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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 13.11.2007
Aktenzeichen: 1 UE 438/07
Rechtsgebiete: BeamtVG, FHG 1995


Vorschriften:

BeamtVG § 10 Abs. 1 Nr. 2
BeamtVG § 12 Abs. 1 S 1 Nr. 2
BeamtVG § 12b
BeamtVG § 67 Abs. 2 S. 4
FHG 1995 § 29 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
Der Zweck der für besondere Beamtengruppen geltenden Anrechnungsregelung nach § 67 BeamtVG wird verfehlt, wenn rentenwirksame Vordienstzeiten in der ehemaligen DDR, die nach § 12b BeamtVG nicht zu berücksichtigen sind, zu Lasten eines Professors auf die Fristen nach § 67 Abs. 2 Satz 4 BeamtVG angerechnet werden.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 UE 438/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen ruhegehaltfähiger Dienstzeiten

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch den Berichterstatter, Richter am Hess. VGH Dr. Bark, ohne mündliche Verhandlung am 13. November 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 8. Januar 2007 - 9 E 2431/06 (V) - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung ruhegehaltfähiger Vordienstzeiten des Klägers, der mit Wirkung zum 1. September 1997 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Professor an der Fachhochschule F. ernannt worden ist und seitdem im Hochschuldienst des beklagten Landes steht.

Auf Antrag des Klägers setzte das Regierungspräsidium Kassel mit Bescheid vom 12. April 2006 die ruhegehaltfähige Dienstzeit für den Fall der Fortdauer des Beamtenverhältnisses bis zum Eintritt in den Ruhestand nach Vollendung des 65. Lebensjahres auf 22,08 Jahre fest und berücksichtigte dabei die Promotionszeit im Umfang von zwei Jahren; sonstige bis zur Ernennung zurückgelegte Beschäftigungszeiten wurden unter Hinweis auf § 12b Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) nicht als ruhegehaltfähige Dienstzeit anerkannt.

Hiergegen hat der Kläger am 24. Mai 2006 Klage erhoben. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 27. Juli 2006 hat er beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 12. April 2006 zu verpflichten,

a) die Promotionszeit vom 16. Oktober 977 bis zum 31. September 1983 im gesetzlichen Höchstumfang von zwei Jahren,

b) die Tätigkeit bei der Firma L. vom 1. Februar 1990 bis zum 31. August 1997, sowie

c) die Tätigkeitszeit als Professor an der FH F. vom 1. September 1997 bis zum voraussichtlichen Eintritt in den Ruhestand am 1. Oktober 2017 als ruhegehaltfähige Dienstzeiten anzuerkennen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Klageverfahren wird gemäß § 130b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit Urteil vom 8. Januar 2007 - 9 E 2431/06 (V) - hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, den Kläger hinsichtlich der Anerkennung der hauptberuflichen Tätigkeit bei der Firma L. zwischen dem 1. Februar 1990 und dem 31. August 1997 als ruhegehaltfähige Dienstzeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, mit den Klageanträgen zu a) und c) werde offensichtlich nur der gewünschte Wortlaut des Anerkennungsbescheides wiedergegeben, da der angefochtene Bescheid bereits Feststellungen zur Promotionszeit und zur Dienstzeit des Klägers als Professor enthalte. Dem Antrag zu b) sei nur teilweise zu entsprechen. Der Beklagte habe die berufliche Tätigkeit des Klägers bei der L. dem Grunde nach als ruhegehaltfähig angesehen und damit die Förderlichkeit dieser Tätigkeit im Sinne von § 44 Nr. 4 Buchst. c HRG (entsprechend § 29 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fachhochschulgesetz 1995 - FHG -) bejaht. Für die ersten fünf Jahre dieser Tätigkeit gelte die Sollregelung in § 67 Abs. 2 Satz 4, 1. Halbs. BeamtVG, während auf die verbleibende Zeit bis August 1997 die Kann-Bestimmung im 2. Halbsatz der Vorschrift anzuwenden sei. Zu Unrecht berufe sich der Beklagte auf die auf Laufbahnbewerber mit vorgeschriebenem Ausbildungsgang zugeschnittene Ausnahmebestimmung des § 12b BeamtVG. Der Kläger verlange gerade nicht die Anerkennung der bis 1989 in der ehemaligen DDR zurückgelegten Beschäftigungszeiten, sondern der Tätigkeiten bei der Firma L. ab Februar 1990. Die Bezugnahme auf Nr. 12.1.16 der Verwaltungsvorschriften zum BeamtVG (BeamtVGVwV) sei in mehrfacher Hinsicht ermessensfehlerhaft. In den Verwaltungsvorschriften zu § 12 oder § 11 BeamtVG sei kein Hinweis hierauf enthalten. Der Gesetzeszweck des § 67 Abs. 2 Satz 4 BeamtVG werde nicht angemessen berücksichtigt. Danach seien auch förderliche und nicht nur vorgeschriebene Tätigkeitszeiten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG anzuerkennen. Nr. 12.1.16 BeamtVGVwV betreffe eine in das freie Ermessen des Dienstherrn gestellte Anrechnung, während § 67 Abs. 2 Satz 4 BeamtVG im ersten Halbsatz eine Sollregelung enthalte, die zugleich auf Einstellungsvoraussetzungen besonderer Art für Professorenämter verweise. Der Kläger habe nach unwidersprochenem Vortrag die für sein Professorenamt entscheidenden Qualifikationen erst ab 1990 durch seine berufspraktische Tätigkeit bei der L. erworben. Dieser Umstand sei auch für die Ausübung des weitergehenden Ermessens über die Anerkennung zusätzlicher Zeiten nach § 67 Abs. 2 Satz 4, 2. Halbs. BeamtVG bedeutsam. Die in § 67 Abs. 2 Satz 5 BeamtVG ermöglichte Ausdehnung der Grenze von zehn Jahren habe der Beklagte nicht erwogen.

