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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 31.07.2008
Aktenzeichen: 1 UE 2279/07
Rechtsgebiete: BeamtVG, EG


Vorschriften:

BeamtVG § 6 Abs. 1 S. 3
BeamtVG § 6 Abs. 1 S. 4
BeamtVG § 12 Abs. 5
BeamtVG § 13 Abs. 1 S. 3
EG Art 141
Bei der Quotierung der Studien-, Ausbildungs- und Zurechnungszeiten zur Bestimmung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit für Teilzeitkräfte handelt es sich um mittelbare Diskriminierung von Frauen, die nicht durch objektive Gesichtspunkte gerechtfertigt ist.

Die Quotierungsvorschriften der §§ 6 Abs. 1 Satz 4, 12 Abs. 5 und 13 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG sind daher insoweit wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht (Art. 141 EG) nicht anzuwenden.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF

BESCHLUSS

1. Senat

1 UE 2279/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Versorgung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers,

Richter am Hess. VGH Kohlstädt,

Richterin am Hess. VGH Schild

am 31. Juli 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 13. September 2007 - 5 E 1313/06 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 3.012,96 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung ihrer Versorgungsbezüge mit Bescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 5. April 2006.

Die am 19. März 19.. geborene Klägerin ist mit Ablauf des Monats März 2006 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden. Sie stand vorher im Schuldienst und hatte das statusrechtliche Amt einer Lehrerin (Besoldungsgruppe A 13 BBesO) inne. Die Klägerin war in den Jahren 1997 und 1998 zunächst im Angestelltenverhältnis mit reduzierter Stundenzahl als Lehrerin tätig. Mit Wirkung vom 2. Februar 1998 wurde sie in das Beamtenverhältnis übernommen. In der Zeit vom 1. August 2000 bis zum 31. Juli 2004 war die Klägerin zu drei Viertel in Teilzeit beschäftigt dergestalt, dass sie in den ersten drei Jahren dieses Zeitraums voll arbeitete, aber nur drei Viertel der Bezüge bekam. Im vierten Jahr war sie von der Dienstleistung freigestellt und erhielt weiterhin die auf drei Viertel reduzierten Bezüge. Während dieses "Sabbatjahres" erkrankte die Klägerin schwer, musste operiert werden und trat ihren Dienst ab 1. August 2004 zunächst mit aus gesundheitlichen Gründen deutlich verminderter Stundenzahl an. Schließlich wurde sie mit ihrem Einverständnis zum 1. April 2006 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.

Bei der Festsetzung der ihr zustehenden Versorgungsbezüge ermittelte das Regierungspräsidium Kassel eine ruhegehaltfähige Dienstzeit von 21,79 Jahren und legte auf dieser Grundlage einen Ruhegehaltsatz von 40,86 vom Hundert fest. Bei dieser Berechnung ging die Behörde bezüglich der zu berücksichtigenden Studienzeit der Klägerin, bezüglich der Ausbildungszeit als Beamtin auf Widerruf während des Referendariats und bezüglich der Zurechnungszeit bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres von einer Minderung der Versorgungsbezüge wegen länger als zwölf Monate andauernder Freistellung nach § 6 Abs. 1 Satz 4 BeamtVG aus, so dass diese drei Zeiträume jeweils nur mit einer Quote von 0,88 auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit angerechnet wurden. Außerdem berücksichtigte die Behörde den Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 3 BeamtVG in Höhe von 10,8 vom Hundert.

Gegen den Festsetzungsbescheid hat die Klägerin am 4. Mai 2006 beim Verwaltungsgericht Gießen Klage erhoben und sich sowohl gegen den Versorgungsabschlag gemäß § 14 Abs. 3 BeamtVG als auch gegen die Quotierung der Studien-, Referendar- und Zurechnungszeiten gewandt. Bezüglich des Versorgungsabschlages hat das VG Gießen das Verfahren mit Beschluss vom 8. Dezember 2006 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 5 E 4024/06 fortgeführt.

