/04) ausgeführt hat - der Dienstvorgesetzte zu treffen, also im polizeilichen Vollzugsdienst die für die Erteilung von Urlaub und Dienstbefreiung zuständige Stelle. Nur dieser Stelle stehen die notwendigen Informationen über die Gründe und die Zahl der Mehrarbeitsstunden zur Verfügung, und sie ist vor Ort am besten in der Lage, die Entscheidung über die Art und Weise der Abgeltung zu treffen. Dies macht auch Ziffer 1 Satz 2 des Durchführungserlasses des Hessischen Ministeriums des Innern vom 18. Januar 1993 (StAnz. S. 378) deutlich, wenn es dort ausdrücklich heißt: "Zuständig für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit ist die Behördenleitung. Dies gilt auch für die Feststellung, dass die Mehrarbeit aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Dienstbefreiung innerhalb von drei Monaten ausgeglichen werden kann."

Abzugrenzen von dieser Feststellung, ob überhaupt eine finanzielle Vergütung für die betreffenden Stunden gewährt werden kann, ist die nachfolgende konkrete Festsetzung, Berechnung und Auszahlung des sich ergebenden Betrages. Diese Befugnis ist - wie das Verwaltungsgericht und der Beklagte in seiner Berufungsbegründung zu Recht ausgeführt haben - gemäß § 9 Nr. 2 der Verordnung über Zuständigkeiten in beamtenrechtlichen Personalangelegenheiten im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern und für Sport vom 19. Dezember 2000 (GVBl. I S. 635) in der seit der 2. ÄnderungsVO vom 21. Februar 2003 (GVBl. I S. 98) geltenden Fassung der Hessischen Bezügestelle übertragen, was durch den Erlass des Hessischen Ministeriums der Finanzen vom 10. August 2001 (StAnz. S. 3304) bestätigt wird. Nach den dort veröffentlichten und im Jahr 2005 geltenden Bezügezahlungsbestimmungen gehört zu den Aufgaben der Bezügestellen gemäß Ziffer 3.1.1 das Sammeln von Daten und Unterlagen für die Festsetzung, Berechnung, Zahlbarmachung, Auszahlung und Buchung der Bezüge. Demgegenüber haben gemäß Ziffer 4.2.1 der Bezügezahlungsbestimmungen die Beschäftigungsbehörden die erforderlichen Daten für die Festsetzung, Berechnung, Zahlbarmachung und Auszahlung der Bezüge zu ermitteln und die der Bezügestelle erforderlichen Unterlagen einzureichen. Auch diese Kompetenzverteilung lässt also erkennen, dass bei der Beschäftigungsbehörde zunächst zu klären ist, inwieweit überhaupt vergütungsfähige Mehrarbeit vorliegt, bevor die Bezügestelle den konkreten Betrag berechnet, festsetzt und auszahlt.

Diesen Unterschied zwischen Besoldungsfestsetzung und der Feststellung im Vorfeld, ob Mehrarbeit im Sinne der MVergVO vorliegt, die aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Dienstbefreiung innerhalb von drei Monaten ausgeglichen werden kann, hat das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt und ist deshalb zu der von der Rechtsprechung des Senats abweichenden Auffassung gelangt, auch für die Entscheidung über die Vergütungsfähigkeit der Mehrarbeit sei bereits die Bezügestelle zuständig. Dies steht mit der Rechtslage - wie oben dargelegt - nicht in Einklang. Vielmehr ist die Behördenleitung dazu berufen, diese Entscheidung zu treffen. Dem entspricht im Übrigen nicht nur der Durchführungserlass des Hessischen Ministeriums des Innern vom 18. Januar 1993, der für die Zeit bis einschließlich 31. Dezember 2003 gegolten hat und damit für den Zeitraum, in dem der Kläger den größten Teil der von ihm beanspruchten Mehrarbeitsstunden erbracht hat. Dieselbe Formulierung findet sich auch in dem Durchführungserlass vom 10. Dezember 2003 (StAnz. 2004, S. 2), der seit 1. Januar 2004 in Kraft ist und den Erlass von 1993 ersetzt.

Das Polizeipräsidium Mittelhessen hat somit zuständigerweise über den Abgeltungsantrag des Klägers entschieden; seine Bescheide können nicht wegen sachlicher Unzuständigkeit aufgehoben werden, und die Berufung hat insoweit Erfolg.

Die von dem Kläger rechtzeitig innerhalb der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO eingelegte Anschlussberufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat materiell zu Recht entschieden, dass dem Kläger der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zusteht, weil es an der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 MVergV genannten Voraussetzung für eine derartige Vergütung fehlt, nämlich dass die Mehrarbeitsstunden aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden können. Denn wie sowohl der Beklagte als auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt haben, beruht die Unmöglichkeit, die Mehrarbeitsstunden durch Freizeitausgleich abzugelten, letztlich auf den strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers. Dessen Verhalten hat dazu geführt, dass er am 21. März 2004 verhaftet wurde, danach vom Dienst suspendiert und sein Beamtenverhältnis mit Ablauf des 21. Februar 2005 - dem Tag der rechtskräftigen Verurteilung durch das Landgericht Hanau - endete. Aufgrund dieser Kausalkette ist der Kläger nicht mehr in der Lage, seine regelmäßige Arbeitszeit durch "Abfeiern" seiner Mehrarbeitsstunden zu reduzieren; damit handelt es sich bei den Gründen für diese Unmöglichkeit nicht um dienstliche, sondern um persönliche Gründe, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat. Insoweit wird daher gemäß § 130b Satz 2 VwGO von einer weiteren Begründung abgesehen, und der Senat schließt sich der erstinstanzlichen Entscheidung (S. 10 f. des Urteilabdrucks) an. Inwieweit überhaupt Mehrarbeit im Sinne der MVergVO und nicht rechtswidrige Arbeitszeitverlängerung vorliegt oder ob wenigstens die in der Arbeitsgruppe "..." geleisteten zusätzlichen Dienststunden als Mehrarbeit einzustufen wären, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Beklagte die Suspendierung des Klägers nicht mit der Anrechnung von Mehrarbeitsstunden verbunden hat. Denn selbst wenn man einen derartigen Freizeitausgleich für geleistete Mehrarbeit während des Zeitraums der Suspendierung grundsätzlich für denkbar hält, so schadet die unterbliebene Anordnung jedenfalls nicht. Zum Zeitpunkt der Suspendierung war nicht absehbar, zu welchen strafrechtlichen oder beamtenrechtlichen Konsequenzen die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe letztlich führen würden, so dass der Beklagte keinen Anlass hatte, über einen etwaigen Freizeitausgleich nachzudenken; dies gilt erst recht, weil der Kläger einen derartigen Antrag nie gestellt hat. Als mit der rechtskräftigen Verurteilung vom 21. Februar 2005 das Beamtenverhältnis automatisch beendet wurde, hatte der Beklagte keine Möglichkeit mehr, die Mehrarbeitsstunden durch Dienstbefreiung auszugleichen, und damit fehlt es am dienstlichen Charakter der Gründe, die einen Freizeitausgleich verhindern.

Da die Anschlussberufung des Klägers erfolglos bleibt und er aufgrund der erfolgreichen Berufung des Beklagten insgesamt unterliegt, hat er gemäß § 154 Abs. 1 und 2 VwGO die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 127 BRRG, § 183 HBG, § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG und entspricht der Höhe der Klageforderung.

Ende der Entscheidung

Zurück