Gegen dieses am 10. Januar 2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte fristgerecht die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und mit einem am Montag, den 12. März 2007 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag begründet. Er trägt vor, der Kläger habe nach dem Inhalt des Berufungsvorschlags des Fachbereichs Feinwerktechnik vom 14. Februar 1997 zwei Qualifikationsphasen durchlaufen, und zwar von 1982 bis 1989 beim VEB R. in D. und anschließend ab Februar 1990 bis zur Bewerbung an die Fachhochschule F. bei der Firma L.. Die insgesamt 14-jährige praktische Tätigkeit als Konstrukteur in zwei Großunternehmen sei als zusammenhängende, einheitliche Qualifikationsphase berücksichtigt worden, in welcher der Kläger seine theoretischen Kenntnisse intensiv in praktische Konstruktionsarbeit umgesetzt habe. Über die Regelung in dem angefochtenen Bescheid vom 12. April 2006 hinaus könnten praktische berufliche Tätigkeiten nicht angerechnet werden, weil sie bereits durch erworbene Rentenanwartschaften versorgungsrechtlich abgedeckt seien. Der Beklagte halte sich in ständiger Verwaltungspraxis an die in § 67 Abs. 2 Satz 5 BeamtVG als Regel enthaltene Höchstgrenze von zehn Jahren für die Anerkennung hauptberuflicher, qualifizierender Tätigkeiten. Die Ermessensbindung durch Nr. 12.1.16 BeamtVGVwV diene der Gleichbehandlung gleichgelagerter Sachverhalte.

Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 25. Januar 2007 sinngemäß, das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 8. Januar 2007 - 9 E 2431/06 (V) - aufzuheben, soweit darin der Klage teilweise stattgegeben worden ist, und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 5. April 2007,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, der Beklagte habe bei seinen Ermessenserwägungen nicht berücksichtigt, dass er die dem Professorenamt förderliche und im Sinne des § 29 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FHG 1995 bei der Berufung vorausgesetzte berufspraktische Qualifikation erst bei der Firma L. erworben habe. Dem entspreche der Inhalt des Berufungsvorschlags vor allem hinsichtlich der Erfahrungen mit rechnergestützter Feinwerkkonstruktion (CAD) und vergleichbaren Arbeitstechniken. Die in der ehemaligen DDR absolvierten berufspraktischen Tätigkeiten seien demgegenüber nachrangig. Die bloße Bezugnahme auf Nr. 12.1.16 BeamtVGVwV stelle eine Ermessensunterschreitung dar.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen und des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des Verwaltungsvorgangs des Beklagten (zwei Bände) Bezug genommen, der vorgelegen hat und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter, nachdem die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 3. Juli 2007 ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2, 87a Abs. 2 und 3 VwGO).