Bezüglich der Quotierung machte die Klägerin geltend, dass der Beklagte durch die Anrechnung der Studienzeit, der Referendarzeit und der Zurechnungszeit nur mit dem Faktor 0,88 eine überproportionale Kürzung ihrer Versorgungsbezüge wegen der Teilzeitbeschäftigung vorgenommen habe. Dies stelle nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes eine mittelbare Diskriminierung von Frauen dar, für die es keine sachliche Rechtfertigung gebe. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 23. Oktober 2003 (Rs C-4/02) zum Versorgungsabschlag alter Prägung für Teilzeitkräfte lasse sich insoweit auf die Quotierungsvorschriften übertragen und führe dazu, dass auch die neue Regelung als europarechtswidrig einzustufen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Regierungspräsidiums Kassel vom 5. April 2006 zu verpflichten, der Klägerin Versorgungsbezüge auf der Grundlage eines Ruhegehaltssatzes von 44,53 vom Hundert nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trug vor, die vorgenommene Quotelung entspreche den Regelungen des Beamtenversorgungsgesetzes und verstoße nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze, insbesondere nicht den Anspruch auf amtsangemessene Alimentation aus Art. 33 Abs. 5 GG und den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Die Lehre von der mittelbaren Diskriminierung der Frau stoße ohnehin prinzipiell auf durchgreifende Bedenken, weil sie das Diskriminierungsverbot überdehne und nicht berücksichtige, dass die Berufung auf die Grenzen der finanziellen Leistungsfähigkeit des Dienstherrn ein geschlechtsunabhängiger Grund und damit diskriminierungsfrei sei. Zudem finde die Quotelung der Ausbildungs- und Zurechnungszeiten, die Frauen und Männer sicherlich unterschiedlich häufig treffen würde, ihre sachliche Rechtfertigung nicht allein in allgemeinen fiskalischen Erwägungen, sondern auch im Gedanken der Verteilungsgerechtigkeit: Erreiche ein Beamter die bis zum regulären Eintritt des Versorgungsfalls mögliche ruhegehaltfähige Dienstzeit (Soll-Lebensarbeitszeit) nicht, weil er zeitweise ganz oder zum Teil vom Dienst freigestellt war, so sei es folgerichtig, dass sich dies auf die Höhe seiner Versorgung in der Weise auswirke, dass seinen Versorgungsbezügen ein der geringeren Gesamtdienstleistung für den Dienstherrn angepasster verminderter Ruhegehaltsatz zu Grunde gelegt werde.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 13. September 2007 in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung darauf abgestellt, dass der Beklagte zwar die geltenden Regelungen des Beamtenversorgungsgesetzes aus § 6 Abs. 1 Satz 4 BeamtVG i. V. m. § 12 Abs. 5 BeamtVG und § 13 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG zutreffend angewandt habe. Die genannten Bestimmungen des nationalen Rechts bewirkten jedoch nach Maßgabe der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aus dessen Urteil vom 23. Oktober 2003 (Rs C-4/02 und C-5/02) eine mittelbare Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Beamtinnen, die nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt sei. Das Altersruhegeld nach dem Beamtenversorgungsgesetz falle gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in den Anwendungsbereich des Art. 141 EG, der den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit verankere. Dieser Grundsatz stehe nicht nur der Anwendung von Vorschriften entgegen, die eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts enthielten, sondern auch der Anwendung von Vorschriften, die Ungleichbehandlungen von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern aufgrund von nicht auf dem Geschlecht beruhenden Kriterien aufrecht erhielten, sofern sich diese Ungleichbehandlungen nicht mit objektiv gerechtfertigten Faktoren erklären ließen. Gemessen an diesen Anforderungen könne eine nationale Regelung, die bewirke, dass das Ruhegehalt eines Arbeitnehmers stärker als unter proportionaler Berücksichtigung seiner Zeiten der Teilzeitbeschäftigung gekürzt werde, nicht dadurch als objektiv gerechtfertigt angesehen werden, dass in diesem Fall das Ruhegehalt einer geminderten Arbeitsleistung entspreche oder dass mit ihr eine Besserstellung teilzeitbeschäftigter Beamter gegenüber vollzeitbeschäftigten Beamten verhindert werden solle. Dies habe der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 23. Oktober 2003 (Rs C 4/02 und 5/02) sowie ihm folgend das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 25. Mai 2005 (- 2 C 14.04 - NVwZ 2005, 1080) für den Versorgungsabschlag bei Teilzeitbeschäftigung oder Beurlaubung nach § 14 Abs. 1 BeamtVG a. F. entschieden. Derselbe Gesichtspunkt der überproportionalen Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung lasse sich ohne weiteres auf die nach neuem Versorgungsrecht erfolgende Kürzung von Ausbildungszeiten (Studium, Vorbereitungsdienst) sowie der Zurechnungszeit übertragen und führe dazu, dass auch insoweit eine mittelbare Diskriminierung vorliege, die durch objektive Gesichtspunkte nicht gerechtfertigt sei. Durch die Kürzungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG werde der geringeren Arbeitszeit bei Teilzeitbeschäftigung oder Beurlaubung bereits Rechnung getragen, indem Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung nur zu dem Teil als ruhegehaltfähige angerechnet würden, der dem Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit entspreche. Für weitere Kürzungen sei nach der für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts allein maßgebenden Auffassung des Europäischen Gerichtshofes kein Raum, so dass die dem Gemeinschaftsrecht widersprechenden Bestimmungen der §§ 6 Abs. 1 Satz 4, 12 Abs. 5 und 13 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG unangewendet bleiben müssten. Demgemäß belaufe sich der Ruhegehaltsatz für die Klägerin ohne die Quotelung auf 44,53 vom Hundert.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, dass das Verwaltungsgericht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum Versorgungsabschlag alter Art schlicht auf die Neuregelung über die Quotierung übertragen habe, ohne seine Entscheidung jedoch ausreichend zu begründen und zu prüfen, ob die festgestellte mittelbare Diskriminierung nicht objektiv gerechtfertigt sei. Zudem habe der Europäische Gerichtshof ausdrücklich festgestellt, dass eine proportionale Kürzung wegen der tatsächlich erbrachten geringeren Lebensdienstzeit ohne weiteres zulässig sei. Das Verwaltungsgericht sei die Begründung schuldig geblieben, weshalb durch die Quotierung eine überproportionale Kürzung eintrete. Außerdem lasse das Urteil die notwendige Differenzierung zwischen den drei Kürzungstatbeständen vermissen. Immerhin sei die Anrechnung von Studienzeiten und anderen vordienstlichen Ausbildungszeiten ohnehin dem Ermessen des Dienstherrn überlassen, da es sich um "Kann-Zeiten" handele, bei denen ein weiter Spielraum für die Anrechnung bestehe. Bei der Zurechnungszeit werde proportional das bisherige Verhältnis von Teilzeit zu Vollzeit auf die bis zum 60. Lebensjahr fehlenden Jahre übertragen, so dass ebenfalls nur von einer proportionalen Fortschreibung die Rede sein könne. Dasselbe gelte schließlich für absolvierte Ausbildungszeiten im Beamtenverhältnis auf Widerruf.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 13. September 2007 - 5 E 1313/06 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass das Verwaltungsgericht zu Recht die Gesichtspunkte aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 23. Oktober 2003 auf die Quotierung der Ausbildungs- und Zurechnungszeiten übertragen habe und zu dem Ergebnis gekommen sei, dass durch § 6 Abs. 1 Satz 4 BeamtVG eine mittelbare Diskriminierung von Frauen vorliege. Weitere materielle Voraussetzungen für eine derartige Diskriminierung - beispielsweise hinsichtlich der Gründe für die Teilzeitbeschäftigung oder der familiären Verhältnisse der Frauen - gebe es nicht. Der Beklagte behaupte auch zu Unrecht, dass es sich lediglich um eine proportionale Kürzung wegen Teilzeitbeschäftigung handele, denn Vergleichsmaßstab sei allein der Grundsatz, dass für gleiche Arbeit das gleiche Entgelt zu zahlen sei. Dies habe der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 2007 (Rs C-300/06) zur Vergütung von zusätzlichen Unterrichtsstunden bei teilzeitbeschäftigten Lehrern erneut klargestellt und sei auch dort zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um mittelbare Diskriminierung handele, wenn teilzeitbeschäftigte Beamte für die Unterrichtsstunden, die sie über ihre individuelle Arbeitszeit hinaus bis zu der Stundenzahl leisten, die ein vollzeitbeschäftigter Beamter im Rahmen seiner Arbeitszeit erbringen muss, schlechter vergütet werden als vollzeitbeschäftigte Beamte. Schließlich treffe es auch nicht zu, dass die angegriffenen Regelungen des Beamtenversorgungsgesetzes keinen nationalen verfassungsrechtlichen Bedenken unterlägen. Vielmehr schütze Art. 3 Abs. 2 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Entscheidung vom 19.11.2003 - 2 BvR 1476/01 - Rdnr. 17) auch vor indirekten Ungleichbehandlungen.

Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakten des Beklagten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Der Senat kann über die Berufung nach § 130a VwGO durch Beschluss entscheiden, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise angehört worden und haben ausdrücklich auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg, da das Verwaltungsgericht der Klage mit zutreffenden Erwägungen stattgegeben hat. Der Senat nimmt daher gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Urteilsgründe Bezug und führt ergänzend Folgendes aus:

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass es sich bei der Quotierung der Studien-, Ausbildungs- und Zurechnungszeiten um eine mittelbare Diskriminierung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes handelt, die wegen Verstoßes gegen Art. 141 Abs. 1 und 2 EG - früher Art. 119 EG-Vertrag - unzulässig ist und zur Nichtanwendbarkeit der die Diskriminierung bewirkenden nationalen Vorschriften führt.

Denn nach wie vor sind unter den Beamten sowohl beim Land Hessen als auch in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt wesentlich mehr Frauen als Männer teilzeitbeschäftigt oder beurlaubt. Dies lässt sich aus den dem Senat übersandten Übersichten des Hessischen Statistischen Landesamtes als auch aus den im Internet frei zugänglichen Materialien des Statistischen Bundesamtes zweifelsfrei entnehmen. So waren beim Land Hessen im Jahr 2006 22.854 Beamte und Richter (mit mindestens 1/2) teilzeitbeschäftigt, darunter 17.764 Frauen, was einem Anteil von 77,73 % entspricht. Zusätzlich waren in Hessen bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden 2.633 Beamte (mit mindestens 1/2) teilzeitbeschäftigt, darunter 1.808 Frauen, also ein Anteil von 68,67 %. Hinzu kommen für 2006 auf kommunaler und Landesebene in Hessen 5.598 Beurlaubte, davon 4.809 (= 85,9 %) Frauen. Diese Zahlen machen bereits deutlich, dass Frauen in Hessen zu einem erheblich höheren Prozentsatz von den Quotierungsregelungen des Beamtenversorgungsgesetzes betroffen sind als Männer.

Da die Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes aber nicht nur die Höhe der Ruhestandsbezüge der Beamten und Richter in Hessen regeln, sondern bundesweit anzuwenden sind (§ 1 Abs. 1 und 2 BeamtVG), müssen neben den hessischen Zahlen verstärkt die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Materialien zum Personal im öffentlichen Dienst (www.destatis.de, Rubrik "Finanzen und Steuern", Fachserie 14, Reihe 6, 2006) Berücksichtigung finden. Danach sind zum Stichtag 30. Juni 2006 bundesweit 400.519 Beamte in Teilzeit tätig, darunter 314.327 Frauen, was einem Anteil von 78,48 % entspricht. Hinzu kommen zum selben Zeitpunkt 71.130 beurlaubte Beamte, von denen 59.232 Frauen waren, also 83,27 %. Demnach ergeben sich auch unter Berücksichtigung der bundesweiten Zahlen erheblich höhere Frauenanteile bei den Teilzeitbeschäftigten und Beurlaubten, so dass Frauen von der geschlechtsneutral formulierten Quotierung wesentlich häufiger betroffen sind als Männer.