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ist auch im Übrigen gemäß § 124a Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 Sätze 1, 2 und 4 VwGO zulässig; sie ist insbesondere rechtzeitig begründet worden, da der letzte Tag der Begründungsfrist (vgl. § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO) auf einen Sonnabend fiel.

Die Berufung richtet sich gegen den wegen fehlender Spruchreife nur teilweise stattgebenden Ausspruch des erstinstanzlichen Urteils über den Klageantrag zu b) betreffend die Tätigkeit des Klägers bei der L.. Dieser Antrag war entsprechend der Auslegung des Verwaltungsgerichts alleiniger Streitgegenstand des Klageverfahrens, während die Anträge zu a) und c) offensichtlich nur den vollständigen Inhalt des vom Kläger angestrebten Bescheides wiedergeben sollten. Hiervon ausgehend ist die Berufung insgesamt unbegründet; denn der angefochtene Bescheid vom 12. April 2006 ist im Hinblick auf die Anerkennung der Vordienstzeiten des Klägers bei der Firma L. rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinem Recht auf rechtsfehlerfreie Entscheidung über die ruhegehaltfähige Dienstzeit (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

Über die streitgegenständliche Beschäftigungszeit vom 1. Februar 1990 bis zur Berufung als Professor mit Wirkung vom 1. September 1997 hat der Beklagte in der Weise entschieden, dass alle insgesamt 14 Jahre umfassenden berufspraktischen Tätigkeiten des Klägers als Konstrukteur in D. und Frankfurt am Main zusammengefasst und als Qualifikationsphase ("hauptberufliche Tätigkeit, in der besondere Fachkenntnisse erworben wurden, die für die Wahrnehmung des Amtes förderlich sind", § 67 Abs. 2 Satz 4 BeamtVG) insgesamt nicht als ruhegehaltfähig anerkannt wurden. Dabei ist der Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger die im Stellenprofil enthaltene Mindestzeit von 5 Jahren berufspraktischer Tätigkeit bereits in der ehemaligen DDR erfüllt habe, so dass es auf die bei der Firma L. erworbenen Qualifikationen versorgungsrechtlich nicht mehr ankomme. Das hält gerichtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Verwaltungsgericht hat die geltende Rechtsgrundlage für die Bestimmung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit bei der Versorgung von Professoren detailliert dargestellt und die der Festsetzungsbehörde jeweils eingeräumten, unterschiedlichen Beurteilungs- bzw. Ermessensspielräume präzise gekennzeichnet. Das bedarf keiner Wiederholung; der Senat teilt die am Maßstab der besonderen Einstellungsvoraussetzungen nach § 29 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FHG zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Förderlichkeit in § 67 Abs. 2 Satz 4 BeamtVG vertretene Auffassung uneingeschränkt. Gleiches gilt für die Differenzierung zwischen der in dieser Norm angelegten Soll- und Kannregelung bezüglich hauptberuflicher Tätigkeiten in der Qualifikationsphase.

Zu Recht beanstandet das Verwaltungsgericht, der Beklagte habe sein Ermessen nicht hinlänglich am Zweck der gesetzlichen Regelung ausgerichtet, indem er sich an die für Laufbahnbewerber mit Ausbildungs- und Berufszeiten in der ehemaligen DDR geschaffene Sondervorschrift des § 12b BeamtVG sowie an die zu § 12 BeamtVG ergangene Verwaltungsvorschrift der Nr. 12.1.16 BeamtVGVwV gebunden geglaubt habe. Es trifft zunächst zu, dass beide Bestimmungen auf die versorgungsrechtliche Behandlung berufspraktischer Tätigkeiten von Professoren als besondere Beamtengruppe im Sinne des Abschnitts IX des BeamtVG nicht zugeschnitten sind. Gleichwohl ist nach Auffassung des Senats § 12b BeamtVG unmittelbar anwendbar, und es spricht auch nichts Grundlegendes dagegen, dass der Beklagte in ständiger Verwaltungsübung die in Nr. 12.1.16 BeamtVGVwV enthaltene Begrenzung für die Anerkennung qualifizierender beruflicher Tätigkeiten im Wege der Selbstbindung des in § 64 Abs. 2 Satz 4 BeamtVG eingeräumten Ermessens auch bei der Anerkennung von Vordienstzeiten der Professoren als ruhegehaltfähig regelmäßig einhält.