Diese mittelbare Diskriminierung fällt sowohl in den Schutzbereich von Art. 141 EG als auch von Art. 3 Abs. 1 und 2 GG (s. nur BVerfG, 19.11.2003 - 2 BvR 1476/01 - NVwZ 2004, 336 = NJW 2004, 1099) und lässt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht allein durch den Hinweis auf die geschlechtsneutrale Formulierung des Gesetzeswortlautes rechtfertigen. Dies bestätigt nicht zuletzt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl I S. 1897), das ausdrücklich mittelbare ebenso wie unmittelbare Benachteiligungen verbietet (§ 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG).

Da die vorgesehene Quotierung in § 6 Abs. 1 Satz 4 BeamtVG durch die Verweisungen in § 12 Abs. 5 BeamtVG bzw. § 13 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG nicht nur für Ausbildungszeiten im Beamtenverhältnis auf Widerruf gilt, sondern auch für vordienstliche Ausbildungszeiten und für die Zurechnungszeit, werden Frauen in allen drei Bereichen gleichermaßen benachteiligt. In allen drei Fällen findet eine mehr als proportionale Kürzung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit aufgrund der Teilzeitbeschäftigung bzw. Beurlaubung statt. Dies ergibt sich aus dem Zusammenspiel von § 6 Abs. 1 Satz 3 und Abs.1 Satz 4 BeamtVG. Zunächst legt § 6 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG fest, dass Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung nur zu dem Teil ruhegehaltfähig sind, der dem Verhältnis der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit entspricht. Ist eine Beamtin also während ihrer Dienstzeit beispielsweise für fünf Jahre zu 1/2 teilzeitbeschäftigt, werden diese fünf Jahre nur zur Hälfte - also zweieinhalb Jahre - auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit angerechnet. Dies ist eine ausschließlich proportionale Übertragung der Teilzeitbeschäftigung auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit und kann auch unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Diskriminierung nicht beanstandet werden.

Die in § 6 Abs. 1 Satz 4 BeamtVG vorgesehene Quotierung greift jedoch zusätzlich und führt dazu, dass auch weitere Zeiten, die die Beamtin z. T. sogar bereits in Vollzeit verbracht hat (nämlich ihre Studienzeit oder sonstige vordienstliche Ausbildungszeiten sowie die Ausbildungszeit im Beamtenverhältnis auf Widerruf), ebenfalls nur zu einem geringeren Maß berücksichtigt werden als es bei einem ausschließlich vollzeitbeschäftigten Beamten der Fall wäre. Dies zeigt die Überlegung, dass beispielsweise für einen zehn Jahre lang vollzeitbeschäftigten Beamten, der vorzeitig in den Ruhestand versetzt wird, zehn Jahre als ruhegehaltfähige Dienstzeit zuzüglich der vollen Ausbildungs- und Vorbereitungsdienstzeit anerkannt würden, während eine 20 Jahre lang zur Hälfte beschäftigte Beamtin auf die gleiche Anzahl von erbrachten Dienststunden und damit insoweit auf dieselbe ruhegehaltfähige Dienstzeit wie der Vollzeitbeamte käme, jedoch hinsichtlich ihrer Ausbildungs- und Studienzeiten zusätzlich eine Quotierung auf bis zu 0,5 hinnehmen müsste. Beide Beamten hätten gegenüber dem Dienstherrn die gleiche Anzahl an Lebensarbeitsstunden erbracht; die Stunden würden jedoch in unterschiedlicher Art und Weise bei der Ruhegehaltberechnung berücksichtigt, was die überproportionale Übertragung der Teilzeitbeschäftigung durch die Quotierungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 4 BeamtVG belegt.

Diese mittelbare Diskriminierung ist auch nicht durch objektive Gründe, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, gerechtfertigt. Denn weder die von dem Beklagten herangezogenen fiskalischen Erwägungen noch die behauptete "Verteilungsgerechtigkeit" sind geeignet, die Diskriminierung zu rechtfertigen.

Bereits in seinem Urteil vom 23. Oktober 2003 (C-4/02) hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass der Zweck, die öffentlichen Ausgaben zu begrenzen, nicht mit Erfolg zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts angeführt werden könne. Dem folgend hat das Bundesverwaltungsgericht in seinen beiden Urteilen vom 25. Mai 2005 (2 C 6.04 und 2 C 14.04) entschieden, dass für die damalige Regelung über den Versorgungsabschlag alter Fassung bei Teilzeitbeschäftigung eine Rechtfertigung nicht darin liegen kann, dass es sich um einen immanenten Korrekturmechanismus handelt, mit dem eine auf der früheren degressiven Ruhegehaltstabelle beruhende vergleichsweise Besserstellung der teilzeitbeschäftigten Beamten habe vermieden werden sollen. Ebenso ungeeignet ist deshalb der jetzt zur Rechtfertigung herangezogene Grundsatz der "Verteilungsgerechtigkeit", der es gebieten soll, dass ein zugunsten des Dienstherrn angepasster, verminderter Ruhegehaltsatz zu Grunde gelegt wird, wenn ein Beamter durch teilweise Freistellungen vom Dienst die bei durchgehender Vollzeitbeschäftigung mögliche "Soll-Lebensarbeitszeit" nicht erreicht. Die Anpassung erfolgt bereits durch die proportionale Kürzung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit für Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung nach § 6 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG und muss nicht dadurch verstärkt werden, dass andere Zeiten ebenfalls nur quotiert angerechnet werden. Gerade wegen der inzwischen geltenden linearen Ruhegehaltsskala nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG besteht noch weniger Anlass, zusätzliche Kürzungsmechanismen anzuwenden, da die nach altem Recht in Einzelfällen nicht auszuschließende Begünstigung von Teilzeitkräften nicht mehr auftreten kann. Alleiniger Maßstab für die proportionale Übertragung der Teilzeitbeschäftigung auf die Höhe der Ruhestandsbezüge muss deshalb die tatsächlich geleistete Arbeitszeit bleiben, und nur für tatsächliche Zeiten mit reduzierter Arbeitszeit oder Beurlaubung darf sich demgemäß die ruhegehaltfähige Dienstzeit entsprechend vermindern.

Andere, nicht fiskalische Gründe, die die unterschiedliche Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften rechtfertigen könnten, hat weder die Beklagte im Laufe des Rechtsstreites noch die Bundesrepublik Deutschland im Gesetzgebungsverfahren vorgebracht (vgl. BT-Drs. 13/3994). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (4 -C/02, Rn 87 des Juris-Abdrucks, m. w. N.) ist es jedoch Sache des Mitgliedsstaates, der Urheber einer solchen Maßnahme ist, oder der Partei des Ausgangsverfahrens, die sich auf sie beruft, vor dem nationalen Gericht nachzuweisen, dass objektive Gründe zur Rechtfertigung der Maßnahme vorliegen, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Insoweit geht es fehl, wenn der Beklagte dem erstinstanzlichen Gericht vorwirft, es habe eventuelle Rechtfertigungsgründe nicht umfassend geprüft. Das Verwaltungsgericht hat die haushaltsmäßigen Gesichtspunkte erwogen, aber verworfen und war zu weiterer Prüfung schon deshalb nicht verpflichtet, weil ihm keine anderen Gründe vorgetragen worden sind oder diese ansonsten auf der Hand lägen.

Bei den vordienstlichen Ausbildungszeiten kann der Dienstherr sich insbesondere nicht darauf berufen, dass er diese Zeiten ohnehin nur auf freiwilliger Basis als ruhegehaltfähige Dienstzeiten anerkenne. Zwar handelt es sich insoweit um "Kann-Zeiten", die nur nach pflichtgemäßem Ermessen angerechnet werden. Auch bei der Berücksichtigung dieser Kann-Zeiten muss jedoch ein diskriminierungsfreier Maßstab herangezogen werden, und dies ist nicht der Fall, wenn die Kann-Zeiten für durchgehend vollzeitbeschäftigte Beamte anders gewichtet werden als bei teilweise beurlaubten oder in Teilzeit beschäftigten Beamten.