Es ist anerkannt und auch zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens nicht umstritten, dass die Verwaltung ihr Ermessen sowohl durch Verwaltungsvorschriften als auch durch reine Verwaltungsübung für die Zukunft binden darf (vgl. grundlegend BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 1967 - VI C 86.64 - ZBR 1968, 187 und vom 14. Januar 1980 - 6 C 34.78 - ZBR 1981, 65; aus neuerer Zeit Beschlüsse vom 25. September 1998 - 5 B 24.98 - sowie vom 26. Juni 2007 - 1 WB 12.07 - jeweils bei juris). Eine derartige, gleichmäßige Ermessensausübung unterliegt gerichtlicher Kontrolle im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO in derselben Weise wie eine im Einzelfall ergehende Ermessensentscheidung nur hinsichtlich der Einhaltung der durch einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt, Zweckverfehlung, Unsachlichkeit oder Willkür gekennzeichneten Grenzen des Ermessens.

Bei Zugrundelegung dieses Maßstabes erscheint es nicht von vornherein als rechtsfehlerhaft, dass die Verwaltung ihren Bindungswillen nach Nr. 12.1.16 BeamtVGVwV im Hinblick auf Zeiten praktischer Tätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 auf praktische Tätigkeiten im Sinne des § 67 Abs. 2 Satz 4 BeamtVG erstreckt. Das ist nicht schon deshalb sachwidrig, weil für Professoren an Fachhochschulen spezielle Einstellungsvoraussetzungen gelten. Dieser Umstand hat Einfluss auf die Auslegung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Förderlichkeit, während die Ermessensbindung in Nr. 12.1.16 BeamtVGVwV allein die Frage betrifft, mit welchem Zeitpunkt die Anrechnung einer förderlichen Tätigkeit zu beginnen hat.

Der Senat sieht den Ermessensfehlgebrauch im vorliegenden Fall vielmehr im Zusammenspiel beider ermessensleitender Regelungen. In der Entscheidung des Beklagten wird im Ergebnis doppelt zu Lasten des Klägers berücksichtigt, dass er einen Teil seiner Vordienstzeit in der ehemaligen DDR verbracht hat.

§ 12b BeamtVG bestimmt den Vorrang des Rentenrechts für die Versorgung von ehemaligen DDR-Bediensteten. Ausbildungs- und andere Vordienstzeiten, die bis zum 3. Oktober 1990 zurückgelegt wurden, sollen unter bestimmten rentenrechtlichen Voraussetzungen nicht als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden, damit Beamte mit Rentenansprüchen nicht "überversorgt" werden. Diese Regelung ist verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2003 - 2 BvR 192/01 - zu BVerwG, Urteil vom 16. November 2000 - 2 C 23.99 - ZBR 2002, 210; OVG Nds., Urteil vom 28. April 1999 - 2 L 620/97 - in Schütz, Beamtenrecht ES/C II 1.6 Nr. 2) und auch auf Zeiten im Sinne von § 67 Abs. 2 BeamtVG anwendbar, da Vordienstzeiten, die im Alterssicherungssystem der früheren DDR bis zum 3. Oktober 1990 bei fehlender Beamtenversorgung zu Rentenansprüchen führten, grundsätzlich gleich behandelt werden sollen. Dies führt ohne weiteres zu dem Ergebnis, dass Vordienstzeiten des Klägers in der DDR nicht als ruhegehaltfähig anerkannt werden können, weil Rentenanwartschaften begründet worden sind, wie sich aus der vorliegenden Rentenauskunft vom 29. April 2003 (Bl. 164 ff. der Personalakte) ergibt.

Fehlerhaft ist es aber, die berufspraktischen Vordienstzeiten des Klägers unter dem Blickwinkel der "vorgeschriebenen Mindestzeit" im Sinne von § 29 FHG 1995 zusammenzufassen und ihren bei Ermittlung des "frühestmöglichen Zeitpunkts" (Nr. 12.1.16 BeamtVGVwV) maßgeblichen Beginn zurückzuverlagern in einen Zeitabschnitt, der gemäß § 12b BeamtVG versorgungsrechtlich nicht berücksichtigt werden darf. Der Kläger würde dadurch doppelt belastet, weil die genannten Zeiten nicht ruhegehaltfähig sind und darüber hinaus bei der Ermittlung der nach § 67 Abs. 2 Satz 4 BeamtVG maßgeblichen Fristen zu seinen Lasten ins Gewicht fallen würden (wie hier VG Dresden, Urteil vom 4. April 2006 - 11 K 18/03 - Juris). Die darin liegende Benachteiligung einer Beamtengruppe, die auf Grund ihrer Tätigkeit in der ehemaligen DDR diese Fristen regelmäßig nicht voll erfüllen kann, ist mit dem Sinn und Zweck der Sonderregelung des § 62 Abs. 2 Satz 4 BeamtVG nicht vereinbar.

Diese begründet kein versorgungsrechtliches Privileg für Professoren, sondern regelt entsprechend der Darstellung des Verwaltungsgerichts Besonderheiten bei Beamten, deren Ämter abweichend von der Regel nicht zu einer Laufbahn zusammengefasst sind. Es fehlt bei diesen Beamtengruppen an einer einheitlich geregelten Vor- und Ausbildung für Ämter einer Fachrichtung. Der Begriff der Förderlichkeit bestimmter Tätigkeiten für eine Laufbahn (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG) schließt jedoch denjenigen der Förderlichkeit für das einzelne tatsächlich innegehaltene Amt mit ein (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11. November 1986 - 2 C 4.84 - NVwZ 1987, 807 = ZBR 1987, 159). § 62 Abs. 2 Satz 4 BeamtVG darf daher nicht im Sinne einer Einschränkung der allgemeinen Anrechnungsregeln in §§ 10 bis 12 BeamtVG angewendet werden. Die Vorschrift eröffnet vielmehr zusätzliche Möglichkeiten der Anrechnung gewisser außerhalb des öffentlichen Dienstes verbrachter Zeiten (so VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. November 1988 - 4 S 2669/87 - RiA 1989, 267) für eine Berufsgruppe, deren Ausbildungs- und Einstellungsvoraussetzungen stark variieren und von denjenigen der Laufbahnbeamten zum Teil erheblich abweichen.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend hervorgehoben, dass § 12b BeamtVG schon nach seinem Wortlaut der Anerkennung der mit der Klage allein geltend gemachten Zeiten nach dem 1. Februar 1990 als ruhegehaltfähig nicht entgegen steht. Hinzuzufügen ist, dass der Normzweck des § 67 BeamtVG es nicht gestattet, dem Rechtsgedanken des § 12b BeamtVG - sei es auch nur indirekt im Rahmen der Anwendung der Nr. 12.1.16 BeamtVGVwV - bei der Ermittlung der Fünf- und Zehnjahresfrist in § 67 Abs. 2 Sätze 4 und 5 BeamtVG erneut Geltung zu verschaffen. Somit kann dem Kläger im Hinblick auf die begehrte Anerkennung nicht entgegen gehalten werden, dass eine förderliche berufspraktische Tätigkeit bereits in der DDR vor dem 3. Oktober 1990 geleistet worden sei.

Der Beklagte wird daher sein Ermessen in den ihm in Satz 4 der Vorschrift eingeräumten, unterschiedlichen Spielräumen erneut zu betätigen und dabei den substantiierten Vortrag des Klägers zur ausschlaggebenden Bedeutung der berufspraktischen Tätigkeit bei der L. für seine Berufung zum Professor an der Fachhochschule F. zu bewerten haben. Eine weiter gehende Entscheidung unter Betätigung des Ausnahmeermessens nach § 67 Abs. 2 Satz 5 BeamtVG ist dagegen nicht geboten, weil der geltend gemachte Zeitraum die Regelhöchstdauer von zehn Jahren nicht überschreitet.

Da die Berufung erfolglos bleibt, hat der Beklagte gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen

Die Revision wird nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen zur Klärung der Frage der Anerkennung von Vordienstzeiten ehemaliger Bediensteter in der DDR im Rahmen des § 67 Abs. 2 Sätze 4 und 5 BeamtVG.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 17.820,24 € festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Der Senat berechnet den Streitwert ebenso wie das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. Januar 2007 unter Anwendung der Grundsätze zum sog. Teilstatus für Klagen, die nicht unmittelbar auf den Erlass eines Zahlungen auslösenden Verwaltungsakts gerichtet sind, sondern der Klärung von Anspruchsvoraussetzungen dienen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG n. F.).

Ende der Entscheidung

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