Auch bezüglich der Zurechnungszeiten nach § 13 Abs. 1 BeamtVG ist kein objektiver Rechtfertigungsgrund für die vorgeschriebene diskriminierende Handhabung ersichtlich oder von dem Beklagten vorgetragen worden. Denn die Ausgangslage ist für alle Beamten gleich: Sowohl bei vormals teilzeitbeschäftigten als auch bei durchgehend vollzeitbeschäftigten Beamten werden durch die Zurechnungszeiten fiktive Dienstjahre bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres zu zwei Dritteln mitberücksichtigt, ohne dass feststeht, ob diese Dienstzeiten - sollten sie tatsächlich im aktiven Beamtenverhältnis verbracht worden sein - in Vollzeit, Teilzeit oder teilweiser Freistellung abgeleistet worden wären. Es lässt sich weder ein Erfahrungssatz dahingehend aufstellen, dass teilzeitbeschäftigte Beamte ohne den vorzeitigen Ruhestand bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres weiterhin Teilzeit gearbeitet hätten noch lässt sich umgekehrt feststellen, dass bislang vollzeitbeschäftigte Beamte bis zum Erreichen des 60. Lebensjahres keinerlei Freistellungen durch Teilzeit oder Beurlaubung in Anspruch genommen hätten. Insofern handelt es sich jeweils um die gleichen Unwägbarkeiten, die nicht zu Lasten der Teilzeitbeschäftigten dahingehend aufgelöst werden dürfen, dass eine aus der Vergangenheit errechnete Quotierung von Teilzeit zu Vollzeit in die Zurechnungszeit hinein fortgeschrieben wird. Auch insofern gibt es - über die finanziellen Erwägungen hinaus - keine Rechtfertigungsgründe, die die bei den Zurechnungszeiten bestehende mittelbare Diskriminierung rechtfertigen könnten.

Das Verwaltungsgericht ist daher zu Recht unter Nichtanwendung der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 4 BeamtVG zu dem Ergebnis gekommen, dass der Klägerin ein Ruhegehalt ohne Quotierung in Höhe von 44,53 vom Hundert zusteht.

Offen bleiben mag in diesem Zusammenhang, ob die Quotierungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 4 BeamtVG im Fall der Klägerin nicht bereits aus anderen Gründen keine Anwendung finden darf. Denn die für die Quotierung maßgebliche Teilzeitbeschäftigung der Klägerin von drei Viertel in der Zeit zwischen dem 1. August 2000 und dem 31. Juli 2004 dauerte zwar bei erster Betrachtung vier Jahre und damit länger als die in § 6 Abs. 1 Satz 4 genannten zwölf Monate. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass die Klägerin in dieser Zeit nicht eine "normale" Teilzeitbeschäftigung mit drei Viertel ausgeübt hat, sondern von der Regelung eines "Sabbatjahres" Gebrauch gemacht hat mit der Folge, dass sie drei Jahre voll gearbeitet hat und ein Jahr gänzlich vom Dienst freigestellt war, jeweils unter Gewährung von drei Viertel der Bezüge. Insoweit könnte auch Anlass bestehen, diese Sabbatregelung nicht als Drei-Viertel-Teilzeitbeschäftigung für die Dauer von vier Jahren, sondern als dreijährige Vollzeitbeschäftigung mit einjähriger Beurlaubung anzusehen. Für diesen Fall würde die Freistellungsdauer von zwölf Monaten nicht überschritten, so dass schon aus diesem Grund § 6 Abs. 1 Satz 4 BeamtVG auf die Klägerin nicht anwendbar wäre.

Da die Berufung erfolglos bleibt, hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 1 und 2 Nr. 1 VwGO. Auch der Senat hält es für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob aufgrund des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots die Quotelung der Ausbildungszeiten und der Zurechnungszeit für Teilzeitbeschäftigte oder Beurlaubte entfällt.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG und geht vom Zweijahresbetrag der Differenz zwischen den festgesetzten und den geltend gemacht Versorgungsbezügen aus.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu.



Ende der Entscheidung